Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-18
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950618022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895061802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895061802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-18
- Monat1895-06
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
kn der Haoptexpkdition oder den im Stadt« bezirk und den Bororten errichteten AuS« oabestellrn ab geholt: vierteljährlich ^i4.50, bei jweimaliaer täglicher Zustellung inS Hau» b.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Krruzbandiendung in» Ausland: monatlich 7.S0. Die Morgen-Ausgab« erscheint täglich mit An»« nähme nach Sonn« und Festtagen '/,? Uhr, dir Abrnd-Au-gabe Wochentag- 5 Uhr. LeLaction und Erptdilio«: Johanne»,afie 8. Die Expedition ist Wochentag» naunterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. /Malen: Ltt» Kle««'» Sortim. (Alfred UnivrrsitätLstratzr 1, LoniS Lösche, lkatharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. UchMtrIagMalt Anzeiger. Drgan f8r Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen.Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4go- spalten) bO^z, vor den Fainilirniiachrichtea (6gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. <L<tra«Vrilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördermig 60.—, mit Postbesörderung ^ 70.- —«<2»»cx— Annahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Etztzediiio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Dienstag den 18. Juni 1895. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leitzzig, 18. Juni. Der unerwartete Besuch de» Kaisers in München hat in der bayerischen Hauptstadt große Freude erregt. Fühlte man sich dort dem Aberhaupte des NeicheS schon deshalb zu lebhafter Dankbarkeit verpflichtet, weil der Kaiser, dem be kanntlich von dem verstorbenen Grasen Schack die Bilder» galerie vermacht worden war, nicht nur daS Verbleiben dieser berühmten Sammlung in München verfügt, sondern auch mit großen Kosten das Schack'sche Palais erworben und dessen nothwenvigen Umbau angeordnet hatte, so steigerte sich dieses Gefühl noch durch die Aufmerksamkeit, die der Kaiser dem Prinzregenten dadurch erwies, daß er selbst nach München eilte, um dort an der Schwelle seine- KunsthcimS den Landesherrn bei besten erstem Besuche der neu geordneten Galerie zu begrüßen. Aber man legt in München dem Ein treffen des Kaisers auch eine politische Bedeutung bei. Die „Münchn. N. N." begründen diese Auffassung folgender maßen: „Auch der politischen Bedeutung entbehrt es nicht, wenn der Kaiser neuerdings den Prinz-Regenten von Bayern in dessen Haupt stadt aussucht, während in wenigen Tage» der Regent an des Kaisers Seite der Eröffnung des großen nationalen Werkes, des Nord» Ostsee.Ca »als, beiwohnen wird. Immer noch werden in dem uns feindlichen Ausland wahnwitzige Hoffnungen genährt, daß im deutschen Reiche Nord und Süd nicht so fest und sicher verknüpft seien, wie es Bestand und Wohl des Reiches erfordern. Jetzt gerade wird im revanchelüsternen Frankreich die formell nicht einmal vorhandene russische Allianz demonstrativ hervorgeholt und gefeiert und von der Regierung in der Kammer officiell ver kündigt, daß man von seinen Gefühlen und Hoffnungen gar nichts aufgegeben habe; in Kiel wird der Höflichkeitsbesuch der französischen Schiffe so gestaltet und mit solchen Glossen versehen. Laß er eder zur Unhöslichkeit wird. Da ist eS, wenigstens nach außen hin, von hohem Werthe, wenn immer von Neuem die