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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030402028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903040202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903040202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-02
- Monat1903-04
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Grtra> Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^ll 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedttiva zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. Sir. 1K8. Donnerstag den 2. April 1903. 97. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 2 April. Zum Thema: „Keine neuen Stenern". Unmittelbar vor Torschluß, d. h. vor den parlamen tarischen Osterferien, wäre es bekanntlich beinahe z» einer Biersteuerdebatte im Reichstage gekommen. Die mißverstandene Aeußcrung des Unterstaatssekrctärs im elsässischen Ministerium, v. Sch raut, mußte her halten, um den Versuch zu rechtfertigen, die verbündeten Regierungen und die eine oder andere Partei zu Acußc- rungen zu veranlassen, -welche in der Wahlbewegung im Sinne der Parole „Keine nenen Steuern" sich hätten ver werten lassen können. Der Bundcsbevollmächtigte für Elsaß-Lothringen, Hallcy, stellte fest, was der Unter staatssekretär v. Schraut wirklich gesagt hat. Weiterhin teilte der Staatssekretär des Neichsschayamtes, Freiherr v. Thielmann, mit, es fänden zur Zeit keine Er wägungen -wischen den verbündeten Regierungen statt über eine Erhöhung der Brausteuer. Dem Unterstaats sekretär v. Schraut war nachgesagt worden, er habe von der Möglichkeit der Einführung einer Reichsbierstcuer gesprochen. Tatsächlich -besteht aber eine solche längst, n^d so kann es sich, wenn die stärkere Heranziehung des Bieres zur Bestreitung der gemeinsamen Aufgaben des Reiches in Frage kommen sollte, nur um eine Erhöhung der Brau st euer nnd darum handeln, um welche« ge ringeren oder höheren Betrag die Brausteuer erhöht werden soll. Natürlich nur innerhalb der Brausteucr- gemeinschaft. Wie Bayern, das sich in dieser nicht befindet, sich mit einer Erhöhung der Einnahmen des Reiches infolge einer Erhöhung der Brausteuer abfinden würde, d. h., ob es die Mehrbeträge, die es für das Reich beizu steuern hätte — weil es mehr aus den Einnahmen des Reiches überwiesen erhalten würde — auf dem Wege der Erhöhung seiner direkten Steuern oder auf dem einer Erhöhung seiner Biersteuer sich verschaffte, wäre ganz seine Sache. Da hätte ihm niemand hineinzureden, als selbstverständlich die eigene Landesvertretung. Wenn von den posiuvkn Parteien die konservative sich veranlaßt fühlte, Stellung zu nehmen zu dem von der äußersten Linken unternommenen Versuche, Aeußerungen hervor zurufen, die sich im Wahlkampfe gegen die Regierung und gegen die nichtintransigenten Parteien verwenden ließen, so hatte das seinen guten Grund. Bei Besprechung der Krage der auskömmlicheren Gestaltung der Veteranen fürsorge hatte der Abg. Graf v. Roon gesagt, er hätte für seine Person keine Scheu, die Frage der Erhöhung der Brausteuer anzurcgcn. Das war gewiß aller Ehren wert und tapfer. Es ist aber gewiß wahlklug, wenn jetzt der Vorsitzende der kon ervalwe-i Fraktion, v. N o r - mann, rundweg erklärt, diese lehne es ab. sich in irgend einer Weise für die Erhöhung der Rrausteuer in die Schanzen zu werfen; sic erkenne den besten Weg, um ans den augenblicklichen Finanzschmicrigkeiten im Reiche herauszukommcn, darin, daß der Zolltarif möglichst bald in Kraft trete. Dieses Verhalten des Vorsitzenden der konservativen Fraktion kann umso weniger befremden, je entschiedener im Laufe der Etatsberatung auch aus den anderen positiven Parteien die Abneigung kundgegeben worden war, die gegenwärtig dem Reichstage zugehörigen Parteimitglieder und die Fraktionen als solche auf