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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920512023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892051202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892051202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-12
- Monat1892-05
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Nkdaction »«L Expedition: IohanneSgasse 8. Dle Ervedition ist Wochentag« ununterbroch» grösfnet vou früh 8 bi« Abend« 7 Uhr- Filiale»: Ott» Klemm« Eorti«. (Alfred Hahttl. UnIversitätSsttah« 1. L,ut« Lösche. Soiharinenstr. 14. p«t. und K«»ig«platz 7. Abend-Ausgabe. ErigerTagtbllll! Anzeiger. LWN sSr Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Insertion-Preis Die 6 gespaltene Petttzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactio»«strich («ga» wallen) ÜO-H. oor Len Familiennachrichten (d gespalten) 10 ^ Gröbere Cchrislen laut unserem Prei«. verzeichnib- Tabellarischer ond gtffernsatz nach hsherein Tarif. «krtra-Veilngcn (gesalzt), nur mit der Pcorqen-Antgabe. odne Postbeförderung >t ÜO.—, mit Postdesordrrung ^ll 70.—. Ännalimeschluß für Inserate: Äbrnd-Antgabe: BonnittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag« früh 9 Uhr. Bei den Filialen und Nnnabmestellen je ein» halb« Stunde früher. Inserate sind stet« an di« ErRedttt»» zu richte». Druck und Verlag von L. Polj in Leipzig ^-242. Donnerstag den 12. Mai 1892. 86. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. Mai. AuS Berlin wird uns heute geschrieben, eS gewinne den Anschein, als ob die preußische Regierung gesonnen sei, der Wiederholung ähnlicher Vorgänge, wie sie durch das agitatorisch-verleumderische Auftreten deS früheren Rector« A kl war dt hervorgerusen worden sind, auf dein Wege der Gesetzgebung vorzubeugen. Unser Gewährsmann schließt ans eine solche Absicht aus einigen angeblich osficiöscn glimmen. Bekanntlich hatte die „Nordd. Allgem. Zig." kürz lich sich dabin ausgesprochen, daß eS eine bedenkliche Lücke in unserem Rechtsleben verrathe, wenn einseitige Behauptungen wochenlang ungestört im weitesten Umfange verbreitet werden könnten. Denselben Ton bat auch der zuweilen zu preußisch- ofsiciösen Kundgebungen benutzte „Pcster Lloyd" angeschlagen, der, wie bereits im heutigen Morgenblatte mitgetheilt wurde, die Bemerkung macht, die antisemitischen Umtriebe in Deutsch land hätten nunmehr einen gemeingefährlichen Charakter an genommen und die Kundgebung des „RcichöanzeigerS" lasse vermuthcn, daß die leitenden Kreise im Reiche die Trag weite dieser Gefahr erkannt hätten und dieser Einsicht auch die Tbal auf dem Fuße folgen lasten würden. Wir unsererseits bezweifeln, daß in diesem Falle die ..Nordd. Allgem. Ztg." und der „Pestcr Lloyd" in höherem Austrage gebandelt babcn, den» wenn die preußische Regierung sich mit der Absicht trüge, im BundcSratbe die Ausfüllung einer Lücke des Straf gesetzes zu beantragen, so wäre der „Reichsanzeiger" mit (einer Erklärung den Ereignissen nicht so langsam „nach- gchumpclt", wie eS tbatsächlich geschehen ist. Es muß ja aber nicht immer Preußen sein, das im BundeS- rathe auf Lücken der Gesetzgebung aufmerksam macht und aus Ausfüllung solcher Lücken dringt. Wenn grobe Verleumdungen, die als solche nachweisbar sind, un beanstandet im ganzen Reiche durch Wort und Schrift verbreitet werden können und das Vertrauen ans die Sorg samkeit und Gewissenhaftigkeit der deutschen Heeresleitung in weiten Kreisen erschüttern, so geht das jeden deutschen Bundesstaats ganz ebenso an, wie das führende Preußen. Und wenn dieses an- Gründen, die in der kaum beendeten