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Dresdner neueste Nachrichten : 20.05.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-05-20
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id490223001-193105203
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id490223001-19310520
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-490223001-19310520
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner neueste Nachrichten
- Jahr1931
- Monat1931-05
- Tag1931-05-20
- Monat1931-05
- Jahr1931
- Titel
- Dresdner neueste Nachrichten : 20.05.1931
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Dresdner Neueste Nachrichten ülkLtigenvreike: M« 2» «UN -rett, Zeile kostet o^r R.-M, BtiMSspreksr: N sret« Austestung durch 2.2^ 1t,1M. ' für auswärtso^o R.-M. vl,RiNamerell. '"„",^u«m»na,,ich da Anschluß an redaMonAIen Ter«, rs wm breit, koste« 2 R.-M„ für UNavyaNgtge TageSZettUNg bi d« «2 mntwärts LSv R.-M. - Die Sriesgeböhr für Luchstoben-nzelgen MWasg^^K^NA^^^ A' bk. W°N ^o^.Ä rr»:L7.L mit Handels - und Lndustne«Zeitung -»,».««r-Mk Redaktion. Verlag vn- SauptgeschSflSflelle: VresbeE.rerdlnandfIr.4 * Sernrvf: für den Ortsverkehr Sammrlnnmmer 24601, für den Fernverkehr 14194,20924,27981-27983«relegr.: Aeneste Dresden * Postscheck: Dresden 2060 Richtverlangt» ainsenbungen ohne Rückporto werden weder -urückgrsandt noch aufbewahrt. - Am Aast» höherer Gewalt, LetrlebssiSrung »der Streik« haben unsre Lezleher keinen Anspruch auf Nachlieferung oder Erstattung de« entsprechenden «knigelt« Sir. ^^3 / 39. Jahrgang x Mittwoch, 20. Mai ^931 Der große Tag sm die deutsche Kriegsmarine Vertrauliche Aussprache zwischen Curtius und Briand - Schobers Versprechen an Henderson - Oie kommunistischen Ltmtriebe in -er Reichswehr trüg« »ugebilligt haben, ist selbstverständlich. Auch -aS liegt im Interesse Europas."' Bei diesen Worten unterbricht der Reichskanzler sein« Rede, Der Kanzler hatte noch nicht geendet, als ein Zwischenfall «intrat. Das Schiff setzte sich plötzlich viel zu früh in Bewegung und glitt zur allgemeinen Ueberraschung und Verblüffung rasch dem Wasser zu. Die Stopper hatten dem ungeheuren Druck nicht länger standhalten können. Reichspräsident v. Hindenburg tritt rasch und geistesgegenwärtig vor, um den Tauf akt zu vollziehen. Mit lauter Stimme sagt er: »Rim gleit« hi« i« dein Element «nd ziehe hinan» ans da» wett« Meer. D« tollst Leine Pflicht «nd Schuldigkeit tnn n«L Zeugnis ablegen von dentscher Arbeit tmb deutschen» Können zu« Nutzet» des gelieb ten BaterlandeS. Halte deine Flagge stets rein «nd hoch in Ehren. D« sollst deines Namens immer wür dig sei«, de« ich dir «nn gebe: vu heißt Deutschland" Ungeheurer Beifall folgt« d«n Worten de» Reichs präsidenten, der darauf die Taufkanzel verltrß, um den Vorbeimarsch der Ehrenkompagnie abzunehmrn. Da» Deutschlandlied ertönt, Hurras brausen aus, der Panzerkreuzer .Deutschland" ist ohne Schaden und glatt seinem Elemente übergeben. Der Reichspräsident begibt sich heute noch an Bord de» Kreuzers .Königsberg", um an den Nacht- Übungen der Flotte tetlzunehmen, die morgen mit einer Flottenparade ihren Abschluß finden sollen. vr. ?. I.amkroekt » Oss neue Schiff Da» Panzerschifs „Deutschland" hat «ine Wasser verdrängung von 10900 Tonnen und ist 182 Meter lang. Die größte Brette beträgt 21 Meter und der Tiefgang SHO Meter. Bemerkenswert tst der teilweise Ersatz der sonst üblichen Nietung der Platten durch elektrische Schweißung. Dadurch tst eine Er sparnis von Hunderten von Tonnen Wasserverdrän gung zugunsten der Armierung erreicht. Außerdem ist das Panzerschiss unter