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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-31
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041231029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904123102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904123102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-31
- Monat1904-12
- Jahr1904
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Abend-Ansgabe Nr. « Sonnabend derr 31. Dezember 1904. - / Nedattt«« im» «r»e»1ttoiu 153 Fernsprecher L22 JohanntSgafl« 8. Haupt-Klltale Dresden. Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 4713). Haupt-Filiale Berlin: TarlDnncher.Herza l.Bayr.tzofbuck>banLlg» Lntzowstraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). BezugS-VretS in d« Hanprexp»tti»a oder deren LnSgaL» , stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 8.75. Durch die Post bezogen für Deutsch. land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. "eWWr.TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königliche« Land- »ad des Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamles Ser Ltadt Leipzig. , Diese Nummer kostet ü IN 7» aus allen Bahnhöfen und 111 I bei den ZeitungS-Bertäuferu I V«zetgen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen uuter dem Redattronsstrich (4 gespalten) 73 nach de» Familie»nach- richlen lügespaltrn) 30 — Tabellarischer und Zissernsay werden entsprechend höher de- rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 2b -H. Anuahmeschlutz für Äuget gen. Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen stad stet« an dm Expedition -»richt«. Ertrn-Veilageu (nur mst der Morgen- Ausgabe) nach besouderer Bereiubaruug. Die Erpedtttou ist wochentags ununterbrochen aeösfapt von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck, und «erlag von G. Pol- in Leipzig (Inh. vr. «., R. L W. Lliukhardt). 98. Jahrgang. Var WAstgrie vom Lage. ' Ebenso wie inLeipzighat vergangene Nacht in allen Teilen Europas ein heftiger Sturm ge wütet, der vielfach zu Unglllcksfällen geführt hat. (S. Leipz. Angel, und A. a. W.) * Die Beulenpeft und die s i b i r i s ch e P c st in Rußland nehmen zu. (S. A. a. W.) ' Wie die „Neue Freie Presse" meldet, hat der Acker- bauminister Graf Buquoy bereits vom Kaiser die Be- rufung erhalten, an dieSpitze des Kabinetts zu treten und ihm Vorschläge wegen der Umbildung des Ministeriums zu unterbreiten. (S. Ausland.) * Italien hat die Einladung der Balkan- staaten zum Abschluß von Handelsverträgen ange nommen: Verhandlungen mit Rumänien und Bul - garien sollen bereits zu Anfang Januar beginnen. * Der Spruch der Hüll-Kommission wird für Mitte Februar erwartet. (S. russ.-jap. Krieg.) * Die Japaner rüsten sich zum Sturm auf das Fort Tschangtuschan, die Russen räumten oie neue Stadt von Port Arthur. (S. russ.-jap. Krieg.) Vie konservative Partei un<i Oie snllurtrie in Zachrea. ' Die „Sachs. Natlib. Korrefp." schreibt: „Bewußte Irreführung der öffentlichen Meinung" — diesen schlimmen Borwurf erhebt das Organ des konser vativen LandeSvereins „Das Vaterland" in einem Artikel, der sich gegen unsere Ausführungen über das Verhalten der konservativen Partei zu den Forderungen der Industrie richtet. Eie erinnerlich, war diese Auseinandersetzung durch einen von konservativer Seite verbreiteten Aussatz ,;die Konser- vativen — Jndustriefeinde?" veranlaßt worden, dessen Tendenz darauf hinausging, die von der liberalen Presse erhobene Forderung nach einer größeren Berücksichtigung der Bedeutung der Industrie als „planmäßige Hetze" ab- zutun und für die Erhaltung und Verstärkung der gegenwärtigen