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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.04.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990407019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899040701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899040701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-07
- Monat1899-04
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Größere Schriften kant unserem Preis» verzeickniß. Tabellarischer und jjifsernsuP nach höherem Tarif. Extra-vettagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. Annahmeschluß snr Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormlttag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stunde früher. Anzeigen find stet« an die Expedition zu richten. 174. Freitag den 7. April 1899. 93. Jahrgang. Colonialpolitik und Marine. Dir Kreuzzeitung" bringt über die Grundlagen unserer Colonialpolitik einen Artikel, der aller Voraussicht nach von der demokratischen Presst gründlich ausgebeutet werden wird und der, was noch wesentlicher ist, auch im Aus lande ganz falsche Vorstellungen von den in Deutschland maßgebenden Auffassungen erweckendürfte. Es ist deshalb nöthig, den in dem Artikel der „Kreuzzeitung" vertretenen Anschauungen mit aller Entschiedenheit zu widersprechen. Von den augenblicklichen Schwierigkeiten in Samoa und China ausgehend, bläst die „Kreuzzeitung" aus voller Kraft zum Rückzug« von der von Deutsch land seit 1H Jahrzehnten «inyeschlagenen Weltpolitik. Sie begründet ihre Aufforderung zum Rückzüge damit, daß die deutsche Marine schweren Cvnflicten nicht gewachsen sei. So sagt sie: „Wer wolltebestretiten/daß es eine ungesunde politische Lage ist, wenn von der Peripherie auS über die Politik des Ecntrums in zwingender Weise bestimmt wird? Wir sind doch vor Allem' Landmacht. Unsere Marine in Ehren — Niemand kann ihre relative Leistungsfähigkeit höher einschähen, als wir es thun —, aber man kann ihr doch nicht Aufgaben zur Lösung stellen, auf welche sie sich seit kaum einem Viertrljahrhundert vorbereitet, während England seit 300 Jahren seinen Borsprung vor den übrigen Mächten behauptet. Unsere Marine ist heute noch eine Defensrvwaffe und als solche von größter Bedeutung. Daß sie einmal auch den weiteren Aufgaben entgegenwächst, ist ein Ziel, das wir unablässig im Auge behalten Müssen, das wir aber heute noch nicht erreicht haben." Und an anderer Stelle sagt das Blatt: „In Europa sind oder wären.wir, gestützt auf unser unvergleichliches Heer, allmächtig, aber, wir wieder holen es, die äußerste Peripherie soll im Wesentlichen für die Entlastung des Centrums reservirt werden. Schritte vorwärts an der Peripherie — und dabei soll auch an China gedachtsein — dürfen sich nur entwickeln aus der Diagnose Europa und niemals umgekehrt." Diese Anschauung der „Kreuzzeitung" besagt nichts Anderes, als daß Deutschland überhaupt aus eine Colonialpolitik ver zichten muß. Denn wenn eine Macht colonialen Besitz hat, so wird sie stets mit der Eventualität rechnen müssen, wegen dieses Besitzes mit anderen Colonialmächten in Conflict zu kommen, um so mehr, als binnen kurzer Zeit die ganze Erde aufgetheilt sein wird, so daß dann jede Macht andere Mächte zu Nachbarn haben wird. Aus der Grenznachbarschaft ergiebt sich an sich schon die Möglichkeit von Cvnflicten. Nun scheint die „Kreuzzeitung" zu meinen, daß Deutschland erst dann trotz der Gefahr von Conflicten Colonialpolitik treiben darf, wenn seine Marine derjenigen großer Seemächte gewachsen sein würde. Erstens wird Deutschland aller Voraussicht nach selbst in 100 Jahren noch