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Dresdner Journal : 29.12.1865
- Erscheinungsdatum
- 1865-12-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-186512297
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18651229
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18651229
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1865
- Monat1865-12
- Tag1865-12-29
- Monat1865-12
- Jahr1865
- Titel
- Dresdner Journal : 29.12.1865
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O300. AdamuiarMavrelsr: 1»l»-IiQl>: 6 H»lr. — 8xr. iu »«I»—L > liu La»l»»S» s41»brl: 1 „ 15 .. „ ., l tritt ko.t uoä 5lun»tli<!t> io vr»«t«»: 15 Ltxr I 8t«mp«>- kiuieln« Kuwivero: 1 blxr. 1»u»cbl»x diuiu. raser-rteupreise: k'Ur ä«o Ilitu-n eioer xsxpxlteuxll 2«il»: 1 ktxr. 8ut«r „L!iux«»«nat" cki« Leit»: 5 Xxr. Lrscheiar«: Tlxlick, mit Xu»n»iims äer 8»nn- null k'eisrtLxa, tUr 6«o solxeuäsu Hx. Freitag, deu 29. Deceinber Dresdner Äumal. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. 18«S. rnsrralrnaniuchmt auswärt»: l<«ix»ix^ t'x IjxxKiisrnrrxx, 6ommi»«iouLr äs- vre-äu«r ^ouruxl-; «deuä»-.: 8. k Ir.,.onx; S-wdurx-LIxou»: 8^L»»!<»rxiK L Vc»oi.r.x; S«rliii: ttnoriv-'-elw ttuctl- k«iiäl., ItxrxuxrLa- liuri-uu; Lrom-a: L. 8«.nl.orr,: Lrs-I-u: L,«i.^ 8rzxuex; kr-okkurt». ,ckv Luckk.i LSI»: ^ool.>- li-i>»:,xu; kxri»^ v. t,u«x»rxi., <29, rue äe8bon-enti»u-)i kr»x: t'».Llixi.ic»'- VuLbd.; Viva. 6omptoir ä. k. VV'isuer ileituux, 8tcf»uspl. 867. Herausgeber: Löuixl. kxpsäitiou Ns» l)r«-äi>er NourirvI», OrvsNsii, 51»ri«u»irit--s dio. 7. Anrtlicher Theil. Dresden, 24 Decembrr. Ee. Majestät dir König haben allergnädigst geruht, dem Leutnant a.D. und der- maligen BeziikSsteuerinspector O-kar Bruno Liebrrt nachträglich die Genehmigung zum Tragen dec Armee- uniform zu erthrilen. Dresden, 27. Decembrr. Se. Königliche Majestät haben allergnädigst geruht, dem Kommissar für die An« gelegtnhetlen der Leipziger Zeitung, RegierungSrath von Witz le den in Leipzig da» Ritterkreuz vom Verdienst orden zu verleihen. Nichtamtlicher Tkeil lllbersichk. Telegraphische Nachrichten. veatsche Parteien und Presse, l Tagesgeschichte. Wien: Kaiserliche» Handschreiben an Feldmarschall v. Heß. Ordensverleihung nach Pari». Bom Hose. — Aussig: Einweihung de» evangeli schen BethauseS. — Berlin: Die Fortschritt-Partei und der bevorstehende Landtag. Tagesbericht. — Mecklenburg- Schwerin: Verordnung be- tr>ffs der körperlichen Züchtigung. — Ham burg: Einführungsgesetz zum HandclSgrsctzbuchc. — Pari»: EinweihungSseier. Ein Brief de« Kaiser» nach Belgien. Di« „Jndspendance" verboten. — Rom: Quarantäne aufgehoben. — London: Vx. Murdoch j^. Zum Fenierproceß. Notenwechsel mit dem amerikanischen Gesandten. — Kalkutta: Au» der neuesten Ueberlandpost. — New-Hark: Bom Congreß. vermischte». — Mexico: Conslicte zwi schen kaiserlichen und uniorlisttschen Truppen. — Porto-Alegre: Bom Krieg-schauplatze. Schleswig-Holstein. (Erklärung Hansen Grumbye'S.) »rnrnnnngeu, Versetzungen rc tm öffentl. Dienst«. Dresdner Rachrichte«. Verwischtes. Eivgesaadtrs. Statistik uud Volkswirthschast. Feuilleton. Znsrrate. Tngeskalender Börsen nachrichten. . Telegrnphischr Nachrichten. Paris, Mittwoch, 27. Decembrr, Lbends. Der Oberauffichtsrath fir den öffentlichen Unterricht hat das Urtheil bestätigt, durch welches dir sechs Studenten von dec Pariser Universität ausge schlossen werden. Dem „Trmps" wird aus No« gemeldet, da- die Grneralcongregation der CardinLle in ihrer Sitzung