Delete Search...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.05.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-03
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070503011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907050301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907050301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-03
- Monat1907-05
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezuas.PreiS sür Leivffa uud Äororte durch unsere Trä.-cr und Spedtteure mS )aus gebracht: gube L. nur morgenS) oierteliahrlich 8 M., monatlich t M., Ausgabe 8 lmorgeus und abends viertrlläbrlich 4 50 M., monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen sl mal täglich) imirrdalb DeuiichlandS und der deutschen Kolonien vielttljädrlicl, 3 M., monatlich I M. ausschl. Poübeftellgeld, für Orsierreich-Ungarn vierteljährlich 5 L 45 d. Abonnement-Annahme: Augustu-plap 8, bet unseren Trägern, Filiale», Spediteuren uud Annahmesiellea, sowie Postämtern und Briefträgern. Li« einzeln« Nummer kostet 16 Pfg. -tedattion an» Srvedtti^ii: Iohanni-gass« 8. Telephon Nr. 153, Nr. 22^ Nr. 1173. Berliner RedattionS-vureau: Berlin 7, Prinz LouiS Ferdinand- Strahe 1. Telephon I, Nr. S275. Morgen-Ausgabe 8. MMer TllgMM Handelszeitung. Ämtoblalt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadl Leipzig. Älnzeigen-PreiS für Inserate aus rieivzig u. Umgebung die ügrspattene Petit,eile 25 Pf„ finanzielle An zeigen 30 Pf^ Reklamen 75Ps.; von auswärts 30 Pf., Reklamen IM.; vom Ausland 50 Pf., finanz Anzeigen 75 Pf., Reklamen 1.50 M. Juierate v. Behörden im amtlichen Teil -10Pf. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Äeschäftsaii,eigen an bevorzugter «teile im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn. Feslerteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für das Erjcheiuen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeige««Annahme: AuguftuSPlaq >4, bei sämtlichen Filialen n. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuucker, Herzgl-Bayr.tzofbuchhandlg^ Lützowstrahe 10 (Tel. VI, 4603. Freitag 3. Mai lW7. 1V1. Jahrgang Var klichkigue vsm Lage. * Der Kaiser wohnte gestern einer Gefechtsübung in Döberitz bei. (S. Dschs. R.) * Der Reichstag bewilligte die erste Rate für eine Erweiterung des Kaiser Wilhelm-KanalS, erledigte den Etat der Reichspostverwaltung und behandelte daun den Etat des ReichSeiseubahuamtS. * Bei Besprechung einer Interpellation des Grafen Kanitz im preußischen Abgeorduetenhause iebnte Minister Delbrück das von den Konservativen empfohlene KohleoauSfuhrverbot entschieden ab. (S. DtschS. R.) * Die WahlprüfnugSlourmission des Reichstages be schloß, die Wahl des Abgeordneten Schwabach (uatl.), Wahlkreis Memel-Heycekrug, zu beanstanden und Beweiserhebung über die Wahlproteste zu deautrageu. * Generalmajor v. Deimling ist gestern in Ham burg »»gekommen. (S. DtschS. R.) * Die vou Änita AugSpurg gegen ihre Verurteilung wegen Beleidigung der Hamburger Polizei eingelegte Revisio» ist vom Reichsgericht verworfen worben. (S. Gerichts)»»!.) * Wegeu Beleidigung vou Leipziger Aerzten wurde der Redakteur der Leipziger VollSzeitung", Herre, vom Schöffen- gericht zu 300 Geldstrafe verurteilt. (S. GerichlSs.) * Der Muttermörder Wippert ist vom Schwurgericht in Halle a. S. zu lebeustäuglichem Zuchthaus verunetlr woroea. * Das belgische Ministerium ist gebildet: Präsi ¬ dium und Inneres de Trooz. Finanzen Liebaert, Justiz Renkio, Eisenbahnen Hellcpulte, Jnbusliie Huber, Kunst und Wissculchast DeScampS, Krieg