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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.11.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-05
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071105011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907110501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907110501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-11
- Tag1907-11-05
- Monat1907-11
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Morgen Airsyabe 8. Be^ugS'Prett Kr Li<p»ta »»d V»r»n, »«rch »1«« Lrt«er »»i Sp«»tteur» i»4 pa»1 ,eb^«chtr Lu»,»-« L l«»r «««,«»4) »<«r1«MtzrÜch 8 M ««»»mq l «. Lo«a»r« > tm,rar»1 unk »d»»d«) viertel» jÜrltch «.S0 «. »-ualltch USO «. Dur» di« »r,<>ako (2 mal ttgiich) innerhalb DeuNchland» und der deupchen Kalanien »iertrljtbrlich 5.L M., Monatlich I.7L vi autlchl Post» beftellgeld «ür Oesterreich v L öü ». lla-ar» S il vtrrteljLhrlich. Lbonnnnenl-Lunadm« Lu«uku«platz 8, bet unteren tidaern, Filialen. Lpedileure» »ad Lonadmeü-ilcn, mim« Pofttaurni und LrlestrLgern. Li« etn»«l« dtummer kost« 10 Ps^. Lednktto» »nd ArpedUtna: IohLllNilgasie 8. «evbon Rr. I4SV2 Nr. 14«» Nr. 1469«. Berliner Nedakitou» Bure»»! verlin diVV. i Prin» Louis gerdinaud- Stroß« U Lelephon l. Nr U27S. lnpMrTiMbllük Handelszeitung. Lmlcvsatt des Rates «nd des Nolizeiamtes -er Ltadl Leipzig. Anzeigen. Preis Br Anlerok« au« Leipei, and Umgeb»»» di« -«ipaltrne PetUteil« L Pf.. st»«»H>elI« Lnjetgr» SO Pt., ÄrNamea I vi »mi auswärts » PI. Neklame» USV« »am Ausland SO Pi., finan». Anzeigen 7S Ps. «eklamen ILO «. Inserate v. vebbrden im amtlichen Teil 40Ps. Beilage,«bLdr S vl. » lausen» «kl. Post» gebühr. Sie chüslsanzeigen an beoorjugier Stelle im Prelle erhöht. Rabatt nach Paris, gellerteilte «ustrüge können nicht zurück- gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestiauaten lagen und Pitten wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme> U»,,st,«»l«tz 8 bet stmlliche» Filialen u. allen Annoncen^ LWeditlaaen de» Ja» und Auslandes. Haupt Filiale Berti» Karl Dun<> Herzogi. Vahr. HosbmH Handlung Lühowstrah« lL slelepbaa VL «r. 4S06> Nr. M. iOl. Ial'rqaiiq. Dienstag 5. November 1907. Da» wichtigste vom Tage. * Der Kaiser betraute den Staatssekretär des Aus wärtigen Amtes von Schön mit der Stellvertretung des Reichskanzlers im Bereich desAuswärtigenAmteS. * In der Zweiten Kammer deS sächsischen Landtags wurde gestern die Interpellation Günther-Plauen über Ermäßigung der Getreidezölle verhandelt. sS. Ber.j * Der Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg wurde gestern von dem Prinzregenten Luitpold in Audienz empfangen und war später zur Tafel geladen, an der auch die bayerischen Minister teil nahmen. * Geheimrat Professor Robert Koch ist gestern früh von seiner Forschungsreise nach Ostafrika zurückgekehrt und in Berlin sti «getroffen. „ALlav, einfach und gerecht!" Ein Vorschlag zur Reform des Wahlrechts. Von Srncerus. Obwohl wir mit den nachfolgenden Ausführungen, die uns von hochgeschätzter Seite zugehen, uns nicht identifizieren können, geben wir sie zur Anregung für die weitere Debatte über die Wahl- rechtsresorm wieder. Vorwort. Die Gedanken, die ich hier niedergcschrieben habe, sind in mir schon vor Jahren lebendig geworden, als das letzige Wahlgesetz geschaffen wurde. Ich habe sie schon damals und auch später mannigfach ausge- sprachen, und sie sind auch nicht so eigenartig, daß sie nicht auch von anderen gedacht und gesunden werden könnten. Immerhin glaube ich, daß sie der guten Sache dienen können, und dies ist für mich Veran lassung gewesen, sie in Druck zu geben. Dresden, im Herbst 1907. Sincerus. I. Von