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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010315016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901031501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901031501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-15
- Monat1901-03
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Amtsblatt des Königtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes uni) Nottzei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 15. Mär; 1901. Anzeigen «Preis dir 6grspultene Petitzeile 25 Necla men unter dem Revactionsstrich (4 gespalten) 75 ,Z, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. labellarii'cher und Zifsrrnsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertrnannahme 25 H (exrl. Porto). - —»»MV——. Grtra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ohne Postbeförderung ./<! M.—, mit Postbeförderuug 70.—. Amladmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Anuahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Antrag des Centrums auf Erlaß eines Neichsgcsetzes betr. die Freiheit der Uetigionsübnng. III. (Schluß.) Der Antrag gliedert sich in zwei Abschnitte, und zwar: I. Religionsfreiheit der Reichsangehörigen, II. Religionsfreiheit der Religionsgemeinschaften. Der Titel des II. Abschnittes ist aber insofern irreführend, als er nur von der Religions freiheit der anerkannten Religionsgemeinschaften handelt. Was unter einer anerkannten Religionsgemeinschaft zu ver stehen sei, wird nicht dcsinirt, eS heißt nur in H 5: Religions gemeinschaften, welche in einem der Bundesstaaten vom Staate anerkannt sind. Da aber F 1 bestimmt: „Jedem Reichsangehörigen steht innerhalb des Reichsgebiets bolle Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften, sowie der gemeinsamen und öffentlichen ReligionSübnng zu." io ist jede Religionsgemeinschaft gesetzlich anerkannt, und dem Staate stehl es gar nicht mehr frei, sie anzuerkennen» oder ihr die Anerkennung zu crwcigern. ES muß also mit der Anerkennung des H 5 etwas Anderes gemeint sein, und das ist offenbar das alte System der roliFio racoM; dieses System ist aber unlösbar verbunden mit dem Gedanken der im Majestätsrecht des Staates enthaltenen Schirmvogtei, vermöge deren es den Kirchen gewiße staatsrechtliche Vorzüge gewahrt hat; hierher gehören: der strafrechtliche Schutz ihres Glaubens und Gottesdienstes, die Aufnahme der kirchlichen Festtagsordnung in das Staatsleben, die öffentliche und staatsrechtliche Bedeutung reS geistlichen Amtes, die Aus flat ung der kirchlichen Anstalten aus öffentlichen Mitteln und dergleichen. Damit hängt aber auch zusammen daS jus circa sucra, welches das Gegengewicht gegen die ein geräumten Vorrechte bildet. Der Antrag möchte nun, und daS ist sein eigentlicher Kern, alle die Vorrechte behalten, die die katholische Kirche besitzt, aber alle ans dem strs circa ^acrrr abgeleiteten Rechte abwerfen. Darum fordert der An trag für die „anerkannten" Religionsgemeinschafien in den 5—10 volle Freiheit zur Abhaltung von Gottesdiensten ohne Rücksicht auf Parochialcintheilung, völlige Beseitigung der Auforderungen an die Ausbildung der Geistlichen und irgend einer Anzeigepflicht gegenüber dem Staate, freie Ver wendung auswärtiger Geistlicher, volle Beseitigung des Placct, völlige Freiheit der Bildung neuer Rcligionsgemeinden, völlige Freiheit der Vornahme von Religionsbandlungen, auch