Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-16
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031116023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-16
- Monat1903-11
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezugs «Preis G der Hmlpterrxdttton oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich ^ll 8 —, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 8.76 Durch die Post bezogen für Deutsch- land ». Oesterreich vierteljährlich .-ll 4.50, für dt« übrige» Länder laut ZeitungspreiSUste. Nrdaktion und Expedition: IohannlSgaffe 8. Fernsprecher 153 und 822. FtUalenpeditione« r Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitätsstr.8, L. Lisch«, Katharinenstr. 14, u. Lönig-pl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße S4. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlin: T«l Duncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhandlg^ Lützowstraßr 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4S0S. Abend-Ausgabe. Anzeiger. ÄmtoblaLt des königlichen Laad- and des Königlichen ÄmLsgerichles Leipzig, des Rates und des Vokizeiamles der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redaktion-strich (4gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten <« gespalten) 50 L». Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Äebühreu für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 L, (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^ll SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abrud-AuSgab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Berlaq von E. P»lz in LeipziO. Nr. 583 Montag den 16. November 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 16. November. Zwischen den Wahlen. Nachdem das allgemeine Ergebnis der preußischen Land- tagSwahleu so weit zu übersehen ist, daß man sich ein annähernd getreues Bild von der Zusammensetzung des Ab geordnetenhauses machen kann, wendet sich das Interesse mehr den Einzelheiten zu, vor allem der Frage, wie es in den Wahlkreisen gehalten werden soll, in denen Stichwahlen vorauSzusehen sind und die Sozialdemokratie den Ausschlag zu geben hat. Bekanntlich verlangt diese, daß ihnen in Wahlkreisen, in denen zwei oder drei Abgeordnete zu wählen und in denen die sozialistischen Wablmanner zwischen Frei sinnigen und weiter rechts stehenden Parteien ausschlaggebend sind, für ihr Eintreten zu Gunsten der Freisinnigen die Wahl eines sozialdemokratischen Abgeordneten zugestanden werde. Die „Voss. ZtA." ist über diese Forderung sebr empört und meint, in jedem Falle bleibe die sozialdemokratische Parole ein wichtiges Dokument zur Geschichte der Partei. „In Dresden hat sie sich feierlich auf den Stand punkt des einseitigsten Klasseninteresses gestellt, und folgerichtig erklärt sie auch bei den Landtagswahlen, daß sie nur für sich wirkt, nicht für die Gesamtheit, daß ihr nichts an der Znrück- drängung der reaktionären Parteien, sondern alles nur an der Er- trotzung des Landtagsmandates gelegen ist." Die „Nat.-Ztg." würde sich schon eher mit der Trans aktion einverstanden erklären können. Sie hält die Forderung der Kompensation an sich für ganz natürlich, glaubt aber, daß die Neigung der Freisinnigen, ihr nachzukommen, bei der herrschenden Zuspitzung der Gegensätze gleich Null sei. Das Blatt erzählt aus dem Wahlkreise Teltow-Beeskow-Char- lottenburg, daß dort bei einem Teil der Wähler, die gegen die Konservativen gestimmt haben, ursprünglich eine gewisse Neigung vorhanden gewesen sei, im Falle eines solchen Ergebnisses, wie es jetzt tatsächlich einaetreten ist, für die Wahl eines Nationalliberalen und eines Sozial demokraten einzutreten, um den Wahlkreis unter allep Um ständen den Konservativen zu entreißen. Nachdem aber Frei sinnige und Nationalliberale hier getreulich Schulter an Schulter gekämpft hätten und eine entsprechende Kompensation an anderer Stelle äußerst schwierig erscheine, habe diese Ver ständigung auch hier noch an Wahrscheinlichkeit verloren. — Allgemein äußert sich die „Nat.