einem guten Wahlgesetze mutz man dreierlei verlangen: «S muh einfach, klar und gerecht sein. Das Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag entspricht den beiden ersten Erfordernissen auf eine wunder- bare Weise, es ist ebenso einfach wie klar, allein es ist nichts weniger als gerecht: es räumt dem Arbeiterstande einen Einfluß ein, der weit über seine Bedeutung hinausgeht und zur Beunruhigung des Volkes ge- mißbraucht werden kann. Von dem Entwürfe, den jetzt die sächsische Negierung in dankens werter Weise dem Volke vorgelegt hat, gilt gerade das Gegenteil: er bestrebt sich, so gerecht als möglich zu sein, er trieft geradezu von Ge rechtigkeit — allein er ist weder einfach noch klar. Dies ist sein Ver hängnis und macht ibn unannehmbar. Der Entwurf ist nicht einfach, sondern vermischt Dinge, die nicht zusammengehören. Die Zweite Kammer soll eine Volksver tretung sein, sie soll unmittelbar aus dem Volke hervorqeben, sie soll die Stimmung deS Volkes direkt widerspiegeln. Diesem Erfordernisse entspricht der eine Teil der geplanten Volksvertretung in jeder Beziehung, der andere aber schlechterdings nicht. Die von den Bezirksausschüssen und Sladtvertretungen gewählten Mitglieder können daS Vertrauen des Volkes nicht haben, weil sie nicht die Ver trauensmänner des Volkes sind. Sollen sie überhaupt im Landtage erscheinen, so gehören sie nicht in die Zweite, sondern in die Erste Kammer, und sollen sie durchaus in der Zweiten erscheinen, so macken sie die Ersie überflüssig. Ein Wahlgesetz muß klar sein: es muß sich dem Verständnisse der großen Wählermassen und dem Auffassungsvermögen deS Volkes an passen. Der Entwurf läßr beides vermissen: das System der Verhält niswahlen ist ungemein gekünstelt und wird vom Volke nie und nimmer verstanden werden. Be, ihm wird daS Volk stets von einem gewissen Mißtrauen beseelt und von dem Verdachte beherrscht sein, die Sache sei nicht mit rechten Dingen zuaeaangen. DaS Wahlergebnis, mag cS auch noch so gewissenhaft und ehrlich gefunden worden sein, wird dem Volke, da» zum Mißtrauen neigt, stets als das Ergebnis willkürlicher und gewissenloser Machenschaften erscheinen. Achnlich verhält eS sich mit dem Pluralsystem. Es beruht auf Erwägungen, die Kem Volke nicht verständlich sind, und auch hier wird ihm dos, was der Ausfluß eines gekünstelten, aber gewissenhaft gehandhabten Systems ist, als ein Ausfluß der Parteilichkeit erscheinen. H Das Wahlsystem, das ich Vorschläge, soll einfach, klar und gerecht sein, und ich habe die felsenfeste Ueberzeugung, daß es diesen Anforde- rungen genügt. Seine Grundzüge sind folgende: 1j Der Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen ist aufzuheben. 2 DaS Land wird in 50 Wahlkreise eingeteilt. 3 Die Wahl ist direkt und geheim. 4 In jedem Wahlkreis« werden 3 Abgeordnete gewählt. 5 Die Wahlberechtigten eine» jeden Wahlkreise» werden drei Ab ¬ teilungen zuaewiesen. 6) Die Abteilungen werden nach dem SteuerzensuS abgestuft: «. Tie Wähler mit einem Steuerbetrage bi» zu « wählen in der ersten Abteilung. k. Die Wähler mit einem Steuerbetrage von « bi» zu ? wähle» in der zweiten Abteilung^ o. Die Wohler mit einem Steuerbetrage von mehr als? wählen iu der dritten Abteilung. Maßgebend ist der Betrag der direkte» Staatssteuer». III. Gründe. Z u N, 1. Einrichtungen, die durch die wirtschaftliche Entwickelung eines Volke» überholt worden sind, dürfe» nicht aufrechterhalten wer den. Wer diesem Satze -uwiderhandelt, wer der natürlichen Entwicke lung eine» Volke» Zwana antut, begeht ein fchwere» Unrecht und erzeugt Erbitterung. Sachsen ist wirtschaftlich ein »ndustrielle» Land geworden, und die Industrie hat