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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020908021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-08
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng VL 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck rmd Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 457. Montag den 8. September 1902. 98. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 8. September. Der auf dem Kreuz« ach er GenosscnschaftSlage erfolgte Ausschluß socialdemokratischer Consumvereine auS dem allgemeinen Genossenschaftsverbande erweckt, wie eS scheint, in Negierungskreisen die Hoffnung auf ein vollständiges Zerwürfniß zwischen der Locial- Vemokratte und dem Freisinn, das auch demnächst in der Zolltarifcommission des Reichstages zu Tage treten werde. Die officiösen „Berl. Polit. Nachr." knüpfen wenigstens an den Vorgang die folgende Betrachtung: „Noch ist eS nicht sehr lange her, seit der Minister der öffent lichen Arbeiten von dem Abgeordneten vr. Crüger-Bromberg im Abgeordnetenhause sehr scharf angegriffen wurde, weil er den Beamten und den Arbeitern der Eilenbahnverwaltung den Beitritt zu dem von den Socialdemokraten beherrschten Cottbuser Confumvrreine verboten hatte. Dieses Verbot war in der Hauptfach« deshalb erfolgt, weil erfahrung-mäßig die Socialdemo kraten die von ihnen beeinflußten Organisationen aller Art, auch diejenigen wirthschaftlicher Natur, für ihre besonderen politischen Zwecke zu mißbrauchen pflegen. Jetzt ist der- selbe vr. Crüger als Anwalt des Verbandes Schultze- Delitzscher Genossenschaften genöthigt gewesen, den Ausschluß svon 99 Consumvereinen und Productivgrnossenschasten aus dem Ge- nossenschastsverbande herbeizusühren, weil diese Genossenschaften unter socialdemokratischem Einflüsse stehen und deinzufolge in den Dienst der socialdemokratischen Parteibestrebnngen, ins- besondere auch zur Vorbereitung des Zukunftsstaates gestellt werden. Aber nicht bloS nach dieser, sondern auch nach anderen Richtungen hin ist jener Vorgang auf dem Kreuznacher Genossenschaftstage von Interesse. Obwohl, wie in der Verhand lung von dem Vertreter deS Ausschusses ausdrücklich anerkannt worden ist, e» mindesten- zweifelhaft war, ob das formelle Recht dem Ausschlußantrage zur Seite stand, hat man sich dazu ent schlossen, durch einen solchen Gewaltact den Obstructions- bestrebungen der socialdemokratischen Genossenschaften einen Riegel vorzuschieben, so lange man noch die Macht in dem Verbände dazu hatte. Abgesehen davon, daß selten der Satz „Macht geht vor Recht" mit solcher Offenheit zur Parole gemacht worden ist, wie hier, muß daran erinnert werden, daß in der Zolltarifcommission Les Reichstags die der frei sinnigen Mehrheit des Gcnossenschaftstages nahestehenden Mit glieder mit den Socialdemokraten Hand in Hand Obstruction betrieben und genau so wie diese über Gewalt und Mißbrauch der Mehrheit geschrieen haben, sobald diese selbst in formell unanfechtbarer Weise von ihren geschäfts ordnungsmäßigen Befugnissen zur Ueberwindung der Obstruction Gebrauch machte. Wenn bei Len bevorstehendeu weiteren Ver- Handlungen namentlich im Reichstagsplenum die Freisinnigen den Versuch machen sollten, durch Obstruction die Mehrheit an der Verwirklichung ihre- Willens zu hindern, so gicbt dieses Vorgehen der freisinnigen Mehrheit des Genossen- schaftstages der schutzzällnerischen Mehrheit im Reichs tage von vornherein den unanfechtbaren Freibrief, ihrerseits von ihrer Macht vollen Gebrauch zu machen und diese Obstructionsbestrebungen zu durchkreuzen. Indem endlich die Mehrheit des Genossenschaftstages eine solche Ausnahmemaßregel lediglich gegen die socialdemokratisch geleiteten Con- sumvereine und Productivgenossenschaften als nothwendig er achtete und die Ausnahmemaßregel damit begründete, daß die Socialdemokraten alle Organisationen