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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010920013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901092001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901092001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-20
- Monat1901-09
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Änttsvlsttt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen. Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Neelome» unter dem Redacrtou«strtcy (sgrspaltea) 7b Lp vor deu Famtlimmach» richteu («gespalten) 50 Tabellarischer und Zisserusay entsprechend höher. — Gebührru für Nachweisungen ued Offerteuaonahme Sb (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), uur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung üO.—, mit Postbesörderung 70.—» Annahmeschluß für 2inzrigeu: Lbead»Au«gab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei deu Filiale» uud Annahmestelle» je eins halb« Stunde früher. Anzeigen Pud stet« an di« Expedition zu richte». Die Expeditio» ist Wochentag- ununterbrocher» geöffnet von früh S bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig Nr. 18V. Freitag den 20. September 1901. S5. Jahrgang. Die Consulatslaufbahn. Von Otfried Nippold. I. Es ist sehr zu begrüßen, daß man sich jetzt bei uns so all gemein mit der Frage beschäftigt, welche Anforderungen das un geheure Anwachsen unserer Weltintereffen, sowie unsere heutige Weltmachtstellung an uns richten, und welche Aufgaben in Folge davon in erster Linie zu erfüllen sind. Daß eine der wesentlichsten dieser Forderungen die Ver größerung unserer Flotte ist, dieser Erkenntniß hat man in den weitesten Kreisen des Volkes Bahn zu brechen gesucht. Neben dieser stehen aber noch ein: Reihe anderer Auf gaben, die auf den ersten Blick vielleicht nicht so dringlich er scheinen mögen, auf die hinzuweisen aber dennoch von größter Wichtigkeit sein dürft«, je weniger die Erkenntniß von ihrer Be- deutung eine allgemein verbreitete genannt werden darf. Zu diesen Aufgaben gehört die Heranbildung eines Beamten materials, das in jeder Beziehung geeignet ist, die deutsche Welt macht und ihre Interessen im Auslände zu vertr«t«n. Daß dies eine erst noch zu lösende Aufgabe sei, wird man vielleicht be streiten, während man auf der anderen Seite vielleicht mit dem Worte „Assessorismus" unsere bisherigen auswärtigen Beamten kurzweg abzuthun versuchen wird. Die Wahrheit liegt ab«r auch hi«r einigermaßen in der Mitte, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß unser bisheriges Beamtenmaterial den Anforderungen einer Weltmacht in vielen Beziehungen noch nicht entspricht, wennschon man ihm seine vielfach tüchtigen Errungenschaften damit keines wegs absprechen darf. Bismarck beklagt sich in seinen „Erinnerungen" über den Mangel an geeigneten Persönlichkeiten in Deutschland für den diplomatischen Dienst. In großem Sinne ist das noch heute bei uns der Fall, und namentlich an wirklich geeigneten Aspiranten für den Consular- und Colonialdienst haben wir wahrlich keinen Ueberfluß. Obwohl die deutschen Kleinstaaten — auch Preußen war, vom Standpunkte des heutigen Weltverkehrs aus betrachtet, ein solcher — inzwischen zur Weltmacht emporgewachsen sind und damit naturgemäß andere Anforderungen au die Vorbildung einer Beamtenkategorie gestellt werden müssen, die in früherer Zeit von nur verschwindender Bedeutung sein konnte, ist das Letztere that- sächlich bisher nicht der Fall, und wir leiden wie vor 30 Jahren, so auch heute noch, auf diesem Gebiete an einem Mangel an ge eigneten Persönlichkeiten. .Die Vorbildung unserer Consulats- beamten ist dieselbe geblieben, trotz aller Veränderungen, die mit unserem Staatswesen vor stch gegangen sind, trotz der ungeheuren Zunahme der von