Delete Search...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070913017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907091301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907091301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-13
- Monat1907-09
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Morgen-Ausgabe 8. vezug-^prett Är Leipzig iwd Vorort» durch Trtger und Spediteur» in« Hau» gebracht: Äudgabe L (nur morgen«) vtertelMrlich 8 M, monatlich 1 M Ausgabe lt lmorgen« und abend«) viertel» jährlich 4.50 M„ monailich 1.50 M. Durch die Po« be,oar« (2 mal täglich) innerhalb Deurjchland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M,, monatlich 1,75 M autschl. Post, beftellgeld jür Oesterreich v n 66 o, Ungarn 8 L vierteljährlich, Abonnement-Annahme: Auguftußplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, SpebUeuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Brrefträgern. Die einzelne Nummer kostet 1« Psg. Redaktion und LrvrLUtoui Johann ibgass« 8. Dtledbon Nr. IE, Nr. 14600, Nr. 148»«. verltner Redaktion« Durra«: Berlin ki^V. 7 Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 0275. MWM.TllgMM Handelszeitung. Amtsvsatt -es Nates und -es Volizeiamtes -er Lla-1 Leipzig. Anzeige«-Preis M Knserete «,» Letpsia und Umgebung di« 8g«spaltene Petirzeil« L Pt., linanziellc Antigen 3ö Pt., NeNamen I M.; von aulwärt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M. vom Ausland 5<l Ps., finanz. Anzeigen 75 Ps. Reklame, 1.50 M. Inserate v. Bebärden im amtlichen Deil 40 Pl. veilagrgebübr 5 M. p. Lausend exkl. Post gebühr. idrschästlanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Feftcrtrilte Aulträge können nicht zurükl- aezogrn werden. Für da« Erscheinen an vestimmten Tagen und Pltgen wird keine Garantie übernommen. Antigen-Annahme: Auguftu«platz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Srpeditlonen de« In» und «utlande«. Haupt - Filiale lverlt». Carl Dunckt , Herzog!. Bahr. Hosbuch- handlung, Lützowstraße 10. Selephon VI. Nr. 4603). Nr. 234. Freitag 13. September 1907. 101. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Nach den bisher eingelaufenen Nachrichten über die Wahlen der II. Klasse -um sächsischen Landtag dürften die Nationalliberalen von ihren 8 Kreisen, die zur Wahl standen, mindestens 6 behalten, vielleicht 2 an den Freisinn ver lieren, aber 5 den Konservativen abnehmen. (S. Ttschs. R. und Bericht 3. Seite d. Hauptbl.) * Prinz Johann Georg von Sachsen hat den Ehrenvorsitz im Präsidium des König!. Sächs. Militärvcreinsbundes angenommen. * General Drüdes Offensive hat mit einem Erfolge eingesetzt. sS. Ausl, und Letzte De-.) * Die Pforte beabsichtigt, das R e f o r m - Programm für die makedonische Justiz kraft eigener Souveränität einzu führen. lS. Ausl.) Agrarische Bedenken gegen die Schifsahrtsabgaben. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die Bestrebungen zur Einführung von Schiffahrtsabgaben sind bekanntlich ausgegangen von den preußischen Konservativen, d. h. den politischen Vertretern des ost elbischen Agrariertums, und jene werden allgemein auch als eine Liebes gabe an dieses letztere aufgesaßt. Jetzt bat man sich an einer Stelle, deren agrarische Richtung unzweifelhaft ist, einmal nüchtern und ohne Vorurteil mit den voraussichtlichen Wirkungen der Schiffahrtsabgaben beschäftigt und ist dabei zu dem merkwürdigen Schluß gekommen, daß die Landwirtschaft keineswegs besonderen Anlaß hat, sich für Schiss- fahrtsabgaben ins Zeug zu legen. In der „Zeitschrift für Agrarpolitik", dem Organ des Deutschen Landwirtschaftsrats, veröffentlicht dessen Generalsekretär Herr Universitätsprofessor Dr. D ad e eine längere Abhandlung zur Frage der Schiffahrtsabgaben, die in seinem staatswissenschaftlichen Seminar ein Herr Cand. jur. Ohse