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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-26
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920826014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892082601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892082601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-26
- Monat1892-08
- Jahr1892
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Dabellarischer und Ziffern!»» nach höherem Tarif. Extra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-ÄuSgab,, ohne Postbesördernag SO.—, mit Postbesördernag 70.—. Annahmeschluß für Inserate: Abead-AuSgabe: Bormittag« 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag- «Uhr. Sonn- »nd Festtag« früh V«9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halb« Stund« früher. Austritt« find stet« an dt, Srdedltt«» za richten. Druck and Verlag von «. Pol» tu Leipzig. ^-436. Freitag den 20. August 1892. 88. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, Erhebungen über Arbeitszeit re. im Handelsgewerbe, sowie im Bäckerei- nn» v onditoreigewrrbe betr Aus Veranlassung der Reichscommission sür Arbciterstatistil bat der Herr Reichskanzler Erhebungen über die Arbeitszeit rc. im Handelsgewerbe, sowie im Bäckerei- und Eondito»etgrwerbe eingeteitel. Diese Erhebungen sollen sich aus etwa 10 derjenige» Betriebe beschränken, welche regelmäßig wenigstens einen Gehilfen oder eine Gehilfin beschäftigen. Die Fragebogen sollen in der einen Hälfte der Betriebe aus- schließlich vom Arbeitgeber, in der andern Halste ausschließlich von je einem Arbeiter beantwortet werden. Beim Handelsgewerbe kommen nur diejenigen kaufmännischen Betriebe in Betracht, welche durch Tetailverkans in offenen Läden der Befriedigung täg licher Bedürfnisse dienen. Es gehöre» Lahm: der Handel mit landwirthschastlichen Producten, insbesondere mit Milch, Butter, Käse, Eiern, Obst, Gemüse, Mühlen fabrikaten; der Handel mit Colonial-, Material-, Spezerei, und Flcischwaaren; der Fisch-, Wild-, Delikatessen- und Droguenhandel; der Handel mit Tabak und Cigarren; der Handel mit Manufactu» (Schnitt-) Maaren, insbesondere mit Leinen-, Wollen-, Baumwollen-, Sammt- und Seiden- waarcn, der Posamenten-, Garn-, Baud-, Handschuh- und Klciderhandel; die Kramereien, Bazare (Fünfzigpfennig-Bazare rc.) u. s. w., sowie der Handel mit GlaS-, Porzellan-, Thon-, Holz-, Gummi-, Schuh- und Pelzwaaren, mit Hüten, Stücke», Schirmen, Schreibmaterialien u. s. w. Ausgeschlossen sind die Ladengeschäfte sür den Verlaus von Back- vnd Londitoreiwaarcn. Beim Bäckcrci- und Eondttorrigewerbe kommen in Frage die Betriebe der Brod-, Kuchen-, Zwieback-, Mscuit-, Marzipan-, Zucker bäcker, der Conditoren, Consiseure, Lebküchler »c- Diese Erhebungen sollen in folgenden Bezirken erfolgen: ä. im HandtlSgrwerbe in der Grlmmaischen Straße, der Petersjtraße, dem Brühl, in der äußeren Süd-Vorstadt (d. i. dem südlich der Körner- und Mahl- mannftraßenaxe gelegenen Theile von Alt-Leipzig); io den Stadtbezirken L.-Reudni», L.-LtnLenau, L.-Eonnewitz, L-.Gohli-: v. im Bäckerei- und Eondttoreigewerbe in der inneren Stadt (d. i. dem von der Promenade eingeschlossenen Theil von Att-Leipzig); in den Stadtbezirken L.