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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010503013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901050301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901050301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-03
- Monat1901-05
- Jahr1901
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Bezugs-Preis dl der Hemptexprdition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Au» gabrstellen adgrholt: vierteljährlich ^l 4.50, bei zweimaliger täglicher Zunellung in» HauS 5.50. Durch dir Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljShrl. -Sl 6. Man abonnirt ferner mit entsprechenden, Postausschlag bet den Poslanstalten tu der Schweiz, Italien, Belgien, Holland. Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäische» Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blatte« möglich. Di» Morarn-AuSgabe erscheint um '/»? Ubr, die Abenv-AuSgabe Wochentag« um 5 Uhr. Ne-artion und Lrpe-ition: JvhanniSgasse 8. Filiale«: Alfred Lahn vorm. O. Klemm'« Sorttm. UmversitätSstraße S (Paulinum), Louis Lösche, Kntharinenstr. 14, purt. und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MpMrr TaMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Hönigticheir Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige« «Preis die ögefpaltene Petitzeile 25 F. Reklamen unter dem Redacrtoa«strich (-gespalten) 75 H, vor den Familirnnach« richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 35 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .ck Ü0.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmrschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 biS Abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz iu Leipzig. 223. Freitag den 3. Mai 1901. 95. Jahrgang. Neuausbtt-ung der Schiffsjungen. * Die Ausbildung der Schiffsjungen in der kaiserlichen Marine hat abermals eine Aenderung erfahren, über die wir bei den, 'Jntcresse, das alle die Marine betreffenden Angelegen heiten auch im Binnenlarrde erregen, ausführlich zu berichten, uns für verpflichtet erachten. Diese Aenderung besteht hauptsächlich in einer Kürzung der Ausbildungszeit. Während die Ausbil dung bei normalem Derlauf früher 2 Jahr« Dauerte, wird si: jetzt in IsH Jahren erledigt. Mt der Ausbildungsänderung ist auch eine Aenderung der Organisation eingrtreten. An die Stelle der jetzigen Schiffs jungen -Abtheilung tritt die Schiffsjungen -Division. Garnison bleibt Friedrichsort. An der Spitze der Schiffsjungen- Dioision steht ein Stabsofficicr des Seeofsiclercorps als Com- marrdeur mir den Befugnissen und Pflichten des Commanbeurs einer Matrosen-Division. Derselbe wird thunlichst denjenigen Kommandanten der Schiffsjungcnschulschiffe entnommen, deren Bordcommando mit dem betreffenden Frühjahr abläuft. Adju tant der Schiffsjungen-Division ist ein Oberleutnant zur See ober Kapiränleutnanl. Derselbe kann nach Befinden des Com- mandeurs bei der Ausbildung der Jungen in beschränktem Matze Verwendung finden. Sein Commando bleibt auch während der Zeit fortbestehen, während welcher «ine Landausbildung von Schiffsjungen nicht erfolgt. Die Division bildet während der Dauer der Landausbildung der Schiffsjungen in der Regel so viele Compagnien, als Schulschiffe an der Abgabe von Jungen an die Division betheiligt sind. Jede Compagnie wird durch einen Kapitänleutnant oder älteren Oberleutnant zur