-Ztg." über die Haltung der Sozialdemokraten so: „Die Sozialdemokraten haben gesehen, daß sie bei dem herrschen den Wahlrecht nichts erreichen können, aber auch der Liberalismus sieht sich unter diesem Wahlrecht außer stände, die Uebermacht der klerikal-konservativen Reaktion wirksam ein»udäuimen. Eine ver ständige Reform des Wahlrechtes lüge im Interesse beider Gruppen; aber anstatt sich der dazu erforderlichen Arbeit Seite an Seite zu unterziehen, haben die Sozialdemokraten es vorgezogen, den Liberalen mit maßlosen Forderungen und Drohungen entgegenzutreten, ihnen unumwunden zu er klären, daß sie die ganze Zeche zahlen müßten, und in der absichtlich scharf abgegrenzten Isolierung eine brutale Politik getrieben. Im Interesse einer freiheitlichen Ent wickelung der preußischen Politik und der notwendigen Aenderung des Landtagswahlrechts ist diese Konstellation nur zu bedauern. Die Sozialdemokraten ihrerseits aber haben daS Recht verwirkt, das preußische Junker-Parlament zu schmähen, wenn sie sich nicht zu einer praktischen Politik und Taktik zu bekennen ver mögen. Die Verbannung einer so starken Partei aus dem preußischen Parlament entspricht weder der Gerechtigkeit noch der politischen Klugheit. Aber Gerechtigkeit und politische Klugheit können im preußischen Landtagswahtrechte nicht zum Siege gebracht werden, wenn die sozialdemokratische Parteiführung in dieser Schroffheit verharrt, den Liberalen in den Rücken fällt und eine Verständigung in der Theorie zwar stürmisch fordert, in der Praxis aber nach Kräften unmöglich macht." Die „National!. Korr." erklärt eS für selbstverständlich, daß nationalliberale Wahlmänner gemäß dem Beschlüsse deS Delegiertentages von Hannover jedes Paktieren mit der Sozialdemokratie ablehnen. Hoffentlich entschließen sich auch alle Links liberalen zu gleicher Haltung. An sich würde es ja kein Unglück sein, wenn einig« Sozialdemokraten ihren Einzug in das preußische Abgeordnetenhaus kielten; es ist sogar wünschenswert, daß eine vernünftige Wahlreform die Wahl von Vertretern einer so starken Partei ermöglicht. Aber dann mag man die Herren „Genossen" auf ihre eigene Kraft verweisen. Sich von ihnen jetzt etwas abtrotzen zu lassen, würde schon deshalb verfehlt sein, weil es die Wähler verwirren würde. Die Frei sinnige Vereinigung hat es nicht einmal wagen dürfen, ihren hervorragendsten Vertreter und Redner Ür. Barth aufzustellen, weil seine Stellung zur Sozialdemokratie vielen seiner nächsten Parteigenossen anstößig war. Was sollte nun werden, wenn ein anderer Teil dieser Genossen den Kuhhandel mit der Sorialdemo- tratie befürwortete? Und außerdem ist zu berücksichtigen, daß die Spannung zwischen rechts und links schon infolge der Vorgänge vor den Urwahlen heftig genug ist. Sie noch dadurch zu steigern, daß man bei den Stichwahlen sozial demokratische Kandidaten konservativen vorzieht, wäre sehr unklug. Die Gefahr einer konservativen Mehrheit ist ab gewendet, auch wenn die Stichwahlen den Konservativen noch einige Sitze bringen. Und mit diesem Erfolge können die preußischen Liberalen sich begnügen; eS liegt weder in ihrem noch im Interesse des preußischen Staates, daß die Gegen sätze zwischen rechts und links noch mehr verschärft werten. Zentrumskummer. Die Zentrumspresse kann sich gar nicht darüber beruhigen, daß die Sozialdemokraten in dem badischen Wahlkreise Schwetzingen einen nationalliberalen Kandidaten dem demokratischen Bewerber vorgezogen haben, so daß die Nationalliberalen einen Sitz mehr in der badischen Kammer erlangt haben, als sie selbst angenommen hatten. Die „Kölnische VolkSztg." nennt das Ergebnis eine Lektion für die Demokraten und fährt fort: „Sie bilden in Mannheim nur noch das Anhängsel der Sozial demokratie. Wer sich aber diese Parteifessel erst einmal