am 21. Decembrr einen Beschluß gefaßt hat, welcher dahin lautet, daß der Papst auch nach de« Abzüge der Franzosen in Nom verbleibe. Madrid, Mittwoch, 27. Drcember, Abends. Die Cortes find heute durch die Königin eröffnet worden. In der Thronrede heißt es: Ihre (d<r Königin) Friedenswünsche seien ungenü gend gewesen, dem Au»bruche der Feindseligkeiten mit Chili vorzubrugen, welche» die Reparation der Spanien zugefügtrn Insulten hartnäckig verweigert habe. Die Regierung werde die Corte» von dem Berlaufe deS Krie ge» und dem weitern Gange der Verhandlungen unter richten. Mit den andern Mächten stehe Spanien in bc- sNadtgen freundschaftlichen Beziehungen. Verschiedcn- ar ize, auf dauernde Interessen und Gesinnungen der sp mischen Nation bastrte Gründe hätten zu der Aner kennung de» Königreichs Italien bewogen, durch welchen Act weder die Gesinnungen hoher Achtung und herzlicher Zuneigung für den gemcinsgmen Bater der Christenheit geschwächt, noch der feste Entschluß verringert worden sei, über die Rechte de» heiligen Stuhles zu wach.n. Treu dem Wunsche, die Una> hängigkett der ehemaligen spanischen Colonien zu rrspccliren, sei rin Frieden» und Anerkennung-Vertrag mit der Republik San Salvador abgeschlossen worden. Die Königin betont weiter die Nothwendigkeit einiger Struererhöhungen und der Ver minderung der Ausgaben behufs Herstellung de» Gleich gewichts tm Budget und zeigt an, daß die Regierung Gesetzentwürfe über Annullirung oder Liquidation der alten Schulden, über Redurirung der schwebenden Schuld, sowie über wirksame Bestrafung de» Sklavenhandels ein dringen wird. Die Thronrede spricht alsdann noch ihr Lob über die Marine au- und schließt mit der Erklä rung: die Regierung, ohne sich über die Haltung der Parteien zu beunruhigen, hege da» Vertrauen, daß sie über alle Schwierigkeiten innerhalb der Grenzen der Ge setze triumphiren werde. Die Regierung werde eine to lerante Politik ohne Schwäche befolgen und ihre Inten tionen mit Ausdauer und Festigkeit verwirklichen. Deutsche Parteien und Presse. i. Ein ausmerksamer Blick auf da» in Deutschland jetzt bestehend« Verhältniß der politischen Parteien lehrt, daß in denselben seit zwei Jahren tiefgreifende Verän- derungcn und Neubildungen rmgelreten sind. Sich darü ber Klarheit zu geben, ist ein wesentliches Erforderniß für richtige Kenntniß unsrer verwickelt genug erscheinen den Zeitlage. Nicht nur deshalb suchen wir in den nachfolgenden Blättern einen zusammenhängenden Blick über die modernen Parteien zu geben, sondern wir füh len un» dazu ganz besonder» aufgefordert durch Partei erscheinungen der etgcnthümltchstrn Art, welche die jüngste Zeit hervorgebracht und die, wenn auch von der öffent lichen Meinung aller Orten perhorreScirt, al» »igaalue, tompori» einer pragmatischen Würdigung bedürfen. Die demokratische Partei hatte bei dem Aus gange der Krisis von 1849 ihre meisten Führer verloren, und die leicht begreifliche reactionäre Strömung, welche sich der Geister nach Beendigung der Parteikämpfe be mächtigte, bot vorerst wcntg Material für eine Re construction jener Partei. Auch war in manchen deut schen Staaten bald die Periode de» Rückstauen» gegen die BewegungSjahre vorüber; der Weg de» 1848 durch brochenen constitutionelle« Fortschritt» würbe in rutscht,* dener, aber bedächtiger Weise ausgenommen, und e» trat eine Beruhigung, eine Befriedigung de» öffentlichen Geiste» ein, welche überhaupt die Bildung neuer Parteien nicht begünstigte. Die gothaische