sBerlins ansgearbeitet hat und die unter sorg- 'ästiger Benutzung alles einschlägigen Materials zu recht interessanten Ergebnissen kommt. Der Verfasser behandel! zunächst die Berechtigung der Schisfahrtsabgaben unter historischem Gesichtspunkt und die gegen- wärtige Rechtslage und kommt dabei, wie von einem ernsten Wissen schaftlicher nicht anders zu erwarten, zu dem Schluß, daß ihre Einführung nach dem gegenwärtigen Wortlaut der Verfassung unmöglich und die Abänderung derselben oder der für die Frage mit in Betracht kommen- Len Staatsverträge auf Schwierigkeiten stoße. Dann aber geht er aus führlich auf „die wirtschaftliche Seite der Frage" ein und dieser Ab- schnitt interessiert uns insbesondere. Herr Ohse bestätigt zunächst in vollem Umfange die Tatsache, daß die Stromregulierungsarbeiten in sehr erheblichem Umfange auch ohne Rücksicht auf die Interessen der Schisfahrt vorgenommen werden müßten wegen der schweren Schäden, die die andernfalls eintretende Versandung und Versumpfung der Vorflutrinne für die Anlieger, d. h. für die Landwirtschaft, mit sich bringen müsse. Dies gelte sogar für Kanäle: „Viele der kleinen Kanäle in Ostfriesland dienen nur der Ent sumpfung der dortigen Gegend: auch die Verlegung der Weichsel mündung von Plchnendorf nach Siedlersfähre diente allen anderen, nur nicht den Schiffahrtsinteressen." Er beruft sich dabei auf Herrn Geheimrat PeterS, der ausdrück lich sage: „Diese Gelegenheit" ldurch Kanal- oder Flußkanalisierung „sonst ge wirtschaftliche und vor allem landwirtschaftliche Interessen zu for- dern") „dürfte beim Bau von Wasserstraßen häufiger und in größerem Umfange sich ergeben, als bei der Ausführung von Kunststraßen und Eisenbahnen." Lhse bemerkt richtig, eine solche Erklärung aus diesem Munde „müßte doch wohl überzeugen, daß die Stromregulierung und der Bau von Kanälen nicht eine einseitige Förderung des Handels -um Schaden der Landwirtschaft bezwecken kann". Die Vorteile der Schiffahrt aus der Abgabenfreiheit würden bei niedrigen Abgaben bestehen bleiben, bei hohen dagegen, die wirklich die Kosten decken, würden die Schifsahrttreibenden je nachdem entweder oer- armen oder die Kosten abzuwälzen wissen. Ersteres sei eine schwere Kalamität, letzteres aber würde auf die Landwirtschaft selbst zurückfallen. Wie sehr diese zunehmend für ihre Produkte den Wassertransport be nutzte, zeigte eine Betrachtung der Getreideeinfuhr nach Berlin. Für diese ist von 1875/76 bis 1896/98 der Transport per Schiff gestiegen von 27,6 auf 66,7 Prozent, per Eisenbahn gesunken von 72,4 auf 33,8 Prozent. „Die Erklärung, daß die Abgabefreiheit auf den Wasserstraßen die Schutzzölle illusorisch mache, trifft wohl nicht zu: im Gegenteil würde wohl die einheimische Landwirtschaft eine Abgabenbelastung zuerst schwer empfinden. Die Schiffahrt hat kein Interesse daran, mit zu ge ringem Gewinn, ja eventuell mit Verlust zu befördern und müßte die Frachtsätze erhöhen, so daß Eisenbahn- und Schiffbeförderung sich gleich kämen. Die Landwirtschaft müßte infolgedessen ihre Preise erhöhen und könnte dadurch auch nicht dem ausländischen Getreide konkurrierend ent- gegentreten, zumal, da die einheimische Landwirtschaft im Verhältnis zur ausländischen weniger gute Wasserstraßen zur Verfügung hat. Ist doch jetzt sogar ein bedeutender Preisunterschied zwischen Posen-Westpreußen cinerßrits und Hamburg-Köln andererseits vorhanden." Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkte auS sei daher die Gesamtkosten- dcckung durch SchiffahrtSabgaben abzulehnen. Höchstens seien Matri- kularbeiträge der Anlieger diskutierbar: aber auch diese haben ihre Be- denken, die näher erörtert werden. Ferner müsse aus Gerechtigkeits gründen die Gebührenordnung je nach den Verhältnissen verschieden ab gestuft werden. „Da aber gerade dergleichen Anstalten auf den Wasser straßen deS Ostens, wo außerdem nur geringer Verkehr herrscht, häufiger sein müßten . . ., so müßte im Osten der Verkehr für Durchfahren der gleichen Strecke viel mehr zahlen, als im Westen, obgleich . . . eine längere Fahrzeit erforderlich ist. DaS heißt denn doch wieder eine Hintansetzung deS Ostens und . .. zumal seiner Landwirtschaft." Zum Schluß erörtert der Verfasser dann noch die finanzielle Be- dcutung der Abgaben und kommt auch hier zu negativem Resultat. Selbst Peters bestätige „die geriuge finanzielle Ergiebigkeit von Gebühren, die für die bloße Benutzung eines dem freien Verkehr zur Verfügung ge stellten Transportweges erhoben werden". Ohse fragt daher mit Recht: „Und was bei den Chausseen nicht möglich war, soll es bei den Wasserstraßen sein, die noch weniger Verkehr und noch mehr Kosten aufzuweisen haben? Wenn auch die Abgaben für die Benutzung be- sonderer Anstalten deren Jnstandhaltungskosten auszubringen ver mögen, so ist das bei Abgaben für die Benutzung des Wasserweges allein schon durch die damit verbundenen Erhebungskosten großenteils illusorisch gemacht." Grundsätzlich decken sich die Ergebnisse, zu denen der Verfasser kommt, vollkommen mit den unsererseits von vornherein geltend ge- machten Ansichten. Es ist freudig zu begrüßen, daß die Erkenntnis ihrer Richtigkeit jetzt auch in den Kreisen erwacht, die bisher in mißver standenem Selbstinteresse die von uns bekämpften Maßregeln unter stützen zu sollen glaubten. Hoffentlich hören diejenigen, die es angeht, auf die Stimme dieses Predigers in der Wüste. Lovtbil-uirgsuntevricht für Handlungsgehilfinneir. Aus Handlungsgchilscnkreisen empfangen wir nachstehende Zu schrift, die wir — ihres allgemeinen Interesses wegen — hiermit gern zur weitesten Verbreitung zum Abdruck dringen: Die „Handelswacht", das Organ des Deutschnationalen (antise- mitischen) Handlungsqehilfen-Vcrbandes, berichtet in ihrer Ausgabe vom 1. Juli 1907, daß einige Handelskammern auf die Eingabe wegen des obligatorischen Haushaltsunterrichts ablehnend geantwortet hätten, und bemerkt dazu ironisch: „Wir müssen gestehen, ein etwas tieferes Eingehen auf die aus führliche l!s Begründung unserer in der Denkschrift entwickelten An sichten hätten wir denn doch erwartet. Es ist bemerkenswert, daß die Kammern auf die grundsätzliche Seite der Frage: kaufmännischer oder Haushaltungsunterricht, überhaupt nicht eingehen. Aber es ist ja auch bequemer, unsere einwandfreien Zahlen und Schlüsse mit einigen Redensarten abzutun, zumal man gegen die unerbittliche Logik unserer Untersuchungen mit stichhaltigen Gründen nicht ankämpfen kann. Unsere Denkschrift . . . kann nicht dadurch abgetan werden, daß man uns Konkurrenzfurcht unterschiebt. Erst muß man unsere Darstellungen widerlegen, ehe man sich „in nachdrücklicher Weise da gegen aussprechen" kann. Also: die Gründe, Herr, die Gründe laßt uns hören! Sehen wir uns daher oie angeblich „unerbittliche Logik" der Eingabe etwas genauer an. Sie wird damit eingeleitet, daß der D.-n. H.-V. „im Namen seiner 96 000 Mitglieder und im Interesse der Wohlfahrt unseres ganzen Volkes Einspruch erhebt gegen die Ver- Wendung öffentlicher Mittel für kaufmännischen Unterricht an Mädchen und Frauen, die doch nur einem irregeleiteten Gefühl für Gerechtigkeit auf Seiten der Behörden entspringt, und deren unaus bleibliche Wirkung über den Handelsstand hinaus weite Kreise in Mit leidenschaft ziehen muß." Ist es an sich schon eine eigenartige Sache, den angestclltcn Frauen im Handelsgewcrbe die wirtschaftliche Gleichberechtigung mit ihren männlichen Kollegen absprechen zu wollen, so muß doch seitens der Hand lungsgehilfen selbst ganz energisch dagegen protestiert werden, daß man die immer brennender werdende Forderung des kaufmännischen Fort