Ministerkrislö liegen mögen, nicht rasch und energisch genug »ach Mitteln greift» die daß Nebel an der Wurzel fasten, warum soll das übrige Deutschland geduldig warten, bis daß Nebel zu unheilbarer Größe angeschwollen ist? Tie ultramontancn Versammlungen in den preußischen Provinzen werden immer interessanter. Tenn hier, wo den Redner keine Rücksicht aus das „parlamentarisch" Zulässige bindet, wo keine Gefahr besteht, vom aufmerksamen politischen Gegner festgenagelt zu werden — hier wird der Schleier diplomatischer Zurückhaltung eher gelüstet und die innersten Wünsche, die letzten Absichten, die leitenden Ansichten treten unverhüllter wie sonst ans Lickt. Es ist noch nicht lange her, daß sich Graf Ballestrem im Breslauer CentrumSverem mit verblüffender Offenheit über die Bestrebungen seiner Partei auS sprach. Nunmcyr liegt von einem ankeren klerikalen Stimm sichrer, von Herrn August Reickensperger, eine bemerkcnS- werlbc Acnßcrung vor. Herr Reichenspcrgcr ist dieser Tage anläßlich seiner goldenen Hochzeit im Gürzenich-Saale zu Köln auch als Veteran der CentrnmSpartei gefeiert worden. Man pries neben seiner „Grundfatzfcstigkeit" insbesondere seine „irenische (vermittelnde) Grundstimmung", eine Eigen schaft, die bei Ultramontanen ohne Frage ebenso selten wie schätzbar ist. Herr Reichenspcrgcr bat daS Bcdürfniß gefühlt, vor aller Welt von seiner „ircnischen Grundstimmung" Zeugniß abzulegen. Die Art und Weise, in welcher das geschah, läßt leider keinen Zweifel darüber, daß dieselbe von höchst eigcn- Ibümlicher Beschaffenheit ist. Herr Reichensperger beantwortete nämlich die Hymnen auf seine „irenische Grundstimmung" mit einem Loblied auf die Politik deö — Kampfes. Er sagte nach der „Germania": „Was errungen ist, schätzt man auf die Dauer immer tvenigkr. und ich möchte darum gar nicht wünschen, daß Alle», wa» wir erstreben, un« sogleich gewährt werde. Der Kamps ist auch nicht so übel; er lehrt zujammenhalten." Für den irenisch gestimmten Herrn Reichensperger ist also der politische Kampf weniger ein Mittel, politische Ziele zu erreichen, als vielmehr ein Mittel, den Bestand einer Partei als solcher zu sichern. Es ist sehr nützlich, wenn derartige Bekenntnisse von Zeit zu Zeit im ultraniontanen Lager selbst laut werden. Man wird sich ihrer bei der Beurtbcilung gewisser klerikaler Forderungen aus dem Gebiete der Schule, beim Iesuitcnantrag, bei der „römischen Frage" u. s. w. dank bar erinnern. Belgien ist bekanntlich daS Land der schärfsten poli tischen und socialen Gegensätze und eS ist nicht zu verwundern, wenn dort jüngst das Anarchistenlhuni sebr fruchtbaren Boden gewonnen hat. In diesem Lande. daS inan frübcr gern als den parlamentarischen Muslerstaat hin- zusiellcn beliebte, haben seit einer Reibe von Jahren die Ultramontancn die Zügel der RegicrunzSgewalt in den Händen, eS konnte somit die praktische Probe aus die viel fach erhobene Behauptung gemacht werden, daß die katho lische Kirche ein sicheres Bollwerk gegen die Ausbreitung der socialtcmokralischen und anaräii>rischcn Lehren sei. Nun, diese Probe ist vollständig mißlungen und die ultra- montane Partei in Belgien befindet sich heule thatsäwlich im Stadium deS BankcrottS. Bekanntlich haben in der belgischen Depulirlenkammer während der letzten Woche lebhafte Ver handlungen über die Revision der Verfassung bez. über die Erweiterung deS Wahlrechtes stattgefuiidcn. In Belgien konnte bisher nur Derjenige wählen, der mindesten- 43 Franken Steuern entrichtete. Nun sind wir auch kein Freund eines zu freien Wahlrechtes, da die Erfahrung gezeigt bat, daß daS allgemeine unbegrenzte Wahlrecht