diesen Beamten zu vertretenden Interessen und dem "damit in Verbindung stehenden Anwachsen in der Zahl unserer ausländischen Posten, die mit Berussbeamten besetzt sind. Diese Vorbildung unterscheidet sich in nichts von derjenigen des Durchschnittsjuristen, deren einzeln« Stadien ja als bekannt vorausgesetzt werden dürfen — einen besonderen Bildungsgang für Consulats- und Colonratbeamte, durch den der allgemeinen juristischen Vorbildung noch ein besonderes Etwas hinzuzefügt würde, giebt es einfach nicht. Was zunächst die Studienjahre an langt, so will ich gewiß auf unser deutsches Studentenleben keinen Stein werfen. Es hat Zeiten gegeben (damals war ich allerdings noch nicht in der Lage, zwischen verschiedenen Ländern in ob- jectiver Weise zu vergleichen), wo ich die deutsch« Coleurerz-iehung sogar für das Beste gehalten habe, die es für uns geben könnte, und noch heute erkenn« ich ihre Vorzüge gern an. Für den, der ausschließlich innerhalb lder Grenzen des Vaterlandes zu wirken berufen ist, in besten Berufsthätigkeit der Umstand, daß Deutsch land zur Weltmacht herangewachsen ist, seine Schatten voraus sichtlich nur wenig werfen wird, mag diese Erziehung in der That auch noch heute ausreichend sein, sofern er nicht selbst den Wunsch und das Bäoürfniß fühlt, sich eine etwas universell«!« Bildung anzueignrn. Anders v«vhält es sich aber mit unseren zukünftigen Diplomaten, Consulats- und Colonialbeamten. Für diese ist uns«re deutsch« akademische Lebens- und Anschauungsweise ent schieden zu einseitig, und das Couleurleben hält sie, die einer einigermaßen internationalen Vorbildung bedürfen, von der Pflege anderweiter Interessen, die für ihren zukünftigen Lebens beruf von maßgebender Bedeutung sein könnten, vielfach geradezu ab. Wird doch di« Wahl der Universität vielfach von Couleur beziehungen u. s. w. abhängig gemacht, während es "für einen Beamten, der seine Zukunft zum Thsil im Auslande zu ver bringen haben wird, doch von Interesse sein sollte, nicht nur an seine Couleur und dann an «in möglichst baldig«s — warum so eilig? — Examen zu denken, sondern vor allen Dingen auch einige Sem«ster auf ausländischen Universitäten zuzubringen, um gerade in dem eindrucksfähigsten Alter schon «inen Einblick in die Denk- und Lebensweise anderer Völker und Nationen zu thun und so seinen geistigen Horizont zu erweitern über die Schranken des deutschen Universitätslebens hinaus. Wie selten wird von dieser Möglichkeit aber thatsächlich Gebrauch gemacht! Erklärlich if dies zwar schon durch die bereits hervorg«hoben« Dhcrtsache, daß es bei unS — im Gegensätze zu nahezu allen anderen Ländern — auf der Universität gar keine jungen Leute giebt, die zielbewußt auf eine spätere Laufbahn im Auslände sich vorbereiten, ja daß eine solche ziekbewußte Vorbereitung für diesen Beruf bei uns zur Zeit thatsächlich um deswillen unmöglich ist, weil unsere Studenten noch gar nicht wissen können, ob sie diesem Berufe auch später angehören weiden. Unsere zukünftigen Consulats- u. s. w. -Beamten sind nur Juristen, 'weiter nichts, denen es gleichgiltig sein soll, ob sie ihr Gelerntes später in einer mitteldeutschen oder ostpreußischen Kleinstadt oder in Ostasien verwenden werden. Man will das am maßgebenden Orte so! Die jungen Leute sollen in dieser Unklarheit bleiben, sie sollen nur Juristen sein, wie jeder Andere, mau wünscht gar nicht, daß sie sich noch sprciell für -ihre Laufbahn vorbereiten, damit man ja nicht die Unbequemlichkeit zu gewärtigen hat, daß Ansprüche auf An stellung daraus hergeleitet werden. Dem entsprechend ist denn die Vorbildung auf der Universität genau dieselbe für denjenigen, der später al« Amtsrichter sich in unseren kleinstaatlichen und kleinstädtischen Verhältnissen begraben soll, und für den, der ein mal berufen sein