bildungsschulzwanges auch für die weiblichen Angestellten und die Ver wendung öffentlicher Mittel dafür als „einem irregeleiteten Gefühl für Gerechtigkeit" entspringend bezeichnet. Noch mehr aber muß man sich wundern, daß die „Handelswacht" in ihren eingangs erwähnten Sätzen von einer „ausführlichen Begründung" der in der Eingabe entwickelten Ansichten spricht. Tie Eingabe bestreitet, daß der deutsche Handel ein Interesse an einer theoretischen Fachbildung der weiblichen Angestclltcn im Handelsgewerbe hat. Zur Begründung dafür werden die Zahlen der amtlichen Erhebungen des Beirates für Arbeiterstatistik von 1891 s!s. betreffend die Verhältnisse der Ladenangestellten, und von 1901 s!>, be treffend diejenigen des Kontorpersonals, herangezogen. Weil bei den ersteren nur 21,82 Prozent der weiblichen Angestellten, bei den letzteren nur 5,23 Prozent Lehrlinge waren, folgert man daraus schlank weg, „daß von einem Bedürfnis für das Vorhandensein eines kauf männisch ausgebildeten weiblichen Nachwuchses keine Rede sein kann". Mit Verlaub! Erstens sind die Erhebungen das Ergebnis einer Umfrage, die nur 10 Prozent der Betriebe nach ganz ungenügender Aus wahl umfaßt. Zweitens wird allenthalben der Fortbildungsschulzwang für die jungen Mädchen bis zum 18. Lebensjahre verlangt, während im Handel wohl allgemein die weiblichen „Lehrlinge" selten über 16, höchstens 17 Jahre alt werden, weswegen die Zahlen der Erhebungen hier nicht als zuverlässig herangezogen werden dürfen. Drittens haben sich seitdem die Verhältnisse gewaltig verschoben, so daß man wohl bei- nahe davon sprechen kann, daß — besonders aber im Kontorbetrieb — die Zahl der weiblichen Angestellten sich reichlich um die Hälfte swenn nicht gar noch stärker) vermehrt habe. Schon in der Berufs- und Ge- werbezählung von 1895 finden wir, daß 34,4 Prozent der weiblichen Ladenangestellten und rund 10 Prozent der Kontoristinnen unter 18 Jahre alt sind, also ganz zweifellos so beachtliche Zahlen, daß, wenn man eine nur dreijährige Fortbildungsschulzeit svom 15. bis 18. Lebens- lahre) annimmt, nach drei Jahren unter den heutigen Verhältnissen sdie Zahl der jugendlichen Kontoristinnen ist seit 1895 ganz bedeutend ge stiegen! mindestens 75 000 junge Mädchen sich gleichzeitig in den Fort- bildungsschulen befinden müssen. Und an deren theoretischer Fach bildung soll der deutsche Handel kein Interesse haben? Zur weiteren „Begründung" von der Ucberflüssigkeit (!) des Fachunterrichts werden noch eine Reihe von Nachweisen über mangelhafte Vorkenntnissc und Ausbildung der weiblichen Angestellten erbracht, und dann gesagt: „Für die überwiegende Mehrheit der im Handel tätigen Mädchen besteht die Notwendigkeit kaufmännischer Fachbildung auf allgemeine Kossen nicht." Zu diesem Punkte wird die „Begründung" mittels der Alterszahlen und Heiratszifscrn versucht und endlich eine Gchaltsstatistik ausgemacht, die selbst den Veranstaltern der Eingabe zu denken geben sollte. Denn während es für jeden Eingeweihten klar sein muß, daß die meist so er schreckend niedrige Entlohnung der weiblichen Angestellten eben darauf zurückzufiihren ist, daß ihre Ausbildung durch den Mangel an obliga torischen Fortbildungsschulen vielfach mehr als alles zu wünschen übrig läßt, kommt die Eingabe mit dieser Gehaltsstatistik zu dem „unerbittlich logischen" Schluß, daß es bei den Gehältern gar keinen Zweck habe, einen kaufmännischen Fachunterricht einzuführen, denn: „Durch nichts ist er wiesen, daß die Entlohnung der Frauen durch kaufmännischen Fachunter richt gebessert werde." Nun ist es doch eine anerkannte Tatsache, daß die Frauenarbeit im Handelsgcwerbe heute vielfach deswegen so niedrig entlohnt wird, weil ein Ueberangebot besteht, das nicht immer nur brauchbares Material aufweist. Viele jung« Mädchen werden in die sogenannte