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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010413021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-13
- Monat1901-04
- Jahr1901
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AMsvlatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nakizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. 187. Sonnabend den 13. April 1901. Anzeigen Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Rec la men unter dem RedactionSstrich («gespalten) 75 H, vor den Familicnnach- richtrn («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachmessungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PoHbeförderung ./L «0.—, mit Postbesörderung .öl 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pulz in Leipzig 95. Jahrgang. Die Wirren in China. Die letzte» Meldungen. * Peking, 12. April. Feldmarschall Graf Waldersee und 'das gesammte 'deutsche Officiercorps wohnten heute dem Leichenbegängnisse des Hauptmanns Bartsch bei. Der Sarg wurde auf einer Lafette nach der Begräbnißstätte gebracht, «r war mit Blumen reich geschmückt. Der Divisions pfarrer Becke hielt die Trauerrede. Am offenen Grabe wurde sodann «in Trauersalut abgegeben. Von den Mördern fehlt noch jode Spur. (Berl. Loc.-Anz.) * Peking, 11. April. Eine aus vier Amerikanern und vier Chinesen bestehende Räuberbande ist von dem Verbindungsposten in Tungkrafu (westlich von Tientsin) auf gegriffen worden. (Köln. Ztg.) * London, 13. April. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Shanghai: In einem Schreiben der bri tischen Regierung an den Vicekönig von Nanking wird seinem Patriotismus und der Hartnäckigkeit, mit der er gegen das Mandschurei - Abkommen Ein spruch erhoben hat, Anerkennung gezollt, und er zu dem erzielten Erfolge beglückwünscht. * Vokohama, 12. April. (Reuter's Bureau.) Die japa nische Regierung hat die Erhebungen wegen oer Höhe der von China zu fordernden Entschädigung abgeschlossen und den Betrag festgesetzt, doch wird darüber strengstes Stillschweigen beobachtet. Die betreffenden Schriftstücke werden dem japanischen Gesandten in Peking erst entsandt wervcn, wenn Vie Absichten der übrigen Mächte bekannt sind, doch verlautet, der Betrag sei genau auf Grund der Japan entstandenen Kosten berechnet. Englisch - amcrikanischc Prctzlügcn. * Peking, 23. Februar. Es versteht sich von selbst, daß sie Ankunft der europäischen Post von uns Allen, die wir hier draußen zeitweilig oder dauernd unserem Beruf zu Liebe wie in der Verbannung leben, jedes Mal mit großer Spannung er wartet und mit lebhafter Freude begrüßt wird. Jedes Mal aber wird uns das Vergnügen vergällt durch die Wahr nehmungen, die wir über das Treiben gewißer fremver Bericht erstatter hier machen müssen. Hede Post bringt uns neue Be weise dafür, mit welcher Gewissenlosigkeit hiesige Correspon- denten die öffentliche Meinung in Europa und Amerika zu be trügen versuchen, zu Gunsten ihrer eigenen nationalen oder par teiischen Sonderzwecke und auf Kosten unseres guten deutschen Rufes. Man hat es ja längst an mancherlei Anzeichen gemerkt, daß die hervorragende Stellung, di« der deutschen Regierung und den deutschen Streitkräften aus oer Entwickelung der Dinge hier draußen erwachsen ist, vielen fremden Neidern ein Dorn im Auge ist, gegen den sie sich mit den unwürdigsten Mitteln zu wehren verbuchen. Zunächst «mußte die vom deutschen Reiche seit der Ermordung des Frhrn. v. Ketteler verfolgte