nicht eine Marine haben, di« der englischen an Stärke gleich kommt, und zweitens würde, selbst wenn dann wider Erwarten die deutsche Marine derjenigen großer Seemächte gleich käme, der „Anschluß versäumt sein", denn schon in ab sehbarer Zeit wird eine Macht, die noch keinen Kolonialbesitz hat, wie beispielsweise Oesterreich, nicht mehr in der Lage sein, colonialen Besitz zu erwerben. Schließlich untd hauptsächlich aber ist die Auffassung von den Aufgaben unserer Marine hinsichtlich unserer colonialen Beziehungen eine völlig verkehrte. Die Marine soll den Verkehr mit den Colonien vermitteln und im Falle von Aufständen mit den in den Colonien stationirten Schutztruppen Zusammenwirken. Daran, -daß sie unsere colo nialen Interessen im Falle eines Krieges mit einer großen Seemacht oder gar mit einer Coalition von solchen hinreichend schützen kann, ist von vornherein nicht zu denken gewesen. Der Kampf um die Colonien wird auch gar nicht in den Colonien selbst entschieden. Frankreich hat seine amerikanischen Colonien vorwiegend auf den europäischen Schlachtfeldern verloren. Nun kann das deutsche Landheer in einem Kampfe mit England direct wenig ausrichten, aber 'indirect fällt es gewaltig in die Waagschule durch den Rückhalt, den es Englands gefähr lichstem Rivalen, Rußland, gewähren kann. Die Ausfechtung überseeischer Jnteressenconflictr mit England ist also nicht Sache der deutschen Marine, sondern vielmehr der Diplomatie und der europäischen Machtcombinationen. Die Marine hat so viele andere bedeutsame Aufgaben zu lösen, daß schon dadurch die ihr zu Theil werdende Förderung gerechtfertigt ist. Es scheint aber fast, als ob der „Kreuz zeitung" diese Förderung nicht ganz genehm wäre, wenn sie darauf hinweist, daß die Marine einer Aufgabe nicht gewachsen sei, die für sie tatsächlich gar nicht ins Auge gefaßt ist. An der „Kreuzzeitung" sprechen vielleicht gewisse Stimmungen in der Landarmee. In diesen Kreisen denkt man gar nicht daran, daß der jetzige Ausbau nicht eine einseitige Bevorzugung der Marine bedeutet, sondern nur die Beseitigung der schädlichen Folgen einer jahrzehntelangen Vernachlässigung und Zurücksetzung. Die Vorbereitung der Mädchen für akademische Studien. In verschiedenen Städten ist man bereits der Frage näher getreten, jungen Mädchen, die später einen akademischen Beruf ergreifen wollen, Gelegenheit zur Vor bereitung für Vas Universitätsstudium zu schaffen, und wiederholt hat sich damit das preußische Ab geordnetenhaus beschäftigt. Am 7. März d. I. hat in Folge eines Gesuchs um Einrichtung von Gymnasialclassen für Mäd chen der preußische Kultusminister Gelegenheit genommen, seinen Standpunkt über die Vorbildung junger Mädchen zum akade mischen Studium darzulegen. Er gestattete die Einrichtung von Gymnasialcursen, machte aber zur Bedingung, daß zu solchen Cursen nur solche Schülerinnen zugelassen werden, welche das Ziel der höheren Mädchenschule erreicht haben. Für diese Ein richtung, so sagte der Minister, muß maßgebend sein, daß die Er ziehung und der Unterricht in unseren höheren Mädchenschulen durch Veranstaltungen, welche die Vorbereitung der Mädchen für das akademische Studium bezwecken, nicht gestört werden darf. „Es ist anzunehmen, daß immer nur verhältnißmäßig wenige Mädchen akademische Bildung suchen werden, und es darf darum um Vieser Wenigen willen der übrigen großen Mehrzahl ihre Bildung nicht verkümmert werden. Der Entschluß der Mädchen zum akademischen Studium muß ein vollständig freier sein; dieses Studium kann überhaupt nur Erfolge haben, wenn die Schülerinnen aus eigener Be wegung nach ernster Prüfung ihrer