Einigkeit von Volk und Fürsten in Deutschland, die Herzlichkeit der Beziehungen von Nord und Süd documentirt werden. Und mit Dank muß weiter anerkannt werden, daß der höchste Vertreter der deutschen Einheit, Kaiser Wilhelm, mit feinem Gefühl seines hohen Amtes auch insofern waltet, als er den deutschen Fürsten, seinen hohen Verbündeten, stets die ritterlichste Rücksichtnahme entgegenbringt, daß er alle Theile des Reiche- mit gleicher Ausinerkjamkeit und Liebe bedenkt und umfaßt, allen ihr Recht läßt als selbstständige Theile des vom gemeinsamen National gefühl und Patriotismus, von der gemeinsamen Liebe zu unserem großen schönen Vaterlande geschaffenen und felsenfest gehaltenen deutschen Reiches!" Jedenfalls wird eS im ganzen Reiche mit Genugthuung begrüßt, daß bei solcher Gelegenheit die Herzlichkeit der Be ziehungen von Nord und Süd documentirt wird. Ob aber diese Documentation daS nicht gerade erhebende Bewußtsein zurückdrängt, daß nach dem Ausscheiden des Fürsten Bismarck aus seinen Aemtern überhaupt die Frage aufgeworfen werden kann, ob von einer russisch-französischen „Allianz" oder nur von einer „Entente" zwischen beiden Mächten ge sprechen werden darf, möchten wir denn doch bezweifeln. Jedkti falls entschädigt das Fortbestehen der herzlichen Be Ziehungen zwischen Nord- und Süddeutschland nicht für da- Entstehen einer Annäherung zwischen Rußland und Frank reich. Daß diese Annäherung, obgleich die russische Censur soeben erst das Wort „Allianz" in den Pariser Telegrammen über die ministeriellen Reden gestrichen hat, zu einem recht warmen Verhältniß sich ausacbildet hat, das geht auS der Verleihung des Colliers dcs russischen Andreasordens an den Präsidenten Faure und aus den freundschaftlichen Versicherungen hervor, die in Paris bei der Ueberreichung dieser Auszeichnung ausgetauscht worden sind. Durch diese Auszeichnung hat derZar den peinlichen Eindruck, den das Walten der russischen Censur an der Seine hervorgebracht hatte, wieder verwischt und ein neues Anrecht auf die Dankbarkeit der französischen Nation sich erworben, auf eine Dankbarkeit, die er auszunützen sich vorbehält. Wie weit sie gehen wird, entzieht sich der Kenntniß auch der gewiegtesten Diplomaten. Und eben dieses Fragezeichen ist eS, was die russisch.französische „Entente" zu einer politischen Thatsache macht, die in der Thatsache der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nord- und Süddeutschland rin Gegen gewicht nicht findet. Ein gleichwerthiges Gegengewicht findet diese „Entente" nicht einmal in dem Fortbestehen des Drei bundes, der irgend eine Befestigung oder Erweiterung seit dem Rücktritte Bismarck'» nicht erfahren hat, während die „Entente" ein Novum ist, daS außer dem Grafen Caprivi in Deutsch land wohl kein Mensch begrüßt hat. Daß dieses Novum seine Entstehung einem Fehler der deutschen auswärtigen Politik verdankt, ist zweifellos. Ob dieser Fehler wieder gut gemacht werden kann, ist fraglich. Jedenfalls wird der Kaiser seine ganze diplomatische Ge schicklichkeit, von der er durch seine Reise nach München eine neue Probe abgelegt hat, nöthig haben, um bei der Begegnung mit den Vertretern der „Entente"- Mächte Alles zu vermeiden, was diese „Entente" noch inniger ge- stalten und unser Verhältniß zu Rußland noch formaler machen könnte. Im preußischen Abgeordnetenhause ist gestern die Frage, ob heute die Interpellation wegen der Mariaberger „Heilanstalt" zur Besprechung kommen solle, von der Mehr heit des Hauses verneinend entschieden worden. Wir beklagen aus bereits dargelcgten