-Plagwitz und L -Neuschönefeld. Die Fragebogen sind »ach folgender Ausstellung theil« von den Arbeitgebern, theil« von den Arbeitern zu beantworten, und zwar: im Handelsgeworbe von den Arbeitgrbrru in den Betrieben, deren Firmen die An fangsbuchstaben X haben, oon den Gcbilsen in den übrigen Betrieben; v. im Bäckerei- und Eondttareigewerbe von den Arbeitgebern in den Betrieben, deren Firmen die An fangsbuchstaben H.—A haben, von den Gehitsen in den übrigen Betrieben. Sind in einem Betriebe mehrere Arbeiter beschäftigt, so haben diese sich darüber zu einigen, wer von ihnen den Fragebogen bchuss Beantwortung in Empfang nehmen soll. Ist beim Austragen der Formulare eine Einigung nicht erfolgt, so wird der Fragebogen dem am längsten im Betriebe beschäftigten Arbeiter behändigt, welcher dann die Beantwortung vorzunehinen hat. Tie Fragebogen sind mit größter Sorgfalt auszusüllen und werden binnen 5 Tagen wieder abgeholt. Bei etwaigen Zweisein über Ausfüllung rc. wolle man sich an unser siatistijchc« Amt — Kupsergaßchen I, II. — wenden. Sollten innerhalb der vorgenannten Bezirke in einem Betriebe der vbeiibezeichneten Arten bi« zum 27. d. MiS. Formulare nicht abgegeben worden sein, so sind solche tn unserem statistischen Amte zu verlange». Leipzig, den 24. August ^>92. 8t. x. 1253. Der Ratd der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Schilde. Bekanntmachung. Nachdem das evangelisch-lutherische Landesconsisiorium auf den Bericht der Unterzeichneten Inspection. genehmigt hat, daß die sür den Gesanimtbezirk Alt-Leipzig gemeinsam bestehenden drei Hilss- geistlichenslellen und die HilssgeisiticheiisteNe zu St. Andreü zu stän- Ligen Stellen im Sinne des Emeritirungsgeietzes vom 8. April 1872 und vom 3. Mai 1892, sowie der Bekanntmachung, die Staats- zutage für Geistliche betreffend, vom 8. Juni 1892 erhoben und den Inhabern dieser Stellen der AmtStitel ats „Subdiakonus" beigelegt werde, wird Solches hiermit anordnungsgemäß zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Leipzig, den 19. August 1692. Die Kircheutnspectian für Leipzig. Ter Superintendent. Ter Rath der Stadt Leipzig. I» 3464 v. Hartung. llr. Georgi. 1228. Wirthgen. Bekanntmachung. Wir haben, vorbehältlich der Zustimmung der Herren Stadt verordnten, die Errichtung eine« ElektricitätswerkS zu Kraft- und Beleuchtungszwecken sür die innere Stadt event. für die inneren Vorstädte beschlossen. Zur Gewinnung von Unterlagen sür das Projcct fordern wir zunächst üie Bewohner der innere» Stadt und des diese umgebenden Promenadenrings (Fleischcrplatz, Schulplatz, Löhr's Platz, Blücherplay, Bahnhosstraße, Augustusplay, Roßplatz, Königsplatz, Lbstmarkt, An der Pleiße) auf, baldmöglichst, spätestens aber bis 15. Srptkmber d. I. uns schriftlich anzeigen zu wollen, ob sie gewillt sind, von den ge- planten Central-Anlagen elektrischen Strom für Belenchtungö- oder andere Zwecke zu entnehmen und zu bieier Entnahm- eventuell aus längere Dauer sich zu verpflichten, gleichzeitig auch ihren voraus- sichtlichen Bedars an elektrischen Glühlampen, Bogenlampen, Motoren rc. mitzuiheilcn. Der städtische Beleuchtungsinspcctor, Herr Seemann, dessen Geschäftsstelle sich Kurprinzstroste 14, I. befindet, ist angewiesen, in dieser Angelegenheit Auskunft zu ertheilcn. Leipzig, den 20. August 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. Io. 4372. 1>r. Georgi. I-r. Redlich. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebenen Maurer- und Steilimetz- arbriten für Erweiterung des nördliche» Friedhofes find vergcdr» und werden die unberückiichtigt gebliebenen Herren Bewerber des halb aus ihren Angeboten entlassen. Leipzig, am 19. August 1892. 