LandtagSmehrheil im Lande Stimmung zu machen. Wir konnten dazu selbstverständlich nicht schweigen, beschränkten uns aber in der Hauptsache darauf, aufs neue nachzuweisen, daß schon durch die Zusammensetzung der ersten und der zweiten Kammer ein Ueberwiegen des agrarischen Einflusses bedingt sei. Diese Auseinander setzung war durchaus sachlich gehalten. Warum sollte man auch diese offenkundige Tatsache nicht in aller Ruhe besprechen können? Eben weil kein Grund ist, sich zu ereifern, gilt hier die alte Regel: Wer zuerst grob wird, hat Unrecht. Und das „Vaterland" wird sehr grob; denn wenn eS unS der „bewußten Irreführung der öffentlichen Meinung" beschuldigt, so ist das so ziemlich die niedrigste Unterstellung, die eS im politischen Kampfe gibt ; sie enthebt einen anständigen Gegner der Antwort. Doch nehmen wir sie einmal als bedauerliche Entgleisung einer gereizten Jeder hin, so bleibt unS nur übrig, auf den scheinbaren Grund zu jenem schlimmen Borwurf einzugehen. Wir batten geschrieben, daß in der ersten Kammer neben 27 Ver tretern des platten Landes nur zwei Vertreter der Industrie und des Handels vorhanden seien. DaS „Vaterland" sieht darin eine beabsichtigte Irreführung, weil doch auch 8 Bürgermeister von Städte» der Erste» Kammer angehöre«, die gewiß nicht als „Agrarier" gelten könnte». DaS ist richtig, aber u»S kam «» nur auf die Tatsache an, daß in der ganzen Kammer nur zwei Herren sind, die direkt wegen ihrer Stellung zu Industrie urzd Handel als Vertreter dieser Berufskreise auzusprecheu sind, und an dieser Tatsache ändert jener Einwand so gut wie nichts. Ebensowenig vermag die weitere Beweisführung, wonach innerhalb der konserva tiven Partei die Industrie stark genug ver treten sei, unS an unserer Meinung irre zu machen. Nach unbestreitbarer Erfahrung hat die konservative Partei, sobald im Landtage agrarische und industrielle Interessen im Zwie spalt waren, fast regelmäßig ihr Gewicht in die Wagschale der Landwirtschaft gelegt. Wir ersparen eS uns, sattsam Bekanntes von neuem aufzutischen, wir wiederholen aber die Lehre, die sich für die Industriellen aus diesem Verhalte» der Landtagsmehrheit ergibt: Wenn jetzt die konser vative Partei allenthalben bei der Vorbereitung der Land tagswahlen Kandidaturen aus Industriekreisen bevorzugt, so ist das keine Gewähr für einen inneren Wandel der Partei selbst, sondern vor allem eine taktisch wohl berechnete Maßregel. Die Industriellen, die neu in die konservative Fraktion eintreten, werden sich wohl oder übel ihrer agrarischen Tendenz fügen müssen. Aber selbst wenn die Grundtendenz aus der Kammermehrheit ver schwinden würde, bleibt doch die Zusammensetzung der Ersten Kammer wie sie ist, und diese hat bekanntlich mit der Zweiten gleiche Rechte und Befugnisse. DaS ist auch der Grund, wes halb von der uationalliberalen Partei eine zeitgemäße Reform deS ganzen parlamentarischen Systems verlangt wird. Das „Vaterland" verwahrt sich sodann entschieden gegen die „echt nationalliberale" Zumutung, sich um die vrr'i- ßischen Kanalpläne zu bekümmern: „Wir stehen aus dem Standpunkt, daß preußische Fragen in Preußen, sächsische in Sachsen zu lösen sind." Das ist gut gesagt, wenn eS sich aber um wichtige Verkehrsangelegenheiten handelt, so hört diese Selbstverständlichkeit auf selbstverständlich zu sein. Oder hat sich jener vom „Vaterland" hochgehaltene Grund satz etwa in der sächsischen Eisenbahnpolitik zum Nutzen Sachsens bewährt?! Wie kommt es denn, daß man sich in Bayern unter Führung des Prinzen Ludwig — dem das „Vaterland" keinen Mangel an konservativer Gesinnung vorwerfen wird — sehr entschieden für den Anschluß an die preußischen