See ge führt. Diese werden, soweit durchführbar, denjenigen Officieren entnommen, die sich mit den Jungen der betreffenden Compagnie gemeinsam an Bord des Schulschiffes befunden haben. Jeder Compagnie werden wenigstens zwei Oberleutnants bezw. Leut nants zur See oder zwei Officiere der Marineinfanterie als Compagnieofficiere während der Dauer 'der Landausbildung zu- getheilt. — Für den ärztlichen Dienst werden ein Stabsarzt und Assistenzärzte nach Bedarf (je nachdem, an wieviel Stellen die Schiffsjungen untergebracht werden) vom 1. April bis zur Be endigung der Landausbildung der Jungen zur Schiffsjungen- Dioision commandirt. Die ärztliche Behandlung der außerhalb dieser Zeit bei 'derselben verbleibenden Personen übernimmt die I. Matrosenartillerie-Abtheilung. — Ein Zahlmeister befindet sich dauernd bei der SchiffSjungen-Division comma-nsirt. Für oie Dauer der Ausbildung der Schiffsjungen «bei der Division wird ein Zahlmeisteraspirant zu seiner Unterstützung zur Division commandirt. Das Unterpersonal setzt sich aus dauernd bei der Division commandirtem und solchem zusammen, welches der Division nur während der Landausbildunz -der Jungen zuge- theilt ist. Die Anmeldung für ven Eintritt erfolgt entweder persönlich beim heimathlichen 'Bezirkscoinmando oder beim Com- uiando der Schiffsjungen-Division in FriebcichSort. Der einzu stellend« Junge soll in der Regel IQsH Jahre alt sein, darf jedoch .weder jünger als 14s^, noch ält«r als 18 Jahre sein. Die Ein stellung unter 15 Jahren seht besonders kräftige Körperentwicke lung voraus. Die Einstellung findet in den ersten Tagen des April statt. Die Schiffsjungen bleiben einige Zeit — ungefähr 3 Wochen — am Lande behufs Einkleidung und ersten Anleitung. Darauf «rfolgt ihre Einschiffung. Die Schulschiffe unternehmen in der Regel während der ersten Wochen Uebungsfahrten in der Ostsee, an welche sich «ine Auslandsreise anschließt, von der sie Ende März des nächsten Jahres in der Heimath wieder eintreffen. — Jetzt erhalten die Schiffsjungen bis zu 1 Monat Heimaths- urlaub. Die Reise ist frei. — Nach Rückkehr vom Urlaub beginnt oie infanteristisch« Ausbildung bei dec Schiffsjungen-Dioision, die bis zum Herbst dauert. Bei der infanteristischen Ausbildung füllen auch die seemännischen Fächer Berücksichtigung finden, so weit dies am Land« durchführbar ist. — Nach Beendigung der Landausbildung werden di« Schiffsjungen unter Ernennung zu Matrosen "bezw. Torpedomatroscn den Matrohendivisionen bezw. Torpedoabtheilungen überwiesen. — Noch zu jugendliche, d. h. solch« Jungen, die nach IsHjähriger Dienstzeit daS für die Er nennung zum Matrosen gesetzmäßige Alter von 17 Jahren noch nicht erreicht haben, und solch« Jungen, die in ihrer körperlichen Entwickelung oder seemännischen Ausbildung zurückgeblieben sind, können im Anschluß an das erste Jahr noch ein zweites Jahr an Bord belasten werden, bevor sie für ihre infanteristische Aus bildung ausgeschifft werden. — Solche Schiffsjungen können nach l^jähriger Dienstzeit zu Schiffsjungen-Unterofficieren er nannt werden. — Schiffsjungen, welche nach zweijähriger Ein schiffung die seemännische Reise, bezw. solche, welche nach erfolg ter infanteristischer Ausbildung die allgemeine Reife zum Matrosen nicht erlangt haben, werden entlassen. Wenn «besondere Umstände es rechtfertigen, können Schiffsjungen im Anschluß an das für ihre infanteristische Ausbildung vorgesehene