zur Förderung ihrer auf die Beseitigung der gegenwärtigen Gesellschafis« und Rechtsordnung gerichteten Bestrebungen mißbrauchen, erkennt sie im vollen Gegensatz« zu dem bisherigen Verhalten der bürger lichen Demokratie in den gesetzgebenden Versamm lungen und in der Presse thatsächlich an, daß die Social demokratie eben nicht eine Partei wie eine andere ist, sondern sich in bewußten und gewollten grundsätzlichen Gegensatz gegen alle politischen Parteien, wie gegen unsere gesammte Staats- und Rechtsordnung setzt. Daß, da diese Eigenschaft der Socialdemokratie keineswegs nur aus wirthschaftlichem und socialem, sondern auch auf politischem Gebiete hervortritt, durch LaS Vorgehen der freisinnigen Mehrheit des GenossenschaststageS auch nachträglich alle diejenigen politischen Forderungen gerechtfertigt werden, welche sich auf die Erkeuntniß stützten, daß die Socialdemokratie eben keine Partei ist wie eine andere, sondern vermöge ihrer grundsätzlichen Auf fassung eine Ausnahmestellung einnimmt, mag hier nur nebenher registrirt werden. Es ist ja von unserem Standpunkt ganz erfreulich, daß diese freisinnige Organisation auf Grund von praktischen Erfahrungen endlich auch zu der Ausfassung gekommen ist, daß mit den Socialdemokrateu ein friedliches und gedeihliches Zusammenwirken selbst auf neutralem Boden unmöglich ist, und daß sie demzufolge ganz besonders behandelt werden müssen. Wenn man sich aber erinnert, daß Diejenigen, welche längst diese richtige Ausfassung von der Natur der social- demokratischen Bewegung hegten und vertraten, von Len Freisinnigen konsequent in Acht und Bann gethan und als Vcrräther an den fundamentalsten Grundsätzen des Liberalismus stigmatisirt wurden, so ist rin gewisses Maß von Schadenfreude darüber sicher berechtigt, daß nun endlich nach den Erfahrungen am eigenen Leibe auch den Freisinnigen die Augen über die wirkliche Natur der Socialdemokrateu aufzugehen beginnen. Daß dieses Ereigniß sich so drastisch wenige Wochen vor dein Zettpuncte voll zieht, wo Socialdcinokraten und Freisinnige gemeinsam Sturm gegen die Politik der nationalen Arbeit zu laufen gedenken, fügt den Kreuznacher, für die Entwickelung unseres Genossenschafts wesens wahrscheinlich überaus bedeutsamen Vorgängen ein weiteres tragikomisches Moment bei." DaS ist ja Alles ganz richtig; wenn aber die Hintermänner der „Berl. Polit. Nachr." daraus den Schluß ziehen sollten, der Freisinn werde bei den weiteren Verhandlungen über den Zolltarif von den Socialdcinokraten abrücken und bei dieser Gelegenheit ans eine Obstruction verzichten, die er in Kreuz nach an den Socialdcinokraten auf das Schroffste verurtheilt hat, so dürften sie von einem schweren Jrrlbum befangen sein. Theoretisch haben die Herren Eugen Richter und vr. Barth die Socialdemokratie längst verurtheilt, in der Praxis aber aus „taktischen" Gründen oft genug Schulter an Schulter mit ihnen gestanden. So werden sie cs trotz der Kreuznacher Beschlüsse auch in Zukunft halten und sich dabei auf „berühmte Muster" berufen können, die trotz der theore tischen Anerkennung der Schädlichkeit der Centruinspolitik sich nur gar zu oft auf das Centrum stützen. Hoffentlich aber wird die auf dem Boden der Zolltarifvorlage der Negierung stehende Mehrheit deS Reichstags sich das Vor gehen des Freisinns in Kreuznach zum Muster nehmen und mit ihm, wenn er Hand in Hand mit der Socialdemokratie Obstructionspolitik zu treiben fortfährt, von ihrer Macht rück sichtslosen Gebrauch machen. In die bisherigen widerspruchsvollen Nachrichten über den Stand der Verhandlungen über die Errichtung einer theologisch-katholischen Facultät zu Strassburg trägt eine Zuschrift aus Süddeutschland an die „Natioual-Zeitunz" insofern etwas Licht, als sie auf den — auch von kompetenter Stelle auS — bevorstehenden Abschluß der Verhandlungen die öffentliche Meinung vorzubereiten