gegenüber andern Religionsgemeinschaften, sowie bei Taufen, kirchlichen Trauungen und kirchlichen Begräbnissen, Freiheit der Ab haltung von Missionen, Freiheit der Bildung und Tbätigkeit von religiösen Genossenschaften, Gesellschaften und Vereinen jeder Art. Der Abgeordnete Lieber hat die Tendenz des Antrags ganz offen als gegen das ius circa r-aera gerichtet erläutert, indem er sagte: „Nichts liegt uns mit unserm Anträge ferner, als eine positive Reichskirchenhoheit einsiihren zu wollen. Wir verabscheuen ja die Staatskirchenhoheit, das sogenannte zu-, circa xcwra. Nichts muß uuS daher ferner liegen, als eine neue Rcichskirchenhohcit nun noch zu dieser bestehenden StaatSkirchenbohcit, fodast ein par nobile Iratriun entstände, dem deutschen Volke als Weihnachtsgeschenk unter den Christbaum zu legen. Nein, wir wollen von Reichsgesetz- gebuagswegen die Staatskirchenhoheit beseitigt wissen, soweit es die Reichsverfassung zuläßt, also überall da, wo sie die volle Vereins- ireihrit beeinträchtigt." Die letzten Worte beschränken zwar die Beseitigung der Staatskirckenhodeit aus das Gebiet des VcreinSwesens, aber entweder ist im Sinne des Redners dieses Gebiet soweit gefaßt, daß eS den ganzen Umfang der Staaislirchenhoheit einbezieht, oder der Ausdruck ist ungenau gewählt, denn nach dem Gesagten bleibt von der Staatskirchenhoheit so gut wie nichts mehr übrig. Diese Stellung des Centrums zu der Frage der Staats- kirchenhoheit ist außerordentlich bezeichnend für die Partei und für den beherrschenden Einfluß, den sie allmählich im deutschen Reiche sich errungen bat. Die Frage liegt ja wesent lich verschiede» für die evangelische und die katholische Kirche. Ja der früher erwähnten Verhandlung des deutschen Reichs tags vom 14. Mai 1872 sagte der Abg. Windthorst: „Ich meinestheils habe gar kein Bedenken, heute zu wiederholen, waS ich schon ost gesagt habe. Ich bin vollständig bereit, mich voll und ganz aus daS amerikanische kirchenpolitische Recht zu stellen, vorausgesetzt, daß auch die evangelische Kirche genau so gestellt ivird. Dies würde durchaus nothwendig sein, und die Schwierig keit, das Verhältniß zwischen Staat und Kirche zu lösen, liegt nicht sowohl in der katholischen Kirche und ihren Verhältnissen, diese Schwierigkeit liegt vielmehr darin, daß die evangelischen Kirchen so eng und fest mit den Staatsverhältnisseu verwachsen sind, und daß die Lösung dieses Verhältnisses kaum möglich ist, ohne die evan gelische Kirche schwer, tief, vielleicht tödtlich zu treffen." Der Reichskanzler Fürst Bismarck erwiderte darauf: „Ich habe dem Herrn Vorredner als Minister in dieser Be- ziehung weiter nichts zu sagen, als evangelischer Christ aber hab« ich ihm noch zu sagen: wenn er glaubt, daß die Trennung der evangelischen Kirche vom Staate für die evangelische Kirche tö dt» lich sei, so muß ich ihm, was ich seiner ganze» Haltung nach voraussehen konnte, entgegnen, daß ihm zu meinen! Bedauern der wahre Begriff de« Evangeliums noch nicht aufgegangen Ist." Gewiß bat der Fürst von Bismarck darin Recht, und führende Geister in der evangelischen Kirche beklagen gerade da« StaatSkirchentbum. An der Wende de« 18. und 19. Jahr hundert« rief Schleiermacher: „möchte der Purpur den Staub am Altäre nie geküßt haben" jede Privilegirung der Kirche ist ibm nur rin Berderben der letzteren —. „Hinweg mit jeder solchen Verbindung zwischen Kirche und Staat — da« bleibt