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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991004026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899100402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899100402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-04
- Monat1899-10
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags - Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Lelpzk» M. Mittwoch den 4. October 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. October. „Die preussische innere Politik bietet gegenwärtig ein wahrhaft abstoßendes Schauspiel dar; um des Ansehens unseres Staates und um der Bewahrung unseres öffentlichen Lebens vor heilloser Entwürdigung willen ist der Ausbruch eines reinigenden Gewitters dringend zu wünschen." Sv schreibt die National-Zeitung" und so häufig der Politische Bühncngeschmack dieses Blattes nicht der unsrige ist, in diesem Augenblicke müssen wir ihm beistimmen. DaS einzige die neuesten Vorgänge richtig bezeichnende Wort gehört leider nicht der Schriftsprache an und es ist ein schwächliche Um schreibung, wenn man sagt: die Führer der conservativen Partei Preußens treiben ein dreistes Spiel mit den Rathen des Königs und nicht nur mit diesen. Nachdem sie eine Weile wegen Maßregeln, die der Ministerrath unter dem Vor sitze des Monarchen beschlossen, den F ü r st e n H o h e n l o h e in zügelloser Weise angegriffen und eins ihrer Blätter sogar dieser, Minister durch ein falsches Eitat verleumdet halte, beliebte cs ihnen eine Weile, Herrn v. Miquel zur Ziel scheibe zu nehmen. Hierauf fanden sie es spaßhaft, durch wenige Tage die Lehre von der uugetheilten und gleichen Verant wortlichkeit aller Minister für Beschlüsse eines Kronratheö anzuerkennen, und jetzt kehren die allen, mit deutlichen Drohungen vermischten Anfeindungen des Fürsten Hohenlohe wieder. Die „Eons. Corr." schreibt in einem Artikel, von dem unS gestern nur der Schluß bekannt war: „Wir können in der Thal die feste Versicherung abgeben, daß die Conservativen nach wie vor Herrn v. Miquel in seiner hoffentlich trotz aller Anstürme doch noch erfolgreichen „Sammlungspolitik" kräftig unterstützen werden; stellt diese Politik doch den Ausfluß des besonders in der conservativen Bevölkerung freudig begrüßten „Bielefelder Programms" Lar. Der Person des Herrn Vicepräsidcnten des Staatsministeriums die hauptsächliche Verantwortung für die bekannten, bcklagenswerthen Regierungsniaßnahmen gegen unsere Partei zuzuschreiben, ist unzu lässig; zu dieser Annahme steht die bekannte Drohung des Herrn Ministerpräsidenten in der dritten Lesung der Canal vorlage in einem zu schroffen Widerspruche. Tie „Berliner Corre- spondenz" hat zwar versucht, der in dem Rechenschaftsberichte der conservativen Partei, betreffend das Pcoject deS Rhein- Clbe-CanalS, hervorgehobencn Thatsache zu widersprechen und die in jener Erklärung des Fürsten zn Hohenlohe ent haltene Drohung in Abrede zu stellen: damit wird aber Las nackte Factum nicht aus der Welt geschafft. Es genügt unseres Erachtens, um den drohenden Charakter der bezüglichen Aeußerung sestzustellen, vollständig, wenn wir daraus Hinweisen, daß wenige Tage nach der Abstimmung über die Canalvorlage, die bekanntlich unmittelbar nach der Rede des Herrn Ministerpräsidenten erfolgte, zwei Regierungspräsidenten, rin Hilfsarbeiter im Cultusministerium und 18 Landräthe, die es mit ihrer Ueberzeugung nicht vereinbaren konnten, für den Entwurf