und manches vor gefaßte Unheil zu bekämpfen geeignet erscheint. Die Zuschrift gipfelt in folgenden zur materiellen Streitfrage gehörigen Ausführungen: „Die Thätigkeit eines katholischen TheologieprosessorS fällt in den Rahmen Les kirchlichen Lehramts, und nach katholischem Kirchen recht kann Niemand, sei er einfacher Katechet, sei er akademischer Lehrer, dies sein Lehramt ausüben, ohne die kirchliche Sendung (missio crmonica) Les zuständigen DiöcesanbischosS erhalten zu haben. Der Ertheilung dieser Lehrvollmacht, welche bezüglich fämmt- licher bereits bestehenden Facultälen als geltendes Recht aner kannt ist, steht selbstverständlich die Befugniß zur Entziehung gegenüber, falls der Bischof die Lehrtätigkeit eines Professors als nicht mehr im Rahmen osficieller-Anschauungen erachtet. Selbstverständlich wird die Entziehung der missio canonies, für die Universität, die ja StaatSanstalt ist, ohne Bedeutung bleiben: da aber der Bischof die Befugniß besitzt, seinen Theologen den Besuch der Vorlesungen eines Professors, dem er, unbeschadet seiner unantastbaren staatlichen Stellung, die missio eaoouiokr entzogen hat, zu verbieten, und da durch die Lehrtätigkeit des Betreffenden lahmlegen kann, so erweist sich dieses Beto als eine unter Umständen allerdings sehr starke Waffe. Die Münchener Facultät sah sich denn auch schon zu wieder- holten Malen von ihr betroffen; wir erinnern nur an die Namen Froschammer, Döllinger, Friedrich." Nach Darlegung dieser Frage deS kanonischen Rechtes fährt die Zuschrift fort: „Man mag nun über die Rechtsverhältnisse denken, wie man will, sie vom freiheitlichen Standpunkte aus auss Schärfste verurtheilen; zl er immerhin muß es bedenklich erscheinen, weun die Meinung verbreitet wird, als habe in der Straßburger FacultätSfrage di« Reichsregierung sich durch Anerkennung dieser Rechtssätze «ine Schlappe zugezogen, während doch thatsächlich genau dieselben Sätze für sänimtliche katholisch« Facultäten Deutschlands die bisher unbeanstandete Grundlage für die Besetzung der Lehrstühle bildeten. Vollends als unangemessen muß die Annahme erachtet werden, als seien der Curie Einflüsse aus diese Ernennungen cingeräumt worden, während doch die primitivste Kenntniß des kanonischen Rechtes genügt, nm zu wissen, daß nur einzelne Orden hinsichtlich der missio canonicm dem päpstlichen Stuhl unterstellt sind, sonst hier aber die alleinige, ordentliche Zuständigkeit des Diöcesanbischofs Platz greift . . ." Diese letzteren Darlegungen lassen die Wahl der Per sönlichkeit für den Straßburger Bischofssitz seitens der Regierung nur um so wichtiger und bedeutender erscheinen. Das vorgefaßte Urtheil in der Straßburger Angelegenheit gründet sich aber Wohl hauptsächlich auf die langen Ver bandlungen mit der Curie. Jndeß wird auf Grund bester Kenntniß versichert, daß hierbei noch weit bedeutsamere Fragen zur Erörterung standen, als jene der Betheiligung des Straßburger Bischofs an der Besetzung der theologischen Lehrstühle. Zu dem Seeraub au der „Markomannia" ließ sich die „Köln. Ztg." vorgestern auS Berlin melden: „Die jetzt hier vorliegenden Nachrichten über das Verfahren, daS ein Kanonenboot der haitischen Rebellen gegen den deutschen Handelsdampfer „Markomannia" einzuschlagen gewagt hat, lassen keinen Zweifel darüber, daß man es mit einer Handlung zu thun hat, die nur als offener Seeraub gekennzeichnet werden kann. Nachdem dies sestgestellt worden ist, wird es an der deutschen Kriegsmarine sein, die nothigen Folgerungen zu ziehen, und da daS Kanonenboot „Panther" unmittelbar in den Gewässern von Haiti erwartet wird, werden wir auch in der Lage sein, unserer Auffassung den nöthigen Nachdruck zu geben. Zu wiederholten Malen hat der verkommene haitische Negerstaat durch seine Nicht- achtung von Recht und Gesetz die Mächte, und uuter ihnen auch Deutschland, herausgefordert. Wiederholt