Gründen diese Ent scheibnng nicht, obwohl sie mit dem ß. 33 der Geschäfts ordnung des Hauses unverträglich ist. Ausfällig aber ist es, daß die Conservativen, die doch der ursprüng lich von den Nationalliberalen und den Freiconservativen beabsichtigten Interpellation sich nachträglich angeschlosscn hatten, die Hinausschiebung der Besprechung mit Ausflüchten bewirkten, die alles Andere als den Wunsch erkennen ließen, die Sache nach den Kieler Festtagen recht gründlich und ungestört erörtern zu können. „Jedenfalls" — so ur- theilt die „Nat.-Ztg." — „wünschten die Conservativen, die sich unter dem ersten Eindruck der Aachener Gerichtsverhandlung zur Theilnahme an der Inter pellation gedrängt hatten, setzt, sie bei Seite oder auf die lange Bank zu schieben; und gemeinschaftlich mit dem Cenlrnm, dessen Interesse hieran offenbar ist, beschlossen sie, daß nach dem Vorschläge deS Präsidenten verfahren wird. Die Conservativen haben eine bemerkenswerthe Vielseitig keit bekundet: zuerst, unter dem Eindruck der Erregung der öffentlichen Meinung, bringen sie mit den National liberalen und Freiconservativen die Interpellation ein, stellen sich mithin in die Reihen der Bekämpfer klerikaler Mißbräuche; ein paar Tage später aber leisten sie dem Centrum den Dienst, die Verhandlung darüber zu verschleppen! Sehr möglich aller dings, daß damit auch noch nach anderen Seiten hin ein Dienst erwiesen werden soll; bis jetzt ist die Meldung noch nicht dementirt, daß der Regierungspräsident von Aachen bald nach dem Erscheinen der Mellage'schen Schrift an daS Ministerium des Innern berichtet und eine Untersuchung beantragt habe, damit aber abgewiesen worden sei; ob dies noch unter dem Grafen Eulenburg oder schon unter Herrn v. Köller geschehen, ist nicht ersichtlich. Vorläufig also wird die An gelegenheit im Abgeordnetenhause nicht verhandelt werden Um so schlimmer für dieses: es tritt dann eben auf die Seite und überläßt der Presse, welche in der Angelegenheit schon bisher alles Wesentliche, was durch eine parlamentarische ... bewirkt bat I lich zur Opposition über, und darauf rechnete die Letztere sich Debatte hätte erzielt werden können, 'hr",e . «ine Niederlage der Regrerung heraus. Aber es kam dock. weiter daS Feld. Man kann Niemanden hindern, auch den Parlamentarismus nicht." anders. AuS de» Reihen der Tories wie der Unionisten — namentlich der Abgeordneten von Ulster — gingen am Freitag ! < - . ^ Schicksal I gerade genug Stimmen in das Regierungslager über, Bis zur Stunde ist noch nicht bekannt, welches ^ I ^ ^^r eine Majorität von 15 Stimmen zu sichern. Balsour'S hauptsächlichstes Argument gegen die Regierung» Vorlage war die Klage, daß man eine Statue sür Cromwell verlange, ohne zugleich die Mittel für die Statuen anderer großer Männer zu verlangen, wie etwa .. . , Koalition ru l Strafford. Natürlich folgten die Irländer mit dem Ruf auseinander, im Allgemeinen ^5^ '"an die q I Statuen für Wat Tylor und Guy FawkeS. Balfour erhalten, waS auch daS Beste Ware, doch sch sich I Wandte weiter ein, daß von allen politischen Tbaten Crom- das österreichische Cabinet gehabt hat. Beschlosten bat es, sein Entlastungsgesuch elnzurelchen das wird dies wohl auch geschehen l--n, aber ob °a G-suck vom Kaiser angenommen werden wird, steh no^ t.dm. Di- M-MW-» üb-- bi-^u,m.,. eryauen, was auc» oa» sich I Wandte weucr ein, vay von auen pouliswen Avalen rrrom- ihrem plötzlichen Eifer, sogenannten reinen T I)z w , i ^ seiner Negierung deS „OowmvnvroLltli" nicht eine von der Coalition trennen zu wollen. Es wird uns i