zu stimmen, zur Disposition gestellt worden sind. Daß Lies lediglich wegen der Abstimmung der be treffenden Beamten geschehen sei, wird man ebenso wenig bestreiten können, wie die Thatsache, daß die Erklärung des Fürsten zn Hohen lohe eine Drohung enthalten habe. Wenn nun auch Lurch derartige Regierungsmaßnahmen in der conservativen Partei eine wahrlich gerechtfertigte Erregung hervorgerufen ist, so wird die Partei dennoch nach wie vor jede Vorlage — auch die Canalvorlage — ihren Grund sätzen getreu rein sachlich behandeln. Bis jetzt ist hinsichtlich deS Canalprojects der Versuch noch nicht gemocht worden, die sachlich begründeten Bedenken, die in dem erwähnten „Rechen- schaftsberichte" kurz und klar zusammengestellt sind, sachlich zu widerlegen; eine Aenderung in der wohlerwogenen Haltung unserer Partei wird also, wofern nicht neue Gesichtspuncte hervortreten, die geeignet sind, einen Wandel herbei zuführen, nicht kurzer Hand erwartet werden dürfen. Wir wiederholen jedoch, daß sich die konservative Partei von keiner Seite von ihrem bisherigen sachlichen Verhalten abdrängen lassen und nach wie vor treu und ergeben zur Krone stehen, die Macht stellung der Krone vor jeder Minderung bewahren und unter ihrer Führung die Umsturzpartei bekämpfen wird." DaS ist nicht nur dem Inhalte, sondern auch den Worten nach dasselbe, was anfänglich gegen den Fürsten Hohenlohe vorgebracht wurde. Auch die Anerbietung konservativer Hilfe gegen den Umsturz kehrt in dem ursprünglich gewählten Zusammenhänge wieder und verdient nunmehr gerade so viel Vertrauen in ihre Aufrichtigkeit, wie jetzt noch die Versicherung beanspruchen darf, die Episode der conservativen Miquelhetze sei von anderen als conservativen Partei politikern veranlaßt worden. Das conscrvative Treiben fördert den Umsturz, indem es durch ein geflissentliches, sportsmäßiges Anrichten von Verwirrung die Autorität zerstören hilft. Neben dem drohenden Satze klingen die Loyalitätsversicherungen der „Cons. Corr." um so höhnischer, als außer der Bielefelder Rede bekanntlich auch eine Dort munder Rede cxistirt. Wir sind neugierig, ob sich das sächsische „Vaterland" nicht auch über diese Leistung der führenden preußischen Parteigenossen vom wirklich conserva tiven Standpunkt aussprechen wird. Zu den verschiedenen illoyalen Absichten, die dem neuesten conservativen Vorstoß zu Grunde liegen, gehört unverkennbar auch die, den Schein zu erwecken, als ob zwischen dem Fürsten Hohenlohe und Herrn v. Miquel Differenzen beständen. Man bauscht zu diesem Zwecke schon seit einigen Tagen auch eine lächerliche Geschichte von der Wicvergabt eines, bedeutungslosen Zeitungsartikels in einem officiösen Blatte auf. Diesen verführenden Treibereien kann selbst unter den gegenwärtigen preußischen Negierungsverhältnissen wirksam enkgegengetrelen werden, und dies muß geschehen, wenn daS Vertrauen einiger maßen wiederkehren soll. Mit einem halbamtlichen „Entre- filet" würde freilich nichts auSgerichtet werden, cs bedarf einer Thal, um wenigstens zu zeigen, daß unter den beiden poli tischen Räthen des Kaisers und Königs die grundsätzliche Uebcreinstimmung fortbesteht, die am Tage der Beamten maßregelungen in die Erscheinung getreten ist. Muß etwas Derartiges geschehen, so muß ein Anderes unterbleiben. Eine abermalige officiöse Widerlegung der conservativen „Gründe" gegen den Canal wäre ein Zeichen der Schwäche und würde nur zur Erhöhung deö agrarischen UebermutheS beitragen. Die Heuchelei unserer Toeial-emokratie hat durch den Magdeburger Majestätsbeleidigungsproceß und durch das Gerichtsverfahren gegen die „Harmlosen" Ge legenheit zu neuer herrlicher Offenbarung erhalten. In Bezug auf den erstgenannten Proceß, in dem bekanntlich der social demokratische Abgeordnete Schmidt zu drei Jahren Ge- fängniß verurtheilt wurde, schreibt die „Sächs. Arbeiterztg.": „Dieselben Blätter, die jahrelang — und mit Recht — sich er eiferten über den an Alfred Dreyfus verübten Justizmord, die tagaus, tagein spaltenlange Privattelegramme über den schändlichen Rechtsbruch in Frankreich brachten: über das Magdeburger Urtheil wissen sie kein armseliges Wörtlein zu sagen. Frei lich: dies Urtheil betrifft ja auch keinen reichen französischen Officier, sondern nur einen einfachen deutschen Arbeiter vertreter." Darüber, daß daS über DreyfuS in NenneS gefällte Urtbeil mit dem in Magdeburg über Schmidt gefällten in keiner Hinsicht vergleichbar ist, ist die „Sächs. Arbeiterztg." gewiß selbst nicht in Zweifel; denn während sich Schmidt in selbstverständlicher Erfüllung einer Anstandspflicht selbst zu einer That bekannte, wegen deren nach Gesetz und Reckt durch seine Schuld vorher der Sitzredacteur Müller zu einer nocli härteren Strafe verurtheilt worden war, stand in NenneS vor den Schranken ein Mann, der seine Unschuld beharrlich betheuerte, der Oeffentlichkeit als unschuldig gelten mußte und sicherlich auch seinen Richtern schuldlos erschien, da sie ihm sonst nicht mildernde Umstände bei dem angeblichen LandeSverrath zugebilligt hätten. Nur die Absicht, die Massen zu verhetzen, kann die „Sächsische Arbeiterztg." veranlassen, bei einer Gegenüberstellung der Processe von Magdeburg und Rennes den „reichen Officier" gegen den „einfachen Arbeiter-Vertreter" auSzuspielen. Und der gleichen Absicht muß sich der „Vorwärts" bewußt sein, wenn er den Proceß gegen die „Harmlosen" als Anlaß zur Erweckung deS Anscheins benutzt, daß nur die vornehmsten Kreise der Spielsucht verfallen seien. Wie sehr auch in Arbeiterkreisen die Spielwuth verbreitet ist, davon kann man sich an den Lohntagen in vielen Gastwirthschaflen hinlänglich überzeugen. Es ist noch nicht lange her, daß der „Vorwärts" von einem Charlottenburger Maurer berichtete, der sich im Hazardspiel von einem Falschspieler den gesammten Wochen lohn abnebmen ließ. Und in welcher Weise die Arbeiter auch an den Rennwetten theilnebmen, darüber schrieb der „Vorwärts" am 6. April d.I. wörtlich das Nachstehende: „Es muß übrigens betont werden, daß selbst Arbeiter an Renntagen die Arbeit versäumen, um sich an dem häßlichen Schau spiel in Karlshorst zu weiden und womöglich ihre sauer verdienten paar Pfennige in irgend einem jener Wettbureaux anzulegen, die zu Dutzenden in der Gegend etablirt sind." Daß aber auch gewerbsmäßige Glücksspieler in der Arbeiterclasse zu finden sind, darüber kann man sich aus dem „Vorwärts" vom 23. März d. I. unterrichten. Am genannten Tage schrieb das socialdemokratische Centralorgan wörtlich daS Nachstehende: „Zwei gewerbsmäßige Spieler werden augenblicklich vom Untersuchungsrichter am Landgericht I durch Steckbrief gesucht. Es handelt sich um einen Arbeiter Emil Frabowski aus Friesack und einen Bäcker und Koch Franz JostieS ans Nemmersdorf. Beide besuchten fleißig die Rennbahnen, spielten dort die Buchmacher und hatten Glück. Frabowski knüpfte auch Beziehungen zur „Spieler- Marie", einer in Spielerkreisen nicht unbekannten Dirne, an? Vor einem Vierteljahr machten die Freunde einen Hauptjchlag, der ihnen 4000 ./L an einem Tage einbrachte." Wir sind weit davon entfernt, die Spielsucht im All gemeinen und die der „Harmlosen" im Besonderen auch nur im Mindesten zu entschuldigen. Aber die Kreise, denen die „Harmlosen" entstammen, allein als der Spielsucht verfallen auszugeben, widerspricht den Thatsacken. Die obigen Citate aus dem „Vorwärts" beleuchten schlagend die wirklichen Zustände. Ueber die Beziehungen Griechenlands zu Deutschland wird uns aus Athen als Auffassung dortiger politischer Kreise geschrieben: Die unrichtigen und übelwollenden Auslegungen, welche die neuerliche Annäherung Griechenlands an Deutschland in der französischen und englischen Presse gefunden hat, konnten in Athen keinen tieferen Eindruck Hervorrufen. Vielmehr haben die griechischen Blätter aller Parteirichtungen in dieser Frage eine sehr klare und tactvollc Haltung gezeigt, so daß irgend eine falsche Auffassung nirgends Boden finden konnte. Die engeren Be ziehungen zwischen Berlin und Athen fallen zusammen mit dem stärkeren Heroortreten des Kronprinzen Constantin, der ja per sönlich dem Berliner Hofe näher steht, als König Georg. Es ist jedoch müßig, deshalb von einem Gegensatz zwischen dem Kron prinzen und dem König zu sprechen. Letzterer hat sich, wie man weiß, niemals in besonderem Maße der Leitung des Heerwesens gewidmet, und es ist daher ganz natürlich, daß er jetzt die An gelegenheit des Heeres und der Flotte dem Kronprinzen über lassen hat. Die Fragen der Landesvertheidigung aber fallen ihrer Natur nach für Griechenland mit den Fragen der aus wärtigen Politik zusammen, und so ist zu erwarten, daß sich auch diese nunmehr eng an Deutschland anlehncn wird. — Auf die Frage, wie sich die deutsch-griechische Freundschaft in politi scher Beziehung bethätigcn könne, antwortet man hier in folgen der Weise: „Deutschland hat wichtige Interessen in Klein asien zu vertreten, die in politischer Beziehung von Ruß land und in wirthschaftlicher Beziehung von England be kämpft werden. Dagegen kann Deutschland daselbst zwei werthvolle Bundesgenossen gewinnen: die türkische Rcgierungsgewalt und die christlich-griechische Bevölkerung des Landes. Das Griechenthum in Kleinasien wird in Anlehnung an die dortigen deutschen Unternehmerkreise seine Stellung wesentlich befestigen, und die Türkei hat weder von den Deut schen, noch von den Griechen in Kleinasien irgend etwas zu be fürchten. Das Hellenenthum sieht in dem vordringenden Slawenthum einen weit gefährlicheren Gegner, als in der Türkei; und sollte cs zu einem größeren Kampfe im Orient kommen, so würde die griechische Armee, wenn sie inzwischen zu einem be- achtenswerthen Machtfactor gewar^n iss viel eher an d--r Sefte der Türken, als gegen dieselben kämpfen." Ueber die Laue in Tüdufriku verbreitet das „Neutcr'sche Bureau" folgende überraschende Meldung: Bloemfontein, 4. Oktober. (T el c n r a >» m.) Nach einer Drahtnachricht des Landdrostcn von Bo,Hof haben die englischen Truppen bei Kimberley die Grenze des Oranje - Freistaats über schritten. Sollte sich diele Meldung bestätigen, so wäre die erste kriegerische Operation eine Irreführung der Boeren. Diese batten, und alle Welt mit ihnen, angenommen, die Engländer würden die Initiative erst nach dem Eintreffen der gesammten für Südafrika bestimmten Streitkräfte ergreift» und dann über Natal via New Castle-Volksruit einzudringen suchen. Gleichzeitig erhalten wir folgende Meldung: * London, 4. Lctober. (Telegramm.) Ter „Standard" berichtet aus Newcastle vom 2. d. M.: Tie Vorwärts bewegung der Streitkräfte der Boeren, die die Grenze von Natal bedrohte, ist plötzlich ins Stocken gerathen. Tie Mehrzahl der Burghers, die sich auf den Höhen nordöstlich und östlich von Natal angesammelt hatten, ist nach ihrem ursprünglichen Stntzpuucte bei Sandspruit zurückqegangen. Ter Berichterstatter Les „Standard" hebt hervor, eine zahlreiche Streitmacht könne sich nn Leuilletsn. Auf freien Lahnen. 3s Roman von Rudolf von Gottschall. Naibdruck verboten. Sie ruhte sich zuletzt auf einem Schaukelstuhl aus, den sie indeß in lebhafte Bewegung setzte. Sie war nicht ohne Reiz, die junge Baronin, und bei oberflächlicher Beobachtung konnte man leicht ein poetisches Frauenbild in ihr sehen: über ein Ge sicht von zierlichem Oval hob sich ein blonder, etwas aufge- thürmter Haarbau, dessen Ueppigkeit leicht in Verwirrung ge- rieth; um die Lippen schwebte ein angenehmes Lächeln; die Gssichtszüge waren fein und zierlich, wie die ganze Figur; man sagte sich, das ist ein liebes süßes Weibchen, ganz geeignet, um in einem traulichen Ehenest ein dauerndes Glück zu begründen. Doch wenn man etwas näher hinsah, da entdeckte man Mancherlei, was «in« so günstige Meinung Lügen strafen mochte. Die oben etwas vorgebaute Stirn deutete auf Eigen sinn; wmn sie Vic Lippen zusammenpreßte, da lag etwas darin wie rücksichtslose Energie, und vor allem hatten die blaugrauen Augen etwas Kühles und Scharfes, was bisweilen feindselig hervortrat, und die zarten Elfenfüßchcn konnten oft gehörig auf- ireten, wenn die ganze duftige Gestalt von heftigen Gemüths- wallungen bewegt wurde. Wenn der Baron vielleicht geglaubt hatte, sich mit diesem elfenhaften Wesen auf eine Blumenschaukel zu setzen und sich so durch'» Leben zu wiegen, so ist er jedenfalls früh genug getäuscht worden, und die süß: Lichtekfe verwandelte sich in ein« bos« Nachtmahr — hatte sie doch auch die zusammen gewachsenen Augenbrauen, an denen man die unheimlichen Geister erkennt. Doch sie ivaren dünn und licht und gaben so den Zügen keinen düsteren Ausdruck. Es dauerte lange, bis der Bediente den Inspektor Bärmann anmMdcte; er hatte ihn nicht zu Hause angetroffen, sondern mußte ihn erst in dem Wirthshauswinkel aufsuchen, wo er einsam ein Glas Bier zu trinken liebte. Der Umgang mit anderen war ihm unbequem; er hatte sein« besten Gedanken, wenn er so allein saß, er genoß oft so viel des edeln Gerstensaftes, daß das Schankmädchen sich bei der Berechnung der Gläser verzählte, doch er half nicht nach — wenn es zu seinem Vortheil war. „Herr Bärmann", sagte die Baronin, indem sie sich ein wenig in dem Schaukelstuhl in die Höhe richtete, „mein Mann ist wieder über's Feld geritten." „Wirthschaftliche Besorgungen, gnädige Frau!" „Danach will ich eben fragen; alles Andere ist mir gleichgiltig und würde mich wenig interessiren; doch mir scheint, daß der Etat mit solchen vielleicht überflüssigen Ankäufen allzu sehr be lastet wird." „Es sind Capibalanlagen, di« sich gut verzinsen." „Man muß dies verhindern; der landwirthschafbliche Betrieb wird dadurch nur erschwert, und Vieles ist Modesache, und der eine Gutsherr will nicht hinter den anderen zurückstehen, damit sie bei der nächsten Scatpartie renommiren können: „Das hab' ich auch! Meine Dreschmaschine kostet mich so und soviel Mark" und damit der hohe Preis den anderen recht imponirt, werden die Wenzel dabei mit besonderer Kraft auf den Tisch