Hellcbant, Auswärtige Angelegenheiten d'Lvignon, Oeffentliche Arbeiten Deldeke. * Die russische Regierung beschloß die Legung eines zweiten Gleises der sibirischen Bahn. Lui frage äer strichzzteuern. Man soll keinen schlafenden Tiger wecken! Richtig! Aber der Tiger des Rcichssteucrwes.ns schläft sicherlich nicht. Er hält sich nur klug niü>ergeduckt, weil es ihm nicht ratsam erscheint, sich zurzeit schon wieder sehen zu lasten. Doch daß er wieder aufspringen wird, ist ganz sicher. Denn die einzige Finanzpolitik, die uns vor ihm bewahren könnte, die der Sparsamkeit, hat man immer noch nicht gelernt. Man wünscht sie auch gar nicht anzuwenden, denn eben die finan zielle Klemme hält die Regierung in 2Ibhängigkeit von den Parteien der Rechten. Wenn die Regierung nicht mehr so einseitig agrarische Politik treiben will, wie die Konser vativen verlangen, so hängt man ihr den Brotkorb höher. Die Negierung hat das Fürchten vor dem Bunde der Landwirte gründlich gelernt. Nun muß man auch weiter sagen, daß un vermeidbare Ausgabenerhöhungen hinzugekommen sind und ferner hinzuckommen; namentlich die Erhöhung des Gehalts der Untevboamten. Die 1906 auferlegten Steuern haben den angeschlagenen Ertrag bei weitem nicht erreicht. Erbschafts- und Tantieme steuern lasten sich noch nicht übersehen. 2lber die Fahrkarten stempel- und die Zigarettensteuer sind weit hinter der An nahme zurückgeblieben. Der Fahrkartenstempel hat obendrein die sehr üble Wirkung gehabt, das reisende Publikum zu ver anlassen, in Menge ein« niedrigere Fahrkkaste zu benutzen. Diejenigen, die das tun, sparen sogar weit mehr als den Stempel. Aber sie sparen ihn auf Kosten der Eisenbahnen. Und da diese zu weitaus größtem Teil im Besitz der Etnzel- staaten sind, so verschlechtert sich dadurch die Finanzlage Preußens, Sachsens, Bayerns usw. Glücklicherweise ist die jenige Preußens gut genug, so daß hieraus nicht gerade eine Kalamität entstcht. Mein daS Loch in den Reichssinanzen ist doch da und die meisten Bundesstaaten jammern, sie hätten kein« Mittel, um den hohen Matrikularumlagen zu begegn«». Die hauptsächlichste Lehr« aus dem Fehlschlagen der Fahr kartensteuer scheint nicht gezogen zu werden. Sie besteht darin, daß man der Elastizität der Steuerkraft der Nation zu viel zugemutet hat. Immer und immer wieder hat man neu« Lasten auferlegt. Äs ob es nur aus die Technik des Aderlasses ankäme und nicht auf die Menge Blut, die der Mensch in seinen üldern hat. Wohl hat sich das Einkommen vieler Schichten gehoben. Man darf nur nicht vergessen, daß die Ausgaben ebenfalls gewachsen sind, so daß die Bilanz die gleich« ist. Der Staat wie auch die Parteien können das gar nicht leugnen. Der Staat begehrt für seine Beamten Gehaltszulagen, weil all« Lebenskosten so gewachsen seien, daß sie mit d«n Einnahmen nicht mehr auSkommen könnten. Und die Parteien erkennen das so freimütig an, daß sie die Re gierung und sich untereinander zu überbieten suchen. Ebenso wie den Beamten geht es vielen anderen Ständen. Wenn sie, z. B. Lohnarbeiter, auch bereits im Besitz von Einkommen- verbesserungeu sind, so lehen sie sich auch ' g-stie.