sich so entwickelt, daß sie sich nicht auf einige weniae Orte beschränkt: man braucht dabei nur an da» Erzgebirge, da» Vogtland und die Lausitz zu denke». Heutzutage ist e» ein reiner Zufall, ob ein Gemeinwesen ein« städtisch« oder dörfliche Verfassung hat: viele Landgemeinde» mit dörflicher Verfassung siad durchs«» oder vorwiegend industriell: Orte mit städtischer Verfassung sind dörflicher als viele Dörfer. Der Gegensatz zwischen Dors und Stadt bat seine Berechtigung verloren und hat überhaupt etwas Unnatürliches und Geschraubtes an sich. Tas, was beides eint, ist viel wichtiger als das, was beides trennt. Au II, 2. Das Land wird in 50 Wahlkreise eiugeteilt, die an- nähernd dieselbe Bevölkerungszahl haben müssen. Dies ist das erste Erfordernis der Gerechtigkeit! Daß ein Wahlkreis 50 000, ein anderer 200 000 Einwohner hat, ist eine himmelschreiende Ungerechtiq. kcit: denn wie kommt der Wähler in dem größeren Wahlkreise dazu, ein Wahlrecht zu haben, das sich zu dem Wahlrecht des anderen verhält wie 1 :4?! Da Sachsen etwa 4 500 000 Einwohner hat würden ous jeden Wahl kreis etwa 90 000 Einwohner kommen. Die Wahlkreise Wörden etwa» größer sein als setzt: allein dies wäre kein Unglück: je kleiner der Wahl kreis. um so größer das Cliquenwesen, das Intrigenspiel und die Kirch- turmspolitik. Tie Wahlkreise müssen ehrlich und gerecht gebildet werden, und cs muß bei ihrer Bildung in billiger und angemessener Weise darauf ge achtet werden, daß sowohl die Industrie wie die Landwirtschaft zu iyrem Rechte gelangen. Nur keine gekünstelten und parteipolitischen Wahlkreiseinteilungen, wie sie z. B. in Bayern vorgekommen sind: sie sind eine politische Sünde schwerster Art und werden sich an ihren Urhebern sicher rächen: Nichts erzeugt mehr Haß und Erbitterung als Ungerechtigkeiten, die mit dem Mäntelchen der Gesetzlichkeit bekleidet werden. Zu II, 4. Hier bedarf es nur weniger Worte: Das Wahlmänner- system des bisherigen Gesetzes hat sich zur Genüge als eine unpraktische, schwerfällige, nichtssagende Formalität erwiesen. Die Dahlmänner waren Strohmänner — ein durchaus überflüssiges Sprachrohr. Z u II, 6 und 6. Für außerordentlich zweckmäßig halte ich es, daß jeder Wahl kreis durch drei Abgeordnete vertreten wird. Gerade beim sächsischen Landtage handelt es sich — im Gegensatz zu den großen Angelegenheiten des Reiches — vorwiegend um Dinge mit territorieller, provinzieller oder lokaler Färbung. Hier wird jede Einseitigkeit vermieden, wenn das selbe Thema von drei fach- und ortskundigen Männern behandelt und beleuchtet wird. I?. Jeder Wahlkreis wählt drei Abgeordnete, und zwar muß den Abteilur.gswahlkörpern der Steuerzensus zugrunde gelegt werden. Damit wird in sehr zweckmäßiger und praktischer Wesse an das jetzige Wahl system ongeknüpst und eine Verbindung zwischen sonst und jetzt her- gestellt. Auf der anderen Seite treten nun die Wohlabteilungen a l S gleichwertig nebeneinander, und daS Wahlrecht der dritten Abteilung, dos bis jetzt rin elendes Scheindasein führte, wird zu einem l eb o u ' r ä s l - g» u politischen Elemente. 6- Der für die Wahlabteilnngen maßgebende StenerzensuS muß >o gestaltet werden, daß in der ersten Abteilung Reichtum und Wohlstand ln der zweiten der Mittelstand, in der dritten der Arbeiterstand ver treten ist. Selbstredend läßt sich diese Grenze nicht genau festhaltcn: wohlhabende Handwerker werden in die erste Abteilung, besonders yur bezahlte Arbeiter in die zweite Abteilung gelangen können. Allein dies halte ich für kein Unglück: es werden dadurch die einzelnen Wahlkörper vor Einseitigkeit und egoistischer Interessenvertretung bewahrt. v. Daß dies Wahlsystem ungemein einfach und klar ist, wird nie mand bestreiten können. Es ist aber auch gerecht. Weder die Pluto- kratie noch die Demagogie können zur Herrschaft gelangen. Es kann dadurch modifiziert werden, daß die aktive Wahlsöhigkeit erst mit dem 30. Jahre beginnt sowie an eine gewisse Seßhaftigkeit geknüpft wird und daß die Abgeordneten innerhalb ihres Wahlkreises wohnen müssen. Fux unerläßlich halte ich dies aber nicht. 