Politik herhalten. Sie wurde als blutdürstig verschrien, und ihre in Peking gc stellten Forderungen soslten mehr zur Hemmung als zur För derung der Friedensverhandlungen beigetragen haben. Dann kam der deutsche Oberbefehl an die Reihe, dem die unglaublichsten Uebergriffe nachgesagt wurden, und schließlich Die deutschen Truppen, die nach den Schilderungen jener Press« nur aus rohen Henkersknechten und geldgierigen Räubern zusammengesetzt schienen. Da mußten wir zu unserem Staunen lesen, daß die Deutschen hier unschuldige Männer und Frauen erschießen, wirk liche Boxer aber laufen lassen oder gar absichtlich aus den Ge fängnissen ins Freie setzen, daß ihre Tyrannei aus den deutschen Vierteln Pekings öde Wüsteneien gemacht hat, aus.denen die armen deutschen Soldaten zu den englischen und amerikanischen Vierteln herübergehen müssen, wenn sie mal einen lebendigen Leiiillatsn. Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck »erbot«». In athemloser Spannung hat Rudolf Lammert den Worten des Allen gelauscht. „Lisa, die Schwester Ulrich's " das, meint er, könne er nicht fassen. Christian Flügge sieht ihn grimmig an. „Verstehst es?" Jetzt hebt Rudolf den Kopf. „Nicht ganz. Haben Sie denn nie — niemals den Wunsch gehabt, Ihres Sohnes Lage zu bessern?" „Ahum!" räuspert sich der 'Alte. „Ihr Pflichttheil haben meine Kinder weg, mehr giebt's nicht einen Pfennig. Klaus soll zudem nicht viel nöthig haben, und Karl — ahum! — habe keine Lust, das Kind jenes Schuftes füttern zu helfen. Ich will und will von der ganzen Bande nichts mehr wissen. Ist mir schon schwer genug geworden. Dir Alles zu erzählen — hätt's auch nicht gekhan, wenn Du nicht hättest von mir weglaufen wollen — denn das ist — ahum!— ist just nicht nöthig. Und wo — wohin willst nun?" „Ich hab« noch keinen Entschluß fassen können." „Eilt auch nicht. Denn ehe man zu — wie heißt oer Krämer in Bremen doch noch? — 'Krolle oder so — ehe man zu dem Mann« geht, den Friedrich Fetthenne empfiehlt, überlegt man'S zehn Mal. Und das Schiff — ahum! Der Junge, der Heini, scheint der Einzige, der mir von meiner eigenen (Sippschaft ge fallen könnte — 's hat 'was für sich, so draußen auf See. Denke mir das wie 'ne Art Krieg: touzours «ur la veäetts gegen Sturm und Wetter. Aber — ahum! — Eile mit Weile! Erst'mal auf dem Schlosse Nachfragen —" „Ah dachte auch schon an das Fräulein —" „So?" fragt der Alte und wirft seinem Schützling einen kurzen Blick zu. „'Denkst wohl überhaupt oft daran? Na, macht nichtS; ist resolvirtc Person, wie ihr Großvater dermaleinst war, und nichts hochmüthig Feudales drin. Scheint auch mitfammt meinem Baron 'nen Narren an Dir gefressen zu haben. Frag' sie nur! Hat mehr Grütz' im Kopf als zwei von unserer Sorte." Als Rudolf am anderen Tage Helene von Rheinern seine Ratlosigkeit klagt, sieht sie ihm rin paar Sekunden prüfend ins Gesicht, hält dann die Platte mit ihres Großvaters R«liefport»ät, an dem sie e-rn mit einem Polierlappm herumrieb, weit von sich Chinesen sehen oder gar etwas kaufen wollen. Auf Jemand, der von Anfang an die Thätigkeit der deutschen Diplomatie und des deutschen Oberbefehls an Ort und Stelle und aus der Nähe hat beobachten dürfen, sind ja alle solche Berichte fremder Jour nalisten nicht Der Widerlegung werth, sie kennzeichnen sich selbst als das Geschreibsel unfähiger Sensationsmenschen oder das heimtückische Lügengewebe böswilliger Verleumder. Eine der Plumpesten Melsungen, die seit Langem von