Neigung und ihrer Be gabung sich für dasselbe bestimmen, und es ist nur durch führbar, wenn die Eltern wissen, daß ihr« äußeren Verhält nisse ihnen die Opfer gestatten, welche damit verbunden sind. Auch soll eine sichere allgemeine religiös-Pttliche und ästhetische, den berechtigten Ansprüchen des praktischen Lebens entsprechende Bildung, welche die höhere Mädchen schule gtebt, gerade solchen Schülerinnen voll zu Gute kommen, welche die Lösung schwererer Lebensaufgabe aus sich nehmen wollen." Dieser Erlaß fußt auf einem Gutachten, das sich der Cultusminister über die vorstehende Frag« hat erstatten lassen und das in dem soeben erschienenen April-Heft des Centralblattes für die gesammte Unterrichts-Verwaltung in Preußen unter Be zugnahme auf jenen Erlaß in der Rubrik „Nichtamtliches" ver öffentlicht wird. Das Gutachten geht davon aus, daß nach der Entwickelung, welche die Frage der Zulassung von Damen zum Besuche von Vorlesungen an den Universitäten und zur Ab legung des Doktorexamens genommen habe, sich die Unterrichts- Verwaltung der Pflicht nicht entziehen könne, auch die BildungS- wege zu ordnen, auf welchen sich Mädchen die Befähigung zum Besuche einer Universität erwerben können. Es wird nun die Frage aufgeworfen, ob dies durch eine Umgestaltung des ge summten höheren Mädchen-Unterrichts bezw. Annäherung des Lehrplanes für die Mädchenschulen an denjenigen der Gymnasial anstalten geschehen solle, oder ob es genügen werde, für solche junge Mädchen, welche ein akademisches Studium ergreifen wollen, besondere Einrichtungen zu treffen. Das Gutachten be zeichnet den lettzen Weg als den alleinig gangbaren. Gegen eine Umgestaltung des höheren Mädchen schul wesens wendet sich das Gutachten mit folgenden Gründen: Die Hauptaufgabe der höheren Mädchen schule sei, ihren Zöglingen eine harmonische, religiös-sittliche Bildung zu geben, ihre Gaben zu entwickeln, ihre Lust am Lernen und an der Beschäftigung mit idealen Dingen zu er halten. Dieses hohe Gut der höheren Mädchenschule zu nehmen, läge auch keine genügende Veranlassung vor. Von den mehr als 70 000 Mädchen, welche die Uber vaS Ziel der Volksschule hinausgehenden öffentlichen Mädchenschulen besuchen, und den annähernd 70 000 Mädchen, welche in privaten Schulen dieser Art erzogen werden, gehe erfahrungsmäßig doch nur ein ver- hältnißmäßig sehr kleiner Theil in selbstständige Erwerbsthätig- keit über, und um dieser Wenigen Willen dürfe die große Mehr zahl nicht geschädigt werden. Die bisherige Mädchenschule müsse also unberührt erhalten bleiben. Gegen die Annäherung des Lehrplanes für die Mädchenschulen an ven Gymnasiallehrplan macht das Gutachten geltend, daß die Schülerinnen, die das Ziel der Schule nicht erreichten, mit lückenhaftem Wissen die Schule verlassen und in solchem Falle noch viel übeler daran sein würden, als ihre Brüder, die das Gymnasium Tn der Tertia oder Quarta verlassen. 'Während aber den Knaben, welche von den mittleren Klassen, von der Tertia oder Sekunda, abgehen, noch immer der Zutritt zu gewissen Berufsarten offensteht, so ist Vas bei der weitaus größeren Mehrzahl der Mädchen nicht der Fall, sie haben einfach einen falschen Lebensweg eingeschlagen. Sodann sei für Vie erfolgreiche Verfolgung ver akademischen Laufbahn ein nicht geringes Maß von Begabung erforderlich, dazu eine ausgesprochene Neigung, und beides spreche sich erst in späteren Jahren aus. Uno nun fährt Vas Gutachten fort: Besonders kommt in Betracht, daß das akademische Studium der Mädchen nur gedeihen und ohne Schaden bleiben kann, wenn es unter dem Schutze der Freiheit steht. Nur aus eigener Wahl, aus