Halbjahr noch ein weiteres halbes Jahr in der SchiffSjungen-Division be lasten werden. — Ehemalige Schiffsjungen dienen für di« ge nossene Ausbildung — einschließlich der AuSbilduiegSzeit und der gesetzlichen dreijährigen Dienstpflicht — im Ganzen S Jahre. Diese Dienstzeit setzt sich folgendermaßen zusammen und wird in nachstehender Reihenfolge abgeleifiet: a. für Leute, die IsH Jahre als Schiffsjungen ausgebildet sind: 1^ Jahre als Schiffsjunge, 3 Jahre aesetzlicher Dienstpflicht, 4^H Jahre für genossene Aus bildung; v. Schiffsjungen, die «in zweites Jahr auf dem Schul schiffe eingeschifft waren, sowie solche, die noch der infanteristi schen Ausbildungszeit noch ein weiteres halbes Jahr der Schiffs- jungen-Division angehört haben, dienen um diefe, ihnen als be- sonvere Vergünstigung gewährte Ausbildungszeit, über 8 Jahre hinaus (mithin 10 bezw. 9sH Jahre). Für «ine so lange Dienst zeit müssen sich die Schiffsjungen bei ihrem Eintritt verpflichten. Der neue AuSbildungsmoduS findet bereits für die zur Zeit auf den Schulschiffen befindlichen Schiffsjungen des Jahrgangs 1900 Anwendung. Der Jahrgang, der noch ungefähr 740 Köpfe zählt, wird mit Ausnahme von ca. 90 Jungen, die noch zu jung sind, während dieses Sommers in FriednchSort infanteristisch ausgebildet. Di« Jungen wurden nach Rückkehr der Schiffe — Ende März — beurlaubt. Ende April hat di« Ausbildung be gonnen. Die Jungen sind in 3 Eompagnien ring«theilt und in 3 Forts untergebracht. Von dem alteren Jahrgang — 1899 — sind nur noch 62 Jungen vorhanden, die anderen — der Jahrgang zählte ca. 800 — sind inzwischen bereit» zu Leichtmatrosen bezw. Matrosen er nannt. Dies« 62 Jungen befanden sich bi»her ausschließlich auf dem Schulschiff« „Charlotte. Sie wurden am 1. April bezw. 1. Mat mit je 81 auf die beiden Matrosendtvifionen vrrtheilt und werden bei «ner Matrosendivision zusammen infanteristisch aus gebildet. Der Krieg in Südafrika. Englisches AriedcnSbcdursniß. Man schreibt uns aus London unter dem 1. Mai: Die Nachrichten vom Kriegsschauplatz bringen nach wie vor wenig Neue», und auch über das große „Kesseltreiben" im nordöstlichen Transvaal, den schon vor Wochen in der englischen Presse triumphirend ein baldiges erfolgreiches Ende prophezeit wurde, hört man fast gar nichts mehr. Tie englischen Colonnen sehen sich in den Distrikten der Zoudspanberge eben größeren Schwierigkeiten gegen über, als sie bisher auf irgend einem andern Theile deS Kriegsschauplatzes zu überwinden batten, und außerdem soll das Absterben der Pferde in den berittenen britischen Truppen geradezu erschreckenden Umfang angenommen haben, wodurch natürlich die Operationen vielfach vollständig paralysirt worden sind und noch werden. Es herrscht augenblicklich wieder dieselbe Ruhe und Stille, wie damals vor den ersten von Kitchencr durch Frau Botha eingeleiteten Friedensverhandlungen mit den Boeren, und wenn auch einstweilen von den erneuten Pourparlers officiell oder officiöS nickt ein Wörtchen laut wird, so weisen dock verschiedene Anzeichen deutlich darauf hin, daß thatsäcklich zwischen Kitchencr und Botha wieder „etwas im Gange ist". — Sir Alfred Milner ist bereits auf dem Wege nach Kapstadt und hat Lord Kitckener für weitere Verhandlungen mit den Boeren freie Hand gelassen. In Londoner Kreisen, die der Regierung nahe stehen und gewöhnlich über gute und sichere „Fühler" ver fügen, weist man die Idee eines erneuten