draußen hierher zurückgekommen sind, ist aber Die kürzliche Nachricht des Laffan- schen Telegraphenbureaus von dem Zwist zwischen dem deutschen Gesandten und 'dem Feldmarschall, die miteinander in Rang streitigkeiten gerathen wären. Wer Vas von Anfang zwischen Herrn v. Mumm und dem Grafen Waldersee bestehende dienstlich er sprießliche und persönlich herzliche Verhältniß am Dritten Ort zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, kann über solche Märchen nur lachen. So lange aber der drahtliche deutsche Nachrichtendienst noch in so beschämender Weise vom Auslande abhängig ist, dürfen wir uns nicht wundern, wenn man unsere Schwäche auf unsere Kosten ausnuht und nach dem alterprobten Satze: „8t-mpor nligniä liavret" an unserm Ruf Verleumdungskiinste übt. (Köln. Ztg.) Der Krieg in Südafrika. Englische Verluste. „Die lange Verlustliste von der Front" — so schreibt die Londoner „Daily News" unter dem 10. dss. Mts. — „die heute Morgen veröffentlicht wird, bildet einen trüben Kommentar zu den optimistischen Versicherungen derjenigen Leute, die uns glauben machen wollen, daß mit unserer Armee in Südafrika Alles gut stehe. Die Verlustliste schließt in sich 13 Mann, die in Gefechten gefallen oder ihren Wunden erlegen sind, 23, die an Krankheiten gestorben sind — „entrisches Fieber, wo nicht anders bemerkt" —, 19 Verwundete und über 150 Schwerkranke — wiederum „enkrisckes Fieber, wo nicht anders bemerkt". Diese Liste ist sicherlich traurig genug und erstreckt sich über das ganze Operationsfeld. Sie giebt indessen offenbar kein vollständiges Bild von dem wahren Zustande der Arme-, denn sie ermähnt nicht die sehr große Anzahl von Leuten, die, obgleich nicht unter die Classe der „Schwerkranken" zu rechnen, doch zu krank und schwach sind, um ihre Pflichten erfüllen zu können. Man kann mit Sicherheit auf jeden Mann, der als Schwerkranker bezeichnet wird, wenigstens fünf andere Leute rechnen, die in die Kranken liste ausgenommen worden sind. Es ist hoch an der Zeit, daß die Regierung eine Erklärung über den Zustand der Armee ab- giebt. Gegenwärtig scheinen Mr. Brodrick und seine Collegen mit zufriedener Bowunderung auf den Erfolgen zu ruhen, die sie bei der Ausrüstung und dem Transport der letzten Abhei lungen Ueomanry nach Südafrika erreichten. Voluntcer-Com- pagnien sollen nach Hause geschickt werden, nachdem sie von anderen Volunteers abgelöst sind, aber wir hören kein Wort von der Ablösung der Ueomen, der Milizregimenter oder der regu lären Truppen, die lange Zeit gedient und die Anstrengungen des Krieges getragen haben. Wir haben auch keine Mittheilung erhalten, die geeignet wäre, die natürlichen Besorgnisse zu zer streuen, die durch solche Nachrichten, wie sie die Verlustlisten geben, und wie sie trotz der Censur durch Privatquellen sickern, erregt werden. Wir bekommen unzählige Telegramme, in denen uns Der Zustand der Boeren als elend geschildert wird. Würde es nicht besser sein, eine Abwechselung dadurch cintreten zu lassen, daß uns etwas Authentisches über den Zustand unserer eigenen Truppen mitgetheilt wird?" ab, so daß das Helle Morgenlicht drauf fällt, zieht die feinen Brauen unwirklich zusammen und fragt, ein wenig über ihre Hobelbank gebeugt: „Sagen Sie mal, Rudolf, haben Sie Ver mögen?" „Ich? Warum fragen Sie?" bringt er stockend hervor. „O!" Sie reibt wieder eifrig in dem Schnitzwerk herum. „Ich denke nur, daß ein kleines Capital dazu gehören wird, wenn Sie als Kaufmann einmal