eigener Neigung und unter hinreichender Begabung und körperlicher Kraft sollen und dürfen die Mädchen stuviren; denn nur bei hervorragenden Leistungen werden sie in ven Lebensstellungen, um welche sie sich im Wettbewerbe mit jungen Männern bemühen, be stehen können, und wenn von den Vertheidigern des akademischen Mödchenstudiums hier und da geltend gemacht worden ist, dir Beschränkung der Erwerbswege treibe die Mädchen auf Abwege, so sind Vie sittlichen Gefahren von Damen, Vie auf dem Wege des Studiums Schiffbruch er litten haben, vielleicht ebenso groß oder noch größer. Es wird sich deswegen empfehlen, Varauf zu dringen, daß das Mädchengymnasium oder — da diese Bezeichnung nur zu leicht irre führt — die Anstalt zur Vorbildung von Mädchen für akademische Studien nur solch« Schülerinnen aufnimmt,welche Vas Ziel einkr höheren Mädchenschule er reicht haben. Solche Mädchen haben dasjenige Maß von Bildung gewonnen, welches sie befähigt, ihre Begabung und ihre Neigung selbstständig zu prüfen, sie stehen auch in einem Alter, bei dem angenommen werden darf, daß ihre Eltern und Pfleger beurtheilen können, ob ihre körperlichen Kräfte der Aufgabe gewachsen sind. Außerdem werden sich bis dahin auch die äußeren Verhältnisse der Familie, welcher sie angehören, so geklärt haben, daß die Eltern wissen können, ob sie in der Lage sind, den Wunsch der Tochter zu erfüllen. Dabei kommt nicht nur in Frage, ob die Mittel ausreichen, sondern auch, ob die Kraft der Tochter im Hause entbehrt werden kann. Die Lehrordnung, so schließt das Gutachten, vom 31. Mai 1894 hat den hier vorgeschlagenen Weg wesentlich erleichtert. Gerade mit Rücksicht darauf, daß gegenwärtig «ine große Zahl von jungen Mädchen für selbstständige Erwerbsthätigkeit er tüchtigt werden muß, hat sie der höheren Mädchenschule nur eine neunjährige Cursusdauer vorgeschrieben und dadurch ermöglicht, daß die Schülerinnen je nach Neigung, Begabung oder Lage Ver äußeren Verhältnisse zeilig genug in bestimmte Berufs bildung, und hierzu rechnet auch Vas akademische Studium, übergehen können. Deutsches Reich. Berlin, 0. April. (Kirche und Feuerbestattung.) Nachdem das preußische Abgeordnetenhaus den Antrag auf Zulassung der fakultativen Feuerbestattung soeben ad» gelehnt bat, erscheint ein Beschluß der Generalsynode des ConsistorialbezirkeS Speyer besonder« bcachtenSwertb. Dieser Beschluß ist zwar schon 1897 gefaßt worden, die allerhöchste Entschließung auf ibn ist aber erst jetzt bekannt gegeben worden. In dem fraglichen Beschlüsse der Generalsynode heißt eS unter L 8: „Wird der beabsichtigter Feuer bestattung die Abhaltung einet einfachen Trauer frier nachgesucht, so berechtigt die Wahl dieser Bestattungsart für sich allein den Geistlichen nicht, seine amtliche Mitwirkung abzulehnen." — Hiernach sind die Psarrer der pfälzischen Kirche verpflichtet, auf Perlangen amtlich bei Leichenverbrennungen zu sungiren. Die aller höchste Entschließung bemerkt hierzu: „Wir gewärtigen, daß in Vollzug des ß 8 eine amtliche Mitwirkung der Geistlichen nur dann erfolgt, wenn eS sich um eine einfache Traurrfeier im Sinne des i;2 (Trauerfeier oderCondolation im Haule) bandelt." Bonden sonstigen Beschlüssen der Generalsynode dcöConsistorial- bezirkcs Speyer heben wir nach der „Allgem. evang.