vvliLcr cLvatt.lv» " «int-n n I einzige ^,n,tt>uttv>» ,n vLiigcano noch >ceugnln telegraphirt, daß der Club der ""AmRen c ick Fall! Am Montag stand der Posten nochmals zur einer gestern Abend abgehaltenen Versamn g ! > Mac Carthy beantragte Verwerfung. Rodii-lvostenü ..Cllli" den AUSlklil ocr, , c>v'. ^ einzige Institution in England noch Zeuzniß ablege. " Debatte . „ Der Schatzsecretair sür Irland, John Mvrley, erklärte, der Votirung des Budgetpostenü Cllll ;ur ^cmv, <lvvn 'Morley, erklärte, vereinigten deutschen Linken aus der C . Beschluß,! er sei über die Haltung der irischen Mitglieder erstaunt. Er habe und daß selbstverständlich e ^tzrund derenI verstehe indessen deren Gefühle, jedoch könne er nicht au welcher, die Parlamentär,sche Co^ > „chc„en, daß die Conservativen wieder wie am Freitage :n. Er habe niemals die Politik Crom- jedvch sei dieser der Begründer von Englands Größe zur See gewesen und ein Fürst, der die Macht hat, völlig verändern wurde, nicht ohne Nese ckriiawirlung au,, y-wundert ie den Bestand d-s Min.slcri^ I ^r S« .... ... ... fahrt im Hinblick auf die v,elf chü in Europa größer machte, als sie je gewesen Ministerium habe bereits die Demlstion I per Opposition der Conservativen würde das Denkmal nicht die thatsachliche Grün b ' Ministeriums I von wahrhaft nationalem Charakter sein. Die Regierung Meldungen über den mu, p ^Crstz- 1 I^erde sich daher der Zurückziehung der Forderung sür snr den Fall der Demission, -lvas v,e ^e,ll,iu„e,v Denkmal nicht widersetzen. Hierauf wurde der Stimmen ange- Mitglieder der Regierung stimmten mit ^LL I>.°...m7 Di. MWi-b-r d.- -Li..u>> ausschließlich von den Urhebern zu tragen ist. wortung ausschließlich von .... —^ Es ist also immer noch Hoffnung vorhanden, daß die Krste ohne große politische Veränderung vorübergehen werde. Jetzt hat die Linke die Entscheidung in der Hand und ihr secundirt der Polenclub. 2n seiner Sitzung wurde von vielen Seiten die politische Lage zur Sprache gebracht. Hierbei sprachen sich gewichtige Stimmen für die Nothwendigkeit der Erhaltung einer Coalition der gemäßigten Parteien aus, welche in der gegen wärtigen Lage die Garantie für die Durchführung von allgemeinstaatlichen Zielen sowie ^on Gesetzentwürfen boten, die nicht nur ein Programm der Coalition, sondern auch eine aus der Situation selbst hervorgehende politische Nothwendlg- keit bildeten, welche jetzt ebenso evident sei wie vor 1*/, Jahren. Wenn auch der unionistische Wahlsieg in Jnverneßshire die Mehrheit der cnnlischcn Regierung auf neun Stimmen herabgemindert hat, scheint die Regierung doch aushalten zu wollen. Ja, böse Menschen wollen sogar auS der züngsten Abstimmung im Unterhause, aus dem muthigen Zurückgehen des AtaatSsecretairs für Irland, heraus lesen, daß ihr Zutrauen gewachsen sei. Der Sieg ist auf Kosten Cromwell'S erfochten, der sich freilich deshalb noch nicht im Grabe herumdreht. Sein Ruhm hat nun bald drei Jahrhunderte gedauert, er dürfte auch den der Herren Rosebery und Morley noch überdauern, wie er auch länger als der der Herren Balfour u. s. w. währen wird. Die Regierung hatte nämlich in dein Etat eine Summe von 300 Pfund Sterling ausgeworsrn für die Errichtung eines Standbildes von Aliver Cromwell. Wie nun das conservative England, die toryistische Partei, dazu kommt, daS liberale Cabinet Verbindern zu wollen, Cromwell eine Statue in der Gallerie dcs Parlaments zu errichten, das ist kaum zu erklären. Die nationalen katholischen Irländer gingen natür- egierung , der Mehrheit, in welcher auch torystische Stimmen