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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960430010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896043001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896043001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-30
- Monat1896-04
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« o 1.0 »SvUZLi I.o t. o «. v I. O l. V ' «.0 t.v ». 1) »L »0. I. o t.0 st- Iso,SV 6 ^8«r— tt»». Bezugs-Preis in der tzauptexpedition oder den im Stadt» b«trk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50; oet zweimaliger täglicher Zustellung tu« Haus ^l 5^0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Direkt« tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich >ti 7.SO- Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgab« Wochentag» um b Uhr. Ne-actio« und Expedition: Johannessaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: »tta Klemms Sortim. (Alfred Hahn», Universitätsstraße 1, LoniS Lösche, Nntbarinenstr. 14, Part, nnd König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MMr TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rashes nnd Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- vle 6 gespaltene Petitzeile SO P^. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 ge spalten) bO/H, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/^. Größer« Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesärderung ^ii 70.—. »o«e>, > > Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uh«. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« sraher. Anzeigen sind stet» an die Ex-edition zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz kn Leipzig W. Jahrgang. Donnerstag den W. April 1896. 217. Die Großindustrie — eine Grundlage nationaler SocialpolMK. 8tr. Ohne Zweifel ist die erste Bedingung für daS Wohl ergehen der ärmeren Volksclassen eine reichliche und lohnende Arbeitsgelegenheit. Nur demjenigen Arbeiter, der dauernde Beschäftigung hat, können auch die Segnungen unserer Social politik zu Gute kommen. Man sollte deshalb meinen, daß Arbeitsgelegenheit zu schaffen das erste Bestreben aller Der jenigen sein müßte, die es wirklich mit dem Wohle der Arbeiterbevölkerung ernst meinen. Nun zeigt aber in Ver bindung mit der Thatsache, daß die mehr agrarischen östlichen Landestheile einen Stillstand in der Bewegung der Bevölke rung aufweisen, daS rasche Anwachsen der Bevölkerung in unseren industriereichen Provinzen mit schlagender Deutlich keit, daß eS in erster Reihe daS Großgewerbe ist, welches zur Vermehrung der Arbeitsgelegenheit beiträgt. So beschäftigte der deutsche Steinkohlen-, Braunkohien- und Eisenerz-Bergbau noch im Jahre 1879 nur 242 300 Arbeiter, im Jahre 1893 schon 386 264 Arbeiter. Ein zum Theil weit rascheres Anwachsen des Arbeiterstammes zeigen die Eisenindustrie, die Textilindustrie, die chemische Industrie und zwar, wie schon so oft nachgewiesen ist, bei stetig steigenden Löhnen. Gewährt auf diese Art die Industrie unserer sich sehr rasch mehrenden Bevölkerung Beschäftigung und auskömmlichen Verdienst, so trägt sie andererseits noch durch die Schaffung neuer Werthe zur Erhöhung unseres Nationalwohlslandes und somit zur Besserung der Lage sämmtlicher Volksclassen bei. Oft wird allerdings auch der Standpunkt vertreten, daß der Wohlstand für ein Volt nn- nöthig sei. In diesem Falle müßten wir die Zustände in Rußland, Spanien, im Orient, in China als Muster an nehmen, was doch wohl Niemand ernstlich beabsichtigt. Außerdem ist es ein Axiom, baß der Wohlstand eines Landes auch