3554 Der Rath der Stadt Leipzig Id 1212 I)r. Georgi. Cichoriu«. Ausschreibung. Die Lieferung der Mobiltargegknftäiide zum Anbau der 23. Bezirksschule in Letpzsg-Ltudena», an der Schiller- und Gundorscr Straße gelegen, soll an einen Unternehmer verdungen werden. Tie Bedingungen und da« Arbettsverzeichniß sür diese Lieferung liegen in unserer Hochbau-Verwaltung, Stalbhau«, II. Stockwerk, Zimmer Nr. 7 aus und können daselbst eingeschen oder gegen Entrichtung der Gebühren im Betrage von 1,00 ^!, welche auch in Briefmarken eingejendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: 23. Bezirkaschule — Mobiliarlieferung versehen ebendaselbst, portofrei und zwar bi« zum 81. August d. I. Vormittags 10 Udr einzureichen. Der Rath behält sich die Auswahl unter den Bewerbern, bezw. die Theilung der Arbeiten und die Ablehnung saimntlicher An- „«böte vor. Leipzig, den 22. August 1692. Ter Rath der Stadt Leipzig. Id. 3697.vr. Georgi. sie haben eine nute Erziehung genossen, etwas Tüchtiges gelernt und suhlen, wenn sic das 2». Lebensjahr über schritten haben, das Bedürsniß nach einem Wirkungskreise, da- außerdem die Sorge zum Hintergrund hat, die Zukunft in irgend einer Weise sicher zu stcüen. Nun ist aber die Nachfrage nach Erzieherinnen, Wirtbschastcrinnen, Gesell schafterinnen ganz unverhältnißmäßig gering im Berhältniß zum Angebot, und danach richtet sich der Preis, der meist so lächerlich gering ist, daß er nicht hinreicht, um auch »ur die bescheidensten Ansprüche zu befriedigen. Dagegen sind die Anforderungen aus der anderen Seite riesengroß. Eine Erzieherin soll eigentlich Alle« verstehen, nicht nur, daß sic ipre Zöglinge bei Anfertigung der Schularbeiten für höhere Töchter schulen bis zur höchsten lllasse überwacht und unterstützt, sondern sie soll auch alle weiblichen Handarbeiten geschickt und geschmack voll auvsübreii, gelegentlich die Schneiderin ersetzen, gesell schaftlich repräsentiren und doch von allen Annehmlichkeiten de- gesellschaftlichen Verkehr- ausgeschlossen werden, damit sie nicht etwa einer Heranwachsenden Tochter des Hanse- bei einem Freier den Rang ablaufen kann. Es gehört in der Thal viel Entsagungßsähigkeit dazu, um einen solchen Platz so anSzusiillen, wie eS verlangt wird. Ein anderer Zweig der Erwerbstkätigkeit de« weiblichen Geschlechts ist der k.iusmännische Beruf. Es giebt Anstalten, in welchen die doppelte Buchführung, kaufmännische Eorrc- spondcnz, Stenographie, Französisch, Englisch, Italienisch gelehrt wirb, und hi» und wieder sindet wohl auch eine in solcher Anstalt vorbereitete junge Dame eine ihren Wünschen an nähernd entsprechende Anstellung. Das geht so lange ganz gut, als die Eltern lebe» und der Tochter stets schützend und helfend zur Seite stehen. Wen» aber der Ernährer der Familie aus dem irdische» Dasein abberufen, wenn die Tochter aus eigene Füße gestellt wird, dann kommt cS auf die persönlichen Verhältnisse und Eigenschaften des Prin- cipalü an, ob sie auf dem Platze, den sie bisher eingenommen hat, verbleiben kann. Ist der Ches unverbeiratbet und das Mädchen von anziehende» Eigenschaften, dann be ginnt für die kausmäniiische Gehilfin der Kampf um die Etistcuz auf der einen, um die Eine auf der anderen Seite, und der normale Ausgleich, nämlich die Eheschließung, bildet nicht die Regel. DaS sine die