irgend welche Steuerpläne festnageln zu lassen. Steuervorschläge zu machen, hat das Zentrumin den letzten Jahren als eine Art Vorrecht in Anspruch genommen. Nach der Auf fassung der nationalliberalen Partei ist dies in erster Linie Sacke der verbündeten Negie rungen. Nun war der Reichstag kaum in die Ferien gegangen, als in einem linksliberalen Blatte eine Mit teilung auftauchte, die sich so deuten ließ, als ob die Reichs verwaltung, obgleich der Reichsschatzsekretär im Reichstage erklärt hatte, es fänden zur Zeit keine Erwägungen zwischen den verbündeten Regierungen über eine Er höhung der Brausteuer statt, unmittelbar nach der Ver tagung 'des Reichstags zu einer großen Aktivität in der Richtung der Veranstaltung von Vorarbeiten für eine Brausteuer-Erhühung übergegangen wäre. Dies ist aber, wie die „Nat.-lib. Korr." hört, in keiner Weise der Fall. Die Reichsfinanzverwaltung hat auch nach Eintritt der Ferien des Reichstages keine Maßnahmen getroffen, die darauf schließen ließen, es sei ibre Absicht, eine Erhöhung der Braustcuer in Vorschlag zu bringen. Ob eine oder die andere einzelstaatliche Regierung Erhebungen veranstaltet, welche im Sinne derjenigen sich deuten lassen, die Tag nnd Nacht darauf lauern, das Feldgeschrei „Keine neuen Steuern" loszulassen, ist nicht bekannt. Die genannte Korrespondenz glaubt aber nicht fehl zu gehen in der An nahme, baß Erhebungen, wie die über die Wirkungen der Braustener, von den Einzelregierungen, die ihre Maßnahmen mit den Anforderungen der Zeit im Ein klänge zu halten sich bemühen, schon deshalb von Zeit zu Zeit veranstaltet und immer wieder in die Wege geleitet werden, k amit man. wenn einmal der Moment kommen sollte, in dem entweder die Rcichsfinanz-Verwaltung oder eine größere Pine- im Reichstage, wie beispielsweise das Zentrum, mit der Forderung der Erhöhung der Brau steuer hervortritt, über die Grundlagen verfügt, die zur Bildung eines Urteils über die Ergiebigkeit einer solchen Maßregel nötig sind. Kaiser Wilhelm und die dänische Sozialdemokratie. Die Art, wie die Sozialdemokratie Däne marks durch ihr Orgau „Sozialdemokraten" den Besuch des Kaisers in Kopenhagen be handelt, hat für die deutsche Sozialdemokratie die Be deutung des Empfanges einer derben Lektion. „Als dänische Staatsbürger", so schreibt „Sozialste,-uv- kraten", „müßen wir ihm einen würdigen und nachbar schaftfreundlichen Empfang wünschen." Damit bezeugt die dänische Sozialdemokratie, daß sic den sozialdemo kratischen Parteistandpunkt der Jnternationalität für den vorliegenden Fall vollkommen preisgibt und den Be such des benachbarten Herrschers lediglich von dem natio nalen Standpunkte des dänischen Staatsbürgers aus be urteilt und beurteilt wissen will. Ganz im Gegensätze hierzu liebt es die deutsche Sozialdemokratie, bei den Besuchen fremder Souveräne in Berlin den internatio nalen Standpunkt hervorzukehren und an Gehässigkeiten gegen die fürstlichen Besucher Berlins zusammenzu stellen, was nur irgend bei der Hand ist. Vollends dem fremden Souverän einen würdigen und freundlichen Empfang zu wünschen, fällt der deutschen Sozialdemo kratie .nicht ein. Vielmehr werden alle diejenigen, die als Staatsbürger einen fremden Souverän in der Öffentlichkeit begrüßen, als Hurraschreier abgetan. Die dänische Sozialdemokratie betrachtet ferner den Kaiser anstandslos als Repräsentanten der deutschen Nation. Daß der Träger der Krone ein solcher Repräsentant sei, wird von der deutschen Sozialdemokratie zwar ohne Erfolg, aber mit Eifer bestritten, indem man versucht, Männer wie Martz oder Liebknecht und Bebel als die wahren Repräsentanten des deutschen Volkes auszu geben. Die dänische Sozialdemokratie hat durch ihre sympathische Begrüßung des deutschen Kaisers gezeigt, wie weit sie an politischer Klugheit, politischer Erziehung