die Grundlage seiner politischen Machtstellung bildet; die technisch bestmögliche Bewaffnung von Heer und Flotte, die mit den Leistungen der Nachbarstaaten zum Mindesten Schritt halten muß, setzt schon in Friedenszelten eine reiche Nation voraus, und die Entscheidung eines Krieges wird für die Folge in Anbetracht der Riesensummen, welche die Unterhaltung unserer modernen Massenbeere verschlingt, nicht allein von der Tapferkeit der Soldaten und der strategischen Kunst der Heerführer, sondern auch wesentlich von dem Reich- tbum deS Landes abhängen. Daß die Industrie zur Vermehrung des NeichthumS eines Landes ganz erheblich beiträgt, können auch die überzeugtesten Socialdemokraten nicht bestreiten. Daß sie aber die Grundlage unserer ganzen Socialpoütik, d. h. aller jener Bestrebungen ist, die die pecuniäre Lage der ärmeren unserer Mitbürger verbessern wollen, hat noch kürzlich Com- merzienrath Julius Vorster in Köln in einem kleinen Schriftchen („Die Großindustrie, eine der Grundlagen nationaler Socialpolitik". Jena 1896.) überzeugend nach gewiesen. Eine weitere, lange nickt genug gewürdigte sociale und wirthschaftlicke Wohlthat der Großindustrie ist, wie in dem lesenswerthen Schriftchen ausge- führt wird, die durch sie geschaffene Maschinenarbeit. Zunächst ist die Herstellung der Maschinen selbst eine bedeutende Industrie geworden, die viele erfinderische Köpfe und geschickte Hände erfordert und beschäftigt und nebenbei die höchsten Löhne bezahlt. Es ist ein vielverbreiteter Irr- tbum, der in der socialistischen Agitation eine große Rolle spielt, daß die Maschinenarbeit die Löhne berabdrücke und Arbeitslosigkeit herbeigesührt habe. Letztere kann nur vorüber gehend eintreten, gleicht sich aber sebr bald infolge der durch Maschinenarbeit herbeigeführten allgemeinen Vergrößerung der Fabriken wieder aus. Weiterhin ermöglicht die Maschinen arbeit durch billige Massenproduktion eine Erweiterung des Absatzgebietes. Darum findet man überall, wo Maschinen die Handarbeit verdrängt haben, keine Verminderung, sondern eine Vermehrung der Arbeiter. Auch werden in maschi nellen Betrieben in der Regel höhere Löhne gezahlt als in der Hausindustrie, schon deshalb, weil es im Interesse des Unternehmers liegt, daß seine kost baren Maschinen von zufriedenen Arbeitern gut behandelt werden, und zwar steigt der Arbeitslohn im Verhältnis der Verbesserung der Maschinen, wie sich dies namentlich in Amerika zeigt, wo die vollkommensten Maschinen und die höchsten Löhne vereinigt sind. Die durch die Großindustrie herbeigeführte Maschinenarbeit ist ferner ein großer kultureller Fortschritt: sie befähigt den Arbeiter, aus einer nur Hand arbeit erfordernden und Körperkrast consumircnden Be schäftigung zu einer solchen überzugehen, welche seine geistigen Fähigkeiten in Anspruch nimmt. Aber die Maschine kostet Geld und wieder Geld und nochmals Geld! Eine 300pferdige Dampfmaschine kostet z. B. ca. 30 000 große Gebläse maschinen 100 000 und mehr. Kohlenaufbereitungs anlagen kosten manchmal eine kalbe Million Mark und mehr. Nur wer Capital hat, kann derartige Anschaffungen macken, somit ist Capital die Vor bedingung der Maschine. Die Maschine bedeutet Arbeiter wohlfahrt; die Ansammlung von industriellem Capital ist daher die wichtigste Wohlfahrtseinrichtung, die durch keine „Vertheilung" oder „ausgleichende Gerechtigkeit" geschmälert werden darf. Die socialdemokratische Hetze gegen das Capital, gegen die Industrie, gegen die Maschinenarbeit ist also eine gerade die Arbeiter am meisten schädigende Thorheit. Die Erde birgt noch viele ungehobene