selbstständig werden wollen. Sie können doch nicht blos bis an Ihr Lebensende bei der Bremer Firma in Dienst bleiben." „Meine Mutter lebt, wie man in Karnin sagt, in ziemlich guten Verhältnissen. Das hat aber für mich keine Bedeutung." „Warum nicht?" fragt sie, einen Augenblick von ihrer Arbeit aufsehend. „Weil ich von ihr nichts Werve zu fordern haben. Auch habe ich wenig Lust, bei Kolbe und Sohn einzutreten." „Hm! Das Zweite ist Ihre Sache. Das Erste dagegen wohl schwerlich; denn —", sie hat noch eine winzige Fehlstelle an dem Porträt entdeckt und schabt nun mit dem Schnitzmesser daran herum. — „Ihre Mutter kann Sie schlechterdings nicht völlig enterben; höchstens könnten Sie, wenn Sie sich ganz besonders starrsinnig gebrrden wollten, zu Gunsten Ihrer Geschwister verzichten. Sie sehen, ich kann auch materiell denken. Man gewöhnt sich das so an, wenn man die Geschäfte der Familie selbst führen muß. Doch davon abgesehen — Sie wollen also Seemann werden, und halten sich nicht für zu gut, rin Schiffsdeck zu scheuern oder Kohlen zu karren." Nun hat sie ihre Arbeit ruhen lassen. „Ich glaube, ich bin für keine ehrliche Arbeit zu gut", ent gegnet er festx Sie kneift die Lippen zusammen und sieht ihn nachdenklich an, ehe sie spricht: „Und ich glaube, daß Sie Recht haben. Aber die berühmte „Maria" dampft Ihnen doch nicht so babd fort?" „In genau vierzehn Tagen." „Also Linnen zivei Wochen Schiffsjunge auf der „Maria". Meinetwegen! Größer werden sie da wohl noch Keinen eingestellt haben. Fiirerst bewundern Sie einmal hier das fertige Porträt des Leutnants a. D. Baron von Rheinern und sagen, ich könnte waS." Sie konnte wirklich etwas. Ich glaube, sie könnte Alles, denkt Rudolf Lammert, als er eine Viertelstunde nachher den Heimweg entlang schlenvert. Alles. In dem Entschlüsse, Heini's Aufforderung zu folgen, ist er wieder sehr wankend geworden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. April. Die Parlamentsferien gehen zu Ende; am Dienstag nimmt der Reichstag, acht Tage später das preußische Ab geordnetenhaus die Arbeit wieder auf. Große Erwartungen bringt man keinem der beiden Parlamente entgegen, soweit es sich um die 5—6 Wochen vor Pfingsten handelt. Der preri tz i s ch e L a n d t a g hat ja so gut wie nichts zu thun, so lange die Canalvorlage sich noch in commissarischer Behandlung befindet. Der Reichstag hat zwar eine Reihe von Special gesehen zu verabschieden, aber keines derselben bietet voraus sichtlich Anlaß zu lebhaften Debatten oder principiellen Ausein andersetzungen. Dies gilt besonders von dem Gesetzentwürfe, betr. die Versorgung der Kriegsinvaliden und Kriegshinterbliebenen, dessen erste Lesung am Dienstag beginnt. Bekanntlich ging diese Vorlage aus dem Ent würfe für die Rclictenversorgung der Chinakrieger hervor. Dec letztgenannte Entwurf wurde in zweiter Lesung abgelehnt, nicht etwa weil man das Gesetz nicht wollte, sondern weil man weiter zu gehen und ein einheitliches Militär-Relictengesetz zu schaffen wünschte. Bei der Einmüthigkeit dieses Wunsches würde man die Vorlage nicht mehr dem Verfahren in der Dunkelkammer einer Commission auszusehen brauchen, wenn der Entwurf nicht einige Mängel hätte, auf die wir im nächsten Morgenblatte näher eingehen werden und die nur in einer Commission beseitigt werden können. Als zweiter Gegenstand steht für den Dienstag die zweite Lesung der Vorlage über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst auf der