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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010510018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901051001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901051001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-10
- Monat1901-05
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Amtsblatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aatljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. ^ 236. Freitag den 10. Mai 1901. Anzeigen-Preis die ^gespaltene Petitzeile S5 Reclümeü ÜNter dein RedäctionSsttich (4 gespalten) 75 H, vor den Famili»Ntiac> richten (V gespalten) 50 Dabetlarischer und Fisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerttnannahme L5 H (excl. Porto). Grtra-t8eilagrn (geialzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PoflstesStderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. ^nnahmeschluß sür Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AllSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochrnta^uuonterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- in Leipzig, 95. Jahrgang. ZUM 1v. Mai. L2 Heute vor dreißig Jahren klangen durch da- ganze junge Reich die Glocken, und Friede war ihr Geläute. Fürst BiSmarck und die französischen Bevollmächtigten hatten im Gasthause zum Schwan in Frankfurt a.M. ihre Namen unter das endgiltige Ixriedensinstrument und damit lang hingeschleppten Ber- dandlungen ein Ziel gesetzt. Die FriedcnSpräiiminarien waren schon am 26. Februar, in Versailles, abgeschlossen worden, aber die Franzosen glaubten die von ihnen nothgedrungen gemachten Zugeständnisse einsckränken zu können, bis dem deutschen Reichskanzler der Geduldsfaden riß. Am 10. Mai 1871 wurde das Vereinbarte perfect, war das vergossene deutsche Blut bezahlt: gehörten Elsaß und Lothringen Deutschland wieder an. Der Tag setzte den unvergleich lichen Erfolgen Bismarck'scher Staatskunst die Krone auf, und es war ein guter, ein beinahe selbstverständlicher Gedanke, daS fertiggestellte Nationaldenkmal vor dem Reichstagßhause zu Berlin heute zu enthüllen. Allein die Thatsache, daß dies Monument dem ersten Kanzler von der ganzen Nation und auS freiwilligen Beiträgen auS dem ganzen Reiche errichtet worden ist, scheint in Vergessen beit geralhen zu sein. Der Act wurde aus irgend welchen Rücksichten hinausgcschoben, damit u. A. bewirkt, daß die Erwählten deö seinen größten Mann in Dankbarkeit ehrenden deutschen Volkes, denen allerdings kein förmlicher Anspruch auf Betheiligung an der Feier zustebt, nur sehr spärlich vertreten sein können. Allein Acußerlichkeiten haben einem Bismarck gegenüber kein Gewicht. Er bat sich durch seine Tbaten und sein Buck „Gedanken und Erinnerungen" Denkmäler gesetzt, die der fremde, dem bei aller Größe schlickten germanischen Necken nicht anhaftende Begas'sche Prunk an VolkSthümlichkeit wohl niemals erreichen wird. Und vor Allem sein Werk vom 10. Mai braucht nichts Neues für sich reden zu lassen. Er gab dem neuen Deutschland mit seinem unschätzbaren Zuwachs im Süd westen die völkerrechtliche Weihe. Und Bismarck bat sein Werk, den Frieden, gut zu hüten und zu pflegen verstanden. Als vor dreißig Jahren die große Botschaft aus der alten Kaiserstadl kam, da war die Freude groß in deutschen Landen — daß sie sich aber nach dreißig Jahren, wenn auch still, erneuern würde, obne daß vorher das Errungene noch einmal auf blutiger Wablstatt behauptet hätte werden müssen, das wagte kaum einer zu hoffen. Bismarck aber wußte dem Rachedurst deS Unterlegenen die Be- svrgniß vor einem erneuten Abenteuer beizugesellen, und durch Meisterzüge seiner europäischen Politik den Franzosen die Gewißheit bcizubringen, daß sie nach einer Wiederauf nahme des Verfahrens in dem am 10. Mai beendigten Streit