Partetrtchtung*), we niger drctmirt durch die Ereignisse und weniger dem Rückschläge unterliegend, al» die demokratische, hatte denn so ziemlich ausschließlich da» Amt der Opposition mit Beschlag belegt und verwaltete r» mit großer Rührigkeit. So ging e» Jahre lang. Der Eintritt der „neuen Aera" in Preußen wirkte ermunternd für da» Parteilrbcn. E» gewann na mentlich in den Staaten, welche noch stärker unter dem Einflüsse de» Rückschlags der Jahre 1848/49 standen, da» demokratische Parteielement neue Kraft und Organi sation. Ueberall aber fühlte sich die gothaische Partei neu gekräftigt. Die liberalen Verherrlichungen, welche der „neuen Aera" zu Theil wurden, ließen e» nicht da ran fehlen, da» neue System al» den Eckstein für rin parlamentarisch geeinigte» Deutschland hervorzuhebcn, un) *) Wir bitten die „D. Alla. Ztg., sich nicht darüber zu e- zürnen, daß in diesem Aussatz so viel von gothaischer Partei g- sprvchen wird. An Namen dars man sich nicht stoßen. Auh andere Parteien werden mit Namen genannt, die viele ihre Anhänger nicht sür zutreffend erachten, die andern Theil», o- schon von der Partei angenommen, nicht zutreffend sind. WS wird nicht Alle» zur feudalen Partei in Preußen gerechnet, d» mit Feudali-mu- nicht» zu thun hat, und mit wie wenig Reet nimmt die entgegengesetzte Partei da» exclusive Privilegium dt Fortschritt» in Anspruch Dennoch sind beide Bezeichnungen r Ausnahme, und man weiß, was man darunter zu verstehen ha. Gleiche» gilt von den Gothaern. S» handelt sich um eir leicht faßliche Bezeichnung für eine bestimmte Richtung, nicht m eine Anschuldigung. wenn Graf Schwerin auch in seiner Beantwortung dcr deshalb von Stettin an ihn .rgangeuen Petition etwas kurz auf „gelegnere Zeiten" hingcwieseu Halle, so wußte die bereitwillige liberale Publicistik diese Vertröstung an gemessen zu ergänzen, so daß fast kein Zweifel mehr an brr nahen Einberufung eine» Parlament» und dem Zu rückkommen auf die Schöpfungen der Frankfurter Reichs- Versammlung vor den gothaischen Parteigenoffen auskvm men durfte. Jndeß kaum zur Herrschaft gekommen, san den sich doch auch in der „neuen Aera" Dinge genug, welche nach der liberalenSeite hinBedenken über den Fortgang dersel ben entstehen ließen, und währendsonochdiepolitischenPar trielemente in Deutschland unter der Herrschaft eines ge wissen Impulse» standen, ohne doch zu einer Organisation gelangen zu können, kam der italienische Krieg und zog einen scharfen Riß in die Parteien. Der politische VolkS- instinct in ganz Deutschland war anfangs auf Bcthäti- gung am Kriege gerichtet. Mehr und mehr aber drängte sich bald von der gothaischen und der sxecifisch preußi schen, übrigen- sowohl dem demokratischen al» reaktio nären Lager angehörigen Parteien her die Ansicht vor, daß diese Gelegenheit zur Unifikation Deutschlands unter Preußen benutzt werden müsse. Diese Parteien konnten mächtigen Einfluß gewinnen, je weniger geschickt die Sache von Oesterreich sowohl im Felde al» mit der Feder an gegriffen wurde. In die Erregung dcr Parteien kam der plötzliche Frtrdensschluß. Er brachte die verschiedenartig sten Wirkungen auf die Parteien hervor. Ein Theil dcr alten gothaischen Partei, darunter ihr Schöpfer Heinrich v. Gagern, gab den Gedanken an ein Kleindcutschland auf, weil, wie der frühere Präsident der Frankfurter Reichsvcrsammlung auScinandcrsetztc, cs sich gezeigt habe, daß man in Preußen nicht deutsch genug denke, um stet» mit Oesterreich gegen äußere Feinde ge meinschaftliche