-enc» Ausgabe» gegenüber, namentlich solchen für Fleisch und Woh- »»g«; «ch ftr eieneru. Die Larchwirtschaft hat die be deutendsten Einnahmeverbesterungen erzielt. Wohl kann sie daraus die erhöhten Gesindelöhne bezahlen. Wenn es aber ans Steuerzahlen geht, so ist sie stets die erste, die sich ranonos meldet. Regierung und Reichstag sind dann ein verstanden, daß als neue Steuern nur solche in Betracht kommen dürfen, die an den Landwirten möglichst vollständig vorübergehen und am liebsten jogar ihnen noch Einnahmen in den Schoß werfen, wie Zölle auf notwendige LcbenSmittel. Die Großindustrie und der Handel haben gute Fahre ge habt. Die Konjunktur ist günstig gewesen. Der Klein handel hat fühlbaren Vorteil daraus gezogen, daß die Arbeits löhne gestiegen sind. Denn die Kaufkraft der Massen ist da durch bester geworden (sei es nun bezüglich der Preise oder bezüglich der Quantitäten) und sie waren bester imstande, das Empfangene sofort bar zu bezahlen. Jetzt deuten alle Anzeichen darauf hi», daß wir am Ende der Periode des Aufschwungs stehen. De» fetten Jahren werden die mageren folgen. Mit Lohnerhöhungen wird es ziemlich vorbei sein. Das Fehlschlagen des großen Kampfes der Hamburger Schauerleute ist ein Anzeichen dafür. Der bereits beginnende Umschlag trifft Unternehmer und Arbeiter. Eine wichtige Klaffe hat aus der guten Konjunktur wenig Vorteil ziehen können, namentlich keinen dauernden. Das sind die Hanv- werker. Sie haben alle Nachteile erfahren, die verteuerten Üebcnskosten und die erhöhten Steuern und nicht zum wenigsten die erhöhten Gehilfenlöhne. Sobald di« Geschäfte anfangen, schlechter zu gehen, schränken die Leute sich den Handwerkern gegenüber ein. Bei Bäckern und Schustern, bei diesem und jenem sonstigen Gewerbe mag das nicht der Fall sein. Aber man nehme nur einmal Tischler, Maler, Tapezierer. Schneider. Der Kunde, dem es pekuniär gut geht, schreitet leicht zu einer Neuanschaffung. Der, dessen Einnahmen spär licher rinnen, findet leicht, daß die Möbel wohl noch einige Zeit Dienst tun können, daß die Tapeten noch ein paar Jahre halten müssen und der Nock noch bis zum nächste» Sommer weggehängt werden kann. Solche Entschlüsse kommen um so leichter, wenn man sieht, daß die Nachbarn unter gleichem Zwange stehen. Von alledem ist das Versagen der Fahr- kartensteuer ein« leise, aber doch mahnende Warnung Die Propheten abermalizer Sleuererhöhung wollen von alledem nichts wissen. Sie blicken nur auf den noch immer unausgefüllten Wstand zwischen Einnahmen und Ausgaben uud aus die einzelstaatlichen Finanzen. Darum schwirren denn auch schon wieder Gerüchte in Menge herum, daß man dem Tabak durch eine Fabribatsteuer zu Leibe gehen müsse und daß man mit dem Bier endlich einmal gründliche Arbeit machen müsse. Für den Herbst wird eine derartige Kampagne angekiindigt. Dabei erklärt man, der bayerische Herr v. Stengel, der jetzt an der Spitze des Reichsschatzamts steht, habe finanz politisch Bankerott gemacht. Und in diesem Punkte stimmen wir mit den Kritikern überein. Herr v. Stengel ist Süd deutscher und als solcher von spezifisch süddeutschen An schauungen durchdrungen. Dort ist es aller Welt in Fleisch und Blut übergegaugen, daß sich das Steuerzahlen sür Nord deutschland weit mehr eigne als für die Länder südlicy vom Main. Dort trinkt man zwar sehr viel Bier und besteuert es auch, aber den Ertrag behält man für sich allein. Dagegen ist man lehr damit einverstanden, daß solche Waren, „ie vor zugsweise im Norden verbraucht werden: Kaffee, Tee, fremder Wein (deutscher ist steuerfrei) und fremder Tabak Deutscher ist niedrig besteuert) hohen Abgaben unterliegen. An der Branntweinqteuer war Süddeutschland früher nicht mit beteiligt. In einer schwer zu rechtfertigenden Großmut ge währte der Norden, wo der Branntwcinkonsum sehr hoch ist, dem biertrinkenden Süden eine Gemeinschaft in der Brannt weinbesteuerung derart, daß im Süden der Verbrauch als Zweidrittel desjenigen nördlich der Mainlinie