Tagesordnung. Bei der Natur dieses Gegenstandes wird die Betheiligung an der Debatte keine besonders lebhafte sein; lange genug wird die zweite Berathung immerhin dauern; es heißt sogar, es seien für sie 8—10 Tage in Aussicht genommen. Zwar hat die Commission äußerst fleißig gearbeitet und der klare, über sichtliche Bericht des Berichterstatters I)r. Esche wird die Debatte ungemein erleichtern; indeß finden sich noch eine große Anzahl sinniger Puucte, die, in dec Commission überwunden, im Plenum sicherlich einer erneuten Discussion ausgesetzt sein werden. — Während der zweiten Lesung zum Urheberrecht dürften allgemach die Berichte aus den anderen Commissionen einlaufen und dem Plenum weiteren Berathungsstoff liefern. Wie verlautet, gelangt am 20. April der Bericht über die Vor lage, betreffend die privaten Versicherungs-Unter nehmungen, zur Vertheilung. Wann der Bericht über die Seemannsordnung gedruckt vorliegen kann, läßt sich noch nicht vorausbestimmen. Zu diesem Entwürfe beabsichtigten die Socialdemokraten wieder eine große Anzahl von neuen An trägen cinzubringen. Am weitesten zurück ist die Commission für den Entwurf, betreffend den Verkehr mit Weinen, da die Vorlage dem Reichstage sehr spät zuging. Am 23. April soll die zweite Lesung stattfinden, die, nach der Stimmung der Weininteressenten zu urtheilen, das Meiste von dem wieder umwerfen wird, was man in erster Commissionslesung beschloß. Sollte sich der Reichstag in dieser Session übrigens weder über die Seemannsordnung, noch über das Weingesetz schlüssig machen können, so würde man mit Sicherheit voraussetzen können, daß beide Gesehesmaterialien auf absehbare Zeiten von der Tagesordnung verschwinden würden. — Der vorliegende Arbeitsstoff des Reichstages reicht bis Pfingsten aus; ob dann die Session geschlossen werden kann, hängt davon ab, ob der Zolltarif noch erscheint. Die „Nat.-Lib. Corr." hält dies noch für zweifelhaft; auf anderer Seite hält man an der Ansicht fest, daß das vielbändige Monstrum in der zweiten Hälfte des Mai, Aber mit Helene redet er kein Wort mehr darüber, bis sie eine Woche später ihm mit einem Briefe entgegentritt: „Sehen Sie, dahin müssen Sie, gehören Sie." Dabei tippt sie mit der Fingerspitze auf die Firma eines Ge- schäftscouverts. Friedrich Wilhelm Langsen, Bremen, heißt sie. „Was bedeutet das?" „Ein Arbeitsfeld für Sie. Eine Drehbank, ein ganzes Dutzend Drehbänke und Fraisemaschinen mit Dampfbetrieb und Allem, was sonst dazu gehört, nautische und andere physikalische Instru mente herzustellen. Dahin sollen Sie und sind bereits ange nommen." „Fräulein Helene!" ruft er, „Sie haben sich für mich ver wandt?" „Ist das etwas so Großes? Meinen Sie ewig hier herum zustümpern, oder wirklich unter der Besatzung der „Maria" den Jüngsten zu spielen? Sie werden viel zu lernen haben, aber ich weiß, daß es Ihnen leicht wird, und Sie meiner Empfehlung keine Schande machen." „Nein!" ruft er eifrig. „Wenn Sie meine Befähigung nicht überschätzt haben —" Dann 'fliegt ein jähes Roth über sein Ge sicht. „Sie haben nicht nach Bremen geschrieben, was —" Das Fräulein lacht hell auf. „Was der arme Sünder Alles auf dem Kerbholze hat? Gott behüte! Dazu hätte ja e i n Briefbogen gar nicht genügt." Da läßt er den Kopf sinken. „So werde ich es thun", spricht er leise. Sie sinnt einen Moment nach. „Mag sein, daß es das Beste ist. Nur gehen Sie mit dem Sünder nicht zu scharf ins Gericht." Er schreibt, aber ein paar Tage darauf ist