vertreten waren. Auf diese Weise errang die Regierung einen Sieg. Im klebrigen vernimmt die „Times", daß die Führer der Unionisten von ihrer ursprünglichen Absicht, das liberale Ministerium so bald als möglich zu stürzen, abaekommen, so daß Neuwahlen vor Beginn 1896'nicht zu gewärtigen seien. Die „Times" wirft jedoch die Frage auf, ob die Aufrecht- erhaltung einer schwächlichen, uneinigen Verwaltung, der da« Land mißtraue und die nicht viel langer leben könne, nicht eine ernste Gefahr beim gegenwärtigen Stande der auswärtigen Beziehungen Englands bilde. Deutsches Reich. * Berlin, 17. Juni. Mit Bezug auf den neulichen Empfang einer Abordnung des Bundes der Inhaber des Eisernen Kreuzes durch den preußischen Kriegs minister erfährt die „Post" Einzelheiten, welche wir wegen des allgemeinen Interesse-, das dieser Angelegenheit entgegen- gebracht wird, wirderaeben. Danach bemerkte der Kriegs minister: Die Zahl Derer, welche an dem großen Kriege Theil genommen, schmelze zusehends zusammen, damit auch die Zahl Derer, die sich in schweren Kämpfen eine besondere Aus zeichnung erworben hätten. Da sei es begreiflich und gut, wenn die Veteranen sich zusammenschließen und Schulter an Schulter stehen, um Kvnigstreue und Vaterlandsliebe zu pflegen, um einen Damm zu bilden gegen Bestrebungen, die auf den Umsturz der staatlichen Ordnung zielen. Deshalb wäre ihm die mit Gründung deS Bundes verbundene patriotische Absicht durchaus sympathisch; er könne aber nicht verschweigen, daß die tatsächliche Wirkung dieser Gründung eine unerwünschte gewesen sei. Letztere litte auch an einem inneren Wider spruch; von den zur Zeit lebenden 18—20 000 Inhabern des Eisernen Kreuzes hätten sich nur 8000 dem neuen Bunde 10) Feuillrtsi». Haus Hardenberg. Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck verboten, (Fortsetzung.) X. „Tante Martha", wie sie im Hause genannt wurde, war die Schwägerin Frau Aurelie'S und derselben stets ein Dorn im Auge gewesen. Zacharias Winterfeld, der Sohn eine- redlichen Hand werkers, hatte sich dem Kaufmannsstande gewidmet, und da er viel Geschick und SpeculationSgeist besaß, war er rasch vor wärts gekommen. Das Glück hatte ihn eben begünstigt, nicht so seinen Bruder Franz, der deS Vaters Profession — das Schlosser- bandwerk — gewählt und, weil er kränklich war, in seinem Geschäfte nicht hatte recht vorwärts kommen können. Anstatt sich nach einer reichen Frau umzusrhen, batte er ein armes Mädchen — eine Waise — geheirathet, Martha Heinemann, mit der er aber sehr glücklich und zufrieden lebte, besonders als sie ihm einen Sohn schenkte. Doch als dieser, dem man den Namen Karl gegeben, noch nicht das zwölfte Jahr erreicht, erlag Franz Winter- seld einem Herzleiden, daS seine Kräfte langsam untergraben batte. Zur selben Zeit ward sein Bruder ZachariaS Allein besitzer der großen Papierfabrik, die er nach dem Ableben seines CompagnonS, seinem Glücke vertrauend, allein über nommen. Und auch dieses, bei seinen immerhin geringen Mitteln sehr gewagte Unternehmen glückte ihm. Ein Jahr darauf bewarb er sich um die Hand der riichen Aurelie Erbenreich und sein Antrag wurde angenommen. Mit dem Gelde der Frau konnte er sich von allen drückenden Verpflichtungen frei machen, er erwarb später noch eine Kattunfabrik und eine Spinnerei, und so ward au» dem bescheidene» Buchhalter ein Großindustrieller, dem nur noch der Commerzicnratbstitel und da» rothe Bändchen im Knopfloche fehlten, um etwas Figur zu machen, wie Aurelie sich äußerte. Aber wenn «inerseit» seine Vermählung mit einer reichen