Kanalpläne ins Zeug legte und den Ausbau des deutschen Kanalnetzes nach großen verkehrspolitijchen Gesichtspunkten verlangt? Einfach weil man einsehen lernte wie verkehrt es ist, so zu tun, als ob der große Aufschwung des deutschen Verkehrswesen etwas sei, was sich die einzelnen Staaten gefallen lassen könnten, ohne ihrerseits auch Ver pflichtungen zu gemeinsamer Erfüllung seiner über die einzel staatlichen Grenzen hinausgehenden Ansprüche anzuerkennen. Artikel 4 der Reichsverfassung zählt unter den Angelegenheiten, die von Reichswegen zu behandeln und zu leiten sind, neben dem Eisenbahnwesen auch die Kanäle auf: „Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der Landes verteidigung und des allgemeinen Verkehrs." Wenn es bis jetzt noch keinem Kanzler und Bundesrat ge lungen ist, mit dieser einheitlichen Behandlung der wichtigsten Verkehrsmittel Ernst zu machen — schlimm genug! Der Versuch Bismarcks, wenigstens die Eisen bahnen unter die Oberleitung des Reiches zu bringen, ist be kanntlich gescheitert, und heut« sehen wir, wie das Versäumte durch Vereinbarungen zwischen den einzelnen Staaten müh sam nachgeholt werden muß. Gerade Sachsen hat die Nach teile „konservativer" Eisenbahnpolitik sehr deutlich zu spüren bekommen. Wenn nun die preußische Regierung den großen Mittellandkanalplan aufgriff, fo geschah eS weil — leider — daS Reich zu diesem Werke außerstande ist, und wenn jetzt in Preußen statt deS großgedachten Unternehmens, daS mit dem Anschluß an die Elbe auch Sachsen Nutzen gebracht hätte, ein Stückwerk geschaffen wird, daS Sachsen keinen Nutzen bringt, sondern Schaden — wem verdanken wir daS? Eben jener auch konservativen Politik, die der Landwirtschaft zu dienen glaubt durch die Hemmung von Handel und Industrie, durch die Verneinung der Forderungen des neuzeitigen Ber« kehrswesens —, eben jener Politik, der auch das „Vaterland", wie eS durch die Behandlung deS KanalwesenS verrät, im Grunde seines Herzens huldigt. ver Ruklanck in 5ück«ertaMka. Lk« angeblicher Aufruf Trotha» an die Herero. Ueber einen angeblichen Aufruf an da« Volk der Herero, den General v. Trotha erlassen haben soll, berichtet der Brief eine« württembergischen Mitgliedes der deutschen Schutz truppe, den der „Neue Albbote" veröffentlicht. In diesem Brief vom 11. November heißt es: „Wir werden hier wieder ganz frisch eingekleidet; unser altes Zeug wird alles verbrannt wegen Typhusgefahr ... Der Hererostamm ist jetzt so viel wie auSgerottet; was noch nicht kaput ist, wird vollends zugrunde gehen oder muß daS Land verlassen; denn eS sind sämtliche Wasser stellen besetzt. Die Herero haben oben im Norden 50 bis 60 Wasferlocher gegraben, ohne Wasser zu finden; diese Löcher liegen nun voll von verdursteten Rindern, Ziegen und Schafen und um dieselben liegen ungefähr 30—40 Herero, Männer, Frauen und Kinder, welche demselben Schicksal erlegen sind wie ihr Vieh. Es ist nur schad« um daS viele, i viele Bleh; für diese schwarzen Teufel habe sch kernen Funketl von Mitleid. Es werden keine Gefangenen mehr gemacht. Jeder männliche Herero wird erschössen; über Frauen und Kinder soll hinweggeschossen werden, um sie zur Flucht zu veranlassen. Wenn diese aber auch zusammengeschossen werden, ist es auch um keine Kugel schade, als um die, welche daneben geht; denn eben diese Frauenzimmer waren die Schänder der Verwundeten und Toten. Diese haben den meisten Verwundeten und Toten das Herz heraus gerissen und es ihren jungen Kriegern zu fressen gegeben. Ihr werdet wohl auch von dem zähen Leben dieser Bestien gelesen haben. Man sah öfters Kerls daliegen mit 4 bis 5 Schuß und waren nicht kaput. Wenn sie