weitestgehender Verwendung von Letchtmetallen gebaut. Auch bet -en Maschinen anlagen sind Gewichtvermtnderungen durch den Ein bau von Dieselmotoren erzielt. Besonderer Wert ist aus die Mitnahme großer Brenn stoss- Vorräte gelegt worden. Das Schiff kann z. B. von Kiel nach dem Fernen Osten fahren, ohne unterwegs Brennstoff aussüllen zu müssen, ein Aktionsradius, der von keinem gleichwertigen Schiss der Welt erreicht wird. Die Armierung tst sehr stark. ES hat sechs Schnelladegeschütze Kaliber 28 Zentimeter, acht Schnell- seuerkanonen Kaliber 16 Zentimeter, vier Luftfener- geschütze und sechs Torpedorohre. ReWkabinett «nd Sozialdemokratie Die Frage des Brotpreises 8. Berlin, 19. Mai. (Eigener Drahtbericht) Am Donnerstag sollen die Beratungen de» Reichskabinetts über die großen finanz« und sozialpolitischen Reformen beginnen. Auch darüber wird man sich schlüssig zu werden haben, an welcher Stelle -es Etats noch Ersparnisse vorge nommen werden können, damit das dnrch die Minder- etnnahmen, die infolge -er ausgeblichenen oder nur sehr schwachen Konjunktur weiter andauern, hervor gerufene Defizit ausgeglichen werden kann. Die Höhe dieses Defizits beträgt IM Millionen Mark. Am Donnerstag, wenn die Besprechungen -er Reichs regierung beginnen, wir- auch der Vorstand der sozialdemokratischen RetchstagSfrak« tion zusammsntreten, um sich mit -er Lage zn be schäftigen. Noch vor -em Leipziger Parteitag soll auch, wie der „Vorwärts" mittetlt, eine sozialdemo kratische FrakttonSsitzung stattslnden. Ein Leitartikel des „Vorwärts" zu diesen Beratungen appelliert zu wiederholtem Male an die Rctchsregierung, sich „des vollen Ernstes der finanzpolitischen Situation und der großen «Gefahren für die sozialen Einrichtungen be wußt" zu sein. Den unmittelbaren Anlaß zum Zu sammentritt des Vorstandes hat die mangel hafte Regelung der Frage des Brot preises gegeben. Die Maßnahmen der Reichs regierung, so wird festgestellt, hätten bisher nicht ver mocht, den Brotprets dem Gesetz entsprechend aus den alten Stand zurückzubringen. Der „Vorwärts" er klärt: „DaS Versagen der RcichSregierung in der Brotprcissrage kann zu einer schwierigen, gefährlichen Zuspitzung der politischen Situation führen, der nur ausgewichen werden kann, wenn die Reichsregierung jetzt unverzüglich durch Herabsetzung der Zölle auf Weizen. Gerste und Futtermehl eine allgemein ans ganz Deutschland wirkende Senkung -er Getreide« und Mehrpreise «»«leitet." WkW M MMW „MWM" Zn Anwesenheit -es Reichspräsidenten, des Reichskanzlers und -er meisten Reichsminister Telegramm unsres nach Kiel «nt sandten Redaktion Smitglieds / Kiel, 19. Mai Kiet, früher die Hauptbasiö der deutschen Kriegs flotte, isst durch die Verkleinerung unsrer Marine und die Verschiebung ihres Schwergewichts stiller ge- wordon. Aber jetzt hat es wieder große Tage und ist in ein Meer von blau-weiß-roteu Fahnen, den Farben Schleswig-Holsteins, getaucht. Am Sonnabend ist hier die Große Schisfahrtsausstellung eröffnet wor den. Und heute läuft der Panzerkreuzers vom Stapel, Deutschlands modernstes Schlachtschiff, das erst« «en« deutsche Panzerschifs seit dem Uriege, um das so heiße parlamentarische und außerparlamen tarische Kämpfe geführt werden mußten. Nun liegt der schnittige Rumpf des Schiffes auf der Helling und wartet auf üaS Zeichen, in das Wasser zu gleiten. Die technischen Einzelheiten diese» modernsten Wunder werke» deutscher Technik und seine militärische Aus rüstung hat an dieser Stelle ein Berufener, nämlich der Leiter des DezerncftS für die Entwürfe großer Schisse in der KonstruktionSabteilnng der Marine