den Schwerpunkt in die ungebildeten Massen legt, wodurch für jedes geordnete StaatSwesen bedenkliche Gefahren hervorgerusen werden ; in dessen einen so hohen CcnsuS, wie er bisher in Belgien be stand, halten wir doch für ein Unding, und daö hat jcdensallS auck die große Mehrheit der belgischen Kammer gefühlt, indem sic für die Ausübung deS Wahlrecht« wesentlich freiere und günstigere Bestimmungen festseyte. Nun droht aber da« Werk der belgischen BerfaffungSrcvision an dem in der Hauptsache au« Klerikalcn zusammengesetzten Senat zu scheitern, dessen Ausschuß nach soeben eingehenden Nachrichten einstimmig die Herab setzung deS WahlcensuS abgelehnt und beschlossen hat, daß der Eensus auf der Stufe von 2000 Franken Einkommen verbleiben soll. Es droben also Belgien neue Stürme, weil nicht anzunehmen ist, daß die Liberalen und die Arbeiter sich bei der ablehnenden Haltung des Senats beruhigen werden. Dazu kommt noch der Umstand, daß im Lause der letzten Tage im belgischen Senat skandalöse Enthüllungen über daS in den Badeorten Ostende und Spaa ganz offen be triebene Hazardspiel stattgefunben haben (s. Näheres an anderer Stelle), wodurch das ohnehin schon so sehr beein trächtigte Ansehen deS belgischen Staates nur noch mehr leiben kann. Die Ministerkrisis in Rom scheint vor Freitag oder Sonnabend ihre Lösung nicht finden zu sollen. Daß Gio- litti auf Schwierigkeiten stoßen würde, war vorauszusehen, aber man hatte gehofft, die einzelnen Parteien und deren Führer würden schon aus Patriotismus dieses eine Mal wenigstens auf ihre gewohnten Intriguen verzichten. Diese Erwartung ist nicht in Erfüllung gegangen. Giolitti möchte alle Fractioncn der Linken im Cabinet vertreten sehen, zugleich aber der Rechten zwei oder drei Portefeuilles über lassen, damit auch diese an daS Ministerium gefesselt werden und so eine compacte Majorität wenigsten« für den Augen blick geschaffen werde. Damit aber scheint Nicotera ebenso wenig einverstanden, wie Imbriani und die Freunde Rudini'S; ja bis in die Umgebung Crispi'S werden Giolitti Schwierigkeiten bereitet. Giolitti selbst scheint vielen Dcpu- tirten nicht der rechte Mann, zumal er nicht gerade als cin Feuilleton. Gerettet. 31 Novelle von Alexander Römer. Nachdruck »rrkotku. (Fortsetzung.) Lisa stand und hielt der Mutter Hände, sie konnte sich in das Unerwartete nicht finden. Die ante, liebe Mutter! Wie auch ihre Augen glänzten, sie war so glücklich, ihr eine Freude schaffen zu können. Man bericth, man freute sich, cs war cin großes Ereizniß. Durch Lisa'« Kopf flogen eine Menge Gedanken. Sollte dcrDoctor wirklich ihr dieses Vergnügen mißgönnen? Waß konnte denn dawider ein zuwenden sein, wenn Alles so erreichbar gemacht wurde? vsie verstand es nickt, und eS war ihrem kindlichen Herzen, daS an dem Doctor bing, schwer, ihm gegenüber zu schweigen. Sie kam sich da unehrlich und unwahr vor. Sic sprach das auch aus, aber der Mutter und Angela'- Argumente waren zahlreich wie Sand am Meer, sie versicherten, die ganze Freute würde ins Wasser fallen, wenn sie nicht reinen Mund hielte. „ES gebt ihn gar nicht- an", wiederholte Frau Heloise, „Du kennst ihn ja noch nicht von allen Seiten, wir thun ihm nur Gute-, wenn wir seine schwerfällige Natur in Ruhe lassen." „Ob Herr von Linden auf deni Fest war?" dachte Lisa. „Natürlich — ob er sie erkennen würde? Sic sollten Alle eine MaSkc tragen. Nun — wenn, so konnte sic auf einem Balle ja ohne Bedenken mit ihm reden und doch einmal hören, was er ihr denn zu sagen habe." Der Tag deS Festes kam rasch heran. Lisa « Sorgen, ob sie den kranken Vater allein lassen könnten, waren