soll, in der Welt draußen zu stehen und die Interessen unseres Vaterlandes zu vertreten. Dürfen wir uns da wundern, wenn unsere Universitäten wohl an einer Ueber- Production an Juristen leiden, di« ««eignet sind, im Jnlande ihrrn Post«n später pflichtgetreu auszufüllen, daß aber trotzdem bis auf den heutigen Tag ein Mangel an weltmännisch gebildeten jungen Leuten vorhanden ist, die im Stande wären, draußen di« deutsche' Weltmacht zu repräsentircn? Wi« vi«le junge Leute bei uns, die von der Universität kommen» können auf wirklich weltmännische Bildung Anspruch machen? Wi« viele kennen andere Länder und aridere Sprachen, andere Anschauungen und andere Sitten? Und wenn nicht auf 'der Universität, wann denn sonst soll das dort Versäumte nachgeholt werden? Etwa in dec Referendarzeit? Bei der Weise, wie dieselbe bisher «ingctheilt ist, sicherlich nicht! Nach dem der Jurist die Universität verkästen hat, wird er in irgend einen mehr oder weniger tleinstaatlichen Vorbereitungsdienst ge leckt, wo «r gewiß Vieles lernen kann, aber jedenfalls äußerst wenig von dem, was ihm später im Auslande von stutzen sein könnte. Und wenn er schließlich das Assessorexamen hinter sich bat, ist nach der bisherigen Praxis die Zeit immer noch nicht ge kommen, wo man ihn für reis genug hält, endlich dasjenige kennen zu lernen, was für ihn das Wichtigste ist und was er eigentlich chon seit Jahren kennen müßte: die Welt. Statt daß man nun wenigstens jetzt möglichst bald ins Ausland schickte, läßt man ihn nun mehrere Jahre im Auswärtigen Amte als Assessor arbeiten. Er wird während dieser Zeit zum tüchtigen Ministerialbeamten ausgebildet, von der Art, wie sie der frühere Kleinstaat Preußen chon zu ziehen gewußt hat unid wie sie diesem Staate auch wirtlich groß« Dienste geleistet haben. Diele Episode bildet den Schlußstein für die Erziehung unserer Consulatsbcamten. Wer ie gut bestanden hat, den hält man für berufen, als Vertreter unserer Interessen in das — ihm leider meist gänzlich unbe kannte — Ausland zu geh«n. Er ist ein tüchtiger Jurist, ein gewissenhafter Beamter. Was will man mehr? Daß es noch ein höheres Ziel g«ben könnte und daß unser Weltverkehr noch andere Anforderungen stellen könnte, oie dem Beamtenstaate Preußen unbekannt waren, daran scheint an maßgebender Stelle Niemand zu glauben. Ist es bei dieser Art der Ausbildung unserer auswärtigen Beamten eine Urbertreibung, zu sagen, daß eigentlich alles das jenige, was sie für ihren zukünftigen Beruf wirklich vorbereiten könnte, geradezu mit möglichster Sorgfalt vermieden ist? Und kann es 'va Wunder nehmen, wenn die meisten jungen Leute, die als Consulatsaspiranten in das Auswärtige Amt eintreten, für Viesen Beruf eigentlich wenig Neigung verrathen? Die meisten wollen doch die Sache nur einmal anschen, und als höchstes Ziel schwebt ihnen vor, gar nicht oder doch nur vorübergehend ins Ausland zu müssen und womöglich in Berlin im Ministerium zu bleiben. Die Hoffnung, LegaiionSrath, Geheimrath zu wer den, steht d«n meisten von Anfang an höher, als di« Vertretung deutscher Interessen im Auslande. Und man kann es ihnen bei ihrer einseitig juristisch-bureaukratischen Vorbildung eigentlich nickt verdenken, wenn sie es nicht vermögen, sich über diese An schauungsweise emporzuschwingen. Man hat sie ja das Leben und die Interessen „draußen" praktisch gar nicht kennen lernen lassen, und sie sind mittlerweile in eine Altersstufe gekommen, in der der Flug der ioealen Interessen durch die Hoffnung auf das Carriöremachen bereits gehemmt ist. Ihre Vorbildung weist diese „Consulatsaspiranten" ja geradezu darauf hin, im Jnlande, in Berlin zu bleiben. Was sollen sie eigentlich noch im Ausland:? Haben sie sich doch meist erst nach "dem Astestorexamen überhaupt entschlossen, sich auf Probe im Auswärtigen