leitung im Retchswehrmtnisterium, Oberbaurat Fred Vlechschmtdt, selbst geschildert. (Val. Nr. 195 der D. N. N. vom 7. Mai.) Die wchrpolitische Bedeutung des neuen Panzerkreuzers dürft« inzwischen wuch dem Widerstrebenden aufge- gaiigen sein. Wir hatte» ja vor knapp vier Wochen Gelegenheit, an den deutschen Flottenmanövern tcil- zunehmen, und die damals gewonnenen Eindrücke sind hier ausführlich wiedergegeben worben. Die vier groben Linienschiffe, die wir noch aus der Vor- kriegSzeit besitzen, sind alte Kästen, deren Gefechts wert unbezweifelbar äußerst gering tst. Auch die 29 alten Torpedoboote fallen für jeden Ernstfall aus. Mit ihren vier, neuen Kleinen Kreuzern und den 12 neuen Zerstörern aber ist di« dentsche Marine einfach nicht in der Vage, ihre Ausgaben z« erfülle». Wo diese Aufgaben liegen, ist hier ebenfalls eingehend dargestellt morden. Es gentkgt an Ostpreußen und an die Sicherung seiner Verbindung mit dem Reich, an den Schutz der langen Ostseeküste und die Garantie der deutschen Neutralität im Falle «ineS europäischen Konfliktes zu erinnern. Noch freilich wird es «ine Weile -agier», bis das neue Schlachtschiff, das der Reichspräsident heute auf den Namen „Deutschland" taufen wird, seine erste Fahrt antreten kann. Aber das Schwerere ist nun doch geschasst. Die Werft der Deutschen Werke, Kiel, hat den Bau des Rumpfes vollend«»: nun soll «r seinem Element« übergeben werden. Das ist «in Tag der Genugtuung für das Reich. In Kiel ist es «in Festtag, der dnrch Hindenburgs Anwesenheit feine besondere Rote erhält. Man sieht sein Bild überall. Ganz Kiel scheint unter, wegs, ihn und den Stapellauf zu sehen. Seit den frühen Morgenstunden schon flutet eine fast unabseh bare Menschenmenge zu der Werft hinaus, um di« Plätze etnzunehmen, die in musterglilttger Organisa- tion für die einzelnen Kategorien der Zuschauer ge- schassen wurden, Ununterbrochen legen bewimpelte Dampfer am Kieler Kai an, um die Gäste über die Förde zum Stapellauf zu bringen. Zwischen den Dampfern im Hafen, dse alle Flaggenschmuck tragen, flitzen die kleinen Pinaffen geschäftig aus und ab. Die Einheiten der deutschen Flvtte, soweit sie nicht ahf AuSlanbreisen begriffen, sintd im Kieler Hasen versammelt. In einer Reihe liegem die wuchtigen Linienschiffe neben den schlanken Kreuzern an den Bojen inmitten der Förde, flankiert von dem Cegelschulschiff „Niobe" und den Schulschiffen „Deutsch, land" und „Elisabeth" des Deutschen SchulschifsveretnS. Leit den Morgenstunden haben die Schisse Waggen- »ala angelegt. Auch die öffentlichen Gebäude urid viel« Privathäuser der Stadt, durch deren Straßen eine fest- sich gestimmte Menge wogt, tragen reichen Flaggen schmuck. Schon «« 19 Uhr ist da» «eit« Rund d«r Werst mit Menschen gefüllt. > j Man ist froh, baß die Sonne nicht mehr voy, Himmel Slltht, froher natürlich noch, baß die gestrichen Regen schauer aufgehört haben. Der Wind weht von Westen. Am Horizont droht eine schwere Wolkenwand. Gegen -ill Uhr marschieren die Fahnenabtctlungen der Marine- und Krtegervcreinc und der studentischen Korporationen auf und bringen neue Farben in das ohnehin bunte und freudige Bild. Um 19,50 Uhr geht dann auf -em Kreuzer „Königsberg" die Standarte des Reichspräsidenten hoch und von allen Kriegsschiffen hallt der Salut von 21 Schuß über die Stadt. Hindenburg ist aus dem Bahnhof eingetrosfen und nimmt die ersten Meldungen entgegen. 