Lehre genommen, ohne daß sie auch nur einigermaßen den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht werden könnten. Selbst die Organisationen der Handlungsgehilsinncn fordern heute die obliga torische Fortbildungsschule, in der ausgesprochenen Erwartung, daß da durch eine Sichtung des Bestandes und eine Verminderung des künftigen Zulaufs an jugendlichen weiblichen Angestellten herbeigeführt werde. Praktisch sind diese Erfolge auch bereits eingetreten, doch wurden sie immer nur für den Ort wirksam, an dem sich die Schule befand weil eine Abwanderung der sich dadurch beengt fühlenden jungen Mädchen in Orte ohne Schule stattfinden konnte. Würden also die obligatorischen Fachschulen für die jungen Mädchen allgemein singeführt, so muß eine VeiMinderung des Angebotes bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung eintreten, was ganz selbstverständlich eine Erhöhung der Gehälter zur Folge haben muß. Denn dann hat erstlich der Prinzipal die Sicherheit einer erhöhten Leistungsfähigkeit des weiblichen Personals, und zum andern wird dieses selbst durch den Schulbesuch aufgeklärt und zu höheren Gehaltsforderungen veranlaßt. Ein Beweis dafür ist die Untersuchung des kaufmännischen Verbandes für weibliche Angestellte, aus der hervorgcht, daß Absolventinnen guter Handelsschulen fast durch weg höhere Gehälter bekommen, als solche Angestellte, die nur die soge nannte Lehre hinter sich haben. Endlich behauptet die Eingabe noch: „Der kaufmännisch« Fach unterricht an junge Mädchen auf Kosten der Allgemeinheit wird nicht dadurch gerechtfertigt, daß er später den Frauen von Geschäftsleuten zu gute kommt." Zum Beweise dafür sollen zwei Gutachten über die Not wendigkeit der Erteilung von Haushaltunterricht an die Mädchen der großen Masse des Volkes dienen. Diese Gutachten betreffen aber in der Hauptsache die Fälle, in denen von der Schule nicht bereits in dieser Hinsicht vorgesorgt wird. In den Großstädten und vielen Mittelstädten ist das aber bereits der Fall, und in den übrigen Orten wird zweifellos vielfach den jungen Mädchen der hier in Frage kommenden Bevölke rungsklassen das Notwendige an hauswirtschaftlichem Wissen im Eltern haus beigcbracht, ehe si« in das Handelsgcwerbe eintreten, oder ehe sie sich verheiraten. Wenn aber zum Schluß gesagt wird: „Der kauf männische Fachunterricht an Mädckrcn ist nicht nur Unterstützung einer gewissen Schicht selbständiger Kaufleute, sondern er hat sogar schädliche Wirkungen", so ist das denn doch der Höhepunkt einer durch di« Eingabe zweifellos beabsichtigten Irreführung der in Frage kommenden Be hörden und Verwaltungsstellen. Tenn die „Begründung" dieses Satzes gebt von der durchaus falschen und durch die Tatsachen bereits wider legten Annahme aus, daß das weibliche Element im Handel durch die Fortbildungsschule eine Vermehrung erfahre. Was sonst noch zur Begründung gesagt wird, ist eine Polemik gegen die Frauenarbeit im Handel überhaupt, und betrifft meist die gesundheitsschädliche Wirkung der handelsgewerblichcn Tätigkeit auf das Individuum selbst. Es iss keinerlei Nachweis dafür erbracht, daß diese Gefahren — auch soweit sie volkswirtschaftlich von Interesse sind — durch bie obligatorisch« Fach fortbildung eine Vermehrung erleiben. Dagegen ist die Frage an die Verfasser berechtigt, ob bei dem Fortbestehen der heutigen Zustände etwa eine Verminderung dieser schädlichen Wirkungen zu erwarten ist, oder ob sie vielleicht gar sich der Hoffnung bingeben, daß der Haushaltungs unterricht andere und bessere Folgen auf diesem Gebiete haben werbe, als der Fachunterricht sie nach ihrer Meinung haben soll? Es ist deshalb auch durchaus richtig, daß Handelskammern und Be hörden sich gegen die Tendenz der ganzen Eingabe wenden, und wenn die „Handelswacht" nach Gründen dafür forscht, dann mag