Amte zu melden, und fangen erst nach ihrer Einberufung nothgedrungen an. sich mit fremden Sprachen und dergleichen nebensächlichen Dingen nebenbei abzugekxn. Im klebrigen sind sie aber pflichteifrige Be amte; im Auswärtigen Amte giebt man sich daher der Selbsttäuschung hin, daß man mit einem Ueberfluß von für den auswärtigen Dienst geeigneten Bewerbern zu kämpfen habe, während wir in Wirklichkeit nach wie vor an Mangel von für das Ausland geeigneten Persönlichkeiten leiden. Der Krieg in Südafrika. t>. Ein neue- energische- und planmäßige- Vorgehen der Boeren al- Antwort auf die letzte Proklamation Kitchener'-, in welcher der englische Generalissimus ibneit den 15. Sep tember al- Galgenfrist setzte, wurde wiederholt angckündigt. Jetzt kommen die ersten Nachrichten über diese neue Phase deS endlosen Kriege- und eS sind durchweg englische HivbSposten. Schon im gestrigen Abendblatte wurde von dem schweren Mißgeschick berichtet, da- eine englische Patrouille im Westen der Capcolonie ereilt hat und rasch folgen zwei weitere De pesche», die in London nicht geringe Bestürzung Hervorrufen werden. Hier sind sie: * London, 1V. Se-tcmber. (Telearamm.) Lord Kitchener meldct an« Pretoria: General Botha lockte südlich von Utrecht 3 Kompagnien berittener Infanterie in einen Hinterhalt; 16 Man» wurde» getödtet, SV verwandet, 173 gefangen und drei enalifche Geschütze erbeutet. — Ter voerenfkhrcr T.mntS überfiel westlich von Tarka- stadt eine Ulanenschwadron; 23 Man» wnrdcn getödtet, 31 verwundet. Noch größer erscheinen die englischen Verluste nach folgender Privatmeldung: k. London, IS. September. (Privattele ara mm.) Kitchener meldet officiell: Sine englische Aufkläruug-abtbeilung von 5(1) Kompagnien mit 3 Geschützen ging südlich von Utrecht den Boeren in die Falle. Die Geschütze sind verloren, 8 vfftetere und 4V Mann todt, S vfficiere uud a» Mann verwundet, 7 vfftetere und 18V Mann gefangen. Die Boeren unter Botha waren in Khaki gekleidet und 1VVV Mann stark. Utrecht liegt im südöstlichen Zipfel Tran-vaal-, östlich von New Castle, an der Grenze von Natal; man bat eS also offenbar mit den BoerencommandoS unter Botha zu thun, die im Begriff stehen, in diesen Theil des CaplandeS einzufallen, in dem schon wiederholt große Entscheidungs schläge gefallen sind. Ueber die englischen Vorbereitungen zur Abwehr de- Einfall- wird berichtet: * Lnrban, 18. September. (Renter's Bureau.) Da nian einen Einfall tu Natal erwartet, hat der Gouverneur Be» fehle erlassen, durch die die Natal-Frldartillerie, die Natal» EarabinierS und die berittenen Natal»Schüben einberusen werden. — 8000 gefangene Boeren befinden sich hier; ein Theil von ihnen soll nach Indien verschisst werden. Ueber den Bestimmungsort der übrigen ist noch nichts verfügt. So kommt denn wieder Leben in die Bewegungen auf dem Kriegsschauplätze und vielleicht stehen wir vor dem letzten Acte deS blutigen DramaS. Möchte er glücklich für^dic tapferen, vielgeprüften 'Freibeilskämpfer auSgehen. Sein Präludium klingt nicht gerade ermuthigend für englische Ohren! vm neuer Bcrschwiirnngsprocetz. Dem Processe gegen den Dritten Oberstaatsanwalt von Transvaal, Cornelius BroelSma, der am 12. Sep tember zu Johannesburg begonnen har, widmet die englische Presse spaltenlange Berichte. Die Verschwörungsriecherei der englischen Behörde ist bekannt. Die beiden Verschwörungen zu Johannesburg und Pretoria sind noch in frischer Erinnerung; die erstere kam erst neulich vor dem Eirtschävigungsausschusse durch den Vertreter Oesterreich-Ungarns zur Sprache und wurde von S'ir John Ardagh lediglich durch das Zeugniß eines einzigen Ge heimagenten belegt; die zweite, deren Opfer der unglückliche Hans Cordua geworden ist, war das offensichtlich: Wert eines eng lischen Spitzels. In dem Proceß Broeksma, mit