mein catoniscker RatbSspruch bis ans Ende, oder bi« ich es erlebe, sie wirklich zertrümmert zu sehen." Und 100 Jahre später sagt Harnack in seinen 16 Vorlesungen über daS Wesen des Christenthums: „Aber die Nothwendigkeit, die neuen Kirchen als Staatskirchen zu etabliren, hat schwere Nachtheile zur Folge gehabt. Freilich, das Kirchen staatsth um ist schlimmer, und seine Anhänger haben wahrlich keinen Grund, eS gegenüber den StaatSkircken zu rühmen. Allein diese haben doch Verkümmerungen herausgesührt. Sie haben das Gefühl der Verantwortlichkeit und die Aktivität der evangelischen Gemeinden geschwächt, und dazu den nicht unbegründeten Argwohn geweckt, daß die Kirche eine Anstalt des Staates sei und sich »ach ihm zu richten habe. In den letzten Jahrzehnte» ist wohl Manches geschehen, um durch größere Selbstständigkeit der Kirchen jenem Argwohn zu steuern, aber weitere Fortschritte in dieser Richtung sind nothwendig, namentlich in Bezug ans die Freiheit der einzelnen Gemeinden." Er fügt aber auch hinzu: „Gewaltsam soll das Band mit dem Staate nicht durchschnitten werden; denn die Kirche verdankt ihm auch manches Gute." Und der Reichskanzler Fürst Bismarck bat in den Ver handlungen des preußischen Abgeordnetenhauses im April 1887 selbst auf die großen Verschiedenheiten aufmerksam ge macht, die in Bezug auf Parität durch die Verfassungen der katholischen und der evangelischen Kirche gegeben sind; er sagte: „Eine Gleichheit der beiden Kirchen im preußischen Staate ist je nach ihrer Beschaffenheit nicht möglich, sic sind incommensurable Größen" und später: „Gleichheit in der staatskirchenrechtlichen Situation beider Kirchen — daß die nicht möglich ist, zu erstreben, glaube ich vorhin ohne Widerspruch constatirt zu haben." In der Tbat wird heute kein besonnener Freund der evangelischen Kirche dazu rathen können, zu dem amerikanischen System überzugehcn, die Gefahr der Secten- bildnng ist ja für die evangelische Kirche viel größer als für die katholische Kirche; nach Cavrol: ,,'1'bc iclisrioug torces ok llw ft'uitcck Ltate-,'' beherbergen die Vereinigten Staaten nickt weniger als 149 christliche Kirchengemeinschasten, und häufig genug spaltet sich dasselbe Bekenntuiß in zahlreiche Gemein- ckaftcn. Gewiß besteht in den deutschen einzelnen evangelischen Landeskirchen das Bedürfniß nach größerer Einheit und engeren Zusammenschluß, und die Wege dazu müssen gesucht und gefunden werden. Aber das amerikanische System würde doch die Gefahr noch größeren Zerfalles hcrbeifübren, und diesen Weg muß die deutsche evangelische Kircke zurückweisen. Die katholische Kirche ist dem Amerikanismus gegenüber durch ihre Universalität und absolut monarchische Verfassung begreiflicher Weise in großem Vortheile. Aber sie selbst würde doch gewiß große Bedenken haben, das amerikanische Recht in Europa einzusühreu, denn sie würde damit ja die äußere Macht- und Ehrenstellung aufgeben, die ihr die histo rische Entwicklung verschafft hat. Die erste Consequenz des Amerikanismus bei uns würde doch die sein, daß auf alle Souveränitätsansprüche des Papstes verzichtet werden müßte, daß die Gesandten beim Papste zurückgezogen werden müßten; die Vertreter der katholischen Kirche in Parlamenten würden als solche nickt mehr beibcbalten werden können, und dergl. mehr. Der Antrag des Centrums hütet sich daher auch wohl, Liese Form der freien Kirche im freien Staate vorzuschlagen, er will die „anerkannten Religionsgemeinschaften" bei behalten. Wie oben bereits bemerkt, läßt sich diese schon rechtlich und logisch neben der gesetzlich inr Voraus zugesicherteu Zulassung jeder Art von Religions gemeinschaft nickt durchführen. Aber auch abgesehen davon, kann doch in alle Wege nicht daran gedacht werden, jene Vorrechte unter Preisgabe aller Staatskirchenkobeit einzu räumen. — Fürst Bismarck erklärte zwar im März und Mai 1887 im preußischen Landtag, daß er persönlich auf die Beeinflussung der Vorbildung der Geistlichen und auf die Anzeigepflicht keinen großen Werth lege, allein er trieb damals, wie er selbst sagte, Opportunitätspolitik und er sagte selbst: Meine private Ueberzeugung mag ja eine irrige sein und deshalb sage ich zur Sicherheit: „WaS Deines Amtes nicht ist, da laß Deinen Fürwitz". Er sah sich damals einem zum Frieden geneigten Papste gegenüber, und verschiedene Er wägungen ließen eS ihm wünsckenswertb erscheinen, mit Ihm den Frieden zu schließen. Allein die seitdem verstrichene Zeit bat doch zur Genüge bewiesen, wie sehr er sich in seinen Hoffnungen getäuscht hat, und wenn man die glänzenden Reden wieder liest, die er damals für seinen Slandpunct, namentlich auch zur Beschwichtigung der in der evangelischen Kircke erwachten Besorgnisse gebalten hat, man kann doch des Eindruckes sich nicht erwehren, daß er seinen politischen Zielen und Erwägungen Opfer gedrückt hat, die die Stellung der katholischen Kircke und dcS CentrnmS wesentlich gestärkt haben, ohne daß diese irgendwelche Verpflichtung, nnnmehr auch ihrerseits den Frieden zu wahren, irgendwie anerkannt und auf sich genommen hätten. Man wird daher auf jene Aenßerungen BiSmarck's kein zu großes Gewicht legen dürfen. Wenn Fürst Bismarck damals sagte: „Wenn man nun einwendet, der consessionelle Frieden verbürge nicht Len Frieden im Lande, so verweise ich aus die letzten Vor gänge bei Len Wahlen; die Devise des Centrums: entweder alles oder gar nichts, ist falsch. Wenn einerseits Papst Leo XIII. für den Frieden eintritt, und andererseits das Centrum und »ine An- zahl demokratisirender Geistlichen sich dem Willen des Papstes ent gegensetzt, so ist mir der Sieg Les Papstes über kurz oder laug gar nicht zweifelhaft, wenn die Wähler erst wissen, was der Papst will. . . . Wenn wir erst den Frieden mit dem Papste haben, brauchen wir das Centruin nicht mehr zu fürchten, ich fürchte das letztere überhaupt nicht; der Kampf mit dem bloßen Centruin wird anStrocknen, wie die Hochsluth nach dem Gewitter. Wenn Kaiser und Papst einig sind, so können wir diesem Kampfe ruhig ent- gegensehen" — so müssen wir beute sagen, wie wenig haben sick die Hoff- nungen BiSmarck'S erfüllt, wie ist ein so großer Staatsmann in feinem Vertrauen getäuscht worden, das Centrum hat seine Devise bcibehalten, und der Papst hat sie darin nicht ge hindert. Der entschiedene Schritt: „Alles" zu verlange», ist nunmehr gethan, und man scheint dabei keine Rücksicht aus die von Papst Leo früher gemachten Zugeständnisse zu nehmen oder nehmen zu müssen. Auch auf ein wichtiges, beim Zustandekommen des Bürger lichen Gesetz-Bucheö abgeschlossenes Compromiß nimmt der Antrag keine Rücksicht, und eS ist dies um so bedeutungs voller, als ein Mitglied des deutschen Reichsgerichtes, welches sich uni dieses Zustandekommen Verdienste erworben Hal, mit als Antragsteller unterzeichnet hat. Bekanntlich ist es nur nach langem Ringen