haben auch wir schon zu militärischen ZwangSmaßregelu greifen müssen, daS letzte Mal, alS unsere Schulschiffe „Stein" und „Charlotte" durch die Drohung eines Bombardements und der Vernichtung der haitischen Kriegsschiffe die Zahlung einer Entschädigung erzwangen, die einem deutschen Reichsangehörigen rechtswidrig verweigert wurde. .Die damalige Lection scheint nicht genügend gefruchtet zu haben, und da die Bewohner von Haiti von jeher sich nur dem äußersten Zwange beugten, so ist dringend zu wünschen, daß ihnen diesmal eine be sonders scharfe Bestrafung zu Theil werde. Es ist dies um so mehr berechtigt und erforderlich, als die Kriegsschiffe sich auf Seiten der Aufständischen gestellt haben und sonach überhaupt nicht mehr zur Führung einer anerkannten Flagge berechtigt sind. Wenn sie dann noch die Dreistigkeit so weit treiben, sich an neutralen Schiffen zu vergehen, so liegt eS im allgemeinen Interesse, daß man so gegen sie verfährt, daß ihnen die Lust zu ahn- lichen Thaten rin- sür allemal vergeht. Wir hoffen daher, daß man dieses Mal mit den Seeräubern kurzen Proceß machen wird. Wir sind weit entfernt, unS in die inneren Angelegenheiten von Haiti einzumischen und die Leute zu verhindern, sich gegenseitig die Hälse abzuschneiden. Sobald sie aber zu offener Piraterie gegen fremde Handelsdampfer übergehen, liegt eS im allgemeinen Interesse, ihnen das Handwerk zu legen. Das ist auch die Auffassung des ganzen diplomatischen Corps in Haiti, das das Vorgehen gegen die „Markomannia" ebenfalls alS Seeraub ansieht." Die Strafe ist dem Frevel auf dem Fuße gefolgt. Wie im Morgenblatte gemeldet wurde, hat der „Pantber" an der Hafeneinfahrt von Gonai'veS daS haitianische Rebellenschiff „Cröte L Pierrot" ein Kanonenboot, kurzer Hand in den Grund gebohrt. Die Besatzung hat sich gerettet, ohne Zweifel, weil ihr deutscherseits Gelegenheit dazu geboten wurde. Mehren sich indessen die völkerrechtswidrigen Hebel griffe der Aufständischen, dann wird der „Panther" ebenso zweifellos eine ernstere und empfindlichere Sprache führen. Sollte sich aber die Lage in den mittelamerikanischen Ge wässern noch weiter compliciren, so würde freilich der „Panther" allein nicht genügen. Es bleibt bedauerlich, daß wir für diesen Fall nicht jetzt schon stark genug dort ver treten sind. — Der „Panther" soll nunmehr eine Kreuzfahrt um Haiti herum unternehmen und vor Allem Cap Haitien anlaufen. Der deutsche Geschäftsträger in Port au Prince wird somit Gelegenheit haben, an der Kreuzfahrt des „Pantber" theilzunehmen und die gefährdeten deutschen Interessen in Cap Haitien aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Feuilleton. 7) Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Hirschbcrg-Jura. Nachdruck verboten. „Ich will alle diese Beleidigungen und Kränkungen Deiner thörichten Erregung zu gute halten", erwiderte Homann ruhig, „und erkläre Drr nur, daß wir cs herzlich gut mit Euch meinen und Klarheit in Eure jetzigen un haltbaren Beziehungen bringen wollen." „Klarheit! Klarheit! — Klarheit ist etwas für Krämerseelen und Pedanten! Verlobungsanzeigen wollt Ihr sehen und könnt das Standesamt und die Hochzeit nicht erwarten! Aber ich sage Euch, sowie mein Bruder etwas von Alledem merkt, gicbt eS einen heillosen Scandal. Mit unserem Glück: ist es vorbei. Ich bin gezwungen, ganz und gar mit meiner Küthe zu brechen. So wett bringt Jhr's, wenn Ihr immer die Angelegen heiten anderer Leute zum Besten kehren wollt!". „Wenn Sie sich vor Ihrem Bruder Ihrer Liebe und Ihrer Braut schämen, Herr Doctor", versetzte jetzt Lotte heftig, „dann ist eS allerdings wohl richtiger und ehr licher, Sie brechen gleich jetzt mit Käthen und Sie sagen sich offen von ihr los! Das ist meine Meinung! Das ist auch im innersten Herzen die Meinung Ihrer Braut, wenngleich sie cs selbst nicht weiß, und das sagt Ihnen auch die eigene