und internationalem Anstande der deutschen Sozial demokratie überlegen ist. Es wäre nicht erstaunlich, wenn unsere sozialdemokratische Presse den Kopen hagener „Sozialdemokraten" in dieselbe Wolfsschlucht würfe, in die sie den französischen ehemaligen Handels minister Miklerand befördert hat! Giolitti über Arbeiterfürsorge. In der gestrigen Sitzung der italienischen De- putiertenkammcr beantwortete der Minister des Innern, Giolitti, verschiedene Anfragen über die innere Politik und kam dabei auf die Vorfälle zu sprechen, die sich im vorigen Jahre in Putignano und Candela bei Gelegen heit von La n da rbeiteraus ständen ereigneten. Der Minister verteidigte das Vorgehen der Behörden und führte dann weiter aus, solche Vorkommnisse würden in dem Mabe seltener werden, als die intellektuelle Lage der Arbeiterklassen sich bessern werde, und zwar um so mehr, wenn die Eigentümer ihre Interessen an Ort und Stelle selbst wahrnehmcn würden, anstatt sie wenig huma nen Persönlichkeiten anzuvertraucn. Um Ruhestörungen zu verhindern, sei es nötig, deren Ursachen zu beseitigen; das könne aber nicht auf einen Schlag erreicht werden. (Beifall.) In die soziale Gesetzgebung müßten auch Be stimmungen eingcführt werden, welche die Pflichten der Eigentümer regeln. Die besitzenden Klassen müßten zu der Ueberzeugung gelangen, daß es ihre Pflicht ist. die Lebensbedingungen der Arbeiterklassen zu verbessern. Man könne ja nicht sagen, daß nichts in dieser Richtung geschehen sei; eine Anzahl von entsprechenden Maßregeln komme bereits zur Anwendung oder sei in der Vorbereitung. Die Freunde der Arbeiterklassen müßten aber für bessere Er ziehung der Arbeiter sorgen; auch müßten die zu großen Landbesitze zerteilt werden. Der Minister erinnerte dann an die Resultate, welche von der Regierung, deren Pro gramm man anfänglich für unausführbar gehalten habe, bereits erzielt worden seien. Wolle man aber, daß ein Stillstand in diesen Bestrebungen eintrete, so müßten an dere Männer in die Regierung berufen werden. Wenn das Parlament eine konservative Negierung wünsche, so werde er (Redner) seinen Sitz als Deputierter wieder ein nehmen und glücklich sein, daß zwei Jahre liberaler Re gierung jede Rückkehr zu einem Regime der Reaktion unmöglich gemacht haben. (Lebhafter Beifall links. Der Minister wird von vielen Deputierten beglückwünscht.) Nachdem noch der I u st i z m i n i st e r und der Kriegsmini st er gesprochen, welche ebenfalls das Vorgehen der Behörden verteidigten, wurde die De batte geschlossen; eine Tagesordnung wurde nickt einge bracht. Das Haus vertagte sich dann bis zum 28. Tlpril. Zur Marokko-Frage. In den letzten Jahren ist eine ganze Reihe von deut schen Gesellschaften für das Studium fremder, meist über seeischer und zum Teil erotischer Staaten und für die För derung des deutschen Güteraustausches mit diesen Staaten begründet worden, so n. a. der Deutsch-Brasilisch« Verein, die Deutsch-Amerikanische Gesellschaft, der Deutsch-Rus sisch« Handelsverein u. a. Nunmehr ist auch eine Deutsch - Marokkanische Gesellschaft ins Leben getreten, wie Graf v. Pfeil- Friedersdorf Montag abend am Schluffe eines Vortrages über Deutschland und Marokko mitteilte, den er vor der Abteilung Berlin-Char lottenburg der Deutschen Kolonialgesellschaft ge halten hatte. Die verkehrspolitische Bedeutung Marokkos wird allerseits gewürdigt. Di« Meer enge -wischen Spanien und Marokko hat in Gibraltar und Tanger sozusagen zwei Türen. Erlangt England auch die Oberlran-d über die zweite Tür, so be herrscht es den Weg nach Indien, währeivd bei der starken Stellung Frankreichs im westlichen Mittelmeer zu befürch- ten steht, daß im Fall einer Besitzergreifung Marokkos durch Frankreich mindestens das westliche Mittelmeer zu einer „französischen See" herabgedrückt werden könnte. Die nächsten