und vielen Zweifeln gelungen, den be züglich der Aufnahme von Bestimmungen über die juristischen Personen in das Bürgerliche Gesetz-Buch entstandenen Wider streit der Meinungen zu üverwinden. Das preußische Staats ministerium hatte peremtoriscken Widerspruch gegen diese Aufnahme erhoben, und die Regelung der Landesgesetzgebung Vorbehalten. Die Einigung kam schließlich dahin zu Stande, daß man den Ausgang von der freien Körpersckaftsbildung nahm, aber mit der Einschränkung, daß Verbotsnormen sowohl bei der Entstehung als während des Bestehens mit vernicktendcr Wirkung eingrcisen. Dabei ist das ganze öffentliche Vercinsrecht unberührt geblieben; Artikel 80 des Einführungs-Gesetzes, der dies aussprach, ist nur deshalb vom Reichstag gestrichen worden, weil er als selbstverständ lich galt. Dieses Compromiß soll nun durch den Antrag des Centrums zu Gunsten der religiösen Genossenschaften anerkannter Religionsgemeinschaften aufgehoben, und eS sollen diesen völlig freie CorporationSbilvung von Reichswcgen gewährleistet werden. Es ist recht bezeichnend, daß, während in dem katholischen Frankreich die strengen Bestimmungen des t!ocko nayrcköon pönal Artikel 29l er leichtert werden sollen zu Gunsten freier Vereinsbildung mit Ausnahme der religiösen Associationen, in dem über wiegend protestantischen Deutschland die freie Vereinsbildung gefordert wird sür die religiösen Genosseuschastcn mit Aus schluß ter übrigen Vereine. Welch surcktbar verhängnißvollcr Eingriff damit in das Bürgerliche Gesetz-Buck gemacht würde, braucht Wohl nicht erst gesagt zu werden, wiewobl diese Seite der Sacke der Ausmertsamkeit des Herrn Reichskanzlers ent gangen zu sein scheint. Auch auf einige sonstige Puncte, in denen die Aufgabe der Staalshoheitsrechic neben der Einräumung einer bevorzugten Rechtsstellung einzelner Kirchen ganz unmöglich erscheint, mag noch kurz wenigstens bingewiesen werden. Die materielle Unterstützung der Kirchen, darauf hat bereits der Abg. v. Vollmar hingewiesen, müßte selbstverständ lich Wegfällen, aber auch die Besteuerung der Religions genosse» mit essicieller Anerkennung und Leihung des weltlichen Armes zum Eintreibcn der Steuern könnte nickt aufrecht er halten werden, denn jede Gemeinschaft, jede Secte würde doch gleichen Anspruch daraus erheben können. Wie soll ferner der Staat die religiöse Beaufsichtigung des Schulunterrichtes oder die Mitwirkung dabei gewährleisten können, wenn er auf die Vorbildung der Geistlichen gar keinen Einfluß mehr hätte; völlige Trennung von Kirch: und Schnlc wäre die unmittel bare Consequenz, zum Nacktheile beider und des Staates. In die religiöse Kindererzicbung könnte der Staat gar nickt mehr regelnd eingreifen, denn wenn er gar keine Gewähr dafür bietet, daß nicht eine religiöse Gemeinschaft zur Pflege stätte staatsfeindlicher oder vaterlandsloser Gesinnung werde, wie soll er denn einen Zwang zur Erziehung in dieser Ge meinschaft ausüben'? Auck Bestimmungen über Austritt ans einer Religions gemeinschaft, tvie sie 3 und 1 des Antrags geben wollen, würden ja ganz überflüssig fein, denn was Kälte der Staat dann noch sür ein Interesse daran, zn wissen, welcher Religions gemeinschaft Jemand angehört. Auch die Bestimmungen in HS loü und 167 des Reichs strafgesetzbuchs, die ja in ihrer Wirkung ohnedies schon zu großen Bedenken Anlaß gegeben haben, würden bei der völligen Freigabe der Erlangnng der Corporationsrechte nicht