allein stehen wurden. Wir erkennen dankbar, daß auch nach des großen Kanzlers Rücktritt die Erhaltung deS Friedens da« oberste Ziel deutfcker Politik gewesen ist. Während des dritten TdcileS dieser dreißigjährigen FriedenSzeit konnten des Fürsten Bismarck Leit sätze wohl nach-, aber nickt unmittelbar mebr wirken. Selbst die Gründung des Zweibundes vermochte die Kriegsgefahr nickt näher zu rücken, aber die freundliche Auffassung, daß er ent stand, um den 187t geschaffenen Zustand zu erbalten, ist doch das Eigentbum Weniger, zu freundlichen Anschauungen beson ders Hinneigender geblieben. Ebenso die von dem Nachfolger BiSmarck's vorgetragene Lehre, daS Bündniß zwischen den Deutschland flankirenden Mächten habe da« gestörte euro- päiscke Gleichgewicht erst wieder hergestcllt. DaS Emporkommen gewaltiger außereuropäischer Inter essen der europäischen Mächte, daS Eintreten Japans und der Vereinigten Staaten in die Weltpolitik und nicht zuletzt die Scheu vor der Erprobung von Freunden und geänderter formi dabler niilitärischerEinricktungen haben die Befiirchtungvor dem kriegerischen AuStragen europäischer Differenzen auf europäi schem Boden zurllcktreteu lassen. Sie ist nickt geschwunden, sie darf am wenigsten der Sorglosigkeit in einem Reiche von der geographischen Lage Deutschlands Platz macken, und die Aufgabe unseres Vaterlandes bleibt es, seiner gesamuitcn Politik — die überseeische nickt ausgeschlossen — jedes Engagement und jeden Schritt den Bedingungen, die die unveränderlichen letzten Ziele Frankreichs dictiren, angepasst zu erhalten. Ob dies in den letzten Jahren stets geschehen sei, ist eine Frage, die gründlich zu prüfen der Tag der Erinnerung an den Frankfurter Ver trag guten Anlaß bietet. WaS wir zu erhalten haben, ist so Vieles und so Großes, daß es selbst durch Ereignisse, die Gelingen zu versprechen scheinen, nicht gefährdet werden sollte. Vie koreanischen Vorgänge und der russisch japanische Gegensatz. V. 8. Seit der Weigerung Chinas, das Abkommen mit Rußland wegen der Mandschurei zu unterzeichnen, hat d« Petersburger Diplomatie dir Pekinger Regierung eine Zeit lang mit Sonderwünschen in Ruhe gelassen. Wenigstens hat man nichts mehr darüber gehört, daß die zarischen Staatsmänner ihr« bisherigen Versuche in der alten, rücksichtslosen Weise fort setzen, um die Chinesen schließlich doch gefügig zu machen. Wenn eS gleichwohl geschehen sollte, so geht man dabei so geheimnißvoll vor, daß Alles der Oefsentlichk«it vorenthalten wird un'o die leitenden Kreis« der anderen Staaten ebenfalls im Ungewissen bleiben. In der That spricht di« Wahrscheinlichkeit dafür, daß Rußland die Gegenwart für ungeeignet hält, um auf seinem Willen zu bestehen und die Mandschurei so rasch als möglich unter seine anerkannte Oberhoheit zu bringen. Deshalb Indeß ist der Plan schwerlich aufgegeben, vielmehr sprechen verschieden« Anzeichen dafür, daß man dem Vorgesetzten Ziele indirect zu- steuert und eS durch neu« Actionen doch noch zu erreichen hofft Bon besonderer Bedeutung ist in deser Hinsicht di« That fache, daß Korea eine Anleihe bei etner französischen Eapitalisten- gruppe erheben will. Di« Vermuthung liegt nabe, daß hierbei weniger ein Handels« als ein politische» Geschäft beabsichtigt sei Frankreich freilich besitzt in Korea nur geringe Interessen und könnt« sich nur dann in die Ereignisse mischen wollen, wenn et «Avas Besonder«» von solchem Vorgehen erwartet. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Action, welche eine finanzielle lnterstützung der Söuler Regierung darstellt, ein Liebesdienst ür Rußland ist. Letzteres hat schon früher Korea Geld gegeben, im seinen Einfluß gegenüber Iden Japanern zu stärken, und Pater gewisse Errungenschaften in der Form von Land abtretungen zu machen; augenblicklich aber gestatten die russi- chen Finanzen unmöglich dir Hergabe auch nur geringer Sum men zur Förderung gewisser, noch recht ferne daliegenixr Pläne. Es wäre deshalb nicht weiter wunderbar, wenn der kluge Finanz minister Witte sich um Aushilfe nach Paris gewandt und dortige Finanzkräfte willig gemacht hätte, für Rußland den Koreanern zu helfen. Daß das Zarenreich an der Angelegenheit betheiligt ist, crgiebt sich schon aus dem Umstande, daß das Geld zum Bau einer Eisenbahn von Söul nach Wiju verwandt werden soll. Dies« Linie würde weniger den Franzosen, als den Russen her vorragende Borthrile sichern. Sie ist nichts weiter als eine Fortführung der sibirischen Bahn nach Süden. Wiju nämlich wird, außer mit Söul, auch mit Mulden in Verbindung treten, und da letztere Stadt in das Gebiet der erstgenannten bedeuten- den Linie eingeschlossen werden soll, st> würde die Hauptstadt des Kaiserthums Korea ebenfalls in ihren Bereich hineingezogen. Was das aber für Rußland bedeutet, liegt auf der Hand. Die zarischen Truppen könnten auf der sibirischen Eisenbahn bis nach Söul befördert werden, um dm Forderungen der Diplo matie den nöthigen Nachvruck zu verleihen. An dieser Thatsache wird auch dadurch nichts geändert, daß französischen Ingenieuren der Bau der Linie übergeben wird. Bei der Freundschaft zwischen Rußland und Frankreich wird oas letztere, auch wenn es allein die Controlc und Leitung der Bahn erhält, dem Zaren reiche kein« Hindernisse bereiten, falls dieses etwas Bedeutsames in Korea plant und zu dem Behufe die Benutzung der Linie Söul Wiju beanspruchen sollte. Es ist dann die Meldung von Derhanolungen in Erwägung zu ziehen, wonach der Hafen von Shinhai, an der Südspihc von Korea, in der Nähe von Masampo uno Port Hamilton, an Rußland abgetreten werden soll. Das wäre Die Wieveraufnahme des alten Planes, Masampo Den Interessen des Zarenreiches dienstbar zu machen. Vor einem Jahre war davon bekanntlich viel die Rede, und die Petersburger Diplomaten setzten es durch, daß -ihnen die Anlage eines Kohlendepots und eines Marine arsenals auf einem Grundstücke in Ser Nähe von Mosampo ge stattet wurde. Weiter aber erfolgte trotz aller Bemühungen nichts, und einen Stützpunct für ihr ostasiatisches Geschwader haben die Russen aus dem Platze nicht machen können. In dieser .Hinsicht war der Widerstand Japans nicht zu üerwinden. Wenn nun aber oer Hafen von Sbinhai thatsächlich vom Zarenreiche „ge pachtet" wird — voraussichtlich unter ähnlichen Bedingungen wie Port Arthur und Talienwan — so wäre das die Besiegelung seiner unumschränkten Herrschaft über die Straße von Korea und die Zurückvränzung Japans als Großmacht im Osten. Wir glauben nicht, daß >oer Mikado zu oiesen neuen Unter nehmungen seines alten Gegners schweigen sollte. Das verbietet ihm di« Gefahr, der er im Falle der „Pachtung" Shinhais aus gesetzt wäre. Es ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen, daß Rußland seinen Plan nur ausgenommen hat, um Japan rin- zuschüchtern, um ihm Schwierigkeiten nach verschiedenen Seiten zu schaffen, und es dadurch für die mandschurische Frage ge fügiger zu machen. Das asiatische Jnselreich ist, wie von mili tärischen Autoritäten anerkannt wird, in der Schlagfertigkeit seiner Wehrkraft dem Zarenreiche überlegen. Namentlich seine Flotte ist oer russischen mehr als gewachsen. Aber Japan be findet sich in schlimmer Lage, weil seine Finanzen einen un erfreulichen Ausblick gewähren und große Wagnisse nicht ge statten. Darin ist der Grund der auffälligen Zurückhaltung des Kaiserreiches des Ostens zu sehen. Ohne «inen zuverlässigen Bundesgenossen fühlt es sich nicht im Stande, einen Kampf zu beginnen, bei dem es sich um seine Existenz handelt. England könnte allerdings dieser Verbündet« sein, weil die ostasiatischen Ereignisse und das Vordringen Rußlands auch seine Interessen