Schätze und unzählige neue Werke können durch Erfindung, Combination und Arbeit ge schaffen werden; Niemand hindert den strebsamen Arbeiter, sich seinen Theil daran zu erringen. Deutsches Reich. tz Berlin, 29. April. Die Zuckersteuervorlage ist gestern von der Reichstagscommission endgillig abgeschlossen und angenommen. Das Contingent ist, wie schon gemeldet, auf 17 Millionen Doppelcentner festgeietzt und gleichzeitig beschlossen worden, daß dasselbe alljährlich um das Doppelte der Zunahme des inneren Consums erhöht werden muß. Die Giltigkeit des Gesetzes ist auf den 31. Juli 1903 befristet. Kommt bis dahin nicht ein anderes Gesetz zu Stande, so wird die Consumsteuer nur in der gegenwärtigen Höhe von 18 forterhoben. Gleich zeitig wird der Zoll wiederum auf 36 er mäßigt. Unsere Concurrenten auf dem Weltmärkte werden hieraus ersehen, daß es auch der deutschen Volksvertretung mit der Abschaffung der Zuckerprämien Ernst ist und daß es jedenfalls nicht au Deutschland liegen würde, wenn dieses Ziel im Wege weiterer Verhandlungen nicht zu erreichen wäre. Es erscheint dringend erwünscht, nunmehr die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs möglichst zu beschleu nigen, um allen Speculationen auf das Zustandekommen des Gesetzes, welche eine erhebliche finanzielle Schädigung der Reichscasse mit sich bringen könnten, so bald wie möglich wirksam vorzubeugen. Nachdem 4 Plenar- und 12 Com- missionSsitzungen abgebalten sind, wird Neues wohl von keiner Seite mehr vorgebracht werden können. * Berlin, 29. April, lieber die Vertheilung der Be völkerung Preußens nach dem Geschlechte wird amtlich nach dem vorläufigen Ergebniß der letzten Volks zählung Folgendes berichtet: „Unter der Einwohnerzahl der Monarchie befanden sich am 2. December 1895 15 644 659 männliche und 16 205 136 weibliche Personen. Zn den letzten 5 Jahren hat die Zahl der männlichen Personen um 94 l 554, die der weiblichen um 950 874 zugenommen. Es waren 560 477 Personen weiblichen Geschlechts mehr vorhanden als männlichen, während im Jahre 1890 der Ueberschuß des weiblichen Geschlechts 551 l57 betrug. Trotz dieser absoluten Steigerung ist der Antheil des weiblichen Geschlechts an der Gesammtbevölkerung etwas zurückgegangen; sein Maximum erreichte er 1885 mit 509,4 auf 1000 Einwohner; 1890 betrug er noch 509,2, 1895 508,8. Auch die Art des Wohnsitzes äußert Einfluß auf die Vertbeilung der Bevölkerung nach dem Geschlechte. Bis zum Jahre 1867 befanden sich in den Städten mehr männliche als weibliche Personen, weil fast alle Staatsbeamten und Militairpersonen in Len Städten wohnen. Seitdem ist ein starkerZuzug weiblicher Personen, die im Handels gewerbe und in Fabrikbetrieben Beschäftigung suchen, vom Lande nach den Städten erfolgt, so daß jetzt in den Städten nicht nur viel mehr Personen weiblichen als männlichen Geschlechts wohnen, sondern verhältnißmäßig sogar mehr Frauen als auf dem Lande. Auf 1000 Einwobner kamen bei der letzten Volkszählung in den Städten 509,9, auf dem Lande nur 508,0 weiblichen Geschlechts. 1890 batte die Ziffer in den Städten nur 509,0, auf dem Lande dagegen 509,3 betragen, so daß im letzten Jahrfünft der Antheil der Frauen auf dem Lande erheblich zurückgegangen, der der Männer gestiegen ist. In Berlin wurden am 2. December v. I. 797 526 männ liche und 879 609 weibliche Personen gezählt, so daß also daS weibliche Geschlecht um 82 083 überwiegt. Bei der Volkszählung von 1890 waren in Berlin 759 623 männliche und 819 171 weibliche Personen, so daß im letzten Jahrfünft die männlichen um 37 903, die weiblichen dagegen um 60 438 zugenommen haben. V. Berlin, 29. April. (Telegramm.) Der Reichs kanzler, StaatSsecretair v. Marschall und Director vr. Kayser waren heute beim Kaiser zum Immediat-Vortrage; vermuth- lich (meint Wolffs Bureau. Red.) wegen der aus dem sfii dwestafrikanischenSchutzgebiete eingegangenen Nach richten. Später wurde der Intendant des königlichen Hof- tbeaterS in Hannover, Kammerherr von Lepel, bebusS Vor legung des Entwurfs eines neuen Theatervorhanges vom Kaiser empfangen. (Theilweise wiederholt.) --- Berlin, 29. April. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: Der Bronchialkatarrh, durch welchen der Reichskanzler Fürst Hohenlohe mehrere Tage an das Zimmer gefesselt war, ist beseitigt. Die in der Presse verbreitete Nachricht, daß der Reichskanzler sich im Laufe dieser Tagung nicht mehr persönlich an den Reichs tagsverhandlungen betheiligen werde und in Anbetracht seines Gesundheitszustandes lange vor dem Monat Juli auf Urlaub gehe, entbehrt jeglicher Begründung. G Berlin, 29. April. (Telegramm.) Dem Vundcs- rathc ist, wie die „Nordd. Allgem. Ztg." meldet, eine Vorlage, betr. die Neuorganisation der vierten Bataillone, zugegangen. L. Berlin, 29. April. (Privattelearamm.) Wie die „Nat.-Ztg." zuverlässig erfährt, liegt der Entwurf der neue» Mtlitairstrafproccstordnung bereits seit länger als zwei Monaten im Militaircabinet. — In Bezug auf die Mittheilung der „Köln. Ztg.", wonach General von Hahnke auS Erkundigungen bei Reichstags-Mitgliedern erfahren haben will, daß es mit der Reform des Militairstrafverfahrens keine Eile habe, erfährt die „Nat.-Ztg." Folgende-: Der Chef deS Militaircabinets hat solche Erkundigungen weder bei National-Liberalen, noch im Centrum cingezogen; nach der Lage der Parteiverhältnisse könnte er sich somit nur an konservative Abgeordnete gewendet haben, und bei deren herkömmlicher Stellung zu dieser Rcformfrage würde eine von ihnen ertheilte Auskunft der bezeichneten Art natürlich keine Bedeutung beanspruchen können. — Ueber die Vorgänge in Südwestafrika und über den Umfang der dort entstandenen oder drohenden Unruhen besteht auch an den amtlichen Stellen hier noch keine Gewiß heit. Das Telegramm über den Zusammenstoß mit den Khauas-Hottentotten rührt von dem Vertreter der Siedlungs gesellschaft, Weiß, her und ist aus Windhoek datirt. Wo sich der Landeshauptmann Leutwein ausbält, weiß man nicht; sein letztes Telegramm von voriger Woche meldet nur, daß die KhauaS aufgestanden und andere Stämme unbetherligt seien. Der deutsche Generalkonsul in Capstadt ist um baldige Nachricht ersucht worden, die vor 2—3 Wochen nicht zu erwarten ist. — Die Nachricht über die Verweigerung der Zuschlag zahlung von 12)/r v. H. und Nichtanerkennung des Lohn tarifs durch die Confectionaire hat unter den Schneider gesellen und den Näherinnen für Herren- und Knaben- confeclion große Erregung hervorgerufen. Am Montag Abend waren die Verkehrslocale der Schneider überfüllt. Fast durch weg erklärten die Gesellen, daß sie die Arbeit nieder legen wollen, selbst wenn ihnen für die Anfertigung der vielen bis Pfingsten fertigzustellenden Sommersachen erhöhte Preise bezahlt würden. Bereits für diese Woche sind Ver sammlungen anberaumt worden, die sich mit der Sache be schäftigen werden. — Für eine Maifeier durck ArbeitSruhe hat sich in geheimer Abstimmung daS Personal der Hutfabriken mit fünf Sechstel Mehrheit ausgesprochen. — In dem Streik der Modelleure undGip-bildhauer hatten die meisten Meister die Forderungen der Gehilfen bewilligt, unter der Bedingung, daß die Arbeitnehmer bei Arbeitgebern, die