Einsicht, obgleich Sie es natürlich nicht zugestehen wollen!" Ernst biß sich verstummend aus die Lippen und faßte nach Käthc's Hand, die ihre Thränen getrocknet hatte und ihn ängstlich ansah. Er erwiderte ihren Blick nicht, griff mit der anderen Hand nach dem gefüllten Weinglas und trank cs ans. In diesem Augenblick öffnete sich die Thür, und herein traten Rechtsanwalt Ur. Simrvck und seine Schwester Emilie. Dem plötzlichen Erscheinen dieser unerwarteten Zu schauer zeigte sich Niemand gewachsen, und das über raschte Staunen wurde noch übertroffen durch die pein. lichstc Verlegenheit. Sogar der Assessor war betroffen, und seine Lippen suchten vergebens nach einem kecken Scherzwort, um sich über das fatale Bewußtsein des er tappten Sünders hinwegzuhelfen. Seine Unbeholfenheit steckte auch Küthe an, und aus Schreck that sie das Ent gegengesetzte von dem, was eigentlich ihre Absicht war, und schmiegte sich üngstlich an Ernst an, die Augen er wartungsvoll auf den gefürchteten Bruder ihres Liebsten gerichtet. Der Eindringling ließ von seinem eigenen Erstaunen nichts merken, hielt ruhig die Schwester zurück, die nach einem kleinen Aufschrei das Zimmer sogleich wieder ver lassen wollte, und wendete sich dann nach einigen Augen blicken überlegenen Schweigens an seinen Bruder. Er mußte lächeln, wie es dem Assessor jetzt plötzlich einfiel, sich aus Käthe's Armen zu befreien, und im Tone freund licher Nachsicht begann er: „Aber bitte, lieber Ernst, thu' Dir doch keinen Zwang an. Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich hier Deine stillen Lustbarkeiten zu stören scheine. Es liegt am Ungeschick des Oberkellners. Wir kommen aus der Oper, wollen noch ein Glas Bier trinken, finden den Saal vorn ganz überfüllt, und da hat uns der ihörichte Mensch hierher gewiesen mit der Bemerkung, es sei hier noch Platz, und Du wärest hier. Wir freuten uns natür lich, Dich zu treffen. Aber da Du diese Freude offenbar nicht theilst, so ist es selbstverständlich nicht unsere Ab sicht, noch länger die gcmüthliche Stimmung dieses kleinen Kreises zu beeinträchtigen. Also morgen Mittag auf Wiedersehen! Verzeihen auch Sie, meine Herrschaf ¬ ten, die unbeabsichtigte Störung!" Mit stummem Gruße verucigte er sich kühl vor Ha manns und auch vor Käthe und wandte sich zum Gehen. Ernst hatte jedoch inzwischen seine Geistesgegenwart wiedergefunden und ohne merkbare Befangenheit er widerte er: „Bleibt doch hier, Robert. Warum wollt Ihr gehen? Du bringst mich durch Deine sonderbare Art in die größte Verlegenheit. Wir sollen doch nicht etwa annehmen, daß Dir die Gesellschaft dieser mir befreundeten Herrschaften unangenehm ist? Ebenso wenig fallt Ihr natürlich uns lästig. Darf ich Euch bekannt machen? Er nannte die Namen, und der Rechtsanwalt sagte mit leichtem Spott: „Fräulein Wendelin? Ah! Doch ohne Zweifel die junge Dame, mit der Du Dich einmal verlobt hattest?" „Selbstverständlich." „Allerdings! Ich hätte cs wir denken können. Noch jetzt sicht man eS Euch an. Von der Aufhebung der Verlobung ist nicht viel zu merken!" Diese tactlose Bemerkung trieb Käthen wieder die Thränen in die Augen. Auch Ernst war peinlich über rascht durch die geringschätzige Ausdrucksweisc seines Bruders, der sich sonst einer Dame gegenüber niemals vergaß. Doch fürchtete er sich, zu schroff gegen Robert aufzutreten, und zögernd, beinahe entschuldigend ent gegnete er: „Das .... das darf nicht überraschen, lieber Robert!" „Es hat mich aber überrascht, lieber Ernst", ant wortete dieser gemüthltch. Er mochte seinen spöttischen Ton bereuen und schien bemüht, die Sache ins Scherz hafte zu ziehen. „Ich bin nun einmal schwerfällig. Be greiflicher Weise waren Emilie und ich einigermaßen er staunt, Fräulein Wendelin, die wir in solche» Stellungen bisher nur auf der Bühne bewundert hatten, so glücklich in Deinen Annen liegen zu sehen. Doch sind wir weit