-luth. Kirchenztg." noch folgende hervor. Bei der Beerdigung eines im Zweikampf Gefallenen darf der Pfarrer seine Mit wirkung von der Unterlassung besonderen äußeren Gepränges abhängig machen. In Bezug aus die Bestattung der Selbstmörder wiederholte die Generalsynode ihre Be schlüsse vom Jahre 1885, die bestimmen: die Leiche eines Jeden, der sich selbst entleibt, ist ohne besonderes äußeres Gepränge kirchlich zu beerdigen; die Leiche ist zum Grabe zu begleiten und nach Rede und Gebet einzusegnen; Grab geläute und Gesang der Schuljugend findet in ortsüblicher Weise statt, wenn daS Presbyterium nicht Einsprache dagegen erbebt. Betreffs der Prüfung nnd etwaigen Beanstandung der Wahl für die Presbyterien wird bestimmt, daß dem Evnsistorinm die kirchliche Gesinnung des Gewählten nicht als Unterlage einer Ungiltigkeitserklärung dienen kann. U. Berlin, 6. April. (Socialdemokratische Arbeitgeber.) Die am 3. April abgehaltene General- versammlungdesVerbandesdeutscherLager- Halter zu Altenburg hat wieder überaus lehrreiche Bei träge geliefert zu dem Thema: was wird aus der socialdemo kratischen Theorie in ver socialvemokratischen Praxis? Be kanntlich ist der harte Druck, unter dem die Lagerhalter-Genossen zu leiden haben, der Grund gewesen, weshalb diese „Genossen" sich gegen die „'Verwaltung- „Genossen" in einem Verbände organisirten. Wie wenig Erfolge aber trotz der Organisation bisher erzielt wurden, ist jetzt wieder auf der Altenburger Generalversammlung zu Tage getreten. Wieder sind die alten Klagen laut geworden, über die Ausbeutung der Lagerhalter durch die Verwaltungen, über rigoroses Vorgehen, über fehlende Mittagspause u. s. w. Eine drastische Beleuchtung erfahren diese Verhältnisse durch eine Statistik, die in Bezug auf 02 Consum- vereine mit L96 Lagerhaltern und 14 Lagerhalterinnen aus genommen wurde. Danach betrug die Arbeitszeit 60 bis 100 Stunden pro Woche; eine Mittagspause war nur für 172 Personen unter 310 durchgcführt; das Gehalt belief sich bei 20 Lagerhaltern unter 80 c/k monatlich, bei 44 unter 140 <^, eine Summe, die das Höchstgehalt ausmachte. An Divi dende zahlten 10 Konsumvereine 5 bis 8 Procent, 16 Vereine bis 10 Proc., 36 Vereine bis 16 Proc. Wie es mit der Mai feier in den socialdemokratischen Konsumvereinen gehallen wird, darüber schweigt sich ein der socialvemokratischen Presse zugegangener, sehr diplomatisch gehaltener Bericht aus. Das oben Wiedergegebene genügt indessen voll kommen, die dividendenfrohe Arbeiter freundlichkeit der Socialdemokratie im All gemeinen und die Agitation für den Acht stundentag im Besonderen in das rechte Licht zu setzen. * Berlin, 6. April. (VomdeutschenFahndungs- blatt.) Nach Vereinbarung zwischen den Bundesregierutigen wird, wie schon mitgetheilt, im Bureau des hiesigen Polizei präsidiums ein „Deutsches Fahndungsblatt" heraus gegeben. Gestern ist die erste N u m m e r des ersten Jahr ganges erschienen. Das „Fahndungsblatt" erscheint täglich, mit Ausschluß der Sonmagc und allgemeinen Feiertage, in Quart format und zwei gesonderten Bogen. Der erste Bogen enthält Steckbriefe und Mitt-Heilungen über deren Erledigung, der zweite sonstige Bekanntmachungen der Justiz- und Verwaltungs behörden. Die Steckbriefe werden nach Oberlandesgerichts- bczirken geordnet. Nach Ablauf eines jeden Vierteljahres wird in einem Beiblatt ein übersichtliches Verzeichnih der in den letzten drei Monaten dem Berliner Polizeipräsidium als gestohlen oder sonst als abhanden gekommen angemeldeten Wertbpapiere und der mitgethetlten Erledigungen veröffentlicht. Auf Z i n s- uNd Dividendenscheine erstreckt sich jedoch die Ver- Feuillrtsn. Die neue Weltgeschichte.