Sache zu machen, und unter diesen Um ständen bei einem Kleindeutschland unter preußischer kai serlicher Oberhoheit Oesterreich für Deutschland völlig verloren sein würde. Auch die Demokratie, welche sich eben zu neuer Organisation anschickcn wollte, als der Krieg begann, zeigte wieder das Hervortreten eine» Risses zwischen Groß- und Kleindeutschthum. Die Bewegung, in welche die Geister gesetzt waren, suchte aber doch nach einer äußern Gestaltung, und diese wußte man in ge schickter Weise zur Bildung de» NationalverctnS hinzuführen. Die wesentlichsten Bestandtheile desselben waren von Anfang an, darüber «vlrd keirr Zweifel «firwalien, dis alten Gothaer. Entschieden demokratische Partetelemente traten aber sofort hinzu. Bei dieser Verschiedenartigkeit der Komposition war eine Zurückhaltung bezüglich der letzten politischen Ziele erforderlich. Die gothaischen Theil» nehmer begnügten sich zunächst mit Voranstellung der Forderung eines Parlament» und dcr Aufstellung des Schlagworte» „Bundesstaat" — und die Demokraten konnten da» Erste besten» acceptiren, während da» Wort „Bundesstaat" so vieldeutig war, daß auch sic ihre Ten denzen mit darunter decken konnten. Bride Parteien wa ren darüber aber einig, und das war ihr eigentlicher Kitt, daß dcr Nationalverein zur Organistrung einer kräftigen Opposition in den Einzclstaaten dienen sollte. Trotz dieser Vereinigung oppositioneller Parteien, obgleich ferner die Erregung dcr öffentlichen Meinung nach dem italienischen Kriege anhielt und jener Parteibtldung die in einigen deutschen Staaten bestehenden Zustände besonder» günstig waren, hatte der Nationalvcrcin nicht den von der Opposition erwarteten Erfolg. So vorsichtig auch im Pro gramme noch die „preußische Spitze" verhüllt war, wurde sie doch durch die Verhandlungen bc» Verein» bald kenntlich ge nug, und die Lurch die Haltung der preußischen Politik während de» italienischen Kriege» geschärfte Abneigung dcS national-deutschen Liberalismus gegen eine preußische Ober hoheit über Kleindcutschland machte sich gegen die Verbreitung de» NationalvcreinS sehr fühlbar. Andererseits waren die po litischen Zustände mancher deutschen Staaten für die öffent liche Meinung befriedigend genug, so daß kein rechtes Bedürfniß zuOrganistrung einer geschlossenen Opposition^ Partei unter der Kahne de» NationalverctnS geltend ge macht werden konnte. Diese Umstände erklären die That- sachc, daß der Nationalvcrcin, selbst zur Zeit seiner höch sten Blüthe, in manchen deutschen Staaten so gut wie gar keine Bethciligung sand, während er, wo bereits ein stärkerer Oppositionsgeist sich auSsprach, wie in Kurhcssen, sich schnell verbreitete. Die verschiedenartigen Elemente des Verein» mußten sich natürlich im Fortschreitcn bemerklich machen. Je offener die preußische Spitze von d,n preußischen und gothaischen Vorfcchtern des Vereins aufgestellt wurde, desto stutziger wurden die demokratischen Elemente. Man suchte und fand noch einmal ein Kompromiß darin, daß man die Frankfurter „RcichSvcrfassung" wieder auf die Fahne schrieb und einem künftigen Parlamente e» überlassen wissen wollte, die nöthigen Abänderungen der selben zu beschließen. Jndeß hielt auch dies neue Stich wort zur Vereinigung der Parteien die Thatsache nicht auf, daß daS Mißtrauen gegen die letzten Ziele dcS Ver ein» in Weilern Kreisen zunahm. E» entstand dcr Re form verein, welcher die großdeutschc politische Rich tung in liberaler Weise vertieten wollte, woran er frei lich durch einen