einen Schuß bekommen, stopfen sie das Loch mit Gras oder Laub aus, dann springen sie noch wie ein Gemsbock. Es sind auf jeden Kapltan von ihnen lOOO auf den Oberkapitän Samuel 5000 ausgesetzt, tot oder lebendig an daS nächste beste Kommando abgeliefert. Trotha ertteß folgen den Befehl, als wir von oben «drückten: An das Volk der Herero! Tie Herero haben geraubt, geplündert und gemordet, deutsches Eigentum ruiniert und zerstört; sie sind deshalb keine deutschen Untertanen mehr und haben deshalb daS Land zu verlassen; jeder Herero, der erwischt wird, wird erschossen. Der große General der Weißen, v. Trotha. Der Stil des Aufrufs erweckt Zweifel, ob ein solcher wirklich erlassen worden iftt Die tentMein-Interview». Zu den Auslassungen Leuiweins in. seinen gestrigen Interviews bemerkt die „Köln. Ztg.": Diese Aeußerungen des bisherigen Gouverneurs lassen sich denen anreihen, die Graf Bülow in seiner Etatsrede getan hat. Oberst Leulwein war in Südwest der hochbegabte Vertreter einer falschen Politik, die des AuSweichens vor einem Kampfe gegen die Ein- gebornen, die gleich beim Beginn seiner Tätigkeit hätten entwaffnet werden müssen. Für ein solches Vorgehen wären aber damals, wo die Reichsregierung noch unter dem Einfluß der nicht gerade kolonialfreundlichen Politik Les Grafen Caprivi stand, die maß gebenden Faktoren nicht zu gewinn« gewesen. An letzt« Stelle trägt, wie Oberst Leutwein betonte, der kolonialfeindliche Reichs- tag die Verantwortung. Er hätte ohne Frage die Mittel für die Unterwerfung der Eingeborenen nicht bewilligt, die damals leichter gewesen wäre, als sie es zehn Jahre spät« sein mußte, nachdem die Herero und Hottentotten sich auf jede möglich« Weise bewaffnet hatten. Das hindert nicht, daß die früher« Leit« d« Kolonialverwaltung dem Reichstag klar« Wein hätten einscheukon und ihm dann die Verantwortlichkeit für die Folg« hätten über lassen sollen. Mit der Zett hatte Oberst Leutwein sich der von Berlin gewünschten Politik fo angepaßt, daß « ganz darin aufging. Wenn man ihm nun einen Borwurf daraus machen kau», daß « diese PolitU mitmachtr, so ist doch nicht die Art der Polemik zu billigen, die gegenwärtig von mehr«« Seit« sgegen ihn geführt wird. Er hat sich sowohl in d« Herero wie in den Hottentotte» getäuscht, aber wie viele andere mit ihm! Seine Verdienste um die Befriedung des Schutzgebietes in früher« Jahr«, in dem Rahmen, der ihm vorgezeichnet war, dürfen nicht geschmälert werden. Seine Unterwerfung des WitboiaufruhrS und dann deS Aufstandes der vereinigten Khau--Hott«tott« und Ovambandjeru» Herero, die langjährige Angliederung Hendrik DttboiS an da deutsche Gemeinwesen sind Tat«, die in d« Geschichte de» Schutz gebietes nicht vergessen werden dürfen. Wenn « «zählte, wie « unbewaffnet den Hottentotten entgegentrat, um mit ihn« zu unter handeln, gewinnt man den Eindruck, daß er oftmals dem Geschick der Kolonie eine günstige Wendu..g gegeb« hat. Deshalb hoff« wir, daß die Kritik üb« seine Wirksamkeit als Gouverneur in d» Grenzen gehalten wird, die man sonst jedem hohen politisch« Be amten gegenüber gelten läßt. Er hat Anspruch auf Gerechtigkeit wie jeder andere. Oberst Leutwein wird nicht mehr »ach dem Schutzgebiet zurückkehren. Nichts wäre verfehlter als daS. Einmal ist die Zett gekommen, wo die Militärverwaltung der Zivilverwaltung Platz machen muß, dann auch ist eS notwendig, dem von zahlreichen deutsch« Bürgern bewohnten Schutzgebiet keinen Gouverneur aufzudrävg«, den sie nicht mögen, endlich muß in der ganzen Behandlung d« kolonialpolttischen Angelegenheit« ein Umschwung eintret«, und für ein neues System braucht man neue Männer. Der