11,15 Uhr zieht mit klingendem Spiel die Ehrenkompagnie aus, die die Marineschule Friodrichsort stellt, und nimmt am Ausgang zur Taufkanzel Aufstellung. Gleich dar auf entsteigt Reichskanzler vr. Brüning in Bc- gleitung von Reichskommissar Trevira n-u» und vr. Pünder feinem Wagen. Inzwischen hat auch die Sonn« über die Wolken gesiegt. All« Vorbereitungen sind abgeschlossen, jetzt wartet man auf den Reichs präsidenten. Zehn Minute» später erscheint Hindenburg in der Uniform eines Generalfeldmarschalls. Nach kurzer Begrüßung durch den NeichSwehrminister und den Ches der Marinelcituug schreitet er langsam die Front der Kriegervercinc ab. Als er die Ehren kompagnie erreicht hat, erklingt der Präsenttermarsch, der in das Deutschlandlied übergeht. Unter dem Jubel der Menge tritt der Reichspräsident die Tauskanzel, auf der inzwischen seine Standarte hochgegangen tst. Dann nimmt Reichskanzler vr. Brüning das Wort und erklärt: Ein stolze» Werk wird heute seiner Vollendung entgegengcsührt. Heiße Kämpfe haben es lange gefährdet. Um so mehr ist e» in dieser feierlichen Stunde für uns ein Gebot, zu be- kennen, was uns der Bau dieses stolzen Schisses be deutet und aus welcher Gesinnung eS geschaffen wurde. Nach unsrer Niederlage tst für uns da elementare Recht der Selbstverteidigung einseitig so eingeschränkt worden, daß viele geglaubt haben, das deutsche Volk würde es als zwecklos erachten, für dieses unser Recht überhaupt noch Opfer zu bringen. Durch diese Feier zeigt das deutsche Volk in aller Offenheit der Welt, baß «S auch unter den ihm auf erlegten Beschränkungen und auch in allergrößter wirtschaftlicher Not die Kraft findet, den Frieden z« sichern «nd seine Ehre z« wahren. Unsagbares Unglück und Leid liegt seit jetzt nahezu einem halben Menschenalter über unserm Vaterland. Die schlimmsten Prüfungen sind dem deutschen Volke nicht erspart gebltsben. Manche Spur haben sie in seiner Sinnesart -urückgelassen. Aber in seinen Grundzügen hat das schwere Leid den Charakter unsres Volkes, das friedliebend aber stolz und empfindlich ist, nicht gewandelt. Trotz aller Not und Entbehrung wird das deutsche Volk jede» Opfer für seine Ehre, für die Idee einer Gerechtigkeit für alle Völker der Welt bringen. Wenn ein gequältes Volk dem Frieden dienen will und ihm dauernde Opfer bringen soll, so kann e» stolzer Augenblicke nicht ent- behre», wie diesen, -ie ihm vor Augen führen, daß «S noch immer zu Großem befähigt ist. Ich glaube nicht, daß es irgendeine« wahren Friedensfreund in der Welt störe« kau«, wenn wir diesen Stapellauf, geweiht durch die An wesenheit unsres allverehrten und geliebten Herrn Reichspräsidenten v. Hindenburg, feierlich begehen, währenddessen in Genf der deutsche Außenminister als Vorsitzender des Vülkerbündsrats dem hohen Ziele de» Weltfrieden» und der europäischen Verständigung dient. Deutschland kann mit großem Recht und tiefem Ernst von sich sagen, daß e» in der gewissenhaften Er- süllung seiner AbrüstungSverpslichtungen nicht» von dem versäumt hat, wa» ihm die Verträge auserlegten. Mir warten daraus, daß, wenn aus diesen Verträgen überhaupt eine Hoffnung für die Menschheit ent stehen soll, unsre Abrüstung Rachghmung sindet. Daß wir aber bemüht sind, unserm Volk da» gering« Maß von Sicherheit zu verbürgen» da» um» di« Ber- SeuWaild in Genf isoliert Die Woche in Gens hat nicht gut an gefangen. Tie Isolierung Deutschlands trat schars und für jeden sichtbar hervor. Die Westmächte haben einen Erfolg erstritten, dessen Bedeutung auch dadurch nicht abgeschwächt wird, daß die nationalistische franzö sische Presse heute morgen sich sehr unzufrieden äußert. Das hätte sie auf jeden Fall getan, solange der von ihr bekämpfte Briand Vertreter Frankreichs in Gens ist. Der Völkcrbundsrat wird heute — daran ist nach dem Verlaus