Interessenten oder wenn man will Kon kurrenten an dem Wettbewerbe Englands und Frankreichs um Marokko sind Spanien Italien und Oesterreich- Ungarn als Mittelmeermächte. Deutschland ist in Marokko nicht so unmittelbar interessiert, wohl aber auf Grund seiner hochentwickelten überseeischen Beziehungen, namentlich mit dem kernen Osten, an der Freiheit der Schiffahrt auf dem Mittelmeer und an der Mrfrechterhal- tung des Gleichgewichts der Mächte im Mittelmeer, wo durch die Schiffahrtsfreiheit verbürgt wird. Graf von Pfeil bedauerte, daß bisher das große Interesse Deutsch lands in Marokko und an Morokko nicht genügend ge würdigt werde. In den marokkanischen Häfen bestehen gogenwärrig einige 30 deutsche Handelshäuser, die mit einem Kapital von mehr als 2 Millionen Mark arbeiten^ Die Außenstände jener deutschen Firmen, die Marokko be reisen lassen und Kredit geben, werden auf weitere 2 Mil lionen Mark veranschlagt, der deutsche Grundbesitz daselbst auf etwa 1 Million Mark. Deutschland bezieht von Marokko jährlich für 6 Millionen Mark Südfrüchte usw. und sendet dorthin für 2 Millionen Mark Erzerrgrnsse ver schiedenster Art. Auf Grund der Fruchtbarkeit des Bodens, der auch Mineralschätze enthalten soll, hat Marokko alle Aussichten, ein blühendes und reiches Land zu werben, wenn einmal eine europäische Verwaltung ein gerichtet worden sein wird. Graf v. Pfeil erachtet die Aufteilung Marokkos nur als eine Frage der Zeit. Diese Lösung der marokkanischen Frage erscheint uns nicht gerade wünschenswert, und wenn die Reichsregierung in die Lage konrmen oder genötigt werden sollte, zur marokka nischen Frage Stellung zu nehmen, so wird sie voraussicht lich als mindestbeteiligte Macht das europäische Gesamt interesse zu vertreten und den Grundsatz zu unterstützen geneigt sein, daß in Marokko nicht die Aspirationen ein zelner Mächte maßgebend werden, sondern daß ein höherer Gesichtspunkt entscheidet, damit allen Mächten und Staaten der freie Verkehr wie die Meistbegünstigung im Handel mit Marokko gesichert bleibt. Vom europäischen wie vom deutschen Standpunkt würde die Neutralisierung Marokkos einer-Aufteilung vorzuziehen sein, welch letztere nach keiner Richtung hin befriedigende Verhältnisse schaffen kann. Bismarck soll einmal die marokkanische Frage eines der heikelsten Probleme der europäischen Politik genannt haben. Es ist zu hoffen, daß diese Frage in nächster Zeit noch nicht akut lvcrden wird. Zur Reichsregierung wird man aber das Vertrauen hegen dürfen, daß es ihr gelingt, auch in dieser Frage die deutschen Interessen wirksam wahrzunehmen und nach Kräften zu fördern. Und wenn die neue Deutsch-Marokkanische Gesellschaft ihre Ausgabe richtig erfaßt, so wird sie ohne Zweifel ersprießlich wirken und die deutschen Interessen in Marokko fördern und ver mehren können- sodaß im Falle einer marokkanischen Feuilleton. — q Das Gold vom Mdwatersrand. Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten. Wilm durfte erwarten, in einem Weinrestaurant, wo täglich Bekannte von ihm anzutreffen waren, Näheres -u erfahren, und beschloß, dorthin zu gehen. Inzwischen würden die auswärtigen Zeitungen erschienen und ge lesen sein. Er sah sich nicht getäuscht. Schon von weitem bemerkte er auf der Veranda des Restaurants zwei Freunde, Bill Bischer und David Wierda, in eifrigem Gespräch, das aber, wie Wilm bemerkte, bei seinem Näherkommen abgebrochen wurde. Die Begrüßung mar eine zurückhaltende. Dennoch brachte einer der jungen Leute einen Stuhl herbei, den Neuangekommenen auffordernd, Play zu nehmen. „Sind weitere Nachrichten eingegangcn?" fragte Wilm. Die Beantwortung erfolgte nicht unmittelbar. Bischer und Wierda wechselten einen Blick. „Vorläufig sind keine zu erwarten", sagte Vischer. „Da heißt es, sich nun in Geduld fassen. Nur zweierlei Dinge sind