sie diese in der Eingabe selbst suchen. Notwendig wäre cs unseres Erachtens auch gewesen, die Forderung des Haushaltungsunterrichts und seine möglichen Folgen eingehend zu beleuchten. Doch das unterließ man begreiflicherweise. Wenn der Häushaltungsunterricht aber eine Folge hat, dann ist cs die, daß noch mehr junge Mädchen sich dem Handel zuwcndcn werden. Die allgemeine Entlohnung aber wird sinken und zwar deshalb, weil der Prinzipal gezwungen wird, die jungen Mädchen mehrere Stunden der Woche zu einem Fortbildungsuntcrricht zu entlassen, der für sein Geschäft und die sachliche Leistungsfähigkeit seines weiblichen Personals nicht die geringste Bedeutung hat, also für ihn direkt zwecklos ist. Zu glauben, daß die Prinzipale die idealen Seiten des Haushaltungsunterrichts zum Anlaß einer böheren, oder auch nur gleich hohen Bezahlung nehmen werden, wie beim Fachunterricht, ist mehr als naiv. Im Gegenteil wird mancher Geschäftsinhaber darin ein günstiges Mittel zur woiter«n Lohndrückern sehen, die jungen Mädchen müssen sich dabei bescheiden und das allge meine Gehaltsniveau des ganzen Gehilfenstandes wirb einen nie zuvor gesehenen Tiefstand erreichen. Dadurch aber verringert sich die Hciratsmöglichkeit der männlichen Gehilfen, steigt der Zulauf der weib lichen zu billigen Zreisen, und so weiter — nck n.->um ckaipbini. Für den Handlungsgehilfenstand wird der .Haushaltsunterricht in Fortbildungsschulen nur dann von Vorteil sein, wenn er allen Kategorien der gewerblichen Arbeiterinnen erteilt wird, während die weiblichen Handelsangestellten den Fachunterricht in einer obliga torischen Fortbildungsschule zu besuchen haben. Dahin zu wirken, sollte sich aber außer den übrigen Gehilsenverbänden auch der deutschnationale entschließen, und aufhören mit seiner Eigenbrötelei in derart wichtigen Fragen die Interessen des ganzen Handlungsgehilfenstandes auf dos schwerste zu schädigen. Es ist daher auch zu hoffen, daß die dabei beteiligten Stellen in Leipzig die Eingabe der dcutschnationalen Beisitzer im hiesigen Kauf mannsgericht, die sich gegen den obligatorischen Fortbildungsschulunter richt der weiblichen Angestellten wendet, ablehnen und dem tatsächlich vorhandenen Bedürfnis nach Einführung einer solchen Schulpflicht ge- recht werden. Deutsches Reich. Leipzig, 13. September. * Ter Stand der LandtagSwahl. Es läßt sich natürlich bisher n'cht mit absoluter Gewißheit sagen, wjd der schließliche AuSgang der LandtagSwablen sein wird. Die endgültigen Wahlresultate können Lurch die beute stattfindcnte Wahl der I. Klasse noch stark verändert werden und ungewiß ist, welchen Einfluß dort die dritte Klasse auSübt, wo sic die Entscheidung bat und sozialdemokratische Wahlmänner zur Haupt- wabl entsendet. Immerhin scheint schon beute festzustehen, daß die Nationalliberalen die Wahlkreise Dresden I (Hettner), Dresden III iBogel), Leipzig II (Schill), Leipzig IV (Müller), Crimmitschau-Werdau (Händel), Großschönau - Ebersbach (Richter) bebalten, während dies« Sicherheit für Zittau lPflugl und Döbeln (Rühlmann) noch fehlt. Dagegen gewinnen augenscheinlich die Nationalliberalen folgende Wahl kreise den Konservativen ab: Dresden II, bisher BebrenS, Chemnitz II, bisher Beutler, Aue-Eibenstock, bisher Kretzsch- mar, Frankenberg-Augustusburg, bisher Sckubartund Chem- nitz-Limbach-Borna, bisher Merkel. Die Einzelmeldungen be finden sich auf der 3. Seite des Hauptblattes. * Tie LanvesvcrralSaffäre Lchiwara. Der Landesverräter Schiwara befindet sich jetzt, wie gemeldet, in Köln, wo di« gesamte weitere Bor- unterinchung vo» einem OberlandeSgericktSrat geführt wird. Gestern wurde in Solingen daS Vermö cn Schiwaras von der Behörde beschlag- na mt. Schiwara hatte, um sich Berbindungen zu schaffen, in den
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page