ultramontancn Zusatz in der öffentlichen Meinung wesentlich behindert wurde. Von bedeutender Einwirkung auf den Stand dcr Par teien ward aber der inzwischen in Preußen eingetrrtene „neueste" Systemwechsel. Die „neue Aera" war bald nach ihrer Entstehung in rückläufige Bewegung gekom men. In gar nicht zu langer Zeit hatte die Fortschritts partei mit dein liberalen Gehalte jener Aera völlig auf geräumt, und noch im Jahre ihrer G.burt wurde ihr Hauptvertreter, Gras Schwerin, als „Chef dcr Rcactto- närc" von der Fortschrittspressc bezeichnet. Die Erwar tungen, welche sich an daS Ministerium Hohenzollcrn ge knüpft hatten und auf welche hin Las Programm der „preußischen Spitze" im Nationalverein sich hauptsächlich stützte, geriethcn in» Schwanken. Noch aber wollte man diesen Hebel dcr Agitation nicht aufgcben; man machte sich für Deutschland alle möglichen Hoffnungen von einer Wicdcrbefcstigung und wirklichen Durchführung der „neuen Aera". Auch ein allmähliches AuScinanderfallcn tc» Ministeriums störte die HoffnungSseligen noch nicht. Graf Bernstorfs'» Depesche, worin er, von einer Bun- deSreform Umgang nehmend, einen „cngcrn Bund" in Aussicht nahm, belebte noch einmal die Hoffnungen auf die „preußische Spitze", und die identische Note Oester reichs und anderer deutschen Staaten, welche gegen jene Depesche Verwahrung einlegte, wurde noch einmal zum Gegenstand einer großen Agitation de» NationalvcreinS gemacht. Aber bald zeigte sich in Preußen der Lauf der Geschicke deutlicher. Da» Ministerium dcS Herrn v. Bismarck erschien auf dcr Bühne. An der Haltung deS Nationalvercin» ihm gegenüber zeigte sich dcr ganze Mangel politischen UrtheilS und politischer Reife. Dcr Lobsprcchcr fand e» zwar nur wenig, immerhin aber wurde die Meinung nicht ganz unterdrückt, daß Herr v. Bismarck sich mit dem deutschen Liberalismus zu dem Zwecke verbünden konnte, um einen „parlamentarischen Bundesstaat" her zustellen. Da» Gro» der fortschrittlichen Parteieis indrß sah in dem neuen Ministerium nur ein schnell vorüber fliegende» „Meteor", — einen „Versuch zur Wiederher stellung der Herrschaft der KreuzzcitungSpartci", der in wenig länger denn einigen Monaten unter der Wucht der „öffentlichen Meinung", dcr „Mach: der Press«", der „politischen Bildung" des Volke» und der Opposition der „liberalen Kammer" zusammcnbicchen müßte! DaS Ministerium Bismarck erschien ihnen a!s eine „unange nehme Episode" in der „Nationalbcwegung", aber e» war ja gewiß, daß diese um so herrlicher sich entfalten werde, wenn d r „preußische liberale Geist" Deutschland zeigen würde, daß cr diese Episode schnell zum Abschluß brächte! Einstweilen konnte die Nationalbcwegung im Vorgefühle ihres Sieges sogar glühende Kohlen auf da» Haupt der „neuesten Aera" in Berlin sammeln, indem sie ihr mit ansehnlichen Summen aus der Kasse dc» NationaloereinS für die „deutsche Flotte' zu Hilfe kam. Politische Tiefolickc seltener Art! Jndeß vergingen Wochen und Monate, — e» war nicht» weiter ersichtlich, als daß in Preußen die Staatc- FeuiUeton. s Dresden. Im Local dc» sächsischen Kunstver- «tu» auf dcr Brühl'schen Terrasse ist gegenwärtig ein große» Altargemälde ausgestellt, welches Profeffor Schu rig auf Rechnung de» „Fond» für öffentliche Kunst zwecke" für die Kirche zu Eppendorf auSgesührt hat. Da» Bild zeigt den auferstehenden Christu», umschwebt von Cherubim; zwei Engrlgrstaltrn knien am Grabe, welchem der Herr entsteigt. In der zu diesem Bilde gehörenden Predella ist in einer