auch beschwichtigt. „Ehe Du da warst, bat er oft allein sein müssen", sagte Angela. „Du hast ihn seither verwöhnt. Helfen kann ihm ja doch Niemand, er stöhnt kann nur die Wände an, anstatt unsere Ohren zu martern." principiellcr Vertreter einer reformatorischen SparsainkeitS- polilik gellen kann. Andere Anhänger, wie Gegner CriSpi«, wünschen, daß Giolitti« Ansiicngungen scheitern mögen, damit dann der König CriSpi den Auftrag zur Bil dung deS ncnen Cadinei« ertbeile. Nicotera beson der« soll in diesem Sinne noch immer wirken. ^Dic Rakicalen bezichtigen ihrerseits CriSpi, ein doppelte« Epiel zu treiben und Giolitti nnr scheinhar zu unlernntzen, wamenk er tbatsächlich seinen eigenen Antritt vorderem: Alle bekannt gegebenen sogenannten Ministerliilen sind nicht« ai« Kombi nationen oder besser OÜHlrr — man sontirl sich gegenteilig. Ebenso scheint c« mit den Meldungen über die Aufschiebung der Reise deö König- zu sieben. Wenigstens verlautet wirk lich Zuverlässiges auch hierüber nicht An zuständiger Liebe zuckt^ man mit den Achseln »nv will Nicht« wissen. Aber vssenbar sieben auä, hier die Dispositionen im Zusammen hang mit den gegenwärtigen inneren Schwierigkeiten. Zur Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten wird »n« au« New-Jork geschrieben^, dag die Opposition in republikanischen Krciten gegen die Erneuerung der Candidatur Harrison entschieden im Ziinebmen begriffen ist. Tbatsächlich sind es die Dclcgirtcn der End- slaatcn, welche für Harrison « Wahl entschlossen ciittrclen, gerade aber die Südstaate» sollen dabei am allerwenigsten »iS Gewicht. New-Aork, welche« schließlich von entscheidender Ein wirkung ist, sowiedie bedeutendsten Republikaner sink gegen Harri- son'S Wabl. Blaine hat bis ,etzt iedcCandidatur abgelebiil mit der Erklärung, er könne seinen Namen nicht cinslellcii lasse», bis sich die große Mehrheit der republikanische» Dc^cgirle» für ihn verpflichtet hätte. Darnach dürste Senator Sherman die meisten Chancen habe». Andererseits wird Robert Lincoln vielsack genannt und auch seineCankitaiur wäre nicht ganz aussichtslos. Troydkin zeigen Harrison« Freunde große Zuversicht und nach ihnen wären von den ooo Dclegirten der" Convention 328 für Harrison, nur '.0 für Blaine, 24 für Algcr und 408 gar nicht verpflichtet Blaine'S und Alger'S Freunde würden schließlich, so meinen die Anhänger Harrison'« weiter, doch für Harrison stimmen, welcher außerdem noch auf etwa 200 Stimmen »ichlvcr- pflichteter Dclegirter rechnen könne. Die weitere Enlwickelmig der Dinge im republikanischen Lager wird adzuwarten sein, vor der Hand ist die Einigkeit noch nicht hergestellt. Lisa fand Angela wieder sehr gefühllos und redete selb-r mit dem Vater. Er war sichtlich schwächer geworden, schon seit dem Monat ihrer Anwesenheit, wie eS sie dünkte. Er hatte trotz der Reden über den Gegenstand um ibn der noch nicht- begriffen, bis Lisa ihm langsam die Sache auS- cinandersetzte. „Geb Du nur", sagte er, „und freue Dick. Ein Künstler- fest, sagst Du? Ha! ich war einmal Narrenkönig auf einem solchen Fest — ist lange her — Narrenkönig — ja richtig, war eine lustige Rolle. Ich war aber schon damals nicht mehr lustig dabei. Jetzt denkt Niemand an mich — Nie mand." „Doch, Vater, sic haben Dir ja noch die Karten geschickt." „Mir, Karten? Unsinn, Kind, an mich denkt Niemand." Lisa schwieg, deS Vaters Geist war stumpf und ver geßlich. . * . I» langen Reihen hielten die Equipagen an der Ostra- Allce AuS jedem neuen, vor dem Gewerbehaujc vorfahrenden Wagen stiegen buntgeschmückte Insassen, welche in den dickt gefüllten Gängen und Garderobenräumen drinnen