Kämpfe, die sich in den böheren Gesellschaflö- schick'tcn adspiclen. Wenn man aber tiefer hiuabsleigt, wo die Ansprüche weniger hoch gespannt sind, wo den natürlichen Regungen mehr Spielraum gelassen ist, da kommen solche Er scheinungen zu Tage, wie sie der gestern von un« mitgetheilte, im hiesigen Landgericht verhandelte Fall darstellt. Ein armes Dienstmädchen wendet ihren ganzen Verdienst ans, um ihr Kind pflegen und aufziehen zu lasten, als sich aber die Unmöglichkeit ergicbt, für das Kind das bedungene Pslege- geld zu zahlen, nimmt die Mutte: das Anerbieten ihrer Schwester an, ihr die Pflege bcS Kindes sür einen geringeren Betrag z» übergeben. Da« schwächliche, der »ötbiqcn Mege gänzlich entbehrende Kind stirbt schließlich unter ilmstände», die der Pflegen» vcrbängnißvoll werde», da sie wegen Miß handlung und Vernachlässigung des Kindes, die seinem Leben Gefahr bringen mußten, zu einer Gesängnißstrase von zwei Jahren verurtheilt wurde. Tie sogenannten Engelmacherinnen, die ihre schmähliche Die Börse zu Leipzig bleibt Freitag, den 2. September tz. I, anläßlich de« Sedan- Feste«. geschloffen. Leipzig, den 24. August 1892. Ter vörsenvorstand. Für den Vorsitzenden der 1. Abthellung: VH F. Dürbtg. Mehl, Börsensecretär. Gefunden wurde Ende vorigen Monats ein Betrag von litt» filrrrk, was zur Ermittelung de- Eigeiithümer- hierdurch bekannt gemacht wird. Leipzig, am 23. August 1892. Tas Pölizriautt der Stadt Leipzig. III. 4548. B ritsch arid er. Ml. Zur Frauenfrage. Der Kamps um« Dasein ist nicht aus das männliche Ge schleckt beschränkt, er wird mit einer bcwundernSwerthen Tbatkraft und Zähigkeit auch vom weiblichen Geschleckt ge führt, und der -Lieg im Kampf gegen Hunger und Elend, gegen sittlichen und physischen Untergang ist oft der Preis eines Helkentbums, das lange nicht genug gepriesen und gewürdigt wird. Wir haben gestern von den Schicksalen einer jungen Schweizerin berichtet, die al« deutsche Lehrerin nach Griechen land gegangen war. Die junge Dame bat große Widerstands kraft bewiesen, und sie hat die Hindernisse, die sich ihr in den Weg stellten, siegreich überwunden. Ihre Schicksale sind bei Weitem nicht die schlimmsten. Die unglücklichen deutsche» Mädchen, die von gewissenlosen Speculanten nach Indien gelockt wurden, und die Opfer des Mörderpaare« Buntrock empfehlen sich der öffentlichen Aufmerksamkeit in weit höherem Grade. Man darf nicht außer Acht lasten, daß diese Vor gänge typischer Natur sind, und daß immer nur ein geringer Bruchtheil davon in die Ocssentlichkeit dringt. Wenn die Kunde solcher Schandthaten durch die Zeitungen verbreitet wird, dann besteht schon ein überall fühlbarer Notbstand. Die Zahl der Töchter aus guter Familie, die sich wegen Vermögcnsmangel nicht verhciralhen, ist außerordentlich groß, Feurlletsn. Deutschlands Reformationskirche. Nachdruck verboten. (Schluß.) Bei dem Erneuerungsbau sind nur die Außen mauern der Schloßkirche erhalten geblieben. Alles Andere, namentlich aber die gesammte innere Ausstattung, ist neu erstanden. Das Dach ist wieder mit einem Dachreiter gekrönt, der Thurm höher geführt und mit einer schlanken gothiscken Spitze versehen worden. Ueberhaupt ist, wie hierbei erwähnt sei, im Innern und im Aeußcrn der spätaothischc Stil (etwa um das Jahr 1500, Resormationszeitalter^ streng »ur Durchführung gebracht worden. Die Kirche reprasentirt sich uns so in der Gestalt, wie sie in den