Verkehrs zwischen Kitchencr und Botha nicht nur nicht zurück, sondern rechnet damit sogar als eine ganz selbstverständliche, wenn auch unverbindliche Thatsache, spricht auch schon ganz offen aus, daß der Wind in Downing - Street langsam aber sicher immer mehr aus einer anderen Richtung weht, als es noch bis zur Wiedereröffnung der Parlaments- sitzungen der Fall war. Der Schein, als ob noch Alles beim Alten wäre, wird natürlich noch ängstlich gewahrt und kann auch so bald einem offenen und rückhaltlosen Zugeständniß der kriegSmrdcn Resignation noch nickt Pla^. machen. Wenn erst der Rücktritt Sir Alfred Milner'S officielle Thatsache geworden ist — und dieses Ereigniß soll in gar nicht allzu ferner Zukunft nach allmäblicker Vorbereitung des lieben PublicumS als unvermeid liche Notbwendigkeit zugestanden werden — bann er wartet man eine beschleunigtere Entwickelung in der Erledigung der bereits unerträglich gewordenen süd afrikanischen Frage. Nur wenige Wockcn werden da ganze Bild der für England so unerfreulichen und ver worrenen Lage in mehr als einer Hinsicht gründlich ändern, wenn auch nicht so, wie die an Zahl und Macht immer schwächer werdenden JingoS es vielleicht heute noch erwarten. Tie erzwungene Rückkehr des Generals French Aus London, 1. Mai, wird uns weiter geschrieben: Don einer wohlunterrichteten militärischen Seite wiro zugegeben, daß die Rückkehr des Generals French keine freiwillige war, sondern daß dieselbe von ven Boeren erzwungen wurde. Die vor vier Tagen aufgetauchte Meldung, daß French auf seinem letzten Zuge durch das östliche Transvaal in einen Hinterhalt ge- rathen und von den Boeren gefangen genommen war, beruht« auf Wahrheit. Er war darauf entlassen worden, nachdem er sich unter Verpfändung seines Ehrenwortes verpflich tet hatte, nicht mehr gegen die Boeren zu kämpfen. Auf diese Weis« ist Lord Kitckfener seines anerkannt «besten Unterfeldherrn beräubt worden. Die Wirren in China. * Berlin, 2. Mai. („Wolff's Telegr. Bureau.") Feldmarschall Graf Waldersee meldet auS Peking unter dem 1. Mai: Nach den jetzt vorliegenden Berichten beträgt der Gesamm tVerlust in den Gefecktrn am 23. und 24. April: Leutnannt Drewcllo und 7 Mann sind todt (davon sind 2 beim Fouragiren von den Einwohnern erschlagen worden und 2 bei einer Pulverexplosion nmgrkommen). Leutnant Richert vom 1. Regiment und 12 Mann sind schwer verwundet, Major Mühlenkels vom 1., Leutnant Düsterberg vom 3., Leutnant Koch vom 4. Regiment und 34 Mann leicht verwundet» Oberst Hoffmeister ist durch einen Absturz vrrletzt worden. Erbeutet wurden 18 Schnellfeuerkanonea und «ine große Zahl Geschützrohre alter Construction. »ecu»« — in China. (Schluß.) Die Anklageschrift fährt fort: „Als die Boxer eben erst nach Peking herringekommen waren, wurden Prinzen, Herzöge, sowie hauptstädtische und auswärtige Würdenträger und Beamte zur Audienz geladen und über die beiden Methooen, nämlich der ge waltsamen Ausrottung oder der gütlichen Besänftigung, befragt. ES gab solche, und zu denen gehörten wir, die ihre Meinung dahin abgaben, die Boxer seien keine Patrioten, man könne sich auf sie für den Widerstand gegen den Feind nicht verlassen, und man dürfe nicht ohne Grund leicht fertig mit den Mächten Feindseligkeiten beginnen. Hsütung, Kang-hi und Genossen hatten den Muth, in Gegenwart der Kaiserin-Regentin und des Kaisers diese Meinung als empörerisch zu tadelm, Sollten