Patriciertochter ein unerhörtes Glück genannt werden konnte, so war dies Ereigniß für Zacharias Wiaterfelv der Gipfel punct gewesen, von dem ab sein Lebensweg sich abwärts neigte. Nicht daß seine pecuniairen Verhältnisse sich verschlechtert hätten, im Gegentheil, diese ließen nichts zu wünschen übrig, dafür gestaltete sich da» häusliche, daS Familienleben oft geradezu unerträglich. Die reiche und bochmüthige Frau ward bald die unbe schränkte Gebieterin in dem Hause deS ManneS, chen sie nie geliebt und dessen Herkunft ,hr eine Quelle steten AergerS war. Aurelie gab sich nicht einmal Mühe, ihrem Gatien ein Geheimniß aus den Gefühlen zu machen, die sie für ihn hegte, und selbst als dem Ehepaar ein Sohn geschenkt ward, verbesserte sich das Verhältniß nicht wesentlich. ZachariaS hätte nach de« Bruder- Tode dessen Wittwe und Sohn am liebsten in sein geräumiges Hau» aufgenommen. Doch anfangs wollte Frau Martha sich nicht von den lieben Räumen trennen, wo sie an der Seite ihres Franz ein be scheidenes Glück genoffen, später stemmte sich Aurelie gegen dies Vorhaben des Gatten mit allen Kräften, und so ver blieb Frau Martha in ihrer Wohnung und Karl, welcher die Bürgerschule besucht, trat nach vollendetem 14. Jahre als Lehrling bei einem Kunstschlosser ein, der die ehemalige Wcrk- stätte de» Meister- Franz übernommen. Trugen nun eine schlechte Charakterveranlagung, der Mangel strenger väterlicher Zucht und die übertriebene Zärtlichkeit der allzu nachsichtigen Mutter dir Schuld — oder alle diese drei Faktoren zusammenacnommen — kurz, Karl ward ein Taugenichts, der allerhand schlimmer Streiche Wege» von dem Meister mit Schimpf und Schande fort gejagt wurde und, nachdem er Monate lang sich müßig bei der Mutter umhrrgetrieben, eine» Tage- nach Hamburg durchging, um sich nach Amerika einzuschiffen. Der verdorbene Bursche hatte alle kleinen Kostbarkeiten der bedauernswcrthen Frau, selbst die Trauringe der Eltern, mitaenommen und in Hamburg seinen Raub zu Gelde ge macht, um die Ueberfahrt zu bestreiten. ZachariaS Winterfeld, der seiner Schwägerin eine jähr liche Pension auSgeworfen, von der sie bei ihren bescheidenen Ansprüchen sorgenlos leben konnte, war anfangs so entrüstet über des Neffen schlechte Aufführung, daß er Karl mit Hilfe der Polizei aufsuchen und heimbringen lassen wollte. Doch aus Rüchicht auf den Skandal, welcher dadurch ver ursacht werden könnte und der besonder» Frau Aurelie auf das Empfindlichste berührt haben würde, unterließ er cs, und der junge Taugenichts konnte sein Vorhaben unbehelligt ausführen. Wie es ihm in der neuen Welt ergangen und WaS er dort getrieben, darüber konnte man nie etwas Genaues er fahren, da auS naheliegenden Gründen den Erzählungen Karl's wenig Glauben beizumessen war. Thalsache war, daß er zehn Jahre später, nachdem er seiner Mutter oft um Geld geschrieben und von dieser auch alle ihre Ersparnisse erhalten, plötzlich nach Breslau heim- kehrte, und zwar keineswegs in besseren Verhältnissen, sondern gänzlich heruntergekommen, fast zerlumpt, krank an Seele und Leib. Frau Martha drang mit Thränen und Bitten in ihren Schwager, Karl noch einmal zu vergeben und ihm dazu zu helfen, ein ordentlicher Mensch zu werden. Wirklich stattete Herr Zacharias den Neffen mit allein Nöthigen auS und vertraute ihm einen Posten als Aufseher in der Kattunfabrik an. Doch bald liefen auch von dorther Klagen über ihn rin. Karl war ein Schuldenmacher, rin Trinker und Spieler, und schließlich entdeckte der Fabrikvirector, daß der neue Aufseher einige Arbeiter, die als