angenommen würde. In Wahrheit ist er vielleicht ein Drittel. Die Steuer auf das andere Drittel fließt Süddeutschland ohne Gegen leistung zu. Daraus haben die süddeutschen Branntwein brennereien riesige Gewinne realisieren können. Eine große gewerbliche Brennerei in Baden zahlt seitdem doppelte Divi dende. Hier hätte der bayerische Herr o. Stengel anpacken sollen. Das tat er aber nacht. Vielmehr verkündete er immer aufs Neue, daß die Branntweinsteuer bis 1912 ein AoU ms tunssr« sei- Jetzt ist er völlig festgefahren. Eine abermalige Verfolgung des grausam oft gequälten Tabakgewerbez findet im Reichstag auf keiner Seite Anklang. Aehnlich steht es mit der Brersteuer, die außerdem den Süddeutschen nichts nützen würde. Gegen Versuche, abermals den Norden zugunsten des Südens in Kontribution zu nehmen, würde sich diesmal der Norden verdientermaßen auflohnen. Also sind auch wir der Ansicht: Herr v. Stengel ist am Ende seiner Künste. „Hattiachelang paiMuiarktircher 6eWIe." Eine südwestdeutsche Zeitung brachte dieser Tage einen längeren leitenden Aufsatz über die Frage der Binnen- schifsahrtsabgaben, iu dem ausgesührt war, daß man bei aller, für den Südwesten des Reiches berechtigten Gegnerschaft sich doch hüten müsse, »unsachliche Mittel" im Kampfe anzuwenden. Ein solches Mittel sei es aber auch, wenn man südlich der Mainlinie das Bestreben der preußi schen Negierung, Binnenschiffghrtsabgaben einzuführen, als eine .preußisch« Vergewaltigung" hinstelle und hiergegen „partikularrstische Gefühl« ausstachele". So richtig der hier zo-m Ausdruck gebrachte Grundgedanke ist, erscheint «S doch erwünscht, einmal klarzustellen, daß nicht die süddeutschen Staaten es sind, denen die Schuld zukällt, wenn bei der Behandlung dieser Frage wieder einmal par- tikularistische Gefühle ne» belobt werden. Selbstverständlich ist es das volle Recht der preußischen Regierung, für die Ein führung einer Maßnahme einzutreten, die sie für zweck mäßig und berechtigt hält. Wogegen man sich aber mit aller Ent'ck>iedenheit wenden muß, das ist die Art und Weise, wie Preußen sein Ziel zu erreichen versucht. Der „Arbeitsausschuß der Nbeinschisfahrts-Jntereffenten betreffs Binnenschifsahrtsabgaben" hat kürzlich gerade ein unseres Wissens in der Öffentlichkeit bisher noch nicht weiter bekannt gewordenes Expos« veröffentlicht, worin er die von der preußischen Regierung eingeschlagen« Politik durch Festnagelung bestimmter Tatsachen in dieser Hinsicht kennzeichnet. Diesem Expos« entnehmen wir folgende Er innerungen: Am 10. Dezember 1903 erklärte noch der Reichskanzler na Reichstage: „Nach der ganzen Entstehungsgeschichte des Artikels 54 der Neichsvcrfaffung kann es keinem Zweifel unterliegen, daß durch diese Versaffungsbestimnning das Recht der ein zelnen Staaten beseitigt werden sollte, auf den deutschen Strömen lediglich sür Befahrung derselben irgend welch« Abgaben zu erheben . . ." und sprach von einer „Streit frage, welche durch die deutsche Reichsversaffung dem Ge biete der Reichsgesetzgebung Vorbehalte« ist." Genau zwei Monate später schon, am 9. Februar 1904, erklärte in der Budgetkommission des preußischen Abgeordne tenhauses der Minister der öffentlichen Arbeite» über den Paragraphen 54: ,/Ts liegt nach der Auffassung der König!. StavtSregir- rung durchaus im Rahmen jenes Grundsatzes, auch auf den natürlichen Wasserläufen für die Benutzung der erst künstlich geschaffenen Fahrtiefe Gebühren zur Deckung der sür deren Herstellung und Unterhaltung awsgewenbete» Kosten zu erheben." Nach dieser schnellen und