angelegthat, darf nicht mehrwagen, einen eigenen Willen zu haben." Sehr richtig; aber eS klingt wunderbar, wenn man diese Betrachtung m einem Zentrums organe findet. Wer anders als das Zentrum hat die Sozialdemokratie in Baden in die Höhe gebracht? Der Schmerz der ZentrumSpreffe ist um so erklärlicher, als der demokratische Kandidat mit allem Nachdrucke vom Zentrum unterstützt wurde, so daß die Niederlage deS Demokraten zu gleich eine solche des Zentrums ist. Die Zentrumsmannen traten voller Eifer an die Wahlurne, denn der demo kratische Bewerber ist ein „überzeugter Katholik". Nach der „Kölnischen Volkszeitung" hat ihn gerade diese Eigenschaft zu Falle gebracht. Der Haß der Sozial demokraten habe sich nicht nur gegen die Volkspartei an sich gerichtet, sondern auch gegen den katholischen Demo kraten Eger, dem sein Katholizismus von der sozialdemo kratischen Partei, für die eben Religion nicht Privat sache sei, nicht verziehen werde. Wiederum müssen wir sagen „sehr richtig" und wiederum müssen wir fragen, wie gerade die Partei, die da» religiöse und konfessionelle Moment auf daS schärfste betont, lange Jahre mit der Sozialdemo kratie gemeinsame Sache machen konnte. Pester Geschworene gegen Pen österreichisch-ungarischen Thronfolger. Vor einiger Zeit erschien eine Flugschrift in magyarischer Sprache unter dem Titel „Die ungarische Politik der Hohenzollern", in welcher u. a. behauptet wurde, daß Prinz Eitel-Fntz magyarisch lerne, um nach dem Zerfall II) der österreichisch - ungarischen Monarchie den ungarischen Königs thron zn besteigen. In dieser Schrift fanden sich u. a. folgende Sätze: „Die Dynastie Habsburg hat unS niemals verstanden, hat niemals mit uns gefühlt, uns niemals geschützt. .... Wenn Ew. Majestät unter solchen Umständen die unga rischen Herzen gewinnen konnte, dann darfst du dich zurück sehnen nach der Zeit, in welcher Ew. Majestät wie Mathias Korvinus der Kaiser-König eines gefürchteten Reiches sein konnte. . . Und was läßt du uns jetzt als Erbe zurück? Nichts. Nach der Thronbesteigung deines NachfolaerS wird Alles wie ein Bienenkorb, aus welchem die Bienenmutter herauS- genommen wurde, Alles von oberst zu Unterst gekehrt werden. . . . Wir Magyaren kennen den Franz Ferdinand nicht. Wir wissen nur so viel von ihm, daß er eine Zeit lang für lungensüchtig ausgegrben wurde, welche Nachricht im Zusam menhang mit seiner Ehe verbreitet wurde; später, und als er infolge ihres entschiedenen Auftretens die Sofie Ehotek heiratete, da konnten wir von Angesicht zn Angesicht in Wahrheit sehen, daß diesem Thronprätendenten nichts fehle, daß er ein kräftiger Mann von etwas weiblicher Haltung ist, dessen wilde», ungezügeltes und leidenschaftliches Naturell jedoch Allem wider stehen kann . . . „In ihm wohnt NeroS starke grausame Stimme; er duldet keinen Widerspruch, nur das Ja." In diesen Sätzen waren Angriffe gegen die Dynastie und Beleidigungen des Thronfolgers enthalten und eS erhob der Staatsanwalt Anklage gegen den Verfasser der Schrift namens Ieckey, wie gegen ein Wochenblatt, das die bean standeten Sätze zustimmend abgedruckt hatte. Es ist bezeich nend für die Stimmung in Pest, daß in beiden Fällen die Geschworenen die Schuldfrage verneinten und daher beide Angeklagte freigesprochen werden mußten. Panama. Die Machthaber in der Duodez-Republik Kolumbien nehmen — echt spanisch — den Mund gehörig voll. Sie wollen den letzten Cent aufwenden und den letzten Bluts tropfen hinopsern, um das abtrünnige Panama wieder zur Raison zu bringen. Aber man wird sich's noch mehr als einmal überlegen, ob man zu einem gewalttätigen Vorgehen gegen die neue Republik daS Losungswort gibt, denn hinter dem kleinen JsthmuSstaat steht die ungeheure Macht der Vereinigten Staaten und die Einfahrt nach Panama bewachen die Kanonen ihrer Kriegsschiffe. Nun wird unS freilich gemeldet: * New York, 15. November. Eine Depesche des „New Aork Herald" aus