8- Wie der Zensus für die einzelnen Abteilungen abzugrenzen sei, muß politischen, auf Grund der Statistik ausgebauten Erwägungen Vor behalten bleiben. Es muß gelingen, hier die richtigen Abgrenzungen zu finden: vielleicht könnte Abteilung 3 die Einkommen bis zu 1600 .E, Ab- teilung 2 die über 1600 bis zu 5000 F, Abteilung 1 die über 5000 ^l ent halten. Hier gilt der Spruch: „Prüfet, so werdet ihr finden!" Die Folgen. Der Wahlgesetzentwurf der Regierung ist mir um deswillen nicht sympathisch, weil überall eine gewisse Aengjtlichkeit bindurchblickt: „Daß nur ja nicht zu viel Sozialdemokraten gewählt werden!" Damit bläst man Leuten, die nicht übermäßigen Heroismus besitzen und nur dann Heldenmut entwickeln, wenn sie durch die Panzerrüstung oder die Tarnkappe der Immunität gedeckt sind, erst die nötwe Courage ein. Daß die politische Vertretung des Volkes nicht der Sozialdemo kratie ausgeliefert werden darf, ist selbstverständlich und folgt schon aus dem Postulat« der Gerechtigkeit, das in diesen Ausführungen energisch vertreten worden ist. Aber im übrigen weg mit der Angstmeierei! Vor August Bebel, vor Emil Singer, und wie sie alle heißen mögen, braucht sich weder das große Reich noch daS kleine Sachsen zu fürchten. v. Die erste Abteilung wird nicht sozialdemokratisch wählen, auch nicht die zweite, nur die dritte kann hier in Betracht kommen. Setzt man hier den schlimmsten Fall, nimmt man an, daß alle dritten Abteilungen sozialdemokratisch wählen, so kommt man auf 50 sozialdemokratische Ab geordnete, denen 100 nicht-sozialdemokratische gegenüberstehen. Wäre dieS ein unerträgliche- Unglück? Sicher nicht! Die 50 könnten nie tue Majorität erlange», hätten aber vollauf Gelegenheit, die berechtigten Wünsche des Arbeiterstandes zur Geltung zu bringen: sie würden nicht selten das Zünglein an der Wage bilden und den Ausschlag geben können, wenn die Regierung verpflichtet ist, plutokratischen oder engherzig- philiströsen Anschauungen entgegenzutreten. Es wäre dann aber auch für den Arbeiter st and jeder Grund zur Klage geschwunden: auch der begehrlichste Vertreter des Arbeiter st andes muß sich sagen, daß der Arbeiter stand nicht die Herrschaft über andere Stände, so», dern nur eine gerechte Vertretung »ebe« den «»deren Ständen verlangen darf. Und was hier vom Arbeiterstande ge- sagt ist, gilt vom Mittelstände, der in der 2. Abteilung, und vom Kapi talistenstande, der in der 1. Abteilung zur Herrschaft gelang. Jeder erhalt nur, was ihm gebührt, nicht mehr — Gerechtigkeit, nicht Vor- Herrschaft ist die Losung! Besonder- ängstliche Seelen werden mit der Möglichkeit rechnen^ daß auch in der 2. Abteilung die Sozialdemokraten mitunter -um Siege gelangen könnten. Dies ist möglich: dafür werden sie aber ie nach den territoriellen Verschiedenheiten nicht in allen dritten Abteilungen siegen. Ein Sieg der Sozialdemokraten im Bereiche der zweiten Ab teilungen wäre nur möglich bei Faulheit und Schlafmützigkeit ihrer Gegner — und diese werden sich nicht znm zweiten Male überrumpeln I°^Es kann sich also nur nm vorübergehend« Erscheinungen handeln. Ein Wahlgesetz darf nie so beschaffen lein, daß e» die konservativen und gemäßigt liberalen Elemente einsckläfert, daß diese in die Lage kommen, die Hände