Umrahmung, welch« dir Apostelzei- chrn enthält, Christu» unter der Last de» Kreuze- dar- «stellt. Der oben genannten Kirche erwächst in dem mit Fleiß und Liebe durchgesührtra Bilde ein würdiger Al tarschmuck. — Zugleich mit dieser Arbeit sind noch drei trefflich« Kreidezeichnungen von Prof. Schurig ausgestellt: Raphael'» „Madonna dt San Sisto", die sogenannte „Maria von Aegypten" dc» Ribera und Maria nebst dem EhrtstuSktnd« au» der „Nacht" von Correggio. Die Zeichnungen find in der Größe der Originale uud zwar in Medaillonform auSgrsühzt. Mit großer Feinheit find di« etgenthümltchen Schönheiten der Originale nachem- pfundea und meisterlich wirdergegeben. E» ist bereit» früher am dieser Stelle die Schurtg'sche.Zeichnung-weise eingehend besprochen worden und e» möge daher nur noch di« Bemerkung Platz finden, daß die drei ausgestellten Zeichnungen in den Besitz de» bekannten photographischen Atelier» von F. und O. Brockmann übrrgegangea sind und durch dasselbe «ine vorzüglich« photographische Nach- dildung gefunden haben. Außer den Schurig'schrn Zeich nungen befinden sich gegenwärtig auf der Ausstellung de» KunstveretnS noch einige brachtenSwerthe. in Kreid« nach der Ratur sehr -eluagrn gezeichnet« Köpfe vom Profeffor Gönn«; dieselben pichnr« sich durch Lebrn und schöne Modelltrung au». Pariser Briefe. XXX. Pari», 16. Decemder 1865. Ein großer theatralischer Triumph, ein nicht mind« großer theatralischer Skandal und der Wiederbeginn de während dcr Wtntersaison allwöchentlich stattfindender Maskenbälle in der Großen Oper — da» find die Er rlgntfle, welche gegenwärtig da» Pariser Publicum b« schäftigcn. Beginnen wir zunächst mit dcm Triumphe Der Schauplatz diese» Triumphes ist da» Theater de doass«, porioivo»; der Triumphator heißt: Offenbach Seit einiger Zett schon war nun eine neue Offenbach'sch Oper angekündigt, di« unter der Maestros persönliche Leitung gegeben werde« sollte. DaS war ein Ereignis für die Pariser und zwar ein größere» und wichtigere», al» man außerhalb Pari» vielleicht glauben möchte. Die Jagd nach Logen und guten Parketplätzen begann; man wird mich jedenfalls der Uebrrtreibung beschuldigen, wenn ich versichere, daß e- Leute gab, die für eine Loge von vier Plätzen, die gewöhnlich nur 32 Franc» kostct, 800 Franc» bezahlten; die» ist die reine, lautere Wahr heit! Die Nachricht, daß während der Generalprobe eine GaSerplofion stattgefunden habe, die bei einem Haare da» ganze Theater in die Luft gesprengt hätte, verbrei tete Schreck und allgemeine Bestürzung l Man zieht Er kundigungen rin: da» Unheil ist nicht so groß, die Vor stellung ist nur um 48 Stunden verschoben. Endlich schlägt die ungeduldig erwartet« Stunde. Offenbach er scheint am Kapellmetsterpulte und wird mit Jubel be grüßt. Di« Ouvertüre beginnt. Di« Oper heißt: „l«a »«rgoro"; st« hat drei Act«; die Schäfer de» Alterthum», die Schäfer de» letzten Jahrhundert» und endlich die Schä- fer unsrer Zeit werden darin tdralifirt ; da» heißt: unsre jetzigen Schäfer werden nicht idealifirt, sondern im Ge- gentheil so materiell und realistisch wie «»glich dargrstell», waS zu höchst komischen und ergötzlichen Scenen Beran» lassung giebt. Wie beinahe alle Offenbach'sche Werke, so wird vermuthlich auch diese Oper in Deutschland gegeben werden und Beifall finden; ich will also meinen freund lichen Lesern die Ueberraschung nicht verderben und ver sage mir die Detaillirung deS Stücke». Nur die Bemer kung: ich glaube, Offenbach hat durch diese Oper bewei