der gestrigen Aussprache gar kein Zweifel mehr — den Beschluß fassen, die Frage der Zollunion zunächst einmal dem Haager Zchiedshos zu übergeben und ihn, entsprechend dem gestern mitgctetlten eng lischen Antrag, um ein Gutachten darüber bitten, ob die von Deutschland und Oesterreich geplante Zoll union mit dem Protokoll vom Oktober 1922 und auch (das ist das Neue an Hendersons Antrag) mit dem Friedcnsvcrtrag von Lt-Germain iibereinstimmt. Deutschland und Oesterreich halten sich mit einer juristischen Ueberprüfung dieser Angelegenheit durch -en Haager SchiedShos, wie bekannt, schon sriihtr «in- verstanden erklärt. Leider hat sich unsre Position taktisch gestern unnötiger weise dadurch verschlechtert, daß sich der österreichische Vizekanzler nach seiner Rede von dem britischen Außenminister Henderson überrumpeln ließ, der ihm in einer Art und Weise, die außerordent lich peinlich wirkte, mitten in der Sitzung die Daumen- schrauben anlegte und ihn mit der kategorischen Frage überraschte, ob auch bis zur Entscheidung der Ange- lcgcnheit jegliche Art deutsch-österreichischer Vcrhand. lungeu eingestellt werden würde. Schober hat diese Frage in allzugroßer Connivenz mit „Ja" beant- wortet. ES tst bezeichnend, daß sich der englische Außen- Minister nicht getraute, die gleiche Frage an den deut, scheu Neichsaußenminister zu stellen. Es liegt also ein österreichisches und kein deutsches Versprechen vor. Die Wiener haben nachher offiziös versucht, die zutage getretene Diskrepanz zwischen Wien und Berlin zu verschleiern. Es ist auch wahrscheinlich, daß gewiss« technische Besprechungen wcitergehen werden, aber wirkliche Verhandlungen können nunmehr bis zur Entscheidung des Haager SchicdohofS nicht mehr statt- sinden. Es wird also unter allen Umstän - den zunächst einmal eine Pause ein - treten. Wie lang diese Panse sein wird, ist ganz unbestimmt. Zwar soll der Haager Schicdshos bereits im Juni, spätestens im Juli seinen Spruch füllen. In England vermutet man, daß dieser Spruch der deut schen Sache günstig sein werde. Wir wollen nicht prophezeien, wir befürchten, daß nach allein Brauch der Haager Schiedshof überhaupt keinen ein deutigen Spruch fällen wird. Tann kommt die Sache wieder vor den Völkerbundsrat und dann ist bereits der September da. Tic uns auferlegte Pause könnte also sehr langwieriger Natur sein und einer Verschiebung des ganzen Planes auf unbe stimmte Zeit glcichkommen. DaS war ja auch wohl von vornherein die Absicht der Engländer, die diesen ganzen ihnen sehr unangenehmen kontinentalen Streitfall nach Möglichkeit mit irgendeinem juristi schen Dreh aus der Welt schassen wollten. Sie haben gestern, unterstützt durch die mehr als zweideutig« Haltung Italiens, mit dieser Taktik Erfolg ge habt. Aber dieser Erfolg kann nur vorläufiger Natur sein. Der deutsche Reichsaubenminister vr. CurtiuS hat in der gestrigen Ratssitzung keinen Zweifel daran gelassen, daß Deutschland und Oester reich an ihrem Plane sesthalten, daß sie zwar mit einer juristischen Prüfung der Angelegenheit durch den Haager Schiedshof einverstanden seien, daß sic aber eine direkte politische Einmischung des Völkerbunds- ratS nicht dulden würden, denn ein solches Vorgehen sei unzulässig. Deutschland und Oesterreich würden dann als Staaten minderen Rechts behandelt werden, wenn der Völkerbund ihre Souveränität derart ein schränke. Unter solchen Umständen könnte keine deutsche Regierung das weitere Verbleiben Deutschlands im Völkerbund rechtfertigen. DaS sollte man sich vor allem auch in London überlegen.
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