müßig in den Schoß legen zu dürfen. Die« führ, zur politischen Versumpfung und erstickt jeden Fortschritt. Kampf und Streit muß auf politischem Gebiete herrschen: uur daraus erblühen Frische und Lebenskraft. Das Wahlgesetz darf keine Schlasmütze wur, die sich der Philister über die Ohren zieht, und kein Pelzbandschuh, damit er ja nicht an die Hände friert. Und wenn nun auch einmal infolge sträflicher Schlafmützigkeit ihrer Gegner die Sozialdemokratie in der 2. Abteilung die Majorität erlangte, wäre das so entsetzlich? Mit Nichten. Bei den nächsten Wahlen würde es sicher anders; dann legen die ernüchterten Wähler die Schlasmütze ab und macken ihre Tröghcils- sünde wieder gut. Und ist denn nicht die Erste Kammer vorhanden, ist sie nicht ein gleichberechtigter, gesetzgebender Faktor, und ist nicht die Re gierung vorhanden, und ist sie nicht auch ein gleichberechtigter, gesetzlichep Faktor? Bei allen den Vorschlägen, die gemacht werden, wird immer übersehen, daß ja nock die Erste Kammer vorhanden ist, deren Aufgabe recht eigentlich darin besteht, bei demagogischen Auswüchsen der Zweiten Kammer zu bremsen und den Hemmschuh anzulegen. Wozu also die allzu große Aengstlickkcit? Im schlimmsten Falle kann die Folge doch nur die sein, daß während einer Gesehgebungsperiode die Maschine der Gesetzgebung ruht oder nur wenig produziert, und die- ist bei der Ge- setzgebnngssencke und der Gcsetzemachemanie der Jetztzeit schließlich kein übermäßiges Unglück. Betont muß aber immer wieder werden, daß sich die zweiten Abteilungen, bei denen es fick ja stets nur um Ucber- rumpelungen handeln kann, sehr bald ans ihre Pflicht besinnen werde» und daß es sich daher stets nur um vorübergehende Trübungen des poli tischen Horizontes handeln kann. Ja auch die dritten Abteilungen, denen so viele maßvoll gesinnte Leute angehören, darf man nicht verlöre» geben; auch sie sind der Demagogie keineswegs schlechterdings verfallen, und auch die Demagogie wird sich im Lanke der Zeit zur Demokratie umwandeln: eine vorsichtig abgemessene Menge demokratischen Oele» aber ist für jedes Staatswesen unerläßlich. Klar, einfach und gerecht! Huock ckous Kone vsrtat! Deutsches Reich. Leipzig, L. November. * Deutsche Auslandspässe bet italienischen Postauslattc«. Die .Norddeutsche Allgemeine Zeitung* weist au» Anlaß der in deutschen Zeitungen wiederholt laut gewordenen Kia en, daß die italiew'cheu Postanstalten die Bo le,zu» g von deutschen AuSlandSp'ssen nicht als ge nügenden Ausweis sü, die Aushändigung von Postsendungen aoertennen, darauf hin, daß nach den italienische« Bestimmungen von der Aushän digung von Ein'chreibe- und Weriienrungen d e nachzuweisende Jnden- titäl auch durch rin n Paß nachg.w efeu werden kann, der am Tage der Auszahlung noch Gültigkeit besitzt «nd die eigenhändige Unterschrift deS Inbab-rs trägt, daß aber au-lä«viiche Pässe außerdem, wenn sie nicht französisch abgefaßt sind, eine jrauzösuche oder italienische von der zuständigen Behörde de- alaubine Uebeisetzung, sowie die lonsulari'che Be cheinigung üder die Güitigleit tragen müssen. Tie «Norddeutlche Allgemeine Zeitung" rät daher den deunchen Reisenden an, falls sie in Italien bcr Empfangnahme von Geld- und Eiuickre bsendun.ien ihren Paß «IS Identitätsnachweis benutzen wollen, sich mit einem tür die Reisedauer gültigen, die Personal beschreibung und die Unieitchkift deS Paßinhaber- enthaltenden Resse passe ,u versehen und sich die ersorderl che Bescheinigung des zuständigen ceut'cken Konsuls und eine beglaubigte Übersetzung veS Paßinhalte» zu verschaffen. * BeamtenauSschüsse. Zur Frage der BeamtenauSscküsse, deren Einführung auch kur deS of eren das Wort