etngctretcn, mit welchen Jameson nicht ge rechnet haben dürfte. Die Verstärkungen der Boeren werden wahrscheinlich noch zur rechten Zeit etntreffen, und in Johannesburg hat die Begeisterung abgeflaut. Die Herren sind wohl noch in dem letzten Augenblick zu der Erkenntnis gelangt, daß sich besser mit den Boeren akS den Engländern wirtschaften lassen werde." Wilm atmete erleichtert auf. „Gott sei Dank", sagte er. „Dann hat es keine Not mehr." „Wie so?" fragte Wierda. „Damit ist noch nichts ge sagt. Alles hängt von dem bevorstehenden Kampfe ab. Wird die Betschuana-Schutztruppe zurückgeschlagen, bann ziehen die Herren Reformer schwerlich bewaffnet nach Pretoria, eS wird ihnen vielmehr böse an den Kragen .gehen." Vischer machte Wierda eine ungeduldige Bewegung mit dem Kopse. Dieser aber fuhr fort: „Sagen Sie 'mal, van Senden, waren Sie nicht vor Jahren lange in Johannesburg?" „Ja", entgegnete Wilm unbefangen. „Sie haben dort Verwandte?" „Den Berginspektor van Senden." „Und arbeiteten in dessen Bureau?" „Nein, bei Philip und Compagnie. Ich wohnte bei meinem Onkel in Doornfontein." „Heißt er nicht mit Vornamen Peter und ist Mitglied der Neformpartei?" Wilm, auf das Unangenehmste durch diese in inquisi torischem Tone gestellten Fragen berührt, schwebte eine schroffe Entgegnung auf der Zunge. Aber er hielt an sich, um sich nicht der Möglichkeit zu berauben, über irgend etwas, das ihm sehr am Herzen lag, Aufschluß zu erlangen. Er hatte indessen David Wierda mit einem Blick angesehen, der ihn auf sein rücksichtsloses Benehmen einem Bekannten gegenüber aufmerksam gemacht und zu einer Art von Erklärung nötigte: „Die Johannesburger haben sich eine schöne Suppe eingebrockt, und den Rädelsführern wird cs sicher an den Kragen gehen. Die Regierung soll die Absicht haben, sie vor den hohen Gerichtshof in Pretoria zu bringen, und man kann es ihr wahrlich nicht verdenken. Der Putsch läuft nur darauf hinaus, gewisse Unredlichkeiten — doch -" David Wierda unterbrach sich selbst. „Man sagt, Bergtnspektor van Senden werde be sonders schwer bestraft." „Warum? Weil er Reformer ist?" Wilm konnte in diesem Augenblick lächeln, und gut mütiger Spott umspielte seinen Mund. Was alles mochte in diesen Tagen wohl geredet werden! Seine Ungläubigkeit, die in äußerlicher Ruhe zum Ausdruck gelangte, während doch sein Herz vor Angst schneller schlug, machte auch Eindruck auf die Freunde. „Man kann immerhin noch nicht wissen, was Wahres daran ist. Vieles trifft aber eigentümlich zu. Herr Peter van Senden hat jedenfalls direkte Schiffahrt-Ver bindung mit England unterhalten." „Das ist mir unbekannt. Früher ließ er bisweilen in Lourenyo Marques verladen." .LLissen Sie, waS er hat verladen lassen?" „Ich sagte schon, daß ich nicht in seinem Bureau ar- beitete." „Pochschliek hat er verladen lassen, mit über 50 Pro- zent Goldgehalt." „Warum sollte er nicht? Herr Peter van Senden ist Berginspektor. Die Nooitgedacht-Goldgrube im Lyden- burg-Goldfelde tut das so gut, wie die Sheba-Grube im De Kaap-Goldselde, so viel ich weiß." „Gewiß, aber doch ist es ein großer Unterschied, für wessen Rechnung der Pochschliek verladen wird, ob für die Bergwerksgesellschaft oder privatim", nahm jetzt Vischer das Wort, und in seiner Stimme lag ein fremder Ton von Gereiztheit. „Welchen Wert oft Pochrückstände haben, dürfte auch Ihnen nicht unbekannt geblieben sein. Die meisten Bergwerke rentieren sich erst, nachdem durch den Cyanidprozeß die Gold-Ausfällung rationeller hat betrieben werden können. Bei einigen Gesellschaften ist das Verfahren, das 20 Prozent des gesamten Gold gewinnes einbringt, indessen überhaupt nicht eingeführt worden, und der Grund dafür liegt sicher nicht fern. Die Aktionäre sind um Millionen betrogen, zahlreiche Fami lien an den Bettelstab gebracht! Auch mein Vater hat einen