unverändert bcibehalten werden können. Ein: ziemlich starke Einschränkung der religiösen Gemein^ schäften bei Erwerb und Verwaltung von Vermögen ist selbM in den amerikanischen Gesetzen für nöthig befunden word^D Das Ungeheuerlichste ist aber das, daß die Frage, ob eiiM Kirche die aus der Stellung als anerkannte Kirche sick er gebenden Vorreckte genießen soll, gar nicht von dem Willen deS betreffenden Staates, auch nicht einmal von dem des Reiches abhängen soll, sondern daß, wenn ein einzelner Staat, also Reuß-Greiz oder Lübeck eine Religionsgesellschaft an erkannt, dies zugleich für alle anderen Bundesstaaten maß-» gebend sein soll, (tz 5> des Antrags.) Man braucht dabe noch nickt einmal an Mormonen oder Buddhisten oder Mobamedaner zu denken, sondern nur an christliche Religions parteien und -secte», welche Verwirrung in den staatlicb-kirch- lichen Verhältnissen der einzelnen Bundesstaaten könnte da durch hervorgerusen werden. Die Verhältnisse des LandeSkirchenthumS in einem Bundesstaate bilden überhaupt ein nicht leicht zu lösendes Problem; die Schweiz hat die kirckenstaatörechtlicke Gesetz gebung zum größeren Tbeile den Canronen überlassen, rie revidirte Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 hat nur gewisse principielle Gesichtspunkte und Normen ausgestellt, welche für die Cantonalgesetze maßgebend sind. Darunter befinden sich neben großer Freiheit der Vereinsbildung auch specielle Beschränkungen der katholischen Kirche, sie betreffe» die Errichtung von BiSthiimern, den Orden der Jesuiten, andere Orden, die Klöster; eS bleibt auch den einzelnen Canronen überlassen, ihrer historischen Entwickelung gemäß einzelnen Kirchen staatliche Vorrechte einzuräumen; die Can- tone haben daher durchweg ein Landes- oder StaatSkirchen- thum beibcbalten, und eS ist dies zulässig, so lange cS keinen exclusiven Charakter bat. Darauf, das StaatSkirchentbum, soweit eS ein ObcraussicktSreckt in sich schließt, von Bundes wegen zu beseitigen, aber die kirchlichen Vorrechte bcizu- bebalten und dabei die Stellung eines einzelnen Staates jür alle übrigen Bundesstaaten maßgebend sein zu lassen, auf kiesen tollen Gedanken ist Niemand gekommen. Fassen wir nunmehr unsere Betrachtungen über den Antrag des Centrums zusammen, so kommen wir zu folgenden Ergebnissen: Die absolute Unzuständigkeit des Reichs bei Regelung der staatlich-kirchlichen Verhältnisse ist nicht zu behaupten; eS würde dies im Widerspruche stehen sowohl zu der wissen schaftlichen Dcurtheiliing wie der thatsächlich durch die gesetz gebenden vorgenommenen Auslegung der Reichsverfassung. Insonderheit würde nichts im Wege stehen, die Zuständig keit unter Beobachtung des Artikels 78 der ReichSversaffung durch Zusatz zu Artikel 4, ja selbst durch Einzelgesetz zu erweitern. Zinn Tbcit ist die Zuständigkeit bereits durch die Unter stcüiilig deS Vereinswefens unter das Reich (Art. 4 Z. 16c gegeben, und eS stehen hierbei wichtige Bestimmungen des B. G.