geredet haben, w rv aus Bayern gemeldet. D>e Z ntrnmspartei hat im bayrischen Landtag fol genden Antrag eingebiachi: „Für das angestellie Penonal des mittleren und neeeren DienneS der BerkebrSanstalten wären analog den ArbeiterauSicküssen Personalausschüsse zu bilden. Zur Beratung von Kragen, welche das gesamte wittere und untere Perional beiübren, wäre ebenfalls ein Zentralausichuß mit dem S,oe am BerlehiS» Ministerium zu errichten. De,selbe hätte mindesten- 15 Mitglieder zu umfassen und sich aus den von d-n einzelne« PeisonalauSichußgruppen gewählten D legierten zusammenius tz n". Es wäre dringend zu wün schen, raß auch im Reichstag ein ähnlicher Antrag für die verschiedenen RessoitS eingebiacht, damit auch im Reich die so wichiige Krage der Errichtung von Beaintenausschülsen in Fluß gebracht würde. * Zur staatlichen Pcnsionsversichcrung der Privatbeamte«. In der Frage der staatlichen Pensionsversichcrung der Privatbeomten icyeint sich eine Einigung anzubahncn. Wie der .hannoversche Kurier" in einem Berichte über eine Versammlung von Privatbeomten mitteilt, hat der freisinnige Abgeordnete Dr. Potlhoff, welcher bisher am eifrig sten für den Ausbau des Jnoalidengesetzes eingetreten war, in der ,ek- ten Sitzung des Zentralvorstandes des Deutschen Werkmeisterverbandes sich bereit erklärt, aus dem am 17. November in Frankfurt a. M. statt findenden Allgemeinen Privatbeamtentog für die Errichtung einer Sonderkasse zu stimmen, nachdem die überwiegende Mehrzahl der deut schen Privatbcamten sich für diesen Weg erklärt hat. Damit ist die Einheitlichkeit der deutschen Privatbcamtenbeweaung im Sinne der jenigen Auffassung gegeben, die unter anderem aut dem letzten national- liberalen Vertrctertag von dem Neichstagsabgeordneten Dr. Stress- mann zum Ausdruck gebracht worden ist. Denn wenn der Deusscke Werkmeisterverband seinen früheren ablehnenden Standpunkt aufgibt und jetzt mit der Mehrheit zusammenarbeitet, so bleiben als Gegner dieser Sonderversicherung hauptsächlich nur noch der Verein Deutscher Kaufleute und der Verband technisch-industrieller Beamter übriq, «"^e gegenüber der Gesamtorganisation zu wenig bedeutungsvoll sind, um m Betracht zu kommen. * DaS Prinzip des AosübongSzwangeS beim Patentwesen. Am 1. Januar nächsten Jahre» soll in England ein Gesetz in Krass treten, wonach vier Jayre nach Gewährung eines Patent» jedermann daS Reckt besitzt, die Zurücknahme eines Patent» zu beantragen, falls der patent rechtlich gelckühte Gegenstand ausschließlich oder in der Hauptsache außerhalb Englands ^briziert wird. Damit wird nunmehr auch in die englische Gesetzgebung das Prinzip de» AnSübungszwangeS bineinae- tragen, da» entweder eine leere Formalität bedeutet, oder aber eine rigorose, durch nichts zu rechtfertigende Schädigung der fremden In dustrie. Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller hat i» Ver bindung mit dem Zentralausschuß Berliner kansmännss-*>er, gewerb licher und industriell-r Vereine im Anschluß an die Erklärung de» Düsseldorfer Kongresses für internationalen gewerblichen Rechtsschutz eine Eingabe an daS Neichsamt de» Innern und da» Auswärtige Amt gerichtet mit dem Ersuchen, die deutsche Reichsregierung möge bei der nächsten internationalen Staatenkonseren- für die Aufhebung de» AuS- übungSzwanges eintreten. * Ist eine Reform de» Veleidi»»n»»prozesse» »A»sch«n»Mert? Zu dem Aufsätze, den wir am 3. November uater dieser Ueberschrift brachte», wird un» noch folgende» geschrieben: DaS Privatklageverfobren unterscheidet sich vom Verfahren auf öffentliche Klage nicht zuletzt dadurch, daß der Slageerhebung regel-
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