sen wollen, daß seiner Muse die verschiedensten Musik gattungen zugänglich und vertraut seien, daß er sich be fähigt fühle, in jedem Stile zu componiren. Dies ist ihm denn auch gelungen. Die drei Acte sind musikalisch durchaus von einander verschieden, alle drei aber in ihrer Art sehr schön. Der erste Act ist ernst und getragen, der zweite leicht und melodiös, dcr dritte heiter uvd spru delnd, voll origineller Ideen und pikanter Melodien. Der zweite Act hat mir ganz besonder» gefallen , die Schäfer t I» Wstiva« mit Perrüken, bebänderten Stäben und Blumengutrlanden um den Hüten, erscheinen darin und haben ganz allerliebste Sachen zu sagen und zu singen. Al» die Königin Marte Antoniettc Florian's Schriften gelesen hatte, sagte sie: vroi» »voir bu <Iu leit!" DiesL Arußerung kam mir unwillkürlich in den Sinn, al» ich die Musik diese» Acte» gehört hatte; mir war auch zu Muth«, al» hätte ich Milch getrunken Der Erfolg dcr Oper war übrigen» durchaus glänzend; dcr Beifall wuchs von Act zu Act und Herr Offenbach schien sehr zufrie den mit sich und mit dem Publicum. Minder zufrieden mit dem Publicum werden die Ge brüder Goncourt sein, dt« rin neue» Stück für da» ikSttr» fraoyai» geschrieben haben, welche» täglich au»> gepfiffen wird und in den ernsten, kunstgcweihtrn Hallen de» ersten Theater» von Frankreich — „de» ersten Theater» der Welt", wie die Franzosen e» bescheiden selbst nennen — Beranlaffung giebt zu jenem unerhörten Skandale, dessen ich bereit« eingangs erwähnt«. E« handelt sich hier jedoch offenbar um eine Kabale. Das Publicum, da» sich nun schon seit einigen Tagen mit immer erneuter KampfcSwuth die erbittertsten Schlachten liefert, zerfällt nämlich in zwei Parteien. Die eine Partei, die clas» fischen, wollen durchau», daß das ikeiiteo feanvaia seinen alten Traditionen treu bleiben, schlechterdings nur die klassische Richtung vertreten und dem neuern Kunstge» schmacke seine Thore hermetisch verschließen soll. Die an dere Partei, die Realisten, wollen gerade da» Gegen- thcil. DaS ist die Kricgsfrage, zu deren Lösung da» Stück, an und für sich ein unbedeutendes literarische» Product, da» allerdings durchaus anticlassisch ist, die willkommene Gelegenheit bietet. Das Stück ist also Ne bensache und ich will meine Leser nicht mit der Auf zählung dcr einzelnen mehr oder minder beweglichen Scenen diese» modernen realistischen Dramas lang weilen. Da» eigentliche Stück wird nicht auf der Bühne, sondern im Saale selbst aufgeführt, und man macht sich kaum einen Begriff von der Wuth der kämpfenden Par teien; die Jugend und namentlich die studtrende Jugend, die an der Spitze der „klassischen Partei" steht, zeichnet sich durch Unversöhnlichkeit au»; rin Student, der den Spitznamen pip» so boi» trägt, leitet die pfeifende Be wegung; in meinem Leben batte ich nicht für möglich gehalten, daß ein Mensch so pfeifen könnte, wie dieser Jüngling — c» war geradezu übermenschlich! Mit großer Noth hatte ich mir einen Platz im Parterre erobert, denn der Andrang war füräterlich; kaum war ich auf m«inen Platz gelangt und hatte mich auf den Hut meine» Nach bar» gesetzt, ter, um die Hände freier zu haben, seine Kopfbedeckung unvorsichtigerweise auf meinen Sitz gestellt hatte, so ging auch schon der Lärm und da» Pfeifen lo». Stellen Sic sich 16,000 — 18,000 Mcnsckxn vor, die 20 Minuten hindurch, d. h. während der ganzen Dauer de» ersten Acte», ununtribrochrn sprechen, schrcien, hen-
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