aber 100000 schief geschliffene Schwerter in der 2bat hin«ichrn, um den Feind zu besiegen, dann würden auch wir mit aller uns innewohnenden Energie freudig bereit sein, jene Bande (die Europäer) auf einem Haufen zusammenzuhauen. Andernfalls aber ist e» eine Selbsttäuschung, durch di« auch das Reich zu Schaden kommt. DaS Empörerisch« dürfte daher nicht bei uns liegen. Im fünften Monat erhielten Kang-yi und Chao-shu- chiao Befehl, nach Ehochien zu gehen, um die Boxer zu zerstreuen. Di« Boxer zwanaen sie, vor ihnen niederzuknien und Weihrauch zu opfern, wobei sie allerhand ungereimte-, nichtige» Zeug redeten. Chao - shu » chiao wußte sehr Wohl, daß jene Reden wahnwitzig waren, und die Beamten seine» Befolge» seufzten laut auf, von tödtlichem Haß erfüllt. Nur deshalb wagte er es nicht, seine abweichende Meinung zu constatirrn, weil Kang - hi an die übernatürlichen Künste glaubte. So erließ er denn nur einige Hundert Proklamationen, erledigte damit die Angelegenheit ganz oberflächlich und berichtete als Ergebnitz, die Borer seien zerstreut. Wenn aber die Boxer zerstreut sein sollten, wie konnten sie dann noch in solch' zahllosen Schaaren auf tauchen, daß es kaum möglich schien, sich ihrer zu erwehren? Und wie kam es, daß auf einen so willkürlich leichtsinnigen Bericht der Hof kein Wort des Tadels hatte? Neulich ist Tientsin gefallen; die fremden Truppen dringen allmählich immer näher vor, ohne daß oie Boxer sie hätten mit ihren Zauberkünsten am Vormarsch verhindern können. Es steht zu befürchten, daß sie schon im Laufe einer Decade gerade auf die Hauptstadt los dringen. Wie werden wir dann dastehen, wenn die kaiserlichen Tempel erbeben und die Millionen Bewohner in Roth und Elend gerathen? Beim Gedanken hieran füllt sich unser Inneres mit Kummer, während Hsütung, Kang-yi und Consorten auf dem leck gewordenen Schiffe weiter schwatzen und lachen und sich in Ruhe ihres Daseins erfreuen, indem sie in den Boxern die feste Mauer sehen, die sic schützt, und am Hofe wimmelt es von verbohrten Leuten, gleich als ob sie betrunken oder ganz närrisch wären. Mitglieder der kaiserlichen Familie, Nachkommen hoher Adels geschlechter, Beamte vom höchsten Range, Berather der Krone, sie Alle glauben zum großen Theile an die übernatürliche Macht der Boxer, so daß sogar in Prinzenpalästen Boxer altäre errichtet worden sind. So hat die Dummheit Der Boxer Hsütung, Kang-yi und Ge nossen angesteckt, und die Dummheit von Hsütung, Kang-yi und Genossen wieder hat Prinzen und Herzöge erfaßt. Hsütung, Kang - hi und Genossen sind der Mittelpunkt, von dem aus das Unglück sich vollzieht. Wenn Ihre Majestäten die Kaiserin- Regentin und der Kaiser nicht die hohen Würdenträger, die von vornherein den Boxern ihren Beistand und ihren Schutz gewährt haben, für dieses Verbrechen am Leben strafen und so den Reichsgesetzen Geltung verschaffen, dann steht zu befürchten, daß noch alle Hochwürdenträger von oen Boxern verführt werden, und dann werden auch die höchsten Beamten der Provinzen einer nach dem'anderen dieselbe Bahn beschreiten, Uühsiem und Diilu werden dann hierin nicht mehr vereinzelt dastehen. Nach unserer unmaßgeblichen Meinung ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo, wenn die Boxer nicht vollständig niedergekämpft werden, durch nichts die fremden Truppen zurückgehalten werden können, und wo, wenn nicht diejenigen Großwürden- träger, die den Boxern ihre