ernsthaft gefährden. Aber England ist durch den südafrika nischen Krieg nach wie vor im Handeln gehemmt und kann einst weilen gar nicht daran denken, seinem Nebenbuhler in Asien der Art entgegenzutreten, daß dieses nur die Möglichkeit kriegerischen Widerstandes in Erwägung zieht. Großbritannien wird, so lange es sein Mißgeschick in Transvaal nicht auf ander« Art ausgeglichen hat, von keiner Großmacht mehr gefürchtet und von Niemandem als ein Factor angesehen, 'der den Gang der Ereig nisse aufhalten kann. So kommt denn Alles den Russen zu Statten. Japan allein wird nichts unternehmen. Mag die Action, die in Korea begonnen, selbstständige große Zwecke ver folgen oder als Mittel zur Förderung der Enticheidung der mandschurischen Frage dienen, in jedem Falle paßt sie in die Rechnung der russischen Staatsmänner und wird dazu beitragen, dir Stellung des Zarenreiches in Asien weiterhin zu festigen. Die Wirren in China. Si» deutscher Eapitan über bie Hunnenbriefe. Einem Bericht des Capitäns Langreuter vom Dampfer „Köln" des „Norddeutschen Lloyd" entnehmen wir nach stehende interessante Einzelheiten über die Kriegführung der deutschen Truppen in China. Die „Köln" kam mit der Ablösung für das Kreuzergeschwader am Abend der Erstürmung der „Taku-Forts auf der Rhede von Taku an. Der Chef des Kreuzergeschwaders erbat sich telegraphisch von Berlin die „Köln" als Beischiff für die Marine und erhielt sofort eine zustimmende Antwort. Da» Schiff blieb zunächst auf der Rhede von Taku als Reserve- und Hospital- Schiff liegen und brachte von dort aus zwei Transporte von Verwundeten und Kranken nach Aokohama. Auf beiden Reisen wurde Chefoo angelaufen, sowie Tsingtau und die größeren japanischen Häfen. Der Theil der Marinemannschaften, der vorläufig keine Verwendung fand, blseb bei mir an Bord. Wo ich deutsche Kriegsschiffe traf, geschah die Auswechselung der Mannschaften. Äbgelöste wurden nach Umständen wieder an Land geschickt zur Besetzung der Fort» von Tientsin u. f. w., so daß di» Reserve an Bord zu Zeiten unter 200 sank, während sic Anfangs 1300 Monn betragen hatte. Verwundete und Kranke kamen zu mir an Bord und gingen wieder, wenn si» her gestellt waren. Später, als die ersten Schiffe der Armee kamen, wurde da» Schiff zur Centrale der Landung der Armee gemacht. Auf der „Köln" befanden sich di« Vertreter der Armee und der Marine, die Pferdecommission und andere Behörden, und große, aller dings primitive Hospitaleinrichtungen (Kranke und Schwerver wundete wurden beispielsweise mit dem Ladegeschirr an Bord genommen, und die so unentbehrlichen Badewannen für Typhus kranke wurden aus Segeltuch hergestellt). Officiere der Armee und Marine wurden zur Erholung an Bord der „Köln" be urlaubt. Auf der „Köln" fanden die Verhandlungen der Kriegsgerichte statt. Ferner war das Schiff die Hauptstation jeder Verbindung mit dem Lande. Jeder Hilfsdampfer, der aus dem Peiho kam oder hineinging, mußte bei der „Köln" anlegen. Unter den Officieren und Mannschaften der Marine, soweit dieselbe in Ostasien war, sind wenige, die das Schiff nicht wenigstens einmal im Laufe des Krieges betreten haben. So erhielt ich Kcnntnih von vielen Einzelheiten. In den letzten Tagen des October, nachdem die Armee ge landet war, trat die „Köln" die Heimreise an mit etwa 120 Ver wundeten und Kranken und der großen Masse der Chinakämpfer der Marine. Unterwegs stießen wir zum eisten Male auf die Hunnenbriefe in den Zeitungen, die uns entgegengeschickt wurden. Ich war bei dem Einzuge der Truppen in Berlin. Eine große und angesehene deutsche Zeitung schrieb am Tage nach dem Einzuge, die zurückkehrenden Truppen hätten den Inhalt der Hunncnbriefe bestätigt. Ich hielt mich damals mehrere Tage in Berlin auf und hatte mehrfach Gelegenheit, Abends in den Restaurationen und Cafös die beurlaubten Chinakämpfer zu beobachten und ihre Erzählungen zu hören. Jeder hatte ein Gefolge von einem halben Dutzend Freunden und Bekannten. Was diese Leute der Gefolgschaft zu hören bekamen, spottet allerdings jeder Beschreibung. Sollte die Zeitung, die in den Erzählungen der zurückkehrenden Chinakämpfer am Tage de» Einzuges in Berlin eine Bestätigung der Hunnenbriefe steht, in der Lage sein, mir ihre Gewährsmänner zu nennen, so würde ich vielleicht nach so langer Zeit noch im Stande sein, die Erzählungen in jedem einzelnen Falle auf das richtige Maß, d. h. auf nichts, zu reduciren. Seitdem war ich ohne Unterbrechung auf Reisen. Ich hörte nichts mehr von den Hunnenbriefen, bis mir heute dir Rede de» Krirgsminister» in den letzten Reichstagsverhandlungen in die Hände fiel. Die Rede ist erschöpfend und schafft eigentlich die Angelegenheit au» der Welt. Es ist bi» zum Tage meiner Abreise ovu Talu, uijo nährn.s. der ganzen Zeit des eigentlichen Kriege», kein Fall von Mord seitens deutscher Truppen vorgekommen. Der Fall der Ueber- schreitung vor Peking, den der Kriegsminister andeutet, ist mir bekannt geworden. Die Untersuchung wird ergeben, daß die Handlungsweise des betreffenden Officiers des Seebataillon» keine Ueberschreitung war, sondern eine unabweisbare Noth- wendigkeit. Es ist in dem genannten Zeitraum ein Fall von Ver gewaltigung vorgekommen. Die Verhandlungen fanden an Bord meines Schiffes, und zwar sofort, statt. Der Mann sieht einer schweren Strafe entgegen. Es kam ferner ein Fall von fahrlässiger Tödtung vor. Die Verhandlungen wurden ebenfalls sofort eingeleitet. Der Schuldige hatte seinen besten Freund erschossen, den er für einen Boxer hielt oder halten mußte. Hoffentlich erfolgt Frei sprechung. Was nun die P! ü n d e r u n g e n anbetrifft, so verweise ich die Anhänger der Hunnenbriefe an das Zollamt in Wilhelms haven. Alle Schätze der Leute, die mit der „Köln" zurück kamen und die, da sie die ersten Truppen waren, die in China an Land zur Verwendung gelangten, wirklich Gelegenheit ge habt hatten, zu plündern, konnten nur an Bord meines Schiffes sein und mußten unweigerlich das Zollamt in Wilhelmshaven passiren. Die Vertheidiger der Hunnenbrief« würden ernüchtert werden, wenn sie sich aus den Listen des Zollamtes überzeugen wollten, wie minimal am Tage der Ankunft der Chinakämpfer in Wilhelmshaven die Einfuhr war. Unsere Leute haben, wenn die Noth sie zwang, in Peking in kalten Nächten in Zobelpelzen geschlafen. Nach Hause gebracht haben sie aber nichts davon — nur das Wenige, was sie später nach der Rückkehr an Bord meines Schiffe» von chinesischen Händlern kauften. Auf der Rhede von Taku beherbergte ich vierzehn Tage lang das Sodcn'sche Corps. Die Leute sahen elend aus, als sie an Bord kamen, führten aber große Kisten mit sich von etwas verdächtigem Aussehen. Ich ließ die Kisten in die tiefsten Räume des Schiffes verstauen, weil ich — wie ich gestehe — Schätze aus den Kaiserpalästen darin vermuthete und fürchtete, daß sich Tausch- und Kaufhandel an Bord entwickeln würde. Am Tage nach der Abcommandirung kamen die Kisten wieder an das Tageslicht und wurden aus irgend einem Grunde ge öffnet. An der Hand der altpreußischen Tradition hatten die Soden'schen Leute ihr gesammtes Backgeschirr und anderes wcrthloses Inventar von Peking wieder mitgeschleppt. Keiner besaß einen Fetzen fremden Eigenthums. Dem Grafen Soden, der später an Bord kam, drückte ich mein Erstaunen darüber aus. Er sagte mir, selbstverständlich würde er Plünderungen nie ge duldet haben, übrigens hätte sich bei seinen Leuten gar keine Neigung dazu gezeigt. Zunächst blieb dieses vornehme Auftreten der Deutschen ohne Wirkung auf die große Masse der chinesischen Bevölkerung. Die Chinesen waren außer Stande, die einzelnen Nationen zu unterscheiden. Ein deutscher Marineofficier er zählte mir Folgendes: Er wird auS Peking hinaus in die Um gegend geschickt, um Mannschaften für Erdarbeiten oder Sehn liches in der deutschen Gesandtschaft zu requiriren. Er hebt die ganze männliche Bevölkerung eines Dorfes auf. Er macht einen Contract mit den Leuten, der selbst in Friedenszeiten nicht günstiger sein konnte, und der die Existenz der ganzen Dorfbevölkerung für den Winter sichert. Die Leute gehen gut willig mit. In Peking werden sie für die Nacht in einer größeren chinesischen Polizeistation untergebracht. Am nächsten Morgen sind Alle, bl» auf den letzten Mann, durch da» Dach verschwunden. Die Dolmetscher erklären, daß alle» Zureden vergeblich gewesen ist. Die Leute haben sich in diese Kriegs führung der Deutschen einfach nicht bineindenken können und sind erst recht mißtrauisch geworden. Später wurde das ander». Die Chinesen lernten unterscheiden, wie ich ost in Taku, Tongkn I und Tientsin beobachtete. Sie näherten sich vertraulich den I Deutschen und gingen anderen Nationen weit aus dem Wege. I Die „Köln" hatte den größten Nutzen davon. Wir aßen Fasanen, Wachteln und die köstlichen Früchte lange, ehe die Marktboote sich längsseits der Schiffe anderer Nationen wagten. Uebrigens sind diese Vergleiche zu Ungunsten der anderen Nationen nicht völlig correct. Die Bestandtheile der Truppen der anderen Mächte waren ja grundverschieden von den Bestand theilen unserer Truppen. Die russischen, französischen und eng lischen Officiere haben durchaus nicht immer die Ausschreitungen ihrer Leute gebilligt. Noch ein Umstand ist zu erwähnen, der anscheinend in der europäischen Presse wenig beachtet worden ist. Die Capitäne der kleineren deutschen Hilfsdampfer, die von der Marine ge chartert wurden, um die Verbindung zwischen der Rhede von Taku und der Mündung des Peiho aufrecht zu erhalten, hatten in der ersten Zeit viel zu leiden durch die Unsicherheit der Ver hältnisse an Land und die Unzuverlässigkeit ihrer chinesischen Mannschaft. Legte ein solches Schiff in Taku oder Tontzku an, so begab sich die chinesische Mannschaft an Land und plünderte. Niemand konnte sie hindern. Dies war bezeichnend für dir ganzen Zustände. In Tientsin hatten sich an den Straßenecken förmliche Märkte gebildet. Die Chinesen selbst spielten hier die Vermittler in dem Handel mit geraubten Maaren; d. h. sie spielten nur die Vermittler. Thatsächlich waren sie selbst du: Plünderer. Es raubte in Tientsin Jeder von seinem Nach barn lange ehr die Stadt von den fremden Truppen genommen war. Die außerordentliche Verbreitung, welche die Hunncnbriefe gefunden haben, und der Eindruck, den sie gemacht haben, ist wohl hauptsächlich der Thatsache zuzuschreiben, daß die deutsche Presse in dem ersten, wichtigsten Abschnitt der Wirren wegen Mangels eigener Vertreter auf ausländische Berichte angewiesen war. Der zu dieser Zeit einzige deutsche Berichterstatter, der Correspondent des „Ostasiatischen Lloyd", ist gleich bei der Er stürmung der Takuforts schwer verwundet worden. So fehlte es an authentischen deutschen Berichten, die nicht blos auf dem eigentlichen Kriegsschauplatz, sondern auch an Bord der „Köln" leicht zu beschaffen gewesen wären, da von Allem, was sich bi» nach Peking hinauf ereignen mochte, durch Officiere und Mann schaften, welche die Kämpfe selbst mitgemacht hatten, in der kürzesten Frist Nachricht zur „Köln" gebracht worden waL Vcr Hrikg in Züdüfrika. Generalcammandant LoniS vatha. Ein Mitkämpfer der Boeren (G. Maennchen) veröffentlicht in der „La Plata-Zeitung" seine Kriegserinnerung aus dem Transvaal und schildert u. A. sein erstes Zusammentreffen mit dem Generalcommandanten Louis Botha in der folgenden interessanten Weise: „Ich hatte Botha anfangs wenig zu Gesicht bekommen, bis ich durch meine Ernennung zum Commissar der deutschen und deutschsprechrnden Corp» mit ihm öfter in Berührung kam. Nie vergessen werde ich meine erste Begegnung mit ihm. Ich war eines Sonntags Nachmittags herüber geritten in sein Haupt quartier, um über die Errichtung eines eigenen Commissariats für un» mit ihm zu unterhandeln, denn wir wollten nicht immer von der Gnade eines Boerencommissariats abhängcn. Wir hatten z. B. fest drei Tagen kein Schlachtvieh bekommen. Das Haupt quartier bestand aus mehreren Zelten, einigen Wagen, weidenden Pferden, Ochsen und einigen Gruppen Boeren, die schlafend oder spielend Herumlagen. Auf meine Frage: „War die General?", wies man auf ein Zelt: „Dar so in die tont". Dieses „dar so" ist nämlich charakteristisch bei den Boeren. Au» der Länge dieses Wortes kann man ziemlich genau die Ent fernung schätzen; je länger er dieses Wort zieht, desto weiter ist die Entfernung, und es kommt vor, daß zwanzig „o" nicht ge nügen würden, die Länge diese» „dar" zu bezeichnen. In diesem stalle hatte das Wort jedoch nur ein einziges „a" und mit wenigen Schritten hatte ich da» Zelt erreicht. Ich sah hinter dem Zeltvorhang ein Paar Füße, deren Hacken und Zehen eben soweit aus den Strümpfen herauischauten, wie bei mir. Ein Blick ins Zelt belehrte mich, daß der General schlief, und ich legte mich auf» Warten, weil ich au» eigener Erfahrung wußte, daß man nicht gerne in seinem Sonntagsnachmittagsschläfchen gestört wird. Ich hatte inzwischen Zeit, mich im Lager um zusehen. Da war keine Wache, kein Doppelposten vor dem Generalszelt, keine Schaar von Adjutanten, stets des Winkes gewärtig, keine ab- und zueilenden Ordonnanzen, genug, es fehlte Alles, was zu einem regelrechten Hauptquartier gehörte. Auch für mich keine Anmeldung; sonst muß man an mindesten»! sieben Cerberussen vorbei, ehe man die hohe Person erreicht, hier lag sie friedlich vor mir an der Erde und schlief den Schlaf deS Gerechten. Und e» war ein gesunder Schlaf, denn al» ich nach einer Stunde Wartens anfing, mich zu räuspern und mich be merkbar zu machen, reagirte er absolut nicht darauf, und ich mußte ihn schließlich angesichts der vorgerückten Stunde wecken. Wie zu erwarten, war er ob der Störung ungnädig, und wüthend piepste er mich an: „Warum komm Pelle an Sonndag? Denk Pelle, ik will min Sonndag niet hebble niet?" Mich ärgerte dieser Anfang etwas und ich antwortete ihm: „Ja, denk General, unse mensche will an Sonndag niet eat niet? Uns het soerre dree Dagen keen vleesch niet gahat niet?" Botha: „Ik is niet Commissar niet." Ich: „Nee, mar Pelle i» General en a» General will, dat un» vecht, denn mut General ok Help, dal un» kann kost krej." In diesem Tone ging es weiter, er immer nmh an der Erde liegend, bis wir uns schließlich verständigten und er un» ein Commissariat zu geben versprach. Ich verlangt« ein „Pampier" darüber, welches er mir nach längerem Sträuben in flotter, hübscher Handschrift ausstellte. Nachdem der ge schäftliche Theil erledigt war, wurde er gemüthlicher, bot mir einige Orangen an, von denen er einen ganzen Korb voll im Zelte hatte und fragte: „Pelle i» DeutSker, ist je ofsicirr?* «l» ich ihm sagte, daß ich Reserveofftcier sei, meinte er: „Na, denn kann ik je diese brief well vertrouwen." Dakui holte er einen offenen Brief au» der Tasche, gab ihn mir mit der Weisung, den selben bei allen unseren Commando» dor-ulrsen und ihn binnen drei Tagen wiederzubringen. Dir Antwort, dir rr auf den Brief groben hätte, könne sich wohl Jeder denken. — Als ich mich mit kräftigem Händedruck verabschiedet hatte und wieder auf meinem Gaul saß, war mein Erste», den Brief zu lesen. Derselbe war vom Lord Roberts und sicherte Botha für den Fall, daß er binnen acht Tagen die Waffen niederlegte, eine einmalige Gratifikation von S0 000 Pfund Strrling und
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