räudige Schafe in der Herde galten, zu einer geheimen Gesellschaft geworben, deren Glieder sich hauptsächlich au« den Kreise» der Barchent- und Leinenweber zusammengesetzt, deren eS in PeterSdorf eine große Anzahl gab. Karl wurde zwar seiner Stelle sofort entsetzt, WaS ihn nicht verhinderte, in Petersdorf zu bleiben, sich müßig dort umhrrzutreiben und Geld unter die Arbeiter der Kattunfabrik zu vrrtheilen, um, wie er hochtönend sagte, ihr bedauern«. wertheS Geschick zu verbessern. Wenn eS sich auch nicht leugnen ließ, daß di« Lage der Weber, die daheim von früh bis in die Nacht für kleinere Fabrikanten arbeiteten, keine zufriedenstellende genannt werden konnte, so schlugen die Bemühungen Karl's und einiger seiner Gesinnungsgenossen wahrlich nicht zu deren Bortheil an. n ^ den „amerikanischen freien Brüdern h-rstammenoe Geld wurde im Wirthshause v-rthan Fam.l.envater, d.« b,«lang arbeitsam und mäßig gelebt' wurden zu Trinkern und berumlungernden Aposteln der neuen Heilslehre, deren erstes Gebot lautete: Eigenrhum ist Dieb- dage der Weber und ihrer Frauen und Milche die gleiche Beschäftigung wie «ine w»,d d<» «,-mst.» t-,ch «7.^.1° tönenden Phrasen der letzte Rest von häuslicher Zufriedenheit geraubt und sie haderten mit dem harten Geschick, ohne doch die Macht zu haben, dasselbe günstiger zu gestalten. Endlich machte die zuständige Behörde dem unsauberen Treiben ein Ende. Verhaftungen und Ausweisungen fanden statt, die „geheime Gesellschaft" ward aufgelöst, und der Wirth, welcher große Rechnungen aufgekreidet hatte, konnte diese mit einem nassen Schwamm abwischen und schimpfte nun ebenso sehr Uber die Unruhestifter und das amerikanische Lumpeii- gesindeh wie er vorher die Leuteschinder und Geldprotzen, die ihren Wein „im Löwen" tranken, schlecht gemacht. Nicht lange danach tauchte Karl in BreSlau wieder auf, um seiner Mutter anzukündigen, daß er nun als guter Sohn bei ihr bleiben werde. Dies geschah auch, und der gesunkene Mensch scheute sich nicht, von der alternden Frau zu verlangen, daß sie seinen Unterhalt bestreite und ihm auch noch Geld gebe, um das sauer Ersparte mit seines Gleichen durchzubringen. Von Zeit zu Zeit verschwand er dann wieder auf Wochen, ja Monate, ohne der Mutter zu sagen, wohin er gehe und was er treibe — daß cs nichts Gutes sei, ahnte die arme FraU freilich. — Nach dieser nothwendigen Abschweifung nehmen wir den Faden unserer Erzählung wieder auf in dem Augenblick, wo Frau Martha, welche sich gleichfalls im Speisesaal eingefunden, durch den alten Anselm, den vertrauten Diener Hardenberg s abgerusen ward. . 5>b«S denn, Anselm?" fragte die kleine blasse Frau, mit ängstlicher Miene ihre schwarzseidenr Schürze glättend. „Nichts, Frau Wintersctd, erschrecke» Sie nicht, es ist nur der Karl, der nach Ihnen gefragt hat." wem Heiland — ist der wieder zurück?" Warum haben >L,e ihm denn nicht gesagt, daß ich ihn hier unmöglich empfangen kan»? Sie wissen doch —" freilich wußte er —, eS war daher nicht nötbig, daß Frau ittartha den angesangenen Satz vollendete» der ihr factisch in der Kehle stecken geblieben war. ließ sich nicht abweisen", meinte achselzuckend der Alte. „Ich habe ihn in der Garderobe der Herren vom Contor warten lassen; e» scheint, daß er nicht ganz nüchtern ist." „Auch das noch — aber ich will keine Zeit verlieren und so schnell wie möglich sehen, ihn von hier sortzubringen." „Muth, Frau Winterfeld — wenn Sie mich nötbig haben, rufen Sie nur, ick bin ja in der Nähe, denn die Herrschaften
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview