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Deutsche allgemeine Zeitung : 22.02.1854
- Erscheinungsdatum
- 1854-02-22
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id799109797-185402223
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id799109797-18540222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-799109797-18540222
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDeutsche allgemeine Zeitung
- Jahr1854
- Monat1854-02
- Tag1854-02-22
- Monat1854-02
- Jahr1854
- Titel
- Deutsche allgemeine Zeitung : 22.02.1854
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Mittwoch. ÄliPziH. Di« Zeitung rlscheint mit Ausnahme des Montag» täglich und wird Nachmittag« -1 Uhr aut- gegeben. Preis für da« Viertel, jahr I'/r Lhlr., jede ein» zelne Nummer 2 Ngr. — Nr. 45. 22. Februar L8S4. Drutschc Mgmriit Zcitmig. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des Zn- und Bu-lande«, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). LnsertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Preußen, Deutschland und die orientalische Frage. — Leipzig, 20. Fkbr. Preußen, so sagten wir schon in den ersten Sta dien des nun bereits ein volles Jahr andauernden europäischen Conflicts und haben es seitdem mehr als einmal wiederholt, Preußen hat den Schlüs sel der ganzen Situation in der Hand und damit eine Verantwortlichkeit von weltgeschichtlicher Bedeutung auf sich. Spät, aber endlich doch scheint man auch in Berlin zu dieser Erkenntniß gekommen zu sein. Das seit mehr denn 40 Jahren bestehende, einer Wandlung fast unfähig geglaubte Berhältniß zu Rußland ist, wie es scheint, in dem Augenblicke erschüttert worden, wo Rußland, zu fest auf jene Unwandclbarkeit bauend, demselben eine dergestalt bindende Form zu geben versuchte, welche die staatliche Selb ständigkeit Preußens mit Vernichtung bedrohte. Das preußische Bewußt sein, das Gefühl, daß Preußen noch etwas Anderes sei und bleiben müsse als eine russische Commanditc, regt sich nun schon nicht mehr blos im Volke, wo es längst mit aller Entschiedenheit lebendig war, sondern auch in den obern Regionen und, wenn nicht Alles täuscht, selbst an maßgebender Stelle. Einen öffentlichen Ausdruck der veränderten Stimmung dieser Kreise findet man in dem neuesten Artikel der «Zeit» (Nr. 41), deren bisherige Beziehungen zu dem preußischen Ministerium ihren Erklärungen eine mehr als gewöhnliche Bedeutung verleihen. Der Artikel spricht, und dies in einem Tone, der keine doppelte Auslegung und kaum eine Zurücknahme zulaßt, die entschie dene Ansicht aus, daß Preußen irgendwelchen Foderungen und Bestrebun gen Rußlands, welche die territoriale oder politische Integrität der Psorte und damit den allgemeinen Slatusquo in Europa bedrohten, in keiner Weise Vorschub leisten dürfe; er bezeugt, daß an der Stelle, von wo die Kund gebungen der «Zeit» ausgehcn, man endlich ein deutliches Bewußtsein der weitgreifenden Plane Rußlands und der von daher dem preußischen Staate drohenden Gefahren erlangt habe. „Preußen kann kein Jnttresse daran ha ben, Konstantinopel und Kopenhagen in Rußlands Besitz zu sehen", damit ist der Lebenspunkt der gegenwärtigen Verwickelung für Preußen scharf und klar bezeichnet und zugleich, sollte man meinen, die allein mögliche, die nothwendige Politik, welche Preußen inmitten dieser Verwickelung zu verfol gen hätte. Leider aber finden wir in diesem zweiten Punkte die Aeußerun- gen der «Zeit» viel weniger bestimmt und unzweideutig als in jenem ersten. „Preußen", wird gesagt, „soll sich zwar nicht Rußland in dessen Vorgehen gegen die Türkei anschließen, allein damit soll für jetzt noch nicht gesagt sein, daß Preußen eine kriegerische Stellung gegen Rußland einzunehmen hat." Man hält es für ausreichend, wenn „Rußland weiß, daß es auf Preußens Beistand nicht rechnen kann, daß es vorläufig nichts von ihm zu erwarten hat als strengste Neutralität", und man gibt sich der Hoffnung hin, dieses Bewußtsein werde in Petersburg „die Ueberzcugung von der Verwerflichkeit des begonnenen Kampfes, von der Zweifelhaftigkeit des Aus gangs desselben erwecken", werde Rußland veranlassen, „den Weg des Frie dens einzuschlagen". Wir können in der hier empfohlenen Politik nur eine Halbheit und zwar eine für Preußens Ehre und Machtstellung, für die Sicherheit Deutsch lands und den Frieden Europas gleichermaßen gefährliche Halbheit erblicken. Wie? man erkennt an, daß die Plane Rußlands nicht blos das allgemeine Gleichgewicht Europas, sondern ganz speciell Preußens Lebensinteressen be drohen— und man will ruhig zusehen und abwarten, ob andere Mächte (die kaum so unmittelbar bei dem Vorrücken Rußlands nach dem Westen bctheiligt, mindestens nicht wie Preußen in ihrer ganzen Machtstellung, ja in ihrer Existenz dadurch bedroht sind) durch ihr handelndes Einschreiten jene Plane vereiteln werden? Ist das die Stellung, welche einer Groß macht zukomml? Heißt dies nicht, seinen Sitz im europäischen Areopag aufgeben und aus der Reihe der die Geschicke dieses Wclttheils ordnenden und entscheidenden Mächte zurücktretcn auf den bescheidenern Platz der Staaten zweiten und dritten Ranges? Preußen hat an dem Vermitte- lungsgeschäft der Wiener Conferenz theilgenommcn, und mit vollem Recht erinnert die «Zeit» daran, „daß die Beschlüsse dieser Conferenz auch durch Preußen mit gefaßt sind, daß es also für Preußen an und für sich eine politische Ehrensache ist, an diesen Beschlüssen festzuhallen". Sehr wahr! Aber genügt denn, um dieser „Ehre" gerecht zu werden, ein Festhalten an jenen Beschlüssen mit leeren Worten und thatlosen Wünschen? Wird da durch abgewendet, was die Wiener Conferenz und mit ihr Preußen abwen- dcn wollten, was, wie die «Zeit» wiederum sehr wahr bemerkt, niemals „eine richtig erkannte preußische Politik" zugebcn kann: die Ucberlicfcrung der Türkei an Rußland, die Gefährdung oder Zerstörung ihrer Selbstän digkeit durch Foderungen gleich den Mcntschikow'schen? Angenommen, die Westmächte hätten nicht die Türkei thatkräflig unterstützt, die letztere hätte nicht in sich selbst und in jener Hülfe die Mittel und den Nachdruck zum bewaffneten Widerstande gegen Rußland gefunden — würden wol die papiere nen Protokolle der Wiener Conferenz, oder die noch so energisch geschriebe nen Artikel der «Zeit», ja würde selbst das „Bewußtsein, daß cs auf Preu ßens Beistand nicht rechnen könne", Rußland abgehaUcn haben, seine Fo- derungcn weiterzuversolgen und endlich, mit Gewalt oder durch Drohun gen, durchzusctzcn? Und wie wird Preußen bei dem nun wirklich ausgebrochcnen Conflicte Rußlands mit den Westmächten die hier angekündigte strenge „Neutralität" aufrcchtcrhalten können? Die Westmächte, denen man wahrhaftig nicht schuld- geben kann, daß sie den Krieg hervorgerufen, die vielmehr — man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren lassen — bis an die äußersten Grenzen der Versöhnlichkeit und Nachgiebigkeit gegangen sind, ehe sic das Schwert zo gen: die Westmächtc werden, wenn Rußland durchaus keinen Vorschlägen im Geiste deo Friedens und des europäischen Gleichgewichts Gehör geben, sondern die Entscheidung der Sache um jeden Preis auf die Spitze der Waffen stellen will, den Krieg mit größter Energie, mit dem Aufgebote aller ihrer Kräfte und Mittel führen müssen. Es wäre Unsinn, ihnen einen Vorwurf daraus zu machen, wenn sie, durch Rußlands Hartnäckigkeit ge zwungen, daS für ihre Länder so schwere und kostbare Opfer einer Unter brechung des Friedens, des Verkehrs, der ruhigen Entwickelung ihrer Cul- turinteressen auf unbestimmte Zeit hinaus bringen, nun auch die Sache zu einer Entscheidung hinauözuführen versuchen, welche Rußland auf längere Zeit die Lust benehmen soll, den europäischen Frieden zu stören; es wäre Unsinn, von ihnen zu verlangen oder zu erwarten, daß sie sich lediglich auf die Defensive gegen Rußland und auf den von diesem gewählten Kriegs schauplatz beschränken, nicht auch ihrerseits dasselbe da angreifen sollten, wo es am leichtesten verwundbar ist. Schon rüsten England und Frankreich eine Expedition in die Ostsee, gegen die russischen Häfen, vielleicht gegen die russische Hauptstadt selbst und die andern Küstenstädte. In Rußland scheint man einen solchen Angriff zu erwarten. In diesem Falle aber können die Westmächtc sich nicht mit einer Neutralität Preußens, vollends einer „be waffneten", begnügen, bei welcher Preußen „sich sein freies Handeln vorbc- hält", d. h aus welcher es jederzeit zur bewaffneten Theilnahme am Kriege nach der einen oder andern Seite übergehen kann. Sic können cs nicht darauf ankommcn lassen, daß Preußen, plötzlich auf die Seite Rußlands sich schlagend, ihre Landungstruppen in die Flanke fasse, vielleicht vom Meere abschneide. Rußland kann noch weniger, wenn es auf dieser Seite angegriffen wird, in seiner Flanke eine Neutralität dulden, von der es jeden Tag gewärtigen müßte, sie in Feindseligkeit übergehen zu sehen. Preußen wird also früher oder später zu einer bestimmten Parteistcllung gedrängt werden; aber es wird dann vielleicht schon belastet sein mit der Verant wortlichkeit für einen Krieg, den cs durch früheres entschiedenes Auftreten hätte verhindern können, und es wird an seinem Einflüsse einbüßcn, wenn es nur einem äußern Drange, nicht dem eigenen freien Entschlusse und dem Bewußtsein seiner Pflicht als europäische, als deutsche Großmacht folgt. Zweierlei haben wir mit bcsonderm Bedauern in dem Artikel der «Zeit» vermißt: eine Bezugnahme auf Preußens deutsche Stellung und eine Be rufung an die Stimme der Nation, an den gesetzlich ausgespro chenen Willen des Landes. In dem ganzen Artikel ist von Deutsch land nicht mit Einem Worte die Rede, und doch kann Niemand darüber zweifelhaft sein, daß ebenso wie die speciellen Interessen Preußens die all gemeinen deutschen von dem obschwcbenden Conflicte aufs tiefste berührt werden. Solange man in den staatsmännischen Kreisen zu Berlin Preu ßens Stellung gesondert von der des übrigen Deutschland, mit gleichgülti gem Absehen von dieser lctztern betrachtet, solange wird Preußens Politik sich niemals auf jenen freien und hohen Standpunkt erheben, welcher der weltgeschichtlichen Bedeutung des großen Moments und seiner unabsehbaren Wichtigkeit für Preußens und Deutschlands Zukunft entsprechend wäre. Ganz ebenso verhält es sich mit der Jsolirung der officielleu preußischen Po litik nach innen, mit ihrem Sprödethun gegen die öffentliche Meinung und das allgemeine Volksbewußtsein. Es muß den Freunden eines „starken Preußen" eigenthümliche Betrachtungen und Empfindungen erwecken, wenn sie sehen, wie in England alle Documente über die auswärtige Politik der Regierung in der schwebenden Frage dem Parlament und der Nation voll ständig und mit größter Oeffentlichkeit vorgelegt werden, wie selbst die an solche Nothwendigkeiten des parlamentarischen Systems nicht gebundene fran zösische Negierung wenigstens dem Lande gegenüber, durch die Presse, ein Gleiches lhut, während in dem der Ferm nach ebenfalls constitutionellcn Preußen der dichte Schleier diplomatischen Geheimnisses fast Alles verhüllt, was die Negierung zciiher in einer für Land und Volk vcrhängnißvollcn Angelegenheit gcthan hat: ein Schleier, an den selbst die eben versammel ten Kammern nicht zu rühren wagen — gleich als wäre die prcußfiche Na tion und ihre verfassungsmäßige Vertretung nicht fähig oder würdig, ihre Stimme da abzugcben, bekräftigend oder abrathcnd, wo cs sich um die höchsten Lebensintercssen, nicht des Throns allein, sondern der ganzen Na-
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