dem die Ver haftung des früheren Commandanten von Johannesburg, Krause in London, zusamm.'nhänzt, handelt es sich nicht um Verschwö rungen gegen Menschenleben, sondern vorwiegend um Maßregeln zur Beeinflussung der Presse und der öffentlichen Meinung in England. Trotzdem lautet die Anklage auf vier Vergehen o d e r V e r b r e ch e n: auf Bruch des Neutralitätseides, Ver- rath, Hochverrat und Aufreizung zum Bruch des Neutralitäts- eides. Diese Anklagen werden gestützt auf Flugschriften und etwa 30 Actenstiicke, die bei einer polizeilichen Durchsuchung im Hause des Angeklagten aufgefunden wurden. Die letzteren bestehen aus Abschriften von Briefen an Steijn, Reitz und einen vr. William- son, abzugeben beim amerikanischen Consul im Haag; ferner eine „Warnung an unsere Führer und Bürger auf Kommando", ein Brief (Original oder Abschrift?) an Präsident Krüger, Briefe von F. Klrause) in London an den Angeklagten und einer von diesem an Or. Krause, und eine Briefhülle mit der Aufschrift „Herrn Charles Brooks (dem Decknamen des Angeklagten, wie man vermuthe"t), abzugeben bei Herrn Garden, amerikanischer Consul in Johannesburg", in deren Schrift man die I)r. Krause's 'Kennen will; weiter Korrespondenzen und Acrenstücke, darunter Briefe an Dr. Williamson, abzugeben bei dem amerikanischen Consul im Haag, und an einen Mann Namens Dettora, die man als Mittelspersonen für den Briefwechsel mit Krause ansieht, von dem man vermuthet, daß er mit Krüger, Broeksma und Anderen beständig in brieflichem Verkehr gestanden habe; endlich eine Gegenproclamation Botha's. Die „Warnung" an die Führer stellt fest, daß die Briten 2000 Pfund Sterling auf ihren Kopf gesetzt hätten. Die Gegenproclamation Botha's erregte bei der Verlesung großes Aufsehen. Sie fordert die Officiere der beiden Republiken auf, sich durch Lord Kitchener's Proclamation nicht beunruhigen zu lassen, und fügt hinzu, nach Beräthung unter den fechtenden Generälen sei beschlossen worden, daß nach dem 15. September Lord 'Kitchener, sein Stab und alle britischen Officiere als außerhalb des Gesetzes stehend erklärt und alle Bürger, ob in der Capcvlonie, in Natal, im Freistaat oder in der südafrikanischen Republik, angewiesen werden sollten, jeden bewaffneten Engländer zu erschießen, der ihnen begegnete. Die gefundene Flugschrift, deren Verfassung, jedenfalls Verbreitung, man Broeksma zur Last legt, erklärt, daß der Treueid gegen England nicht bindend und daß es Pflicht jedes Boeren sei, jeden Engländer, den er unter Waffen sehe, niederzuschießen. Viele Briefe bitten um Geld und immer wieder um Geld. Der Schreiber sagt darin, er habe alle seine Möbel verkaufen müssen und sei vollkommen mittellos. Die englische Scharfmachcrpresse giebt sich alle erdenkliche Müh«, schon ehe di«ses Material geprüft ist, Broeksma als überführten Verräthec hinzustellen. Man wird sich dadurch nicht beeinflussen lassen, sondern ruhig den weiteren Verlauf abwarten. Die Geschichte der früher entdeckten „Ver schwörungen" ist nicht geeignet, für englisch: Behauptungen dieser Art ohne Weiteres Glauben zu erwecken. Mac Kinley -f-. * Clinton (Ohio), 18. September. Tausende strömten vom frühen Morgen an in die Sladt. Der Zug mit der Leiche Mac Kinley'- traf Mittags ein. Bereits viele Meilen von Canton stand die Bevölkerung an der Eisenbahnlinie und erwartete in schweigender Trauer Len Zug. Beim Verlassen des Zuges war Frau Mac Kinley so überwältigt, daß sie in einen Wagen gebracht werden mußte, der sie nach Hause brachte. Inzwischen wurde der Sarg »ach dem Hof des Hauses Mac Kinley'- gebracht; der Präsident Roosevelt, die Minister, der Gouverneur von Ohio und zahlreiche andere Würdenträger gaben ihm da- Geleite in einer langen Reihe von Wagen. Hohe Officiere der Armee und der Flotte, darunter General