*) Bon vr. Armin Tille (Bonn). Kein Geringerer als Adolf Bastian hat jüngst in seiner Denk schrift über die ethnologische Bildung die Forderung aufgestellt, daß man künftig sich gerade so eingehend um die Zustände und Geschichte von ven sieden Achtel ver Erdoberfläche kümmern müsse, wie man sich bisher mit dem einen Achtel beschäftigt habe. „Der Horizont utrserer sogenannten Weltgeschichte", so führt Bastian wuS, ist durchbrochen, die ihn bisher umschränkenden Grenzpfosten bröckeln zusammen; frei schweift der Blick über die Weiten der Erde dahin, aus deren früher wenig nur beachteten (»ft fast unbekannt verbliebenen) Fernen Frage- steltUngen fremdartiger Ausschau von allen Richtungen her gleichzeitig heranzutreten beginnen Und mit der ganzen Wucht ihrer, für praktisch gewichtigste Interessen des socialen (und nationalen) Leben» bedeutungsvollen Tragweite demgemäße Berücksichtigung erheischen. ... In erster Linie *) Weltgeschichte. Unter Mitarbeit von dreißig ersten Fach- gelehrten herausgearbrn von Han« F. Helmolt. Mit 84 kürten, 4- Farbendrucktaf.lo und 185 schwarzen Beilagen. 8 Bände In Halblrder gebunden zu je 10 oder 1k broschirte Holbbände zu je 4 >« Erster Band: Allgemeine«. — Die Vorgeschichte. — Amerika. — Del Stille Ocean. Bon Vr. Han« F. Helmolt. Bros. vr Josts Kohler, Prof. Nr. Friedrich Ratzel, Prof. Vr. Iobanne« Rank», Prof. vr. Konrad Haebler, -f Eduard Graf Wilczek, vr. Karl Weule. Mit ö Karten, 4 Farbendrucktofeln uad 16 schwarzen Beilagen. Letvzig und Sten, Bibliographisch«« Institut, 1SS-. gilt es eingehende Sondirung desjenigen Terrains, auf dem die kommerziellen Feldzuysplän« der Zukunft in Angriff genommen werden sollen: es gilt Vertrautheit mit den charakteristischen Eigenartigkeiten des dortigen kauflustigen Publicum« (im Wechsel launiger Moden). Es gilt demgemäß also ethnische Durch forschung jedweden Details, damit dem „IKerakant-priuok" auf seinem Comptoir zuverlässige Daten übersichtlich klar vor Augen liegen, zur Basis der geführten Correspondenz, die ihn so dann zu gewinnrcicher Beherrschung seiner Kundschaft führen mag, wogegen andererseits zu eigenem Ruin, wenn dasjenige fehl schlug, was durch Unkenntniß verkehrt combinirt war." Bastian denkt bei diesen Worten vornehmlich an den praktischen Nutzen der Völkerkunde und wünscht deren größere Berücksichtigung beim Unterricht namentlich von diesem Gesichtspuncte aus. Aber auch gaUz abgesehen davon sind die Ausführungen deS Altmeisters der Ethnologie recht beherzigrnswerth, denn jeder voruriheils frei Denkende muß zuyeben, daß bisher im Leben und Unterricht die sieben Achtel der Erdoberfläche mit ihren Menschen ganz unvergleichlich vernachlässigt worden sind gegenüber dem einen Achtel auf der alten Halbkugel, deren Bewohner wir so gern al» die „Kulturvölker" zusammenfassen, wobei wir in ungerecht fertigter Selbstüberhebung ganz vergessen, daß es eine absolute „Cultur" überhaupt nicht giebt, und daß die Völker dir westlichen Hemisphäre auch Kulturen besitzen, die der geschichtlichen Er forschung werth sind, ja, daß sie sich nur inhaltlich von der der sogenannten .Kulturvölker" unterscheiden. In wie hohem Maße die Durchforschung primitiverer Kulturen wiederum geeignet ist, die Kenntniß der europäischen Geschichte zu vertiefen, das haben am besten die Arbe ten über drn Aufbau der primitiven Ge sellschaft mit ihren e genthümlichen wirthschaftlichen und socialen Erscheinungen bewiesen, welche in ganz anderem Maße, als e» noch vor drei Jahrzehnten möglich war, un» »in verständniß für die geschichtlich überlieferten Zustände bei unseren Vorfahren ver-! mittelt haben. Schon solche praktischen Ergebnisse hätten, sollte man Meinen, mit Nachdruck darauf Hinweisen müssen, daß der Begriff der .Weltgeschichte", wie er heute noch gang und gäbe ist, den moder nen Thatsachen nicht mehr entspricht, daß man im Zeitalter der Forschungsreisen und des Welthandels, der