Protection ge währt haben, bei Seite geschafft werden, man auch die Boxer nicht niederkämpfen kann. Wie hätten diese Banditen im ersten Stadium der Bewegung es auch nur gewagt, kaiserlichen Erlassen zu trotzen, Beamte zu beleidigen, Regierungsgut zu zer stören? Wir hätten sie es auch damals nur gewagt, mit be waffneter Hand zu brennen, zu plündern, friedliche Bürger zu morden? Erst, als sie von Hsütung, Kang-yi und Consorten für Patrioten erklärt worden waren, da nahm di« Macht der Borer zu, da wurde das unwissende Volk immer mehr zu Ge- waltthaten aufgereizt, da sammelte sich immer mehr Gesindel zusammen. Hätte Mihsien es im vorigen Jahre vermocht, diese Banditen kräftig niederzulampfen, sann hätte sich die Bewegung unter keinen Umständen bis nach Chili fortgrpflanzt; hätte auch noch in diesem Frühjahr Jülu energische und ausreichende Ab- wehrmaßregrln ergriffen, dann wären die Banditen nicht bis in die Reichshauptstadt eingedrungen: hätten Hsütung, Kang - yi und Genossen sie nicht als Patrioten bezeichnet, dann hätten di« Banviten es immer noch nicht gewagt, ihrer grausamen Gier, zu brennen, zu plündern und zu morden, die Zügel schießen zu lassen. Geht man daher der Sache auf den Grund, so findet man, auf welche Hauptverbrecher die Schuld zurückfällt. Es wird daher der Erlaß eines Ediktes beantragt, in dem zunächst Hsütung, Kang-yi, Chihsin, Chao-shu- chiao.Aülu, N ühsien und Tung-fushiang mit der schwersten Strafe bestraft werden, während die Uebrigen, welch« den Boxern ihren Schutz haben zu Theil werden lassen und die dem Hsütung, Kang - yi und Genossen an unüber legtem Leichtsinn gleichstehen, Alle so bestraft werden, wie sie es ihrer Schuld nach verdienen, und zwar ohne irgendwelche Straf milderung aus dem Grunde, weil sic etwa wegen ihrer hohen Stellung oder ihrer Verwandtschaft zu den privil«girten Classen gehörten. Dann wird es den Mächten klar werden, daß, wenn die Banditen dazu kommen könnten, diese Unruhen zu erregen, dies nur auf wahnwitzig verblendete Würdenträger zurückzu führen ist, aber nicht in der Absicht der Regierung gelogen hat; dann werden sie (die Mächte) die Feindschaft wieder ablegen und die Freundschaft suchen, die Ahnentempel und Altäre werden unversehrt bleiben. Nachher mag man auch uns Hinsichten, um Hsütung, Kang-yi und den Anderen eine Genugthuung zu bieten. Wenn wir auch sterben müssen, werden wir doch lächelnden An gesichts in- Grab steigen und keine Thräne aufkommen lassen." Deutsches Reich. Berlin, 2. Mai. (Wilhelm I. und die Frei maurer.) Trotz der wiederholten eindringlichen Abmahnung der „Köln. BolkSztz." setzt die „Germania" ihre Angriffe auf die Freimaurerei fort. DaS Berliner CentrumSblatt versteigt sich bereit» zu der Behauptung, daß die Freimaurerei sick zur christlichen Religion in den sckroffsten Gegensatz stelle und auck vom patriotischen Standpunkte au» zu den ernstesten Bedenken Anlaß gebe. Da Kaiser Wilhelm I. sowohl ein gläubiger Cbrist wie rin deutscher Patriot ge wesen ist, verlohnt r» sich, zur Kritik der vorstehenden Be- bauptung au» denMemoirende-HofratbS Ludwig S ch neider eine Stelle wiederzugeben, die für da« Berbaltniß Wilhelm'» I. zur Freimaurerei charakteristisch ist. Schneider berichtet im zweiten Bande seine» Werke» „AuS dem Leben Kaiser Wilbelm'»" da» Nachstehende: „Am ll. Mai (>868) feierte die Loge Minerva in Pottdam ihr hundertjährige» Stiftungsfest, und al» stellvertretender