Reichskanzler hat in fein« Etatsrede die Aus sicht auf ein neues System «öffnet, hoffen wir nun, daß die Regierung bei den jetzt bekundeten Vorsätzen bleibt. Man wird wohl nicht fehlgehen, wen» man im Vor stehenden die Ausfassung unserer leitenden kolonialen Kreise erblickt. Persönlich ist übrigens Oberst Leutwein, der tele- araphisch zum Vortrag beim Kaiser befohlen worden ist, zur Rückkehr nach Afrika bereit. ver russisch-japanische Krieg. Während aus Petersburg gemeldet wurde, daß der Admiral Kasnakow als Vertreter Rußlands in der Hüll-Kom mission auS Gesundheitsrücksichten durch eine jüngere Kraft ersetzt worden ist, berichtet man aus Wien, daß der Admiral Freiherr v. Spaun die auf ihn gefallene Wahl al» fünftes Mitglied der nämlichen Kommission angenommen hat und zwar, wie er selbst betont, trotz seiner erschütterten Gesund heit aus Ergebenheit für Rußland, dessen Vertreter ihn vor geschlagen hatte. Man darf nach einer Pariser Meldung an nehmen, daß diese beiden Dinfle mit einander in Zusammen hang stehen. Wie es scheint, hätten die Ruffen vorgezog«, de» französischen Admiral Gervais oder wenigstens ein« anderen österreichischen Admiral an Stelle deS Herrn von Spaun ernannt zu sehen, weil dieser ihnen nicht sehr freund lich gesinnt «schien. Admiral Kasnakow leitete jedoch die Kommissionsverhandlungen so ungeschickt, daß Herr v. Sp-u» als einstimmig gewählt erklärt werden mußte. Admiral Kasnakow ist dafür in Ungnade Hftallen abgerufen worden, während sich Frhr. von L>paun beeilt bat, die Wahl trotz seiner Krankheit anzunehmen. Gestern ist Admiral v. Spaun in Petersburg einaetroffen. Er wird vom Zaren empfangen werden und vor seiner Abreise nach Paris mit dem Monarchen längere Zeit konferieren. Am 9. Januar beginnt die Hullkommission, deren Sitzungen zuerst dm sach lichen und juristischen Seite» d« Frage gewidmet sein werde», ihre Arbeit. Die Entscheidung dürste wahrscheinlich 120 000 Feuilleton. Um jeden Preis. 5j Roman von Sergei D . . . . N«»druck verbor«. Bald darauf lraf die Antwort aus London ein. Sie war an Broad per Adresse Kriegsministerium Tokio adressiert. , Der Kriegsminister blickte auf seine Uhr. „Jetzt müßten sie laut Verabredung in der Nakadori- straße auf dem Wege zum Shintomi-Theater sein", sagte er. Der Chef verließ sofort das Zimmer, um die nötigen Anweisungen zu geben. Als einige Zeit später Mr. Broad dem Marquis gegenübersaß, ahnte der Engländer nicht, daß drei Männer auf jedes seiner Worte lauschten. Er erbrach ruhig die Depesche, blickte hinein und reichte sic dann dem Minister. Der las sie laut vor: „Wenn unbedingt nötig, sprechen." Ter Minister sah sein Vm-O-vis fragend an. „Sic sehen, ich darf sprechen", beantwortete Broad den Blick. „Stellen Sie, bitte, Ihre Fragen, Ercellcnz." „Tann sagen Sic mir vor allen Dingen: Wie heißt der Verräter?" Broad sah ihn durchdringend an. „Ich dachte, das wissen Sie?" hätte er am liebsten geantwortet. Der Japaner war ihm gewachsen. Er konnte nicht klug aus ihm werden. „Diese Frage möchte ich am liebsten zuletzt beant worten", sagte er schließlich. „Excellenz werden mich dann besser verstehen. Es wird vielleicht besser sein, ich er- zähle Excellenz eine wahre Geschichte." Und ohne eine Antwort abzuwarten, fing Broad an: „Vor etwa fünfzehn Jahren lebte in Nizza ein unge bildetes, aus den niedrigsten Klassen hervorgegangenes, dafür aber bildschönes und äußerst intelligentes Mädchen, das bei einer reichen, englischen Familie als Kammerzofe angestellt war. Der Herr des Hauses verliebte sich in das Mädchen und stellte ihr nach. Um diesen Nachstellungen zu entgehen, verließ sie Nizza und kehrte in ihre Heimat — Apricale, nebenbei^ wenn Sie das interessiert — zu rück. Dort heiratete sie. Ihr Mann wurde jedoch in eine Falschmünzeraffäre verwickelt und mußte flüchten. Da das Mädchen diesen Mann nur auf Drängen ihrer Eltern geheiratet hatte, schmerzte sic seine Flucht nicht allzusehr. Sie trat wieder eine andere Stellung an; diesmal in Rom. Nun, Excellenz, kommt der Teil der Erzählung, der uns ganz speziell interessiert. Zwei gute Freunde — ein Russe und ein Amerikaner — beide Künstler, die auf einer Studienreise Rom besuchten, lernten hier ^>as Mädchen kennen und verliebten sich beide sterblich in sie. Tas Mädchen erwiderte die Neigung des Russen, der Amerikaner zog sich zurück. Lange sollte das Liebesidyll nicht dauern. Der Russe, der seinen Eltern in seinem Vaterlands einen kurzen Be such abstattsn wollte, wurde während seiner Anwesenheit in einen Studentenkrawall verwickelt und ging vielleicht auch bei seinem heißblütigen Temperament ein wenig zu weit. Bald darauf wurde er eines Nachts von Gen darmen aus dem Bette geholt. Man hat nie mehr etwas von ihm gehört. Es hieß, er sei nach Sibirien verbannt worden, doch ist anzunehmen, daß er in der Schlüsselburg elendiglich zu Grunde ging. Als das Mädchen von dem Schicksal ihres Geliebten hörte, war sie untröstlich. Sie trauerte um ihn, denn er war der erste Mann gewesen, den sie wahrhaft geliebt hatte. Auf ihre unbeholfene Art versuchte sie, die Eltern des mutmaßlich Gemordeten durch Briefe zu einer Art Nachezug aufzustacheln. Sie kannte eben Rußland nicht. Als sie das Unnütze ihres Vorgehens endlich begriff, schwor sie, ihren Geliebten selbst zu rächen. Dem ganzen russischen Reiche schwor sie Rache, — diesen Schwur hat sie noch nicht vergessen. DaS war vor zehn Jahren. Sie traf wieder mit dem Freunde des Ermordeten, dem amen- konischen Künstler zusamnien, der sie noch immer mit der alten Glut liebte und nun von neuem um sie anhielt. Sie nahm auch seine Werbung an, — aber unter einer Bedingung. Er mußte ihr helfen, den verstorbenen Freund zu rächen; nach vollbrachter Rache würde sie die Seine werden — und nicht einen Moment früher. Der Künstler, ging umsomehr auf den Plan ein, als auch er den gemeinschaftlichen Freund ehrlich geliebt hatte und aufrichtig betrauerte. . Diese beiden machten sich nun ans Werk, ihren Plan zur Ausführung zu bringen. Dor allen Dingen — das sahen sie ein — mußte das Mädchen womöglich eine ein flußreiche Persönlichkeit werden. Bei ihrer Intelligenz und fabelhaften Schönheit durfte das auch nicht schwer halten, — was dem Mädchen aber fehlte, war die Bildung. Um diese Zeit erschien der alte Engländer wieder auf dem Plane, — vielmehr, sie erinnerte sich seiner. Sie wußte seine Zuneigung zu ihr auszunutzen. Er hielt ihr Privatlehrer für verschiedene Sprachen und Musik und sie studierte mit einem Eifer und Erfolg, wie ihn nur höchste Intelligenz, gepaart mit einem fanatischen Rachedurst, möglich machen. Die Dame erreichte ihr Ziel. Sie bewegt sich heute in den höchsten Kreisen der Gesellschaft. Sie hat einen klangvollen Namen. Sie besucht alle Hauptstädte Europas und hat überall eine Schar von Anhängern — Verehrern. Und diese Dame steht an der Spitze einiger resoluter Männer, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, sich an Rußland für geschehene Ungerechtigkeiten zu rächen. Und diese Dame glaubt jetzt die Stunde ihrer Rache nahe zur Hand und bietet Ihnen, Excellenz, durch mich ihre Dienste an." Tiefe Stille herrschte im Zimmer. Broad hatte ein fach gesprochan, aber mit Ueberzeugung. Seine Worte schienen den Stempel der Wahrheit zu tragen.
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