Colonial- und Welt politik unter „Wellgeschichte" etwas anderes verstehen muß, als das sechzehnte Jahrhundert. Denn daran denkt ja beim Aus sprechen des Wortes heute Niemand mehr, daß es einst geprägt wurde im Gegensätze zur biblischen und deren Fortsetzung, der Kirchrngefchichte, daß man darin von „weltlichen" Händeln und Dingen erzählen wollte. In Wirklichkeit haben bisher Gedanken, die eine ähnliche Tendenz verfolgten, gerade bei Denen, die am meisten davon hätten berührt werden sollen, den zünftigen Histo rikern, nicht nur keine Beachtung, sondern entschiedene Ablehnung erfahren, denn die gewohnten Gleise der Forschungs- und Be- trachtungsart würden ja dadurch beeinträchtigt worden sein, aber dafür hat eine Leipziger Derlagsfirma, das bekannte „Biblio graphische Institut", schon vor Jahren (1894) drn Entschluß ge faßt, nicht lange theoretisch über die Zweckmäßigkeit einer „Welt geschichte" imneuenSinnezu discutiren, sondern frisch ans Werk,u gehen und mit Ausbietung aller zur Verfügung stehenden Mittel der Technik und Heranziehung geeigneter Mitarbeiter — neben dem Herausgeber Hans Helmolt sind dreißig in ihrem Ge biete sachkundige Männer daran thätig gewesen — eine Welt geschichte nach moderner Auffassung zu schaffen. » Der erste Band deS Unternehmens ist soeben erschienen, und für die Geschichte der deutschen Geschichtsschreibung ist daS ein Treigniß, zumal bei theoretkschen Erörterungen, „wie man eS machen müßte", die grundsätzlichen Gegner neuer Auffassungen nur zu gern drn Rath geben, man möge mit «inrr praktisch«» Ausführung hervortreten und dann erst den Werth der Neuerung erörtern. Etwa« Neues liegt hier in der Thai vor, denn es ist, Um nur auf das Jnhaltsverzeichniß deS ersten Bandes zu ver weisen, etwas offenkundig Neues, in einer Weltgeschichte einen Abschnitt „Die geschichtliche Bedeutung des Stillen Oceans" zu betiteln. Doch ehe wir uns den ersten Band etwas näher an sehen, müssen wir das ganze Werk seiner Anlage nach und die programmatischen Abschnitte aus der Feder Helmolt'S und Kohler's, die im ersten Bande enthalten sind, aber naturgemäß für das ganze Werk gelten, etwas näher ins Auge fassen. Wer ein großes, vielgestaltiges Gebiet erschöpfend behandeln will, muß, um nichts zu übersehen, ein einfaches Orientirungs« mittel anwenden, und dies ist iNvorltegendcmJalledieGeographie: jede« Stück der Erdoberfläche, so weit sie unserer Kenntniß zu gänglich ist, wird in Bezug auf die Menschen, die darauf wohnen, oder mit Rücksicht auf ihre Bedeutung (Oceane) die anwohnenden und sie befahrenden Völker behandelt. Doch dies allein würde nicht genügen, denn die reine Beschreibung der Erde wäre ein zu mechanisches Mittel, um allein zu Grunde gelegt werden zu können, sie würde namentlich nicht im Stande sein, die Wichtig keit der einzelnen Völker und Rassen für die Menschheitsgeschichte zum Ausdruck zu bringen. Deshalb mußte sogar von den alt- üblichen Erdtheilen al« Etntheilungsgrund abgesehen werden, und die Ethnographie, welche unS die zusammengehörigen Raffen und Völkerfamilien angiebt, hat «ine höhere Einheit In däs viel gestaltige Werk gebracht. Au» diesen Erwägungen hexaus er- giebt sich der ganze Arbeitsplan, welcher die Weltgeschichte in acht Hauptabschnitte (Bände) gliedert, welche nacheinander be handeln: Band I. Allgemeines. Borgeschichte. Amerika. Der Stille Ocean. Band H. Oceanien. Ostasten. Der Jüdische Ocean. Band Hk. Westasien. Afrika. Band IV. Die MittelMerr« Völker. Band V. Südosteuropa. Da» Slawenthum. Band VI. Germanen und Romanen. Band VII. Westeuropa bl» ISOiX
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