grundsätzlichen Bekehrung be gann nun die preußische Regierung das Spiel mit der „wissenschaftlichen Interpretation" des fatalen Artikels 54. Es wurde getan, als ob seine Auslegung in diesem oder jenem Sinne eine wissenschaftliche Streitfrage sei. So hieß es noch in einem offenbar aus dem preußischen Ministerium dec L'ffen' ichcn Arterien stammenden Artikel der „Köln. Ztg " über „Die Schifsahrtsabgaben" vom 10. Dezember v. I.: „lieber den Nechtsinchalt des Artikels 54 bestehen be- kenntlich verschiedene Ansichten . . . offenbar handelt eS sich hier um eine sehr schwierige und komplizierte Rechts frage .... Derartige Fragen werden aber vom Bundes- rate mit einfacher Stimmenmehrheit entschieden. Sie brauchen an sich den Reichstag nicht zu beschäftigen." In Wahrheit ist aber diese Frage nie eine wissenschaftliche Streitfrage gewesen, wenn man nämlich unter einer wissen schaftlichen Streitfrage die Verschiedenheit freier Gelehrten meinungen versteht. Die oben vom Minister der öffentlichen Arbeiten gegebene Auslegung ist vielmchr eine ganz ein seitige, gewaltsame, ausschließlich von der preußischen Re gierung aufgestellte Konjektur, während die gesamte freie Wissenschaft, an ihrer Spitze so namhafte Staatsrechtler wie Löning, Rehm, Otto Mayer und Laband, sich mit aller Ent schiedenheit gegen diese Auslegung wehrten, „die Mar im wissenschaftlichen Gewand auftritt, jedoch öffentlich ein be stimmtes politisches Ziel im Auge hat", nämlich das, die Frage zugunsten Preußens durch einen einfachen Mehrheits beschluß des Bundesrates erledigen zu lassen. Als Beispiel für die Miffenschaftliche" Streitführnng, über die wir schon vor Monaten einen Aussatz von be rufener Seite veröffentlicht haben, sei nur eine Stelle aus dem Buch des Herrn Geheimrat Peters über die Sehisf- fahrtsabgaben (S. 302) zitiert. Dort heißt es unter Be rufung auf ein Vcsthandlungsprotvkoll aus dem preußischen Archiv: „Nun waren zwar die Binnenzölle .... beseitigt, der preußische Unterhändler für den Abschluß der Rheinschifs- fahrtsakle erklärte aber .... „die deutschen Staaten hätten auf diese Zölle keineswegs ohne weiteres verzichtet", wenn sie auch deren Erhebung eingestellt hätten." Die betreffende Protokollstelle lautet aber, wie Otto Mayer festgestellt, wörtlich wie folgt: „Daß die Rheinschlfsahrtsabyaben, — deren Erhebung, wie er beiläufig bemerken wolle zwar eingestellt worden sei, auf die die deutschen Staaten keineswegs ohne weiteres verzichtet hätten, — künftig definitiv aufgehoben werden sollen, sei auch in dem vorliegenden Entwürfe an erkannt." Ob man eine derartige Interpretation" diplomatischer Dokumente in Gelehrtenkreisen wohl als Wissenschaftlich" anerkennen würde? Ferner: Ein Grundstein der Reichsverfassung ist, daß die Handels- und Zollpolitik Reichssache ist. Hat di« preußische Regierung dber eine Tarisautonomie auf Bin» - Wasserstraßen erreicht, so kann sie mit deren Hilfe die Reichs zollpolitik autonom in schutzzöllnerischer Richtung korrigieren. Daß dies auch mit ihre geheime Absicht ist, geht deutlich ge nug hervor aus der Denkschrift zu dem mit Bayern usw. abgeschlossenen Mainkanalisierungsvertrag. Darin heißt es: „Die Schifsahrtsabgaben .... werden den Regierun gen durch di« Handhabe der Tarifbildunq einen gewissen vom Standpunkt« der deutschen Verkehrspolitik wün schenswerten Einfluß auf die künftige Entwickelung der Güterbsivegnng auf der Wasserstraße ermöglichen." Nun halte man letztens noch dazu di« Art und Weise, wie die preußische Regierung an den Hintertüren der Bundes regierungen herumschleicht und versucht, sie durch Gewährung wirtschaftlicher oder finanzieller Sondervorteil« für einen Verzicht aus di« Geltendmachung der ihnen laut Reichs verfassung und internationaler Verträge zustehenden Rechte zu gewinnen, und dann beantworte man sich objektiv die' Frage: Wer ist der partikularrstische Störenfried, die Gegner der SchiffahrtSabgoiben oder — Preußen? kpilsg rum Prager ssairer-SttuH. Aus Wien wird uns von unserem k'.