er dennoch ange nommen. Mit diesem Bescheide auf dem Wege nach Spvakensen, trifft er Hinnerk Srveloh, den er seit dem Begräbniß seiner Mutter nicht gesehen. Er scheint sehr niedergeschlagen. Rudolf bleibt deshalb bei ihm stehen und spricht ein paar freundliche Worte über die Verstorbene. „Je, Herr", antwortete Hinnerk, „'s is man nicht das allein. Aber daß Sie nu auch weg wollen — das Fräulein sagt's." „Ich durfte doch nicht immer auf dem Buchberg bleiben. Der Mensch muß einen Beruf haben — Arbeit, Hinnerk", erklärt er, da Hinnerk ihn bei dem Worte „Beruf" verständnißlos an starrt. „Je, Arbeit! Das is 's ja woll. Aber Jobst Meyer sag! nu, er hätte mich blos aus Mitleid angenommen, und müßte nu, wo sein Schwestersohn wieder da iS — wissen Sie, der Konrad etwa um Himmelfahrt, an das Haus gelangen werde. In diesem Falle kann natürlich von Sessionsschluß zu Pfingsten nicht die Rede sein. Mit ihrem Vorschläge, einen neuen Versuch zur Herbei führung einer Rcichsfiiianzreform so lange zu verschieben, bis die Wirkungen des neuen Zolltarifs auf die Entwickelung des Reichsfinanzwesens erkennbar seien, hat die „Nat.-Lib. Corr." anscheinend kein Glück. Jedenfalls überwiegen in der gesammtcn nichtpreußischen Presse bei Weitem die Stimmen, die sich nicht nur für die Nothwendigkeit, sondern auch für die Dringlichkeit einer organischen Finanzreform aussprechen. Ganz besonders tritt für eine schleunige Reform die freiconser- vative „Post" unter dem treffenden Hinweise ein, daß die wichtigsten Rücksichten auf die innere Reichspolüiik eine baldige Regelung der finanziellen Beziehung zwischen Reich und Bundes staaten gebieterisch erheischen. Bei anderer Gelegenheit sind auch in den letzten Tagen die „Hamburger Nachrichten" zu dem gleichen Resultate gekommen, indem sie betonen,, daß eine hohe und steigende Inanspruchnahme der Bundesstaaten für Reichs zwecke als eine drückende Last empfunden und "daß darin zum Theil sogar die Gefahr der Zerrüttung der Finanzen erblickt werden müsse. Vom Standpuncte der inneren Stärke des Reichs, so schließt der angezogene Artikel, ist die der Finanz politik der Reichstagsmehrheit direct entgegengesetzte Bis- marck'sche Reichsfinanzpolitik die allein richtige, die eigenen Ein nahmen des Reiches so zu entwickeln, daß den Bundesstaaten ein Theil derselben zur Bestreitung ihres eigenen Ausgabebedarfs überwiesen werden kann. Gewiß handelt es sich um eine sehr wichtige Entscheidung. Wenn aber das „Berl. Tagebl." hierzu bemerkt, es ließen sich diele Gründe für, aber -auch viele gegen eine solche Finanzreform anführen — nebenbei bemerkt, eine Aeußerung, die keinen absolut ablehnenden Standpunct be kundet —, so können die dagegen sprechenden Gründe nichS allzu stichhaltiger Natur sein, wenn man sieht, mit wie klein lichen Mitteln der Vater des Gedankens, oder wenigstens des Antrags, die Matrikularbeiträge zur Reich-Zschuldentilgung heranzuziehen, die dagegen erhobenen unwiderleglichen Ein-, wände und den Vorschlag der Reichsfinanzrefonn in der „Frei sinnigen Zeitung" bekämpft. Weiß diese doch nichts Besseres zu sagen, als das eingelernte Sprüchlein vom bayerischen und süd deutschen P a r t i k u l a r i s m u s zu wiederholen und die An regung einen „Leim" zu nennen. Partikularismus soll also der Widerstand gegen eine Forderung sein, die für die einen Bundesstaaten unerfüllbar ist, aber auch für die andern die Ge fahr heraufbeschwört, die dem Einzelstaate zufallenden Cultur« aufgaben