Milr» und Avmiral Dewey, bildeten die Escorte deS Sarges. Später wurde da- Publicum in den Hof deS Hauses zugelassen, wo Tausendean dem Sarge Mac Kinlry'S vorübrrschritten. (Ansf. wiederh.) * Canto»- 19. September. (Telegramm.) Frau Mac Kinley ist so krank, daß sie dem heutigen Leichenbegängnisse des Präsidenten nicht beiwohnen kann. — Ter Präsident Roosevelt reist heute Abend nach Washington. * Berlin, 19. September. (Telegramm.) Heute Mittag wurde in der amerikanischen Kirche eine Trauerfeier für Mac Kinley abgehalten. Anwesend waren die zur Zeit in Berlin weilenden Minister, die Botschafter und da- Botschaft-personal. Der Kaiser hatte den Prinzen zu Solms-Barutb mit seiner Ver tretung betraut und außerdem befohlen, daß heute sämmtllche Schiffe der Marine die Flagge halbmast führen. Al- Vertreter des Reich-- ka nzlerS war Geheimrath Günther erschienen. Die Feier begann mit dem Chopin'schen Trauermarsche. Nach Gebet und Gesang hielt der Reverend Dickie die Gedächtnißrede. Er führte im ersten Theile seiner Rede au-, alle Welt verabscheue das furchtbare Verbrechen. Trotzdem solle man nicht dem Bergeltungsgesühle uachgeben, da die- nicht dem Geiste Gotte- und de- Ermordeten entspreche. Dann sprach Redner da- Gefühl der tiessien Sympathie für die Wittwe und das Land au-, feierte endlich die Staatskunst, die Rechtschaffen heit und das Christenthum des Tobten und schloß mit einem Hin weise auf Roosevelt, von dem das Beste zu erwarten sei. Gesang und Segen beendigte die Feier. — Auch in München wurde, und war in der protestantischen MarcuS-Kirche, heute Vormittag ein Trauergottesdienst für Mac Kinley veranstaltet. Deutsches Reich. Leipzig, 19. September. (Ein Verdienst der Socialdemotratie.) Die „Sächs. Arbeiter zeitung"" macht auf ein noch nicht genug gewürdigtes Ver dienst der Socialdemokratie, speciell der sächsischen, aufmerksam. Um darzuthun, daß die Socialdemokratie nicht nur nicht den gewaltthätigen Anarchismus groß ziehe, sondern ihm im Gegen- theil die Wurzel abgrabe, führt sie folgendes Beispiel an: Als die bekannte Abänderung des sächsischen Landtagswahlrechts durchgeführt worden sei, hätten die sogenannten Ordnungs parteien um das Leben König Albert's ge zittert. Damals habe das socialdcmokratische Sachsen eine schwere Probe siegreich bestanden. Unablässig sei es bemüht ge wesen, den Kampf auf das Gebiet der legalen Bethätigung staatsbürgerlicher Rechte zu beschränken. Daß es ohne Katastrophe abgegangcn sei, habe man nicht den „Reactionären", sondern der socialdemokratischen Aufklärungs arbeit zu danken. Diese Vindicirung eines Verdienstes ex nc-Sutivc» hat etwas Groteskes. Mit demselben Rechte könnten sich beispielsweise die Conservativen ein Verdienst daraus her leiten, daß sie trotz der Handelsverträge von 1893/94 den deutschen Kaiser nicht umgebracht hätten, die Polen, weil sie die Begründung des Hundertmillionenfonds nicht mit einem Atten tat beantwortet haben u. s. w. Im Uebrigen meinen wir, daß wohl einerseits die trotz der Socialdemokratie noch immer vor handene natürliche Zuneigung und Liebe zu dem angestammten Herrscherhause, zweitens aber die Gott sei Dank noch immer der großen Mehrzahl der Menschen innewohnende Abneigung gegen die Begehung des fürchterlichsten aller Verbrechen, endlich aber auch die Furcht vor der unweigerlich eintretenden Todesstrafe mehr zur Verhütung eines Attentats auf König Albert beigetragen Haven, als die „beschwichtigende" Thätigkeit der socialdemo- tratischen Presse, von der wir übrigens schlechterdings nichts bemerkt haben. -s- Berlin, 19. September. (Eine welfische Absage an die hannoverschen Conservativen.) Die hannoverschem Conservativen hatten den Tod des Prinzen Christian von Cumberland in wenig tactvoller Weise zu dem Versuche benutzt, sich bei den Welfen