-Korrespondenten ge schrieben: Die Kaiserlage aus dem herrlichen Hradschm zu Prag sind verrauscht, der Monarch ist wieder in Wien ein getroffen. Wir iagten: die Kaisertage: denn es gab manche Stimmen, die in den letzten zwei Wochen von Königslagen sprachen, die dem Aufenthalte Kaiser Franz Josef I. in der Hauptstadt Böhmens ein wenig staatsrechtlichen Charakter, etwas vom romantischen Glanze der Wenzelkrone spenden wollten, als wäre die Reise des Monarchen und dessen ssfour in Prag die erste Etappe zur Königskrönung auf dem Wenzelsplatze, ein Vorspiel für die Wiederholung des Aktes, der sich 1867 in der ungarischen Hauptstadt, in Pest, ebenso pompös wie bedeutsam ftir di« Geschicke der alten habsburgi schen Monarchie ereignet hat. Wir sagten: Kais«rlage, denn das Abschiedswort, das in Prag fiel, das Handschreiben FranzJosess I. an den Statthalter von Böhmen, könnte nicht vom Throne des heiligen Wenzel erlassen werden, es ist auf der hohen Warte des Reiches erdacht, verfaßt und heraus- gegeben. Es ist ein Appell an Deutsche und Tschechen in sonoren und ergreifenden Akzenten zugleich, den nationalen Frieden zu schließen — klingt das aus dem Herzen und aus dem politischen Ehrgeize des Tschechen heraus? Gewiß nicht! Wird dieser Appell die jubelnde Hlstimnrung der D«rtschen in BÄmen finden, di« unter den Angriffen der Tschechen leiden, die di« tschechische Faust immer wieder zu spüren be kommen? Nein, diese Mahnung, diese Proklamation, dieser, wie der Kaiser selbst sagt, dieser sei» Herzenswunsch ist ein ckesicleriurn impecii. Von den Zinnen des Kaisertums Oester reich erschallt der Ruf, und will man ihn gerecht beurteilen, mruß man diesen Ursprnngsort in Rechnung stellen. Da aber in der Politik die Stimme der Mäßigung und die Stimme der Gerechtigkeit nur selten die herrschende ist, kann man heut« schon von einem pinin cleÄclsirun sprechen, und man tut den Deutschen in Böhmen nicht Unrecht, wenn man «S beklagt, daß di« Aussichten auf einen nationalen Friede» in Böhmen, so wünschenswert, so nv uv endig er ist, äußerst ge ring sind: denn wer in aller Welt opfert seine vitalsten In teressen dem Staatsinteresse? Nicht ohne tiefen, vollauf berechtigte» Grund hat Corneri, der Philosoph als Abge ordneter seinerzeit ausgerusen: „Armes Oesterreich!" Es ist wirklich und wahrhaftig ein Jammer, die österreichische Politik. Das Natürliche wird Unnatur. Mit aller Kraft, mit bewundernswertem Eifer haben die Deutschen in Oester reich, im Dienste der ökonomischen Entwickelung und der Kultur, sich zu den stärksten Steuerzahlern im Reiche emoor- gecrdeitet: sie mußten diesen Rang im politischen Leben opfern, um dem Postulate der staatsbürgerlichen Gleichheit aus dem Gebiete des Wahlrecht? gerecht zu werden. Und wie sollen sie nun den nationalen Frieden berbeirübren Helsen, da sie in der Minorität sind, und ihr Entgegenkommen sofort als Schwäche bezeichnet würde? Daher kommt es ja auch, daß der nationale Friede in Böhmen als Notwendigkeit an erkannt ist, als richtig« Idee über jeden Zweifel erhaben da steht, daß aber niemand die Form noch ersonnen hat, in