ihren Verpflichtungen nicht Nachkommen, die Arbeit niederlegen sollten. Nachdem nunmehr die Gehilfen beschlossen haben, diese Bedingungen nicht zu erfüllen, erklären die Meister, der „Post" zu folge, vom 1. Mai ab sämmtlich das Bewilligte zurückzuziehen. * Oldenburg, 29. April. (Telegramm.) Der Groß- Her zog ist heute früh nach Italien abgereist; der Erb- großherzog und die Herzogin Charlotte begeben sich morgen ebenfalls dorthin. — Der oldenburgische Landtag ist zum 5. Mai einberufen worden. * Posen, 28. April. Der Erzbischof hat, wie der „Dziennik" berichtet, circa 30 000 Andächtigen aus Stadt, Umgegend und Provinz gemäß dem ihm vom Papste er- Il »It« bbv »v. »0 >.l). 0. FeuiHetsn. Ein Gesuch des Laiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Kyffhäuser. Von Theodor Hermann Lange. Nachdruck verbot«!. Mit Riesenschritten eilt der Bau deS Kaiser-Wilbelm- DenkmalS auf der Ostspitze des Kyffhäuser seiner Vollendung entgegen, und verbältnißmäßigkurz ist die Zeit, welche uns noch von der Enthüllung deS Monuments trennt. Man kann bei diesem Werke wirklich von Riesenschritten sprechen, denn riesenhaft, cyklopenartig, gewaltig und — pyramidal, aber dabei harmonisch schön und edel steigt vor unseren Augen diese» Werk von Menschenhänden auf, dessen Steinblöcke und Felsquadern wie für die Ewigkeit zusammengefügt erscheinen. Auf eigen» oben auf der Höbe gelegten Sckienengleisen laufen die Karren und Wagen der Arbeiter unaufhörlich hin und her. Auf Rollen werden die Steine herangewälzt, um an gewaltigen Eisenkrabnen langsam emporgehoben zu werden. Hunderte von Arbeitern sind von früh bis Abends am Denkmal, auf dem Denkmalplatz, in der Steinmetzerei, in der Schmiede, Schlosserei und in den beiden großen Steinbrüchen beschäftigt, welche unmittelbar an der Westseite des Denkmals uns rnt- gegengähnen. Ich habe auf der Cbufu-Pyramide gestanden und mir dabei — wie wohl Tausende vor und nach mir — die Fraae vorgrlegt: „Wie sind solche Riesenbauten aufgrführt worden?" Wer heute dem Bau deS Kyffbäuser-DenkmalS zusckaut, hat ungefähr eine Vorstellung von der Entstehung derartiger monumentaler Anlagen. Während aber die altegyptischen Baumeister auf ebener Erde bauen konnten, müssen am Kyff- Häuser die meisten Materialien unter unsäglichen Mühen auf diese ansehnliche Höhr gebracht werden. Denn nur rin Theil der verwendeten S-teinmassen kann jenen bereits erwähnten Steinbrüche« oben auf der Bergshitze de» Kyffhäuser ent- nommen werden. Der größte Theil der Quadern und Blöcke stammt au« den Karzbergen, von den Weserhöhen bei Holz- winden und der Granit zum Thurm sogar au« Bayern. Thatsächlich wird am Kyffhäuser Denkmal mit Bienenfleiß und ameisenartiger Emsigkeit geschafft und zwar seit Kurzem nicht nur am Tage, sondern auch des Abends — ganz ün cke ai-els — bei elektrischer Beleuchtung; denn vor einigen Wocken ist die elektrische Centrale oben auf der Spitze des Äyffbäusers fertig gestellt werden. Mit dem Halle-Casseler Schnellzuge hatte ick elf Uhr Vormittags Halle verlassen, und als nach etwa fünfviertel stündiger Habrt der Zug durch die kleine Station Wallhausen, ohne daselbst zu hallen, hindurchbrauste, lag auf einmal der große, lange, zumeist bewaldete Bergrücken deS Kyffhäuser vor mir. Scharf hoben sich die dunklen Waldeslinien und das Denkmal vom blauen, klaren Frühlingshimmel ab. Massig trat der Unterbau deS Denkmals hervor, welcher einen Flächenraum von nicht weniger als achtzehn Morgen bedeckt. Auf der Station Roßla verließ ich den Zug. Beim Aussteigen gewahrte ick unweit der Giebelseite des Bahnhofs gebäudes in zwei großen Waggon« der bayerischen Staats bahn Theile des in Kupfer getriebenen Kaiser-Wilhelm-Stand- bildeS, welches in der halbkreisförmigen Nische des Denkmal- thurmes Ausstellung findet. Die anderen Tbeile deS Kaiser-StandbildeS waren Tag» zuvor auf der Nachbarstation Berga angelangt. In Roßla lagerten der Pferderumpf, der Hal«, der Kopf, die Beine und der Schwanz des TbiereS, Alle« in gewaltigem Umfange. DaS Standbild hat ein Gewicht von 780 Centnern und eS werden bei der Aufstellung die einzelnen Theile aneinandrrgeschraubt, die dann durch die im hohlen Innern befindlichen Eisenstangen zusammen- gehalten werden. In einem flotten Zweispänner fuhr ich mit zwei Freunden dem Kyffhäuser »u. Wir passirten zunächst daS Helme- flüßcken und die Hrlmewiesen, auf denen sich zur Zeit der DenkmalSenthüllung gewaltige RestaurationSzelte erheben werden. Der Wagen rollte auf derselben Straße dahin, welche Kaiser Wilhelm II. in Begleitung de« Fürsten zu Sckwarzburg-Rudolstadt bei der DenkmalSenthüllung vom Roßlaer Bahnhof hinauf zum Kyffhäuser fahren wird. Dir der DenkmalSenthüllung beiwohnenden Fürsten treten die Auffahrt von der Station Berga an und erreichen die so genannte Kaiserstraße erst bei Kelbra. DaS Gefolge der hohen und höchsten Herrschaften wird über Sittendorf geführt. Nach einer kaum halbstündigen Fahrt von Roßla aus war Kelbra mit seinen holperigen Straßen erreicht. Al« die einzige Sehenswürdigkeit diese« sonst sauberen Städtchen» notirte ich mir die dortige Brauerei, ohne indessen Zeit zu haben, den daselbst hergestellten Stoff zu kosten. Nun ging e» die schöne, breite Bergstraße, welche in unzähligen Win- düngen über da» Gebirge bi« nach Frankenbausen führt, hinauf. Al« wir die blau-weiß augestrichrnen Schlagbäume der fürstlich schwarzburgiscken Cbausseegeldeinnabme im Rücken batten, holten wir «ine Reihe langsam dabinfahrender Last wagen ein. Auf vier Wagen befanden sich mehrere der Tags zuvor in Berga angelangten Bestandtheile der Figur Kaiser Wilbelm'S und auf den anderen Wagen Steinblöcke für den Denkmalsbau. Je höher wir kamen, desto öfter bot sich uns ein freundlicher Ausblick dar. Zur Linken erhob sich die Rothenburg, deren graues Gemäuer scharf aus den dunklen Waldungen hervortrat. Hin und wieder konnten wir auch in die Goldene Aue mit ihren freundlichen Dörfern und Städten binabschen. Bald erblickten wir den Haupttburm der Kyffhäuserruine, und nachdem wir den Wagen verlassen, klommen wir e neu theilweise ziemlich steilen und morastigen Weg zum Denkmal empor. Der Anblick ist, sobald man, von der westlichen Seite kommendEum den Riesenbau herumschreitet, geradezu über wältigend. Auf dem gewaltigen halbkreisförmigen unterbau, dessen Mauern wie die einer Citadelle jäh in die Tiefe ab fallen, erbebt sich terrassenförmig das Denkmal. Zunächst erblicken wir den Vorplatz, von dem eine Reihe Stufen bis an daS Denkmal heransühren. Dann schreiten wir die breite Steintreppe zur Rechten langsam empor, und nun gewahren wir zur Linken die kolossale, in Sandstein gemeißelte Figur Kaiser RothbartS genau in der Mitte der thurmgekrönten Vorderwand, welche die Basis bildet, auf der sich der eigent liche Denkmalsthurm erbebt. Abermals schreiten wir eine Treppe empor. An der Ostseite dieses 64 m hohen Thurmes befindet fick eine halbkreisförmige Nische, aus der daS über 8 m hohe Reiterstandbild Kaiser Wilhelm'- I. hervortritt (zur Zeit wird dasselbe erst aufgestellt). Von den Schultern deS Kaisers, der nach Osten auSschaut, wallt der Mantel hernieder. Zur Linken, unten am Sockel, sitzt mit gezücktem Schwert, Helm, Brustharnisch und Schild ein hünenhafter, bärtiger, altdeutscher Krieger. Zur Rechten, nach dem Kaiser aufblickend, lehnt die Geschichte in Gestalt einer weiblichen Figur, mit dem Griffel in der Hand de« Kaiser« Großthaten aufzeicknend, an den Denkmalsockel sich an. Oberhalb deS Standbildes an der Ostfront des Denkmals stehen in Riesenlettern die Worte eingemeißelt: „Für Kaiser und Reich." Zugleich liest man an derselben Seite die Namen der vier deutschen Königreiche: Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen. Ueber diesen Inschriften befindet sich am Denkmal ein »innenaekrönter Umgang, au« dem ein runder glatter Tburm bervorsteigt, der die kolossale Kaiserkrone au« Weser-Sand stein trägt. Wie an der Ostseite, so befinden sich auch an den drei übrigen Seiten plastisch hervortretende Stein inschriften. Die Westfront trägt die Namen der drei freien Reichsstädte, der Reichslande, deS HerzogthumS Anhalt und der Fürstenthümer Lippe. An der Süd- und Nordseite stehen die Namen der Großherzogthümer, Herzog- und Fürstenthümer. Nur das Fürstenthum Reuß älterer Linie habe ich an keiner der vier Denkmalsseiten entdecken können. Ich stieg nunmehr die schmale steinerne Wendeltreppe im Innern deS ThurmeS, dessen Unterbau auS Granit besteht, empor. War schon die Aussicht von der Terrasse, von den Treppen und von der Nische, in der da- von Professor Hund- rieser-Berlin modellirte und in dem Seitz'schen Atelier in München in Kupfer getriebene Reiterstandbild Kaiser Wilhelm's I. zur Ausstellung gelangt, eine prächtige, so wuchs der Fernblick natürlich, je hoher ich im Thurme kam. Am Rundgange eines jeden Absatzes befinden sich Auslugössnungen nach allen vier HimmelSricktungen. Endlich hatte ich die 234 Stufen der Wendeltreppe erklommen und stand nun unter der Kaiser krone. Dutzende von Meilen weit schweift bier der unbehin derte Blick nach Osten, Westen, Süden und Norden, über die goldene Aue, die Harzberge, daS EichSfeld, sowie über die Höhenzüge und Kuppen deS Thüringer Walde«. Es war ein außergewöhnlich klarer Tag, der Himmel blau und rein, und nur ganz vereinzelt zeigten sich weiße Wölkchen an demselben. Der Brocken, noch mit einem weithin leuchtenden Schnremantel bedeckt, der Auer-berg (IosrphShöhe) und der Hexentanzplatz traten außerordentlich deutlich hervor. Die Bergketten de« Thüringer Waldes zeichneten sich scharf vom Firmament ab. Der Possen, der InselSbrrg, sowie zahlreiche andere Berge, auch der Petersberg bei Halle, waren zu erkennen. Dörfer und Städte zählte ich zu Dutzenden von Nordhausen bi« Erfurt und darüber hinau«. Der herrliche Gau zwischen Saale und Werra lag zu meinen Füßen. Als ich oben unter der Krone stand und auSlugte in die Lande, glitten plötzlich die Strahlen der Sonne vergoldend über Berg und Thal, über die Flüsse, Felder und Wiesen, über die Städte und Dörfer mit ihren Kirchen, Thürmen und Schlössern, und unten breitete sich die Goldene Aue au«, deren scharfabgegrrnzte Felder wie ein riesenhafter Teppich sich präsentiren. Auch über das Gemäuer der alten Kyffhäuserruine, die nur wenige Hundert Schritte hinter dem neuen, stattlichen Kaiser-Wilhelm-Denkmal fick erhebt, glitten die Strahlen der FrühlingSsonne. Nack einer kurzen Wanderung durch die Ruinen der alten Kyffhäuserburg stieg ich wieder den Pfad hinab bi« zu der Stelle, wo der Wagen hielt, und al« da« Gefährt zu Thal rollte, legten fick bereit« die Debatten der Dämmerung über die gewaltigen Baumriesen, zwischen denen die Straße hinab nach Kelbra führt.
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