getrumpft." Bärmann konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken aus Dienstwilligkeit gegen die Dame des Hauses und aus Bös willigkeit gegen den Schloßherrn. „Mir scheint", suhr die Baronin fort, „es herrscht «in zu großer Stil in uns«rer GutSverwaldung, und ich muß das Alles ruhig mit ansehen, obschon ich doch selbst mit dabei betheiligt bin mit meinem Vermögen. Das Vermögen der Frauen wird ja, wie Sie wissen, bei der Ehe gleichsam vom Mann gekapert; solch' «in Heirathscontract ist ein förmlicher Kaperbries; man belegt unser Gold mit Beschlag und macht damit, was man will." „Ich bin in Bezug hierauf ganz schuldlos", versetzte Bär mann, „meine Frau hatte wenig Vermögen, und das Wenige, was meine Tochter besitzt, werd« ich schon durch einen Ehevertrag sicher zu stellen wissen." „Die kleinen Laute sind darin sehr vorsichtig — entschuldigen Sie, Herr Bärmann, doch mit solchen Geldmächten, wie mein seliger Papa war, werden Sie sich wohl nicht in «ine Linie stellen. Mein Mann ist zum Grafen Pfeiler geritten?" „Jawohl, Frau Baronin!" „Wir verkehren sonst nicht mit den Gräflichen; mir sind die zu hochfahrend, ich bin ihnen zu gering, weil ich nur bürgerlicher Geburt bin, doch wenn mein Mann sich dort bloß in den Wirkh- schaftShöfen herulmtreilbt und in den 'Schaf- und Rinderställen, da hab' ich nichts dagegen. Meinetwegen kann er auch der jungen Gräfin den Hof machen und ihr die schöne Hand mit dem Wappenring küssen, den schon ein Dutzend Ahnfrauen getragen haben, wenn er nur bei den Einkäufen nicht über die Schnur haut." Clara von Siebeneck war wie alle vornehmen mittelalterlichen Damen, welche ihr« Bedienten kaum als Menschen betrachteten und ihnen gegenüber alle Scheu und Scham bei Seit« setzten. Vor Bärmann, dem Gutsbeamten, ließ sie sich sorglos gehen. man hätte sagen können, sie machte ihn zu ihrem Vertrauten — aber das war nicht ihre Absicht. Sie sprach mit ihm, als wenn sie vor ihm mit sich selbst spräche; freilich wußte sie, daß er keinen Mißbrauch mit ihren Bekenntnissen trieb; er war schweigsam und einsilbig, und es war durchaus nicht in seinem Interesse, zwischen dem Gutsherrn und der Gutsherrin Zwiespalt anzu fachen; denn wenn ein Brand ausbrach, so würde es dem schwer lich gut gehen, der das Feuer angelegt hatte. Besser war's, er stand sich gut mit Beiden, und manche milde Gabe regnete bald von dieser, bald von jener Seite in seine Casse. „Nun sagen Sie mir doch, lieber Bärmann, auf welche Ge- räthschaftcn und "Maschinen hat es mein Mann da drüben ab gesehen?" „Der Graf besitzt eine neue Dreschmaschine, und die will der Herr Baron in Augenschein nehmen; cs ist eine Dampfdresch- maschinc — und man erreicht damit einen enormen Ausdrusch und kann zu jeder Zeit dreschen, auch schon während der Ernte." „Und was kostet denn ein solches Ungeheuer?" „Zwischen 2—3000 Mark." „Ein recht ansehnlicher Posten; — wenn Sie viel dergleichen zu buchen haben, so wird das Debet recht bedenklich anwachsen." „Nun, das Andere sind kleiner« Posten." „Also ist's mit der Dreschmaschine nicht abgethan!" „Dann brauchen wir eine Kartoffelerntemaschine, eine Kar- toffelsortirmaschine, ein« Kartoffelquetschmaschine, — der Graf drüben hat das alles." „Wir brauchen — aber, lieber Bärmann, es ist ja bisher gegangen ohne dies entsetzliche Maschinenwesen. Das ist doch nichts als Luxus und Verschwendung. Und was sollen zuletzt alle die Leute machen, die von ihrer Hände Arbeit leben? Sie wissen ja dann gar nicht