großen Teil seines Vermögens eingebüßt." „Es macht mir den Eindruck, als wenn Sie den Bruder meines Vaters beschuldigen wollten, Bill Vischer. Ich werde das nicht zugeben. Was übrigens Pochschliek und der Jamesonsche Einfall miteinander zu tun haben, ist mir noch nicht klar." „Weil Sie sich nicht um Vorgänge gekümmert, die sich sozusagen unter Ihren Augen abgespielt haben", versetzte Bill Vischer scharf. ,/Andere sehen besser, welchen Weg der Hase genommen. Die Transvaal-Regierung hat seit einiger Zeit Wind von großartigen Betrügereien er halten, und war zu einem energischen Vorgehen ent schlossen. Das konnte den Herren natürlich nicht passen, und so haben sie Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, die Regierung zu stürzen, unverantwortlichen Vorschub geleistet. Wenn in diesen Tagen in Johannesburg Ströme von Blut vergossen werden, so sind daran nicht zum wenigsten diejenigen schuld, die sich, auf Kosten ihrer Mit menschen, in unerhörter Weise bereichert haben. Was kann nicht alles sich ereignen? Die Schwarzen sollen be- wassnet sein." „Sie sollen bewaffnet sein", sagte Wilm, sich an einen Strohhalm klammernd. „Jedenfalls handelt eS sich um bloße Gerüchte. Eine Bewaffnung der Eingeborenen verbietet schon das Jagdgesetz, das ein Verkaufen oder Verleihen von Waisen oder Munition bet Strafe von 25 Pfund untersagt. Es spricht nicht gerade für eine freundschaftliche Gesinnung, wenn Sie ein ganz un kontrollierbares Gerede zu einem indirekten Angriff be nutzen. Pochschliek ist vor Jahren als völlig entwertet bei- feite geschasst worden, und Sie werden wohl wissen, wie sehr die riesigen weißen Berge in der Nachbarschaft der Pochwerke den Betrieb gestört haben. Warum sollte der Berginspektor van Senden sie nicht so gut wie andere Gruben haben fortschaffen lassen? Ihm daher eher eine ungesetzliche Bereicherung zum Vorwurf zu machen, als das Gericht darüber entschieden hat, überschreitet, be sonders dem Neffen des Angeschuldigten gegenüber, baS Maß des Erlaubten. Ebenso muß ich einstweilen in Ab rede stellen, daß mein Onkel einen hervorragenden An teil an den Johannesburger Vorgängen genommen. Die Unzufriedenheit ist eine allgemeine. Ob berechtigt oder unberechtigt, kommt dabei nicht in Frage." Wilms Worte hatten Eindruck auf die Freunde gemacht. Bill Vischer streckte ihm die Hand entgegen: „Verzeihen Sie. van Senden. Es kam so im Aerger. Zu Hause haben wir viel Verdruß wegen der Geschichte." Wilm van Senden nahm die dargebotene Hand nicht. Vielleicht war ihm die Bewegung entgangen. Er blickte vor sich nieder. Die ihn bestürmenden Gedanken hatten etwas furchtbar Aufregendes. Da war wieder ein Punkt. Peter van Senden hatte das Verschicken von Pochschliek als sein gutes Recht angesehen, und Egnatius van Senden es bestätigt, während Tante Grietje mit ihrem strengen Rechtlichkeitsgcfühl keine Gelegenheit vorbeigehen ließ, diese Handlungsweise ihres Gatten als ein Unrecht zn bezeichnen. Wilm verließ bald darauf, nach einem kühlen Abschiede von seinen Bekannten, das Restaurant, sich nach Hause zu begeben und dort abzuwarten. Eine erneute Besprechung mit dem Vater betrachtete er als zwecklos. Nachmittag und Abend vergingen dem jungen Mann in quälender Unruhe. Er weilte im Geiste in der Villa zu Doornfontein. Wie mochte es dort so trostlos aussehen! Tante Grietje in Erwartung kommenden Unheils, Onkel Peter voll Aufregung, und endlich Cato — die bedauerns werte Cato. Das gespannte Verhältnis zwischen Vater und Mutter hatte ihre Jugend verbittert, und sie niemals zum vollen Genuß einer frohen Stunde kommen lassen. Sic hatte in steter Furcht vor dem Ausbruche eines Streites gelebt. Wilm erinnerte sich nicht, sie auch nur ein einziges Mal sorglos und heiter gesehen zu haben. Ob-
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