Logenmeister erbat ich nickt allein da» Geschenk de» königl. Bilde» für die Loge, sondern auch die Anwesenheit de« gekrönten Protektor» bei der Festlichkeit selbst. Ter König war bei dieser Bitt« ganz erstaunt, daß ich auck Maurer sei, da er mich nie in einer Loge gesehen hatte. Ich gab darüber Erklärungen, die nickt hierher gehören, und land, wie eS mir schien, Billigung für meine Handlungsweise. — Zu meiner Freude und zur Freude vieler achtbarer Männer Potsdams wurden beide Bitten gewährt, ja, nicht allein der König, sondern auch der Kronprinz erschienen in der Loge, obgleich der Kronprinz eben erst von seiner Reise nach Italien zurückgckommen war und kaum Zeit gehabt halte, seine Familie zu sehen. So sah ich beide Fürsten in vollständiger maurerischer Bekleidung, mit Beobachtung aller sür die Brüderschaft vorgeschriebenen Formen, in ihrer hoben BundeSstellnnz functioniren. Der König erwiderte eine An rede des Logenmeislers Engelcken so fließend, so klar, vom Augenblicke eingegeben und d5m Gedankengange der Anrede folgend, daß ich jetzt die Begeisterung vieler Brüder Maurer verstand, die mir früher von den selbstständig durck König Wilhelm in den vierziger Jahren geleiteten Logen-Arbeiten erzählt. Ich habe mich wahrlich nicht von dem sttimbus bestechen lassen, den die Majestät unter allen Verhältnissen nun einmal auSübt, denn ich hatte ja den König so oft im Zimmer sprechen hören; aber aus rein maurerischem Stand punkte muß ich doch sagen, daß ich Besseres, als die Rede deS Protektors mit Bezug auf die eigentliche Aufgabe des Bundes, noch in keiner Loge gehört. Es war so gar keine Phrase, so gar keine oratorische Umhüllung oder glänzende Wendung, aber so vollständige Wahrheit und Geradheit, daß ich nur bedauern kann, hier nicht weiter darauf eingehen zn dürfen." Berlin, 2. Mai. („Millerand als Gesetz geb e r.") Der Streikgesetzrntwurf des socialistischrn Handelsministers Millerand, den die französisch« Regierung der Deputirtenkammer zur Beschlußfassung unterbreitet hat, ist ebenso hinsichtlich der Art seiner Entstehung, wie seinem Inhalt und seiner ganzen Tendenz nach, besonders aber auch in seiner Wirkung auf die deutschen „Genossen" eine einzigartige, überaus interessante Erscheinung. Man muß deshalb dem Verfasser einer bei Puttkamer <L Mühlbrecht unter dem Titel „Mklrrand als Gesetzgeber" soeben erschienen Broschüre dafür dankbar sein, daß er sich der Mühe unterzogen hat, die Bestimmungen deS Ent wurfes übersichtlich darzulegen und einer leidenschaftslosen, fach lichen Prüfung zu unterziehen. Im ersten Theile der Schrift wird ausgeführt, wie sich Herr Millerand die gesetzliche Regelung des Streikes gedacht und welche Vorschriften er über den Gel tungsbereich des Entwurfes, die anzubahnende Interessengemein schaft zwischen Unternehmern und Arbeitern, die Wahlen, das schiedsrichterliche Verfahren, di« Abstimmung über den Streik und die Strafen für Widerspenstige entworfen hat. Der zweite Theil bringt den Nachweis, wie außerordentlich abweichend die socialdemokratischen Kreise in Deutschland den Entwurf aus genommen haben, je nach ihrer Stellung zur Gewerkschaftsfrage einerseits, zu ven fraktionellen Anschauungen und den kommu nistischen Theorien andererseits. Die gründliche und belehrende Schrift ist Allen, die sich für den wichtigen Gegenstand inter- essiren, angelegentlichst zu empfehlen. -s- Berlin, 2. Mai. (Die National-Socialen