beliebt zu machen. Das hannoversche Organ der Partei hatie sich nicht damit begnügt, den Schmerz um den Tod des jungen Prinzen zum Ausdruck zu bringen, sondern zugleich den „Untergang der staatlichen Selbstständigkeit des Hannoverlandes aufrichtig be dauert" und diesen Verlust der Selbstständigkeit als „das schmerzlichste Opfer, welches den Hanno veranern auferlegt sei", bezeichnet. Das führende welfische Organ Hannovers steht diesen Liebesbetheuerungen mehr als kühl gegenüber. Voller Ironie fragt es: „Wenn diese Aus lassungen wirklich ehrlich gemeint sind, warum tretendann die Conservativen nicht mit uns für die Auf hebung der Annexionen auf friedlichem und gesetzlichem Wege und für die Herstellung Hannovers unter seinemangestammtenKönigshauseim Rahmen des deutschen Reiches ein? . . . Wollen sie dies nicht, so müssen wir sie auch ferner als eine Partei, die mit schönen Redens arten unserem Volke die wahre Königstreue und den Glauben an die sieghafte Macht des Rechts rauben will, rücksichtslos bekämpfen!" Das Blatt erinnert ferner die hannoverschen Conservativen an eine Epoche, in der sie den Tiefpunct staatsmännischer Einsicht bewiesen, als sie im Jahre 1860 einen Ehrenschild für den durch die italienisch« Einheits bewegung zu Boden geworfenen König von Neapel zu stiften be schlossen und gegen „Kron«nraub und Nationakitätenschwindel" wetterten. Die Erinnerung an diese Periode, die der Entwicke lung, die Pwußen-Deutschland im darauffolgenden Jahrzehnt durchzumachen hatte, schnurstracks zuwiderlief, ist für die hannoverschen Conservativen allerdings recht beschämend; noch weniger können sie dem welfischen Organe das Recht bestreiten, ihr Gebühren als eitel Heuchelei zu bezeichnen. Sie hatten die Absicht, mit ihren Redensarten die Welfen zur B«r«nnung der noch immer festen nationaMberalen hannöverschen Burg als willfährige Hilfstruppen einzufangen. Die Erklärung des Welfen- organS, daß die Conservativen rücksichtslos bekämpft werden sollen, ist «ine zwar wicht erwartete, aber um so verdientere Antwort. II. Berlin, 19. September. Aus dem Kreise Wit- ko w o i n P o s e n schreibt man uns: Die Deutschen unseres Kreises sind durch ein neuerdings erfolgtes kräftiges Einschreiten gegenüber unserer polnischen Kreisverwaltung sehr erfreut. Außer d«m Kreise Koschmin ist der Kreis Witkowo der einzige in der Provinz, der von dem Rechte Gebrauch gemacht hat, die Ver waltung der Kreisangelegenhciten nicht dem — paritätisch aus Deutschen und Polen zusammengesetzten — Kreisaus» schusse zu überlassen, sondern eigene vom Kreistag« gewählte Commissionen damit zu betrauen. Entsprechend der Zu sammensetzung des Kreistages sind diese Commissionen in ihrer erdrückenden Mehrheit polnisch; Kleinbahn — dies wirthschaftlich so wichtige Kreisunt«rnehm«n —, Weg«, Finanzen u. s. w.. werden dementsprechend durch diese Commissionen ver waltet. Als jetzt aus Anlaß des NothstandeS dem Kreise dar staat liche Nothstandsdarlehn unter der Bedingung angehoten wunve, daß lnr Kreis aus schuß die Vcrtheilung und Ver waltung zu übernehmen habe — eine unter den hiesigen Verhält nissen schon viel zu weit gehende B«theiligui»g der Selbst-Verwal tungsbehörden —, erklärte der Kreistag Witkowo, er nehme das Darlehn nur unter der Voraussetzung an, daß nicht der Kreisausschuß. sondern eine besondere Kreis commission es zu verwalten Hobe; d. h. zu deutsch: wir Polen werden das schon allein machen, hier im Kreis« Witkowo sind w i r die Herren. Erneut zusammenberufen, blieb der Kreistag auf diesem anmaßenden Standpunkte stehen. Sind doch di« von der Mißernte Meistbetroffenen einige deutsche Hauländer«ien. Also >vaS lag daran? „Wat nützt e« uns Polen?" ist die Frage, die unsere polnischen Nachbarn bei alle»
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