mehr, wozu sie in der Welt sind. Hoffentlich will sich mein Mann diese neuen Erfindungen blos antsehen." „Doch auch onschaffen, gnädige Frau; wir vergleichen nur di« einzelnen und wählen die beste und nützlichste aus." „Da sind die Landwirthe ja nichts mehr als Agenten der Maschinenfabriken; der «ine Gutsherr macht Reclame für dieselben, damit die anderen zugreifen. Dank, lieber Bärmann, ich weiß doch min, durch welches Sieb das viele Geld hindurch läuft, denn daß mein Mann mit Geldsorgen zu kämpfen hat, weiß ich nur zu gut, obschon er nicht das Talent besitzt, sich graue Haare wachsen zu lassen. Mir würden Sie einen Ge fallen thun, wenn Sie das ganze Zeug kläglich und unbrauchbar fänden; doch Sie sind leider ein -Mitverschworener. Ich aber verabscheue -solch ein pustendes Ungeheuer, das unseren Guts hof in einen Bahnhof verwandeln würde. Kann man sich vor den Locomobilen gar nicht mehr retten. Es ist ein ver räuchertes Jahrhundert! Nun, aus Wiedersehen, Bärmann! Grüßen Sie Ihre Tochter, es ist ein reizendes Kind, ich habe sie neulich gesehen auf dem Feldrain mit Kornblumen im Haar — ah, das stand ihr trefflich! " Bärmann schied mit einem tiefen Bückling, Clara aber ging in Gedanken verloren auf und ab; dann begab sie sich wieder durch den Gartensalon in ihr benachbartes Boudoir, schloß ihren Schrank auf, nahm ein elegant gebundenes Buch heraus, ein Wirlhschafts- und Haushaltungsbuch, und betrachte!« seufzend die schönen Ziffern mit den vielen Nullen, die ihr eingebrachtcs Vermögen angaben und die sie aus der letzten Seite mit rother Tinte ausgeschrieben hatte; ach, sie wußte nicht, wie viele von diesen Nullen sie jetzt streichen mußte. Doch es sah damit schlimm genug aus! Das wußte sie! Im Gartenhaus traf sie Eulalia, welche eben die Terrasse hinaufgestiegen war, und begrüßte sie mit all' der Freundlich keit, über welche sie in ihrer traurigen Stimmung noch ver fügen konnte. Der Besuch war ihr willkommen, sie hatte viel auf dem Herzen, und das war doch ein Wesen, mit dem sie sich ausplcmdern konnte, das an ihr hing, das ihr zu Dank ver pflichtet war; denn sic hatte durch ihre Unterstützungen der Schullehrerstochter den Besuch des Seminars und des Mädchen gymnasiums ermöglicht. Diese Eulalia, die so oft geprüft worden und zu so Vielem berechtigt war, konnte sie gewisser maßen als ihr Geschöpf betrachten und das gab ihr ein stolzes Gefühl. Von ihrem vorbehaltenen Vermögen hatte si- weniastens einen schönen menschenfreundlichen Gebrauch gemacht. Eulalia aber kannte kein Gefühl der Abhängigkeil oder Unter ordnung und das verlangte die Baronin auch nicht; sie brauchte eine Herzenssreundin und diese hatte sie in dem unscheinbaren Mädchen aus dem Scbulhause gefunden. Der Diener hatte ein Windlicht auf den Tisch gesetzt, der in einem blumenumwachsencn Winkel über der Terrasse stand, aber zwischen den Pfeilern hindurch den freien Blick auf den im vollen Mondlicht glänzenden Park gestattete. „Ich habe nie träumerische Anwandlungen gehabt", sagte Eulalia „und begreife nicht, wie die Liebenden den Mondschein zu Hilfe nehmen können, um sich ihr bischen Glück versilbern zu lassen. Ich bin freilich nie verliebt gewesen; doch Du mußt es ja wissen, wie es Verliebten .zu Muthe ist." „So schwärmerisch war auch ich nie; wenigstens brauchte ich keine Coulissen und Decorationen für mein Liebesglück, mir genügt« ein eleganter, schöner Mann und eine Freiherrnkrone.
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