und die preußische Polrnpolitik.) Die preußische Polenpolitik ist wieder einmal „vernichtet" worden. Und zwar ist der Drachentödter ausnahmsweise nicht aus den Reihen der Klerikalen dervorgegangen, sondern aus den Reihen der National- Socialen. Herr von Äerlach, einer der national-socialen Hauptagitatoren, beweist unfrei nach der russischen „Rossija", daß die Deutschen in Rußland von der russischen Regierung in Bezug auf Sprachunterricht, doppelsprachige Bekanntmachungen, Firmenschilder u. a., sowie betreffs des Ansieoclungsgesetzes un vergleichlich besser als die preußischen Polen von der preußischen Regierung behandelt würden. Selbst angenommen, daß die von polnischen Mitarbeitern fleißig unterstützte „Rossija" ihre Gegenüberstellung der Deutschen in Rußland und der Polen in Preußen einer russischen Feder verdankt, hätte sich doch Herr von Gerlach nicht der Pflicht entziehen sollen, die Frage aufzuwerfen, aus welchem Grund- die Deutschen in Rußland eine viel nach sichtigere Behandlung verdienen als die Polen in Preußen. Haben die Deutschen in Rußland jemals russische Handwerker, Kauf leute, Aerzte und Rechtsanwälte boycottirt? Hat oie deutsch russische Presse jemals gegen die russische Regierung und gegen die russische Rasse gehetzt? Hat es unter den Deutschen in Ruß land jemals eine Partei gegeben, di« auf die LoSreißung der Ostseeprovinzen vom russischen Reiche in irgend einer Gestalt hinarbeibete? Die Antwort hierauf lautet durchweg: Nein, während mutllti« ruutrnrckis alle jene Fragen für die preußischen Polen leider bejaht werden müssen. Herr von Gerlach jammert ferner über die Verbannung des polnischen Sprachunterrichtes aus den Schulen und prophezeit als Folge chauvinistisch-pol nischen Sprachunterricht außerhalb der Schule. Herr von Ger lach hat offenbar geschlafen, als in der Aera des Grafen von Caprivi die Frage des polnischen Sprachunterrichtes nach seinem Wunsche geregelt war: in der Aera Caprivi ist diese Maßnahme der „Versöhnungspolitik" ebenso, wie jede andere, mit einer Steigerung des polnischen Chauvinismus beantwortet worden. Herr von Gerlach erzählt endlich, daß di« russisch« Regierung fort und fort die Polen auf den Unterschied aufmerksam mach«, der zwischen dem milden russischen Regiment« gegenüber den Polen und dem harten deutschen bestehe. Ein derartiges Verfahren ent spräche, wenn es wahr wäre, der russischen Diplomatie. Aber deswegen bleibt doch die Thatsache bestehen, daß im vorigen Monat die Ernennung des Generals Tschertkoff zum General gouverneur in Warschau selbst nach dem Zeugniß der klerikalen „Köln. Dolksztg." die Wiederaufnahme des strengen Systems Gurko's bedeutet. Und die in demselben Monat bekannt ge wordene Thatsache, daß katholischer Religionsunterricht in Gvm nasien nur in russischer Sprache und unter Benutzung ministeriell genehmigter Lehrbücher ertheilt werden darf, zeigt d« angebliche Polenfreundlichkeit der russischen Regierung ebenfalls in anderer Beleuchtung, als in der des Herrn von Gerlach. Dderli«, 2. Mai. (Telegramm.) „Wolff'» Telegraphen- Bureau" meldet bestätiaend: Unter dem Vorsitze de» Minister präsidenten Graf v. Bulow wurde beute im Reick»kanzler- Palai« eine vertrauliche Bef»rech>m, »er prentzifchen Elaat«minifter abgebalten. Auf morgen ist eine se«ei«» fame Stqnn, »eitzrr Häuser »e« »rrntzischen Landtag» anberaumr.
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