der er verkörpert werden könnte. Die nationale Autonomie, die sich in der Zweiteilung des Landeskulturrates, des Landes schulrates, der Universität, der modernen Galerie bewährt bat, stößt aus die größten Schwierigkeiten, dort, wo sie ihren Wert erweise» soll, aus dem Gebiete der politischen Verwal tung: abgesehen davon, daß die Tschechen sie ablehnen, sie eben nur dort gelten lassen wollen, wo sie existiert, ihrem staatsrechtlichen Programme nicht Abbruch tut. Es war da her äußerst klug, daß der österreichische Ministerpräsident, Baron Beck, als er nach Prag kenr, in Abrede stellte, daß er deutsch-sschechjsche Ausgleichskonferenzen plane. Der Kaiser kann als Kaiser Friedensworte sprechen, eine Thronrede halten: das praktische Regierungsprogramm hat dann erst die Pflicht, die Verwirklichung dieses Programms in Angriff zu nehme». Gelingt es nicht, ist Las Regime nicht engagiert. Und jetzt, während der Wahlkampagne, jetzt, da volle Unge wißheit, volle Unklarheit herrscht, wie das neue Parlament, das auf Grund des allgemeinen, Reichen und direkten Wahl rechts erkoren« Volkhaus, sich präsentieren wird, i» welcher Stärke die Parteien cnrfmarschieren, wie sie sich gruppieren werden, und welches Programm das führende sein wird, ist kein Platz, kein Raum, keine Zeit für Friedensimportationen in Bödmen. So gerechtfertigt, so nötig sie auch wären! So ergreifend die Worte des Kaisers auch klingen, als Mahnung eines alten, gütigen, erfahrenen Monarchen! Deutsches Keich. Leipzig, 3. Mai. * Ter Kaiser. Der Kaiser, der gestern morgen kurz nach 6 Uhr im Automobil das Schloß verlassen hatte, traf gegen 7 Ubr aus rem Truppcnübungöplav Döberitz ein unv be sichtigte die drei Bataillone des 1. Garde-Regiments zu Fuß unv daS Lehr-Jniantcrie-Baraillon. Hieran schloß sich eine größere Gefechtsübung unter Hinzuziehung anrerer Waffen- gatiungen unv eia Parademarsch der Bataillone. Hierauf nahm der Kaffer den Parademarsch ab und nabm die Rapporte der Leib-Regimenter und militärische Meldungen entgegen. Der Kaiser traf um 2 Uhr von Döberitz im Auto mobil in Potsdam ein. * v. Achrcnthal. Der „Norddeutschen Allgem. Ztg.* zufolge stattete der oslerreichlich - ungarische Minister des Aeußern, Frhr. v. Aehrentbal, gestern vormittag dem Reichs kanzler abermals einen Besuch ab. — Da die prinzipielle Stellungnahme beider Mächte zu den Hauptfragen der Haager Konteren; schon früher vereinbart war, hat, wie verlautet, die gestrige Konserenz der beiden Staatsmänner sich nur um die Frage gevrebt, wie die Vertreter der BündniSmächlc im Haag sich in taktischer Hinsicht verhalten sollen. — Wie die „N. Fr. Pr." meldet, wird Freiherr v. Aekrenthal während der italienischen ParlamentSferieu in Raccom-ü von König Viktor Emanuel empfangen werden und sich von dort zu einer Zusammenkunft mit Minister Tittoni aus dessen Landgut bei Desto begeben. * Budgetkommission. Tie Budgetkommission des Reichs tages nahm den Etat „Expedition nach Öftesten" an. Auf eine Anfrage, wann das in Ostasien belassene Detachement zurückgezogen werden könne, wird von Regicrungssefte ge antwortet. die Ausgabe des Detachements, nämlich Schutz der Gesandtschaft, der in China befindlichen Deutschen und der in Betracht kommenden Wege, sei noch nicht erledigt. Bei der nun folgenden Beratung der Zölle, Steuern und Gebühren empfiehlt der Schatzsekretär Vorsicht in der Schätzung der Einnahmen auS den Zöllen. Frhr. v. Stengel hebt hervor, daß die aeuen Steuer» der letzte» Firuurzresarm weise
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page