Jahren 1500 bis 1546, also zur Zeit der Reformation, auSgesehen hat. Beim Eintritt in die Kirche (durch die kleine Thür neben dem Thurm) ist der Anblick des Innern ein großartiger. Wie schon erwähnt, enthält das Schiff, welches eine Länge von 54 m und eine Breite von 13 m hat, in seinem ganzen Mittclraum keinen einzigen Pfeiler, und so können wir un« des Eindrucks der prächtig gewölbten, farbenprangenden Decke, der wundervollen Glasfenster, der hervorragend geschmückten Emporen u. s. w. ohne jede Störung erfreuen. Eins ist es aber, was uns in diesem Gotte-Hause besonders mächtig anregt: überall ist nämlich Leben, denn allenthalben, wohin wir seben, treten »nS die Bildnisse der Glauben-- und der Geisteshclden der NeformationSzeit entgegen. Dabei ist mit großem Geschick jede Uebcrladung vermieden und nichts be hindert den imponirenden Eindruck des Ganzen. So kann man denn mit Recht sagen, daß bei diesem Kirchenbau, besten Entwürfe vom Geh. Ooerbauratb Adler in Berlin stammen und dessen Ausführung in den Händen des kgl. Regik'-unqS- baumeister« Groth liegt, wahrhaft Vollendetes geschaffen worden ist. WaS nun die Einzelwerke anbelangt, so ist der nach Osten gelegene Altar ein Prachtstück für sich. Er ist in reich- durchbrochener kunstvoller Arbeit in französischem Kalkstein auS- geführt, im Mittelfelde ist er geschmückt mit der Figur de- Heilande», in den Seitenscldern stehen PrtruS und Paulus und vor den Pfeilern noch andere acht Apostel. Recht« und link« vom Altar befinden sich an den Wänden die bereit- erwähnten Epitaphien der Kurfürsten Friedrich de« Weisen und Johann des Beständigen. Wenden wir nun die Blicke durch da« Kirchenschiff, so . fesseln un« in erster Linie die in Lebensgröße au-gefiihrten, an den Emporpfeiiern auf verzierten Säulen stehenden Figuren von Luther, Melanchtbon und sieben anderen Mitstreitern »m Kampf« für die evangelische Sache (Jona«, Bugen- hagen, Spalatin rc.). Die Standbilder der Reformatoren verdienen in künstlerischer Beziehung die vollste Anerkennung. Die Ausarbeitung ist bis in alle Einzclthcile eine höchst sorg fältige, und besonders ist den Zügen Luther'S und Melanch- thonS das ihnen eigene Gepräge in trefflicher Weise verliehen worden. Vor Allem interessirt uns natürlich in der Kirche die jenige Stelle, welche da- Grab Lutber'S kennzeichnet. DaS geschah bisher durck eine fast gegenüber der Tbesentlmr i» den Fußboden eingelassene bronzene Tafel mit der Inschrift: Llartim I.utbsri 8. Tlioolo- giae v. Omium H. I,. 8. b). gui äu. ciuüsti DWXDVI. XII. 6al. Dlartü Lz-slebii in ka- ti-ia 8. Dl. 0. 0. V. äu. I.XIII Dl. II. v. X. Diese Tafel ist jetzt auf einem etwa 50 om hoben geschmack vollen Sandstcinsockel eingelassen worden, und so fällt jedem Besucher die das Grab Lutber'S bezeichnende Stelle sofort in die Augen. DaS Grabgewölbe selbst ist, wie schon bemerkt, nicht mehr zugänglich. An dem Emporcnpfeiler, der sich links von dieser Platte befindet, erhält die Kanzel ihren Platz. Sie kommt damit annähernd wieder an diejenige Stelle, welche sic vor dem Brande von 1760 rinnabm. Damals befand sich die Kanzel an dem Pfeiler gegenüber der Thür, während sie jetzt ihren Platz einen Pfeiler näher dem Altäre zu erhält. Auch die Kanzel, an welcher die Figuren der vier Evangelisten angebracht sind, ist als ein schön gelungenes Werk zu be zeichnen; bei Weitem übertrifft sie die frühere, 1760 zu Grunde