nicht mehr erfüllen zu können und damit auch eine schwere Schädigung für das Reich herbeizufü'hren. Partiku larismus soll es sein, wenn ein völlig gesundes und gesichertes Finanzverhältniß zwischen Reich und Einzelstaaten, wie es nicht nur den letzteren, sondern auch in ganz hervorragendem Maße dem Reichsgedanken zum Segen gereichen würde, als unerläßlich bezeichnet wird. Die Freunde der Reichsfinanzreform haben wahrlich Anlaß, der „Freisinnigen Zeitung" dankbar zu sein. Sie wird ihnen durch solche Methode und Argumente zum werth vollen Bundesgenossen. Der Vatikan legt großen Werth darauf, daß Oesterreich- Ungarn als seinen Vertreter beim Papst den Grafen Franz Thun ernenne. Er wäre im Sinne der Curie eine vollständig zuverlässige Persönlichkeit, so recht ein Mann ihres Vertrauens, durch den sie ihre Hände noch mehr als bisher auch in den inneren Angelegenheiten Oesterreichs fühlbar machen könnte. Deshalb wurde — wir folgen einer instruktiven Correspondenz der „Münchner Allg. Ztg." aus Wien — der von der österreichisch- Sadewoldt, der sich auf'n Jahr als Kutscher bei mrserm Land rath verdungen hatte — er müßte nu ohne mich fertig werden." Rudolf sieht sich den Burschen ein paar Minuten nachdenklich an. Ein stämmiger, breitschultriger Junge. „Du bist ohne Arbeit, Hinnerk?" „Ja, Herr Rudolf, von morgen ab, wäre das so." „Hättest Du Lust, zur See zu gehen?" Hier thut Hinnerk Seveloh einen Freudensprung. „Auf'n Schiff? Bin 'mal in Hamburg gewesen mit mrin'n Vater un habe da die großen Dampfers un die Segler beguckt. — Hui, auf'n Schiff!" Für den Augenblick hat er all' sein Leid ver gessen. „Auf'n Schiff! Is 's 'n großes?" „Ein Dampfer, der Anfang nächster Woche nach Amerika fährt." Hinnerk ist sprachlos. „Schaff Dir vom Vorsteher Deine Papiere, Hinnerk. lieber- morgen reisen wir nach Bremen." Zwei Stunden später schreibt Rudolf Lammert an Heini Flügge — an Bord der „Maria" in Bremerhaven: „Deine „Maria" soll ihren Schiffsjungen haben, und hoffentlich einen brauchbaren. Du triffst ihn am zehnten Abends im „See hecht". Das Local hat ihm Helene genannt. Sie kennt Bremen sehr genau. Rudolf's Abreise in dem alten Jagdwagen des BaronS ist kein großes Ereigniß. Der alte Flügge hat des Fräuleins Pläne, wic so ziemlich all' ihr Thun, gebilligt, Susanne Berner ihr Wohlwollen für den Schützling in die sehr greifbare Form eines soliden Reisefrühstücks gekleidet; viel geredet aber haben bi« beiden alten Leute auf dem Buchberg nicht. Und in Sprakensem, wo der Wagen ein paar Minuten vor dem Schlosse hält, ist nur dar Fräulein aus der Thür getreten, ihrem Freunde und auch dem neben ihm sitzenden Hinnerk Seveloh die Hand -um Abschiede zu reichen. „Es ist ja nicht für lange", spricht sie mit ernstem Lächeln zu Rudolf; „ich komme vielleicht schon bald einmal nach Bremen und kann nachsehcn, ob Sie «infchlagen, wie man'S nennt." Er bat doch Mühe, seiner Bewegung Meister zu werden, und ehe die Pferde anziehen, hat er sich über HelenenS Hand Gebeugt und etwas wie einen Dankestuß auf ihr« Fingerspitzen gehaucht, ohne daß sie ihm gewehrt hätte. Doch tritt sie gleich darauf vom Wagen zurück, Johann Westkop, der Kutscher, sagt „Hü!" Rudolf faßt noch einmal an den Hut und grüßt nach ihr zurück, und dann geht die Fahrt nach der Eisenbahn los. Hätte Hinnerk Seveloh den Handkuß bemerkt, so würde er wohl «in sehr verblüffte« Gesicht gemacht haben; da er ab«,
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