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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-26
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930726021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893072602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893072602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-26
- Monat1893-07
- Jahr1893
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Wir werden un- freuen» wenn Frankreich sich im Hinter- land von Siam nach Herzenslust festlegt; je großer die Schwierigkeiten sind, denen die Franzosen voraussichtlich auf Jahre hinaus dort begegnen werden, desto besser für uns! Eben deshalb haben wir auch, bei aller uns angeborene» Freundschaft für unseren Beller John Bull nichts da gegen, wenn die frauzösisch-britische Rivalität in Ost- asten recht scharf in die Erscheinung treten sollte. Wir wünschen die- sogar, denn nur Deutschland kann als dann der tei-tjus gauilsu« sein. Daß wir den Engländern auch nur die winzigste Kastanie aus dem Feuer kolen sollten, ist natürlich ausgeschlossen. Wir lassen die Tinge ibren Lauf nehmen und kümmern uns um nichts." Wenn gleichsam im Namen der ösfentlichen Meinung Deutschlands derartige Er klärungen erfolgen, erscheint e« angebracht, ihnen auch einige einschränkende Bemerkungen mit auf den Weg zu geben. Man ist im Auslande, und namentlich in Frankreich, nur allzu geneigt, aus einem einzelnen schiefen Worte eines einzelnen Blatte« Folgerungen zu ziehen, als ob dir Gedankenrichtung der gesammten politischen Kreise Deutschlands dafür verantwortlich gemacht werden dürfte. Die Bedeutung des Blattes, auf dessen Aeuße- rung jurirckgegrisfen wird, fällt bei den Franzosen in solchen Fällen nicht einmal ins Gewicht. Diesmal handelt es sich aber um das Unheil eines, in weiteren Kreisen und auch im Auslande dem Namen nach wohl gekannten Blattes. Um so mehr scheint eS geboten, rechtzeitig sich dagegen zu verwahren, daß in den oven angeführten Sätzen eine über einstimmende Auffassung der deutschen politischen Kreise nicder- geleat sei. Daß wir in Deutschland uns ohne Besinnen und Nach denken blindlings freuten, wenn Frankreich sich im Hinter land von Siam nach Herzenslust festlegt, trifft durchaus nicht zu. Richtig ist nur, daß wir vom Dtandpunct unserer auswärtigen Politik au- diesem ganzen Streitfall völlig uninleressirt gegenüber stehen können, so bald uns die Gewißheit gegeben ist, daß den deutschen Ber- kehrs- und Handels-Interessen derselbe, den Umständen entsprechende Schutz gewährt wird wie allen anderen u»- interessirten Staaten. Bom Standpunkt der abendländischen Civilisation könnten wir allenfalls Befriedigung empfinden, wenn Frankreich oder England oder eine ankere europäische Eulturmacht im Begriffe wäre, friedliche Eroberungen in jenen unerschlossenen ostafiatischen Gebieten zu machen. Aber danach sicht der gegenwärtige Streitfall ganz und gar nicht aus; eher nach dem Gcgcntheil, und zwar aus dem für uns sehr bedauerlichen Grunde, weil im Angesicht eine- uncivilistrtcn Landes von einem Träger abendländischer Cultur der Boden de- strengen und klaren Rechte« verlassen worden ist. Sonst wäre eS ja undenkbar, daß ein so scharfer Gegensatz zwischen England und Frankreich dabei in die Erscheinung träte. Also auch darüber vermögen wir beim besten Willen keine Freude zu empfinden, geschweige denn, daß wir einsähen, wie