Bogota meldet, der Präsident von Kolumbien, Marro quin, habe sich die Unterstützung der spanisch-ameri kanischen Republiken für einen Krieg zur Rückeroberung von Panama erbeten und dabei erklärt, daß dir Aufrechterhaltung der Souveränität gemeinsame Sache aller dieser Republiken sei oder doch sein solle. Die Meldung besagt ferner, die Banken hätten sich al» Kapitalisten für den Feldzug angeboten, Privatpersonen hätten ihr Vermögen und ihre Dienste zur Verfügung gestellt; auch seien viele Sammlungen eingeleitet, doch sei eS in Bogota, von der patriotisch-kriegerischen Stimmung abgesehen, verhältnismäßig ruhig. Das klingt mordsgroß, wird aber in Panama und Wa shington nur Lachen erregen. Die spanisch-amerikanischen Republiken sind nie unter «neu Hut zu bringen, und wenn auch, was wären ihre lumpigen wrackartigen Schiffe gegen die gewaltige Flotte der Union I Solch kindischen Träumen wird bald ein Erwachen voller Enttäuschung folgen. Vor läufig versucht man'S noch mit „FriedenS"-Unterhandlungen und bequemt sich, einen Unterhändler nach Panama zu schicken, worüber uns aus Washington, 15. November, gemeldet wird: Um Mißbelligkeilen bei der Ankunft deS kolumbischen Unter händlers Reyes in Panama zu verhindern, sagte Staats sekretär Hay dem Gesandten der Republik Panama Bunau Varilla zu, ihm bei der Ankunft auf dem IsthmuS ein Kriegsschiff zur Verfügung zu stellen. Auch soll von Panama ein Kriegsschiff angegeben werden, auf dem die beiderseitigen Vertreter, wenn Reyes es wünscht, zur Beratung Zusammenkommen. Bunau Varilla tritt dafür ein, daß Panama die Kommission, die nach Washington unterwegs ist, mit besonderen Vollmachten aus- statte, um die Anerkennung durch die in Washington be glaubigten Vertreter der fremden Nationen zu erlangen, dadurch soll die Notwendigkeit umgangen werden, Vertreter nach allen Hauptstädten zu senden. Deutsche gegen Deutsche m E-Ue. Deutsche Katholiken, die am Sedantage eiae evangelische Kirche stürmen — daS ist die neueste Er rungenschaft, zu der es jesuitischer Fanatismus in Chile ge bracht hat. Schon früher waren ähnliche Erscheinungen zu Tage geirrten. Unter der Führung eines „deutschen" katho lischen Priesters Bohle war die Kolonie Osorno der Schauplatz der wildesten Kämpfe, bei denen sogar der von der Regierung eingesetzte Richter ermordet wurde. Die Kircke in Puerto Montt wurde bald nach ihrer Einweihung der Raub ter Flammen! Diesmal war eS wieder die deutsche evangelische Kirche in Puerto Montt, die während der gottesdienstlichen Feier am 2. September zur größeren Ehre Gottes von einem fanatischen Haufen katholischer Deutscher gestürmt wurde! „Schmach und Schande", schreibt die „Wartburg", „über die Kreaturen, die in solcher Weise ihr Deutschtum vor Romanen und Halb indianern schänden!" Das volksfeindliche und hetzerische Wirken der dortigen Jesuiten, die in Puerto Montt eine großartige Erziehungsanstalt besitzen, ist schon seit Jahren bekannt (vergl. Unold, Das Deutschtum ,n Chile. Der Kamps um das Deutschtum, 13. Heft. München, I. F. Lehmann, 1809). Vermutlich wollen die Jesuiten sich auf diese Weise für ihre Wiederzulassung im deutschen Reiche F-uilletsn. Ein interessanter Mann. I2j Roman von Arthur Zapp. Nachdruck verboten. Baron MtnoleSku wieate mit bedenklicher Mene sein Haupt. ,Ha, die Sache ist bös. sehr bös. Hätte ich geahnt, daß Sie .die Hand im Spiel haben, so würde ich ja die Anzeige unterlassen haben. Aber so — ich komme nach Hause, finde meinen Schreibtisch geöffnet und denke natürlich nur an einen gang gewöhnlichen Tiobstahl. Richtig, als ich nachsehe, bemerke ich sogleich, daß das Geld fehlt. Natür lich schlage ich Lärm, ohne weiter über di« Sache nachgu- denken. Meine Wirtin stürzt ins Zimmer. Als sie hört, was geschehen, ruft sie sofort: das ist niemand als der Grunert gewesen, der sich vorher im Zimmer zu schaffen gemacht habe. Di« alte Frau eilt schnurstracks