gegangene. Einen weiteren Schmuck erhält die Kirche durch die große Bronzetafel mit der lebensgroßen Figur Luther'S, welche geradeuber der Tbescnthür, an dem Wandtheil unter der Empore, angebracht ist. Diese Bronze ist ein vom Lauch- hammer'schen Werk auSgcfübrter und über Erwarten gelungener Abguß jener Gebächtnißtafel, welche Kurfürst Johann Friedrich (der Großmüthige) gleich nach Luther'S Ableben anfertigen ließ und die in der Schloßkirche aufgestellt werden sollte. Der AuSbruch bcS Schmalkalbischcn Krieges ließ eS aber nicht dazu kommen, und da Johann Friedrich die Herr schaft über die kursächsischcn Lande (und somit auch über Wittenberg) verlor, so fand die Tafel in den neuen Landen deS einstigen Kurfürsten und zwar »n der MichaeliSkirche zu Jena ihren Standort, woselbst sie recktS vom Altar r>nge- manert ist. — DaS Bild Luther'S ist übrigens wahrscheintich nach dem Lutherbilde de« älteren Cranack modellirt worden. Eine besondere Auszeichnung wird der Sckloßftrchc Witten berg- sodann dadurch zu Theil, daß alle evangelischen Landesfürsten Deutschland-, sowie die Vertreter der drei freien Städte ihre eigenen Sitze im Schiff der Kircke fick anbringen lasten. Es sind das die sogenannten „Fürsteiistühle", die sich, je ll an der Zahl, vom Altäre aus zwischen Len ersten zwei Pfeilern zu beiden Seiten de- KirckenraumeS befinden. Der Kaiser erhält einen besonderen Stuhl, etwa« näher beim Altäre »nd recht« von demselben, schräg gegenüber der Kanzel. Die Kosten dieser in reicher altdeutscher Manier gearbeiteten Stühle tragen die einzelnen LaiidcSfürstcn persönlich. An der dem Kirchenschiff zugekehrten Wandung der Empore, welche rings um das Schiss läuft, sind Mc- daijlonS angebracht und zwar zunächst dem Altar 8 solche, die uns das Bildniß von Fürsten zeigen, welche die Refor mation in ihren Landen cinfübrten. Dann folgen lt weitere Medaillons, welche uns die Bildniste von Zeitgenosse» der Reformation vor Augen führen (Ealvin, Zwingli, Dürer, Eranack, Sacks u. s. w ). Mehr noch aber wird unser Blick angezogen durch die 52 farbigen Wappen fürstlicher Geschlechter, die entweder in Beziehungen zur Schloßkirche gestanden haben (wie die AScanier) oder zur Zeit der Reformation eine hervorragende Tbätigkeit ent wickelten wie u. A. Hutten, Sickingen und FrundSberg, deren Wappen gegenüber dem Altar, unter der Orgel, befestigt sind. Ter Empore wird durch diese Wappen, welche, wie alle sonstige» Ornamente in der Kirche, vom Bildhauer Ioesch modellirt und auSgcführt sind, ein ganz eigenartiger Schmuck verlieben. Alles wird jedoch an Großartigkeit übertrossen durck den wundervollen Eindruck, den die gemalten Fenster Hervor rufen. In reich ornamentirter Fassung zeigen uns die drei Fenster de« EhorcS die Geburt, die Kreuzigung und die Auferstehung unseres Heilandes. Die AuSsUhrung, nach Entwürfen Düsseldorfer Maler, ist atS eine künstlerisch vollendete zu bezeichnen, und aus den Beschauer üben die Bilder, namentlich bei Einwirkung der Sonnenstrahlen, einen tiefen Zauber aus. Aber auch die 12 Fenster de- Schiffes, aus welchen im Ganzen 200 Wappen protestantischer Städte abgebildet sind, sind eine großartige Leistung de« königl. Institut« sür Glasmalerei in Eharlotten- burg, welche sowohl diese, wie die vorerwähnten Ehorsenster bergestcllt hat. Nur schwer vermögen wir uns von dem prächtigen Anblick zu trennen, der immer und immer wieder unsere Blicke