wir in diesem Falle der tsrdin» ganäens sein oder werden könnten. Ob England oder Frankreich in dem Streit um die Vor- herrschung in Siam siegreich bleibt: weder die eine noch die andere Macht dürfte geneigt sein, demnächst die concurrirenden Interessen eine- Dritten in der vstasiatischen Sphäre be sonders zu begünstigen. Der Gedanke aber, daß die Be ziehungen der europäischen Großmächte unter einander in der Folge eine Umwandlung erfahren könnten, die jedenfalls unserem Friedcnsbedürsniß zu statten käme, ist außerordent lich schwach begründet. Die französische Geschichte enthält aanz andere Lehre,,. Der korsische Eroberer halte da- Aben teuer in Egypten bestanden, ehe er den Eontinent mit seinen gewaltigen Machiplänen erschütterte. Napoleon Hl- glaubte den mekikanischen Mißerfolg auf ve,„ Wege nach Berlin wieder wett machen zu können, und als Ferry die Unternehmung in Tvnki» begann, waren sehr beachienSwerlhe Stimmen dahin laut geworden, daß er wiederum nach berühmten Mustern die kriegerischen Neigungen Frankreichs wachrufen und — ent wickeln wolle. Seine opportunistischen Freund« stützten ihn, weil sie da« Vertrauen hatten, daß aus dies» Weise da« sraiizösische Ruhmbedürfniß zu», letzten Ziele, zur Befriedi gung de« Revanche-Gedanken« geführt werden könnt«. Dir Radikalen bekämpften ihn hauptsächlich desbalb, weil sie den eingeschlagenen Weg ziiiii letzten, gemeinsam «»strebten Zi«le für den verkehrten hielte«. Ein erheblicher Unterschied zwischen dem, wa- Ferry vor acht Jahren und dem, Iva- die gegenwärtige Regierung Frankreich- jetzt unternommen, ist vorläufig noch keineswegs zu erkennen. Wird doch allgemein die Bermuthung gelheikt, daß es sich in erster Linie darum bandle, die Franzose» für die bevorstehenden Wahlen mit dem uiiumgänalich noldigen vaterländischen Ehrgeiz zu erfüllen. Wenn dies aber die Absicht ist, haben wir in Deutschland weder Ursache zu heim licher Freude, »och v>el weniger wollen wir durch uiiuber- legtcS Dreinreden für die französische Wahlbewegung Stoff liefern, mit dem sich der vaterländisch« Ehrgeiz der Franzosen direct auf un- adtrnke» läßt. Volttische Tageoscha«. - Leipzig. L6- Jul«. Die drtzereien der L»eial»e««kratie gegen unsere militairischen Einrichtungen übersteige» nachgerade jedes Maß Bor einigen Wochen wurdcn die baderische» Militairbcyörden beschuldigt, den Typhus im bayerischen Lribrcgimenl bervorgerufen zu haben, indem sie de» Mann- schäften schlechte und nicht genügende Nahrung geboten hätten In dem bayerischen Regiment sollte nicht der Unterleibstyphus, sondern der Hungertyphus herrschen. Die bayerische Militair- vcrwaltuiig hat sich die Mübe gegeben, dirseBebauptung umgehend zu widerlegen, jetzt taucht dieselbe Behauptung in Bezug auf die Erkrankung zahlreicher sächsischer Soldaten an Typhus wiederum auf. Als Ursache der Krankbeit wird, wie wir schon im heutigen Morgenblatte mirgrtheilt haben, seitens der socialdemokratischen Presse die schlechte Kost, zum Tbeil verdorbener Proviant, angegeben. Auch eine ordentliche Ber- psleguna der Rcconvalc-conten finde nicht statt. Die Anklage — so führt heute ein preußisches Blatt, die „Berl. Börsen- Ztg ", aus — ist eine so gehässige und zeugt von solch ge- meiner Gesinnung, daß jeder einigermaßen denksähige Mensch da- Haltlose der Anklage ohne Weiteres erkennen wird, aber auf den gewöhnlichen Mann wird die Anklage ihre Wirkung nicht