zur Polizei. Erft als sie fort ist, kommen mir andere Gedanken: Mein Zusammentreffen mit Ihnen unweit meiner Wohnung, Ihr merkwürdiges Verhalten, Ihre Aufgeregtheit, Ihr lange- verweilen in meiner Gesellschaft auf der Straße, wo wir doch jeden Augenblick von jemand gesehen werden konnten. Kurz, eine Ahnung blitzte in mir auf. Ich suche nach, die Photographie fehlt. Mir kiel ein, daß Sie von Grunert gesprochen hatten, na, das übrige konnte ich Mir leicht von selbst kombinieren." Frau Valeska war ganz niedergeschmettert. Die Finger ineinander gekrampft, faß sie da, unfähig, etwa- -u äußern oder auch nur zu denken. „Eine schöne Lage, in der wir uns da befinden!" nahm -er Rumäne wieder das Wort. „Die Anzeige war in- -wischen von meiner Wirtin erstattet. Zurücknehmen hilft bekanntlich bei solchen Vergehen nicht. Die Polizei ist verpflichtet, di« Sache weiter zu verfolgen. Wen« man den Sptybuben nun erwischt und findet Ihr Bild bei ihm, was dann?" Frau BaleSka stvhnte laut, ihr schwindelte, die Ideen wirbelten in ihrem Hirn bunt durcheinander, aber zu irgend einem 'bestimmten Gedanken kam es nicht. Da äußerle Baron MtnoleSku: „DaS einzige ist, Sie wenden sich an Assessor Freyhof/. Ist «r nicht zur Zeit Dirigent der Kriminalvolkei?" «Sie nickte, von einer Hoffnung durchglü'ht. „Schön", fuhr Minolesku fort: „Dann rate ich Ihnen, sich ihm anzuvertrauen, das heißt, soweit es ndtig ist. Bei meiner Vernehmung auf der Polizei hübe ich den Verlust der Photographie natürlich noch nicht bekannt gegeben. Es ist Ihnen also überlassen, dem Assessor irgend «ine plausible Erklärung zu geben und ihn zu bitten, daß er Ihnen das Bild, wenn es bet Grunert gefunden werden sollte, behändigt, ohne im Protokoll der Photographie Er wähnung zu tun." Trau Valeska hob in einem «Ausbruch von Verzweif lung die Hände. „Aber was 'wind er denken?" rief sie verstört. Der Rumäne zuckte die Schultern. „Mein Gott", sagte er nachlässig, als handelte eS sich um eine alltägliche Sache, „Sie sagen ihm teilweise die Wahr heit. Da mein Name und der Ihrige auf dem Bilde steht, iverden Die kaum darüber binweakommen. 'Aber was liegt daran? Die Hauptsache ist -och für un» beide, daß Ihr Mann nichts davon erfährt. . . . Ich gebe nämlich^, fuhr er nach kurzer Pause, während er die wie gebrochen in ihrem Gessel Lehnende durckdrinaend «betrachtete, „noch immer nicht die Hoffnung auf, daß wir beide in Frieden auseinanderkommen werden und daß Sie mir bei Fräulein Erna nicht alle «Aussichten zerstört haben. Freilich, daS Schweigen Ihrer Cousine, Ihr verdächtiges Verhalten gestern, die Anstiftuna deS Raube- der Photographie, alles da- könnte mich argwöhnisch machen. Nun, ich werde ja bald die Gewißheit haben. Ich habe «bereit» geschrieben und bitt« Sie nun um Fräulein Erna» Adresse." Trau BaleSka streckte instinktiv die «Hand aus. Baron MinoleSku lächelte. „Nein", sagte er kopfschüttelnd. „Sie erlauben schon, daß ich meinen Vries direkt absende. Also? Die Adresse!" „Frau Rittergutsbesitzer Euaenie Sarnow, Karlshagen bei Neustadt." ^Schön! Ich-dancke." Der Rumäne verbeugte sich Un tat ein paar 'Schritte nach der Tür. Plötzlich kam er zu- rück, etwa» wie Berleaenbett in dem Ausdruck seiner Mien«n. „Scheußliche Situation!" sagte er. seine behandschuhten Hände nacheinander betrachtend, als scheue er sich, -en vltcken der ihm gegen überstehenden Dame zu begegnen. ,-Lagte Ihnen schon: der frecke Halunke hat mir mein Letztes geraubt. Bin tatsächlich vis-L-vis cks rien. Weiß nicht, woher rasch Ersatz schaffen. Habe hier in der frem den Stadt natürlich keinen Kredit, un- ehe ich von Rumänien —" Frau Valeska war rasch an ihren Schreibtisch getreten. Es war eine mechanische Handlung, daß sie von den Bank noten, die sie heute für ihre Wertpapiere erhalten, fünf Hundertmarkscheine abzäblte, dieselben liegen ließ und mit dem übrigen Geld — über taufend Mark — zu dem Baron zurückkehrte. Ohne ein Wort zu sagen, reichte sie ihm das znsammengefaltete Päckchen Banknoten. Er nahm «s mit einer leichten Verbeugung und schab eS nachlässig in die Tasche. „Danke, meine Gnädigste. Sie gestatten, daß ich eS Ol ein Darlchn betrachte, das ich Ihnen sobald al- möglich zurückerstatten werde. Zwänge mich nicht die unver schuldete Not, in die ich gewissermaßen durch ihre Schuld —" Sie machte eine bittend abwehrende Geste. Der Rumäne vevbeugte sich noch einmal und verschwand eil- fertig. Dreizehnte» Kapitel. Als der Rcgierungsrat nach seiner Gewohnheit um zwei Uhr nach Hause kam, bemühte sich Frau BaleSka mit starker Willensanstrengung, ihre geheime Angst zu ver bergen Ihr Herz zersprang ihr fast vor mühsam bc- herrschte! Aufregung. War Grunert bereit» gefaßt? Hatte man ihr Bild bet ihm gefunden? Wußte Herbert darum? Aber der Regterungsrat küßte sie zärtlich wie immer. Freilich, seine Stirn lag in Falten und au- seinen Augen traf sie «in ernster Blick mit mildem Borwurf. „Du hast dein« Güte an einen Unwürdigen ver schwendet, liebes Kind", sagte er. „Dein Schützling Grunert hat sich ein gemeine» verbrechen zu schulden kommen lassen." Sie heuchelte eine erschrockene, erstaunte Miene. „Gestern abend hat er mittels Dietrichs den Schreib tisch deS Barons Minolesku geöffnet", fuhr der Regte- rungSrat fort, „und den Betrag von achthundert Mark entwendet." „Der schlechte Mensch! ... Hat man ihn denn schon verhaftet?" „Noch nicht. Aber er wird unS ja bald in die Hände fallen. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß er sich noch in der Stadt aufhält. SS ist eine alte Verbrecher. taktik, die Flucht nach außerhalb erst anzutreten, wenn der erste Eifer -er Verfolgung vorüber ist." „Du meinst, daß er sich hier verborgen hält?" fragte Frau Valeska in geheimer Spannung. Der Regterungsrat nickte. „Das ist Freyhoffs Ansicht. Er meint, daß der Dieb irgendwo bei Bekannten und Spießgesellen einen Schlupf winkel gefunden hat." „Und du glaubst, baß er bald entdeckt werden wirb?" „Ohne Zweifel. Solche Kerle pflegen sich bald selbst zu verraten." Frau BaleSka seufzte im Stillen. Ihre erhitzte Phan tast« matte ihr ein entsetzliche» Bild: Karl Grunert wird arretiert und in» Polizeigefängnis geführt. Man unter- sucht ihn, findet ihr Bild und liest die von ihr an Mino- leSku gerichteten Worte. Die Unglückliche lehnte sich erbleichen- in ihren Sessel zurück und schloß unwillkürlich die Allgen; ein Schauder durchrieselte die schlanke Gestalt. Der Rcgierungsrat beugte sich liebevoll besorgt über die Zitternde. „Du mußt dir bie Sache nicht so nahe geben lassen", tröstete er. ,Ma» geht dich schließlich der Mensch an. Ein Taugenichts ist er ja immer gewesen, und solch ein Ende ließ sich eigentlich voraussehen. Jedenfalls soll er dich in Zukunft nicht mehr behelligen." Frau BaleSka stöhnte in sich hinein. Wenn Herbert wirßte! War sie nicht Grunert» Mitschuldige, gewisser maßen die Anstifterin deS Diebstahl»? Würde er sich nun nicht erst r«cht an sie klammern? Der Regterungsrat erfaßte liebevoll die Hände der Ruhenden und zog sie sanft empor. ,Lomm, «Schatz! Wir wollen unS von der dummen Geschichte nicht den Appetit verderben lassen!" . . . Nach dem Essen legte sich Frau BaleSka nieder, um zu ruhen. SS überstieg ihre Kräfte, länger die Unbefangene zu spielen, ihrem arglosen Gatten in» Auge zu sehen und mit ihm zu plaudern. Erst al» der RegierungSrat sich wieder nach seinem Amtsbureau begab, stand sie ans. Abgespannt, unter heftigem Kopfweh leidend, schleppte sie sich an ihren Schreibtisch, um an Assessor Kreyhoff zu fchreiben und ihn um seinen Besuch zu bitten. Aber al» sie die Feder in die Hand genommen hatte, kam ihr ihr Borjmben mit einem Male ungeheuerlich, unausführbar vor. Sich vor dem Untergebenen ihres Manne» so tief zu demütigen, erschien ihr unmöglich. Auch war sie gänz-
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page