gefangen hält. Doch wir müssen von dem Innern der Kirche nun Ab schied nehmen, denn noch haben wir den Thurm zu be sichtige». Zu allen Zeiten hat der Thurm der Kirche auch at« Frstung«thurm gedient, und schon im schmalkaldischeu Krieg« (1546) wurde die Spitze de« Tburme«, ebenso wie diejenige de« Schloßthurme« und der beiden Stabtkirchen- thürme, wegen der angeordneten KriegSbrreitschast abge brochen. Es war baS bamal« eine unnöthige Vorsicht, da Wittenberg nach der Schlacht von Mühlbera in Folge fried licher Eapstulatioa in den Besitz Kaiser Karr« V. und später des Kurfürsten Moritz gelangte. Letzterer ließ dem Tburme einen massive» Ausbau gebe», welcher jedoch (gleich dem Aufbau beS Schloßthurme-) bei der Belagerung von 1760 zu Grunde ging. Ter später erbaute Glockenthurin wurde, wie schon erwähnt, 1813 zerstört. Von dieser Zeit an blieb der Thurm ein Torso, ohne wirkliche« Dach und ohne Spitze. Nunmehr wird er in der selben Form wieder erstehen, wie er zu Lutber'S Zeiten, also vor 1546, auSgesehen bat Seine Höhe bis zur Spitze beträgt 88 m (280 rbeinische Fuß), so daß er also mit der Marien kirche in Berlin (90 m) ziemlich in gleicher Höbe steht und die PeterSkircke in Leipzig (87 m) ein wenig überragt. Das Ihurmgcbäude dürste übrigens e,ns der stärkste» aller Kirck- tbüriue sein (die Mauer» messen an, Grund 10 Fuß), weil es al« FcstuiigStburm zugleich diente. So konnte denn die zum Thurm führende Wendeltreppe in die Mauer ein- gebaucn werken, eine Merkwürdigkeit, auf die besonder» aufmerksam gemacht sei. Der Aufstieg selbst ist ganz ge fahrlos, und man genießt oben einen herrlichen Ausblick auf die Elbnicderung, der die gehabte Mühe reichlich entschädigt. — DaS Dach der Kirche, ebenfalls gänzlich erneut, wird vervollständigt durch den neu erbauten Dachreiter (55 m), so daß in Allem die bistorische Scktoßkirche aus der Zeit der Reformation wieder erstanden ist. Endlich möge noch envälmt sein, daß der ganze Bau mit verhältnißmäßig geringen Kosten (900000 zu Stande gebracht worden ist. An besondere Untcrncbmcr wurde nickt« vergeben (nur der Gerüstbau stammt vom Zimmeriqeister Niendorf in Wittenberg), und die gesammte Leitung der Arbeiten hat von Anbeginn an in den Händen de« kgl. Re- girrungSbaumeisterS Groth gelegen. In wenigen Wochen wird das ganze Werk vollendet sein, und die Stadt Wittenberg wird ein Reformationsfest feiern, wie noch keine« zuvor. Ein jugenbfrischer, mächtiger Kaiser, eine hehre deutsche Fürstenschaft und die höchsten Spitzen der evangelischen Geistlichkeit werden durck jene Tbür ihren Einzug halten, durch welche, wie der Schloßpropst WernSdorff zur 200jährigen Jubelfeier der Reformation sich äußerte. „Jesu« EhristuS mit seinem Evangclio aufs Neue in seine Kirche eingezogrn ist". Zu einem ucucu Dasein ist damit dir Stätte der Reformation erstanden, und fortan wird Wittenberg da- Ziel Vieler sein, welche be wundernd den in seinem allen historischen Glanze wieder hergestcllteu Bau betrachte» werden. Möge derselbe sür ewige Zeiten den kommenden Geschlechtern verkünden, daß da« neue Reich der GeisteSkämpscr srüberer Jahrhunderte nicht vergessen, sondern ihnen in dankbarer Erinnerung diesen Bau gcweibt hat, znm Zeichen dessen, daß der 31. Oktober 1517 sür immer als der Ausgangspunkt einer großen geistigen Bewegung für unser deutsche« Volk zu gelten hatl D L-
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