verfehlen, »nd um de«willcn sollte man seilen« der militairischen Behörden entweder auf eine ossicielle Be richtigung dringen oder wegen Beleidigung oder Verleumdung der Militairbebörden klagbar werden. Denn es kann kaum eine schwerere Berleumdung und Beleidigung gebe», als diese Behauptung. Der Abgeordncie Ahlwardl hatte die Militair- Verwaltung nur beschuldigt, zum Tbeil schleckte Gewehre geliefert zu haben, wodurch der Arme« nur indirekt ci» Schaden entstehen konnte, und doch hielt man e- mit Recht kür nothwendig. gegen den Verleumder mit den schärfsten Mitteln vorzugchc». Wieviel mehr ist da» geboten, wo es sich ui» eine Berleumdung, wie die vorhin charakkerisirte socialdemokratische, handelt. Rücksichtslos sollte man gegen solche Falschmünzer der öffentliche» Meinung Vorgehen. Bekanntlich soll auf Veranlassung privater Kreise zu Antwerpen im Jahre 18b t eine internationale An-- stellung für Erzeugnisse der Industrie. Kunst und Wissenschaft statlfinde». Die betrefsenden Kreise sind dabei von der Voraussetzung au-gegango», daß die von Ebicago zurückkomnienven Gegenstände sich ohne große Mühe »ach Antwerpen würden überführen lassen. Die belgische Regierung, die einen Eommissa» in da« Antwerpencr AiissreUungS-EomitS entsandt hat, hat niinmehs an D e u tsch- land eine Aufforderung zur Tbeiluahiiie an dieser Ausstellung gerichtet. Ehe jedoch ein Entschluß in der Angelegenbeil gefaßt wird, sollen di« verschiedenen wirtbschaftlichcn Ver einigungen zur Abgabe von Urtheile» über die Stellung der betreffenden Industriezweige zur Antwerpencr Ausstellung auszesorbert werden. Dem Vernehmen nach hat der preußisch« Hanvelsminister mit solchen Aufforderungen bereits begonnen. Wir ulisrrerseit- können nnS keinen rechten VerS ans der Zweckmäßigkeit oder gar Notbwendigkeit einer Anlwerpene» Ausstellung machen. Auch möchten wir bezweifeln, daß die Stadt Antwerpen aus ihre Kosten kommen werde. Mit großer Stimmenmehrheit hat die Commission de- helgischeii S en aiö ein — man könnte fast sagen drakonisches Gesetz zur Vcrbütung des Duells angenommen. Die vom Senator Baron de Eoninsk beantragte Vorlage, deren Annahme auch in der Kammer für sicher gilt, gebt gegen die Duellanten selbst und die übrigen an einem Zweikampfe Be theiligten mit einer bis jetzt noch nickt dagewesenen Strenge vor. Sie spricht im Falle eine« Duell« mit tödtlichem Ausgange für de» überlebenden Duellanten die Todes strafe wegen beabsichtigten Mordes au«, auch wenn bewiesen ist, daß der Duellant gar nicht zielte. Die Zeugen eine« solchen Zweikampfes werden mit zehn- bis zwanzig- jäbriger Haft bedacht, so daß eS den Duellanten in Zukunft recht schwer werden dürfte» Zeugen und Aerzte — Letztere sind den Zeugen gleichgestellt — zu finden. Ein besonderer Abschnitt des Gesetzes behandelt die vfficiers- diicllr. und zwar in einer Weise, welche die Opposition de« gesainmlen belgischen OfsiciercorpS Hervorrust. Bekanntlich tritt manchmal der Fall ein, daß der Regimentskommandeur rin Duell zwischen zwei Offlkieren direct anordnet, wa« natürlich nur in einem besonders schweren Falle vorkommt. DaS neue Duellgesetz versitgl nun die Entlassung des Regi- mrntSccmmandelirs, der ein Duell zwischen zwei Ofsiciercn angevrdnel hat, ohne Pensioilsansprnch und ohne Grad. UeberdicS bleibt er für die Folgen des Duells dem Straf gericht« verantwortlich Di» de», Ossiclrrcorps angebörige» Duellanten werden gteichsalts strafweise entlassen und über dies strasgerichttich abgeurtheilt. Schon wiederholt haben wir darauf hingewiesen, wie der Vatikan immer neue, für »nS Deutsche allerdings nicht be drohliche Proben seiner Franzoseiifreundlichkrit ablegt. So war eS schon unter dem Pontisical von P i uS IX., so ist cs noch mcbr unter dem Pontifikat Leo'S XIII. der Fall. Als bezeichnend für diese sranzosknsreundliche Politik Leo'S XIII. verdient nunmedr au» yervvrgehoben zu werden, daß der Papst die neulichen Eröffnungen der Pforte wegen Ab schlusses eines Eon cord als für den gesammten Umsang des osmanische» Reiches mit sehr geringem Entgegenkommen ausgenommen hat; dir Antwort soll derart mit ausweichende» 87. Jahrgang. Bemerkungen und Vorwänden versehen gewesen sein, daß sie thatsächlich einer Ablehnung gleich kommt. Der Grund dazu ist lediglich die Rücksicht aus da- von Frankreich erstrebte Protektorat über den orientalischen KatholiciSmus, das allerdings bei den regelmäßigen Formen eines ossiciellen EoncorbatS nickt wohl bestehen bleiben könnte; aber die Handlungsweise Leo'S XIII ist um so auffälliger, als gerade ibm bekanntlich sonst die ossiciellen Beziehungen zu den ver schiedenen Staaten besonders am Herzen liegen und er für d>e Herstellung solcher Beziehungen schon mehrsach principietle Opfer gebracht bat In derselben Tendenz ist eS, wenn der Papst kürzlich die Anklagen gegen den Msgr. della Chiesa nievergeschlageii hat. Wie berichtet, hatte der „Diritto di Roma" ein Schreiben jene« Prälaten veröffentlicht, durch Pa- klerikal« Blätter zu Angriffen ans die malte sischen Kapuziner in Tunis und auf den malte sischen KleruS überhaupt aufgefordert wurde: im irsteii Verdruss« wollte Leo XIII. den schuldigen Prälaten aus dem Vatikan verbannen; auf die Bitten deS Cardinal- staaissecretairs Rani polla nahm er indeß jenen Beschluß zurück und berielh i»,t Letzterem dafür die Mittel, weiteren dirartigen Enthüllungen und Polemiken vorrubeugcn. Bei dem Charakter der vatikanischen „kleinen" Presse, wie sie besonders der streitbare Pins IX. systematisch großgezogen bat, wird es freilich nicht ganz leicht sein, derartige wirk same Mittel zu entdecken. Begreiflicher Weise wendet sich die öffentliche Aufmerk samkeit in deuisclbe» Maße, in dem die AuSschußvcrhand- iungen de« englischen Unterhauses über Homerule an Interesse »nd Tragweite verlieren, der nächsten Instanz zu, vor der Gladstone sein „BefrciungSwcrk für Irland" zu vertreten baden wird, dem Oberbause. Die Ablehnung der Vorlage durch die Lord« kann keinem Zweifel unterliegen. Daß Gladstone durchaus nicht gewillt ist, alsbald nach dem ablehnende» Beschlüsse de- Oberhauses daS Land an- zurufen, ist ihm von unionistischer Seite als Feigheit ge deutet worden. Der große alte Mann wird der Opposition aber beweisen, daß diese Deutung vollständig verfehlt ist. Den Gefallen freilich wird er ihr nicht tbu», die Wähler schaften anzurufen, ohne vorder seine Resormzusagen wenigsten« tb«ilwejsr eiugclöst zu haben. Allein hierzu genügen wenige Monat», vielleicht nur Woche», und dann wird cs an der Zeit sein, die wahre Meinung des Lande« über die Homcrulevorlage zu erforschen und die Nation zu befragen, ob sie ihren Willen und ihre Uebcrzeugungen den „Vorurtheilcn und dem be schränkten Hockniuth" der LordS untcrzuordncn gesonnen ist. Die von Gladstone beabsichtigte Taktik kennzeichnet die nach stehende Drahtnieldung der „Boss. Ztg.", der wir auch die vor stehende Auslassung entnehmen: „Den ..Times" zufolge ver lautet in gut unterrichtete» politischen Kreisen Englands, die Regierung beschäftige sich mit einem Plane, dessen Durch führung die Krisis rascher, als bisher erwartet worden ist, zum Ausbruche bringen würde. Darnach soll, wenn das Oberhaus die Homerule-Borlage verwirft, der erste Tbeil der Tagung von 1894 dem Newca stier Programm gewidmet, alsdann dieHomcrulc-Vorlage neuerdings im Oberhause einacbrachl werden und erst »ach ihrer etwaigen nochmaligen Verwerfung sofort die An rufung de- Landes ersolgen." Der sertztschc Finanzminister vr. Buitsch hat der Skupschtina einen Bericht über den Stand der Staats finanzen vorgelegt, wie ibn da- Ministerium Dckitsch bei der Uebernahme der Regierung am l3. April d. I. angetroffen hat. Nach diesem Berichte beträgt die Gesammtsumme der schwebenden Schulden, deren Deckung unausschiebbar Feuilleton. lleber Klippen. 2Lj Roman von Carolin« Deutsch. rtachdruS »rrtotm. (Fortsetzung.) „ES heißt zwar, krause« Haar, krauser Sinn, aber bei Dir trifft daS nicht zu, Herzchen. Es läuft so manche« falsche Sprich wort unter, wir unter echter Münze oft ein falsche- Stück. Doch willst Du nicht da« Kindchen in die Wiege legen, TereSka'? Es ist bald sieben Uhr und Zeit, daß es schläft." „Morgen wird er ein halbe- Jahr alt, Marka, und morgen ist auch unser zweijähriger Hochzeilstag. O, Marka, ich habe gar nicht geglaubt, daß Menschenalüa so groß, so unendlich sein kann!" sagte TereSka mit leuchtenden Augen. „Gott möge eS Dir erhalten!" sprach die Alte mit einem fast andächtigen Ausdruck und trat an die Wiege heran, um sie in Ordnung zu bringen. „Und doch babe ich noch einen Wunsch", begann die junge Mutter nach einer Weile wieder. Aber Du wirst wieder böse. Wenn ich's sage, Marka! —" „Ja, ja, ich weiß. Du bättest gewünscht, daß der kleine Junge da anstatt Franz Stefan geheißen hätte." „Ja", versetzte TereSka leise. „Franz war aber Deinem Manne lieb «nd Werth", sprach die alte Frau nach einer Pause, und ihr verwittertes, runzeliges Gesicht nahm einen tiefernste» Ausdruck an. „Zwei Brüder konnten sich nicht mehr sein, als eS die Beiden wa^en, und sichst Du, Herzchen, ich war auch früher eifersüchtig auf ihn, immer, immer, noch als sie Kinder waren! .. . Und jetzt — jetzt möcht' ick gern meine paar Jahre bergeben, wenn ich ,bn herschaffen konnte. DaS ist ein sehr, sehr wunder Punkt in Stefan'S Herzen, und weil er ihn nicht vergessen kann, bat er seinem Sohne den Namen seines liebste» Freundes ge geben." „Glaubst Du auch an seinen Tod?" fragte TereSka nach einer Weile. „Wer kann da Bestimmtes wissen? Seit zwei Iabren ist er verschollen, ich denke mir aber, der Stefan weiß mehr als jeder Andere. Doch Du bist nicht nur ein liebes, sondern auck> ein verständiges Weib und fragst nicht nach Dingen, die Dich Dein Mann nicht wissen lasten will oder auch kann. Doch lege jetzt den Kleinen nieder, TereSka! Es ist wirklich Zeit." Die junge Frau erhob sich, und wie sie jetzt dastand, das Kind im Arme, bot sie einen anmuthigen, herzerfreuenden An blick. Sie war gewachsen in diesen zwei Iabren, und ein dunkles Wollkleid umschloß die schlanke und doch ebenmäßige Figur. Das runde, braune, bliibendr Gesicht hatte einen etwas ernst frauenhaften und zugleich kindlichen Ausdruck, der es unendlich anziehend machte. DaS schwarze Haar fiel noch immer in krausen, widerspänstigen Löckchen auf die Stirn, war jetzt aber im Nacken ehrbar in einem Knolcn ausgenommen. Auf Wunsck, Stefan'« trug sie immer i», Hause ei» zierliches Häubchen, das ihr auch vorzüglich stand. „Du siebst sonst aus, wie ein Backfisch, der aus der Schule gekommen ist, und Keiner ahnt und rcspeclirt die Frau Pastorin in Dir", batte er in der ersten Zeit gesagt, und sie war lücklich gewesen, daß er «inen Wunsch gehabt, der ihre Person «traf. TereSka hatte daS Kind in die Wiege gelegt. Plötzlich stieß sie einen leisen Nus auS; eS war aber ein Freudenschrei, und Marka, die sich auf diese Töne zu versteben schien, wandte sich überrascht, aber nicht rrschroaen um »nd sagte wie in Erwartung, etwa- Angenehme« zu hören: „Nun, Herzchen, was girbt e«?'^ „Der erste Zahn! O, Marka, kommm her und süble^ der erste Zahn!" rief TereSka jubelnd. „Er bat meinen Finger genommen und bat orveullich hineingebissen. Da sieb ber!" Und wie da- erste Mal stand jetzt Marka wieder vor der Wiege, um sich von der glücklichen Entdeckung zu überzeugen. Wirklich, da ist der erste durch und der zweite kommt bald nach", sagte sie, dem Kleinen mit dem Finger durch den Mund fahrend. „Ta hat er Euch z» dem morgigen Hochzeitstage ein schönes Geschenk gemacht. Ja, ja, der wirk wie sein Vater! Er weiß eS schon jetzt, wann der richtige Zeitpunkt ist, um einem eine rechte Freute zu machen; ich sage Dir, Herzchen, daS liegt im Blute." „Stefan muß cS wissen", erwiderte die junge Frau, nabm ein Tuch, das aus emem Stuhle lag, u»d wollte zur Thür eilen. Tie Alte hielt sie zurück. „Was fällt Dir ein, TereSka! Der Stefan ist ja in der städtischen Versammlung, wo sic über ein neue- Schulgebäude beratden. Da willst Du ibn doch nicht bolen?" „Aber Marka, bedenke doch!" „Ja, ja, ich bedenke", versetzt» di« alte Frau lachend. „Weißt Du, was die Leute sagen werden? Dir will rin« Frau, die will Mutier, die will sagar unsere Frau Pastorin sein und ist noch so kindisch» daß ne den Mann nach Hause rufen läßt.^veil da« Kind den ersten Zabn bekomme» hat!" — Beschämt, verwirrt kehrte die junge Frau ii.S Zimmer zurück. „Warum soll ich dies glückliche Gesübl früher als er haben?" fragte sie leise und sich gleichsam eulschutdigelid. „Er wird ja bald kommo», Kmdiben!" tröstete Marka und subr ihr zärtlich über da« dunkle Haar. So einfach sie in ikrer DeukiingSweise war, die Zartbeit dieser Empfindung verstand sie doch. Dann rietb sie >br. den Tisch z»m Abend- brod zu decken, da« würde sie zerstreuen und die Zeit kürzen. Der Kleine würde von selber eiuschlasen, und den Stefan freue eS so sehr, wenn er beim Eintritt den bcdaglich ge deckten Tisch und den summenden Tbeekesscl gewähre. Bald prangte die schneeweiße Decke mit dem Geschirr »nd allein Nölbigen ans dem Tische. Tereska hatte gerade die letzte Hand angelegt, da ließen sich draußen Schritte höre». Wie ein Märchen, wo nur gute Geister walten, überkam eS Stefan KiS, als er auS der eisigkalten Lust draußen über die Schwelle <eineS Zimmers trat Wie war», und wohnlich war der Raum, wie traut »nd freundlich jeder Gegenstand! Und dort am Tische sein junges Weib nnd in der Wiege sein Erstgeborener ... Stefan batte sich in gar nickt- geändert; eS war noch immer das milde, freundliche, gütige Antlitz mit den Augen, die einem klaren Bcrgsce glichen. TereSka war id», entgegcngceill und half ihm jetzt den schweren Pelzrvck ablegen. „Deine Finger sind ja erstarrt", sagte sie dabei wie ent schuldigend, den» sie wußte ja, daß er so etwa- nicht gern sah. Und Marka stand von Ferne und sah nicht nur neidlos zu, sondern schmunzelte sogar in sich hinein; sie hatte sich lchon längst mit Tcrcsla in die Herrschaft getheilt. Nun wurde auch der junge Vater mit der großen Freuden botschaft überrascht. Freudig erregt folgte er TcreSka zur Wiege, und jetzt standen sie Beide davor uno faden mit strahlenden Blicken auf den kleinen, süßen Jungen, der. die blauen Augen in sanftem Schlummer geschloffen, mit rosigen, Antlitz dalag, die runden Händchen zu Fäusten geballt, und durch dessen halbgeöffneten Mund wie ein einzelner verlorener Posten da- winzige, weiße Zäbnchen hindurchschimmrrte. Sie sahen aus da« schlummernde Kind, dann sich mit einem glücklichen Au-Lruck in die Augen, und doch schien noch «ine stumme, schüchterne Frage in den Blicken des jungen Weibe« zu liegen, die sich nicht auf die Lippen wagte. Er verstand sie aber auch ohne Worte; den» er zog sie an sich. „Stefan", sagte sie leise und barg fester ihr Haupt an seiner Brust, „morgen ist unser zweijähriger Hochzeitstag. Ist jetzt da« Glück auch für Dich da? .... Da« Glück, von dem Du in jener furchtbaren Stunde zu mir sprachst .... Ta» Glück, das vielleicht einst ganz und voll einziehcn werde... ist r« auch für Dich da, Stefan?" „Ja", sprach er auS vollem Herzen und drückte sie innig an sich. „Wer so reichlich Liebe sät. wie Du es getban hast, so geduldig, so unermüdlich, für den muß auch die Saat aus- geben. Ich glaube, TercSka, Du kältest e« schon längst heraus- sühlcn wüffen. wie glücklich ich bin." „Und ist es nicht nur Mitleid, Stefan.... nicht nur, weil ich die Mutter Deine« KinkeS bin? — Liebst Du mich auch rin wenig um — um meinetwillen?...." Sie balle eS zögernd, zagbasl gefragt, doch als würde sie sich plötzlich der Worte bewußt, iioergoß eine schamkaftc Rothe ihr ganzes Gesicht. Hingerissen von ihrer Lieblichkeit, umschloß er sie innig und sagle mit tiefer Zärtlichkeit: „Brauchst Du ncch eine Antwort, TercSka? WaS gewesen, ist ein Traum sür mich ... Du. Tu bist jetzt meine beglückende Wirklichkeit! Und möge eine allgütige Vorsehung mir diese« Glück er halten!" Arni in Arni traten sie an den Tisch beran, und wahrend TercSka Ken Tbee bereitete und Stefan Platz nahm, sagte er: „Aus Lvrn brauchen wir beute nicht zu warten Ich babe bei >br vorgesprochcn, »im sie gleich initzribringon, sic will aber Briese schreibe»; sie bat beschlossen, die Stelle in P. anzu- nebmen und schickt noch heule ihre Papiere ein." „Und Du bist auch dafür, Stefan, daß sie uns verläßt und unter srcmtc Menschen gebt?" fragte TcreSka traurig. „Und ick dachte, sie sei schon davon abgclommen." „Dieses HeranSrcißcii ist für Lory eine Notbwendigkeit, tiebeS Kind", verletzte Stefan besänftigend. „Seit dem Tode der Mutier ist sie :u vereinsamt; ibr halber LebenSinball ist ibr verloren gegangen. In der großen Stadt wird sie geistige Anregung finde», ibr großer, werkthätigcr Sinn wird aus andere Wcise Gelegenheit finden, sich zu äußern: Tu weißt ja, daß sie nur leben kann, wenn sie sich für Andere plagt und miibt." „Ja", versetzte die junge Frau, und Thränen traten ihr in die Augen, „sie war von jeder nur für uns da, an sich
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