noch eine gute Weile unter Menschenknäueln stecken blieben, ebc sic bis zum prachtvoll geschmückten Festsaal vordrangen Die Künstlergesellschaft batte eS sich angelegen sein lasten, die Räume für ihr Fest würdig zu schmücken. Man war wie in ein Märchen au- Tausend und Einer Nackt versetzt. Mit Tannengrün, mit Lorbeer und Rosen, zwischen denen golddnrchwirkte Stoffe Herabbingen, waren die Wände be kleidet, orientalische Gewebe schloffen Nischen ab, in denen rolhc und blaue Ampeln ein magische« Lickt über weiße Marmorbilder warfen. Auf hoher, teppichbeleater Estrade war ein Thron errichtet» der den jugendlichen Herrscher rer Franzosen au- dem siebzebnten Iabrbundert aufnehmen sollte, den glänzende» Ludwig init der Allonge-Perrücke in edelstein- strahlender Hoftracbt Zu seinen Füßen sein prächtiger Hof staat. Ringsum dir wimmelnde Schaar au» allen Nationen und Zeitaltern Um sieben Uhr hielt der Wagen vor dem schmalen Hause in der Kleinen Sckießgaffe. Man wollte früh ankommcn, um einen guten Platz zu erobern, zum Schauen de« großen Deutsches Reich. ID Berlin, 11. Mai. DaS Hauplorgan der deutschen Anarchisten, die in London erscheinende „Autonomie", hat eine principiclle Schwenkung vollzogen. Es hat den reinen „Individualismus" verlassen und predigt jetzt die Organi sation. In dieser Hinsicht schreibt eS u A.: „Wir sind der Ansicht — und derselben ist wobl jeder vcrniiiifligc Mens h — daß nach dem Sturz de« bestehenden Auöbeule- shstemcö, soweit bi« jetzt abznsehcn, die Production mit vielleicht wenigen AuSnakmcn nur gemeinschaftlich betrieben werben kann, dieselbe gewissermaßen geregelt werten muß, d. h. daß sich die Mitglieder der verschiedenen Production«- gruppen mit einander darüber verständigen, welche Arbeit zcdcr Einzelne übernehmen will, und ebenso wird c« mit dem Verkehrswesen sein; eine solche Regelung beißt man aber auch — Organisation." Diese Erklärung de« an- archistiscken Organ« schlägt allen bisherigen Lehren über daS Wesen des Anarchismus in- Gesicht. Sic dürste neue Spaltungen in den Reihen der Anarchisten berbeisübren. Die „Autonomie" erscheint seit einiger Zeit nicht mehr wöchentlich, sondern nur vierzebnlägig, was auf einen erheb lichen Abonncntenrückgang schließen laßt. DaS genannte Blatt fordert zu immer weiteren Zcrstörnngswerlcn mit folgende» Worten aus: „Man führe sich nur einmal die Situation vor Augen, die ent- stünde, wenn es noch ein paar Wochen lang öfter krachte, sagen Zuge», wenn Seine Majestät König Ludwig XIV. seinen Einzug und Umzug hielt. Lisa naom Abschied von dem Vater. Er hatte heute viel niit Atbemnoth gekämpft, die Sorge um ihn trübte allein ihren Freudenrausch. Sic sah strahlend schön aus in dem einfachen Gewände nach griechischem Schnitt, leiht geschürzt an der linken Seile mit den Ketten, die vom Gürtel abliefen. Um den Hals batte sic das feine Goldkettcbcn mit dem Kren; geschlungen, welche- der Doctor ibr zur Eonsirmation gescbcnkt. Angela trug cin Zigcunercostiim, sic saben aus, als gekörte»' sic nimmer zusammen. Frau Heloise steckte in einem Rosa- Domino, die Kapuze mit Rosen besteckt. Ihre Hobe, impo sante Figur mußte überall bcrvorragcn. Aw sie unter viel Drängen und Schieben glücklich bis in den Saal gelangt waren, entfuhr Lisa cin Ausruf der Be wunderung Nein, wie herrlich war da«, wie secnbajt! Plötzlich süblte sie fick an der Hand ergriffen, neben >br stand eine schlanke Gestalt in langschößigcm. goldgesticktem Rock von weißem ÄllaS, init reichem Spitzenjabol und langen Manschetten, durch die Maske unter der gewaltigen Lockcn- perrücke blitzten sic cin Paar bekannte Augen an. „Fräulein