entfernt und auch gar nicht berechtigt, Dir oder Fräulein Wendelin einen Vorwurf zu machen. Nachdem sich unsere Verwunderung beruhigt hat, freuen wir uns natürlich sehr, die persönliche Bekanntschaft Deiner liebenswürdi gen Freunde zu machen. Selbstverständlich werden auch wir uns nur ebenso heimlich darüber freuen, wie Du selbst es thust." Trotz des humoristischen Tones fühlte sich Käthe wie mißhandelt von des Rechtsanwalts Worten und wagte vor Scham nicht, die nassen Augen aufzuschlageu. Krau Homann aber nahm in zornigem Mitleid Partei für die gequälte Freundin und wandte sich lebhaft an den Rechts anwalt: ,Lerr Doctor, Ihrem Herrn Bruder mögen Sie meinetwegen den Kopf einmal zurcchtsetzen und dabei so boshaft reden, wie Sic wollen. Aber Fräulein Wendelin, wie Sic eben thaten, mit halben Worten zu beschimpfen, das ist Unrecht, und dessen sollten Sie sich schämen!" „Ich verbitte mir einen solchen Ton ebenfalls", fügte Ernst hinzu. Der Rechtsanwalt unterdrückte jede- Anzeichen von Beschämung, strich sich ruhig den röthlichcn Spitzbart, sah die gcgenübersitzcnde Schauspielerin scharf an, und ohne einen Blick von ihr zu wenden, antwortete er mit flüchtigem Lächeln: „Ich nehme von Eurem Verweis Kenntniß. Aber er wirkt einstweilen nicht. Ach boffe durchaus keine Bc- leidigung ausgesprochen zu haben. Es scheint vielmehr, als würden meine Worte inhaltsschwerer ausgenommen, als sie gemeint sind. Und -a-, lieber Ernst, mag wohl an Deinem eigenen Gewißen liegen, das vielleicht aus irgend einem Grunde überempfindlich ist." Er zuckte überlegen die Achseln und bemühte sich, recht verständnißlvs auszusehen. Dieses gleichgiltige Achsel zucken reizte den Bruder von Neuem. Leine Empörung gab ihm die Sicherheit wieder, die sich durch Käthe's Thränen hatte erschüttern lassen, und mit rücksichtsloser Behaglichkeit fuhr er fort: „Ich finde ja Euer gemüthliches Beisammensein jetzt selbst ganz begreiflich und in der Ordnung. Du amüsirst Dich hier offenbar recht gut, und glücklich zu sein ist so schwer, daß cs mich immer srcut, wenn ich Leute finde, denen das Kunststück zu gelingen scheint. Mir gelingt cs nicht so gut. Aber Armuth macht nicht immer neidisch. Ich gönne es jedem Menschen, daß er seinen Spaß Hal. Du bist noch jung. Für Dich hat der Knß den Reiz der Neuheit noch nicht verloren. Wer sollte es Dir affv ver bieten, eine schöne Dame zu küssen, weun die Dame selbst es Dir nicht verwehrt? Sie aber, mein gnädiges Fräu lein, üben ja nnr Ihr gutes Recht, wenn Sic Ihre Abende öfters mit einem so netten Eavalier verbringen, wie es mein Bruder zweifellos ist. Kein Mensch kann Ihnen das verargen, zumal wenn Sie sich unter der ehrenvollen Aufsicht eines liebenswürdigen Ehepaares befinden. Ich bitte Sie nur, mich und meine Schwester für den heutigen Abend ebenfalls unter Ihre Ehrenwache aufzunehmen und dann in Ihrem Vergnügen fortzu ¬ fahren!" ,, _ Käthe hatte mit fest zusammcngckniffcnen Lippen zu gehört. Jetzt richtete sic ihren Kopf stolz auf, erwiderle mit blitzenden Augen den spöttischen Blick des Rechts anwalts und sagte langsam und halblaut: „Sie irren sich. Herr Doctor! Sie irren sich in mir und in Allem! Vor Allem in dem, was sich schickt, auch für Sie! Wenn Sie Ihrem Bruder die Hcirath ver boten haben, so haben Sie die Macht dazu gehabt, wenn auch vielleicht nicht das Recht! Aber die Macht oder die Gelegenheit, Ihren Spott mit mir zu treiben, werden Sie nicht länger haben. Denn ich stehe Ihnen nicht länger zur Verfügung. Ich gehe fort. Ich bin es nicht gewöhnt, mich in Gesellschaft von Leuten zu bcsinocn, die nicht wißen, was sie einer Dame schuldig sind." Ernst suchte sic zurückzuhalten und rief: „Bleib' hier, Küthe, Du hast cs nicht nöthig, daS Feld zu räumen! Du stehst unter meinem Schutz!" „Ich habe jetzt nicht viel von Deinem Schutze ge«
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