Lisa! Welch' ein t^liick! Ich erkannte Sie sofort. Solch' eine Erscbcinuiicz gicbt cS nur eine im Saal. Kommen Sie, hier in diesem Cabinet, dort, wo die persischen Vorhänge die Figur des GroßvezicrS niiisiblicße», dort können Sie den Festzug am besten sehen. Ich sigurire nämlicb mit darin und muß Sie daher »ach kurzer Weile verlassen, bis Se. Majestät auf seinem Tbronc angclangt ist. Dann aber später — o Fräulein Lisa, Sic waren grausam, und doch — diese Stunde wiegt ja cin Leben aus" Lisa wußte gar nicht, wie ibr geschah. Wie batte er sie sofort herausgcsunden und erkannt, er konnte doch gar nicht wissen, daß sie da war. Sie blickte sich nach der Mutter und Angela um. Der Rosa-Domino schwamm in einiger Entfernung ,m Gewogc, die Zigeunerin tauchte aus ckne» Moment da unten unter der Menge aus. Sic waren schon actrenn,. der Menschenstrom keilte sich ohne Gnade zwischen sie. Ibr wurde plötzlich sehr angst. »Meine Mutter — oh! ich darf mich nicht von den > Memen trennen", sagte sie. wir nur in Pari« und anderen Städten Frankreichs. Schon nach den wenige» Ezviosionen i» Pari« sind ganze Viertel, von Bourgeois bewohnt, fast wce auSgesiorben. Nun denke man sich die Zahl der Erplosionrn verdopvclt oder noch vermehrsacht — und mit ihnen »inimt verbällninniäsiig der Schrecke» z» — wa« würde da« Resulial sein? Tie ganze EigenlbniiiSniente würde verschwinden, Fabriken »ud andere Geschasle würde» geschlossen und Tauiendc von Arbeitern ans« Pflaster geworfen. Fast die gan ze Einwohnerschaft wäre arbeits-nndbrodlos. Was bliebe ibr ander« übrig, als dir Fabriken und anderen OleschäslSlianser wieder zu öflnen nnd vbne die geflohenen Eapita- lisle» zuproducilen? Tann aber selbstverständlich nicht mehr für Andere, sondern inr scch selbst: die sociale Revolution wäre gemacht; und wäre inan i» einem Lande einmal so weit, dann müssen die anbeicii Länder bald folge»." Hier ist offen ausgesprochen, wa« die Anarchisten erstreben. — Ans'teni am nächsten Sonntag hier abznbalkeiiden brandcn- burgischen Parteitag der Socialtemokratie wirb die Lanka gitat ion eine hervorragende Rolle spielen. ES besteht die Absicht, eine straffe Organisation zu schaffe» lind Beruf« agitatorcn gegen feste» Sold anznslcllcn — Die hiesige» Zi »un er er sind noch weniger als die Maurer inalcriell in der Lage, in diesem Jahre einen Lvbnkamps zu beginnen, den» e« ist ihrer Lobnevinmissio» nicht gelungen, auch nur einen mäßige» Font« zusamnicnznhringen; die Sainmlungcn deckten kau», die Unkosten Viel Schuld hieran trägt die seit Iabrcn in den Reiben der Zinimeier herrschende Uneinigkeit; Localisten und Ceulralistcn hclämpsen einander beständig. C. II. Berlin, 1l Mai. Versammlungen von Arbeitslosen in Berlin um diese Zeit dürften wohl noch nicht vorgekonimcii sein; morgen, Donnerstag Vorinittacz, ist eine solche Versammlung cinbcrujen und zwar nach dem vLaalc der LipS sehen Brauerei. Tic Einberuser sind »»abhängige Socialistcn und da« Thema soll lauten: „Die wirtbschast- licken Krisen und die Arbeitslosigkeit" Es siebt außer allem Zweifel, daß die Arbeitslosigkeit in Berlin ,n Folge der schlechten wirtbschastlichen Verhältnisse augen blicklich eine ganz bedeutende ist, und die unabhängigen Socialisteu Kälten sicherlich nicht eine Versammlung nach einem so gewaltigen Saale einberuse», wenn sie nicht der Meinung wären, daß Schaarcn Arbeitsloser morgen zur Stelle sein werten. Aus socialdcmokratiscde Statisiilen ist bekanntlich wenig zu geben, und darum legen wir auch den Angaben socialdemokratischer Redner, daß immer noch 40 000 bi« .',<>000 Menschen in Berlin ohne Arbeit wären, recht wenig Wcrtd bei, aber notorisch ist cS, daß die Straßen, in denen um die füiislc Stunde Arbeitsnachweise und Zeitungen erscheine», wie besät mit Menschen sind; eö sind Hunderte und Hunderte, die da begierig aus da« Blatt warten, ans den Bauten ist ei» fortwährendes Fragen nach Arbeiten und die llntcrskiitznngsvercinc werten überlaufen. Die unabhängigen Svcialtemolralen glaube» nun, daß sic mit solchen Versammlungen wie die morgige die Arbeitslosen für sich gewinnen werde», und zweifellos wird c« an scharfen Angriffen gegen die „Satten" in der Partei nickt fehlen. Dieser Tage hieß eS, daß seitens einzelner Unabhängiger eine Ucbcrsichl der Reineinnahmen einzelner Fraclionssiihrer ge geben werken solle: mleressant durste da« werden, wenn gleich wir glaube», daß Bebel, Singer, Liebknecht nickt gerade den Herren Wilddcrger, Werner, Auerbach, Schweitzer genaue Einsicht in ibrc Verhällnisse gestatten werden, so das; also die erwartete Ucbcrsicht der Einnahmen schwerlich correct sein dürste. Wunderbar »imint cö sich bei der herrschenden Arbeitslosigkeit au«, daß die Streitlust wieder zu erwachen ansängt. In Rixdors (bekanntlich größter Vorort Berlin«) streiken circa 200 Weber; am vorigen Sonnabend wurden 1028 lliilcrslützungS- gcldcr auSgczablt Außer den Weber» sind noch von zavl- rcichen anderen Gcwerkichaslcn kleine Gruppen in Streik und au« den Berliner Arbeitern werden selbst in der stillsten Zeit Tausende von Mark siir — Streikende heran« gepreßt. Dabei herrscht die größte Vergnügungssucht. Daß unter Viesen Verhältnissen, sobald c« einmal an Arbeit mangelt, gleich Nothstand emtrilt, ist natürlich, und alle An- „Scicn Sic ganz rubig, ich wache über Sie", entgegnete er zuversichtlich. „Ich sichre Ihnen die Mutter wieder zu. Kommen Sie nur vorerst und nehmen Sic diese» Platz cm. Hat sich die Menschciificitb erst dahin ergossen, so ist eS zu spät, llcl'rigcn« dürfen Sic hier ohne Schutz und männlichcn Führer sich gar nicht in da« Gewühl wagen, hier nehmen Sic »icincn Arm, mich respcctirt man " Sic legte zitternd ihren Arm i» den seinen und sab zu ihm auf. Wie blendend sab er au«, wie cin Gott. Da« glitzerte Alle« von Perlen und Etclgestcin, und dabei tönte seine leise, von Zärtlichkeit turchbcbtc Stimme wie Sirenen gesang an ihrem Obr. „Wollen Sic die Mutter suchen »nd auch hierher bringen?" sagte sic bittend, „aber sic kenne» sic Wohl kaum." „Doch! dock — da der rotbc Domino, ich sab Sie ja zu sammen cintrctcn." Sic standen in dem persischen Gemach hinter dem dicken Großvczicr Arthur lüftete die MaSkc. Sein Gesicht war erregt, er sab prächtig au«. „Lisa! Lisa!" stammelte er, „ich bin berauscht von dem Glück, Sic zu sehen, Ihre Hand zu halten." Er beugte sei» Knie vor ibr ünd küßte den Saum ihres Gewände«. „Wie schön, wie unaussprechlich schon sind Sie!" „Ich trage ja eine MaSkc, Sic seben mich ja gar nicht", sagte sic lachend „Ich (che Sie, Ihre süße Gestalt — Ibr Antlitz ist vor mir bei Tag »nd bei Nacht, mit ekcrnem Griffel in meine Seele gegraben" „Sie sind überschwänglich — Sie treiben Ihren Spott mit mir." „Lisa! Bei Gott und meiner Seele Seligkeit — ich habe Ovalen der Hölle anSgcsianten fern von Ibnen E« giebt Mächte, die unüberwindlich sind — e« gicbt Bande, die un zerreißbar sind, wir sind ihnen Beide veZallen. Leugnen Sie e« mir nicht, ich weiß eö — Sie gehören zu mir, unsere Seelen haben einen Schlag." DaS slutbete so über Lisa bin, sie war wie betäubt. Und doch rieselte ein Strom nngckannter Wenne »nd Seligkeit durch ihre Acer» — er lag noch immer aus den Knien uni»
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