-B. in Frage. Insonderheit aber muß daö Reich das Recht beanspruchen, in Erfüllung seines Zwecks und zur Wahrung seines Be standes auck den religiösen Gemeinschaften gegenüber di- Grenzen zwischen den unveräußerlichen Reckten deS Staates und der Kirche zu ziehen. Hierum handelt cö sich aber beim vorliegenden Antrag gar nickt, dieser bezweckt im Gegcntheile, die staatlichen Auf sicktsr-ckte der Einzclstaatcn mit Hilfe des Reiches zu beseitigen. Em solcher Eingriff dcS Reiches in die Staatskirchenhoheit der Einzelstaaten entspricht weder dem Charakter deS Reiches als Bundesstaat, noch der historischen Entwickelung der staatlich kirchlichen Verhältnisse in den Einzelstaaten. Ter Antrag des Centrums, welcher auf eine völlige Beseitigung deS staatlichen Oberaussichtsrechls huiausläuft, bildet einen unerhörten An griff auf die Rechte deS Staates, und der Versuch, das dculsche Reich wieder unter das canonische Recht zurück zubeugen, ist nm so ungeheuerlicher, als er andrerseits die Ausstattung gewisser Kirchen mit Vorrechten beibehalten will, und die Entscbließuiiz über die Einräumung dieser Vorrechte an die einzelnen Kirchen nicht einmal dem Reiche oder jedeni Einzelstaat sür sich überläßt. Ter gegenwärtige RechtSzustand, wie er sich in Sachsen nach dem Vaticanum herauSgebildet, bietet ebenso wenig, wie in den meisten übrigen Staaten, einen Anlaß zur Revision, indem er Uber die notbwcndigen Erfordernisse des staatlichen OberaufsichtsrecktS nicht hinausgeht. Es bildet daher dec Antrag res Centrums, wie er ein Erzeugniß dcö UcbermutheS der maßgebenden Partei des Reichstags ist, eine schwere Gefahr für das Reich, die Einzel staaten und die evangelische Kirche. Man darf wohl hoffen, daß der Antrag scheitern wird an der rechtlichen und historischen Unmöglichkeit der Durch führung; aber die Hoffnung auf den Reichstag selbst kann nur eine geringe sein, daS Hal die erste Ver handlung erwiesen, lind auch die Erklärung des Reichs kanzlers hat nicht gezeigt, daß er der Gefahren des Antrags sich bewußt gewesen und ihnen gewachsen sei; im Gegentbeil, er Hal sür feine Person ein bedenkliches Entgegen kommen erwiesen. Umsomehr ist es denn am deutschen Volke, Protestanten wie Katholiken, gegen den ultrarnonlanen Angriff mobil zu machen und in die Bresche zu eilen. Es ist ein eigenthümlicker Zusammenhang, daß, während in Frankreich ein entschiedener Kamps gegen den Ultramonta- niSmus vom Staate ausgenommen und mit Hoffnung aus Erfolg geführt wird, während in Spanien eine Revolution gegen den Ullramontanismus und die Jesuiten droht, Deutsch land sich in eine Defensive gegen einen Angriff des Ultra montanismuS gedrängt sicht, der Alles rückgängig macken will, was der Staat seit Jahrhunderten in schweren Kämpfen sick errungen hat. Vor Allem ist ja dies der Kurzsichtigkeit unserer radicalen Parteien zu ranken, an denen die Er fahrungen der französischen Revolution deS Jahres 1848 spurlos vorübergegangen, während man in Frankreich, in der Schweiz, gelernt hat, wie ja Fürst Bismarck schon erklärt bat: daß die Erfolge des CentrnmS wesentlich durch den Freisinn hcrbeigeführt sind. l^u so dringlicher muß die Mahnung an das deutsche V- Jein, die Gefahr nicht zu unterschätzen und mit aller in deni Kampfe cinzustebeu. Eö handelt sich um MDMWsten Güter deutschen Wesens, deutschen Lebens, Mutschen GeisteS! Der Krieg in Südafrika. AriedenSschlnszl —Vielleicht gebt der.Krieg rascher zu Ende als man geglaubt bat. Daß die Engländer die Frirdebedürftigcn sind, haben wir schon wiederholt ausgesprochen, und daß sie eS in der Hauptsache wegen ihrer Besorgniß sind, die Hal tung Rußlands in der Ma ndscdureifrage könne schwere Verwickelungen in Ostasien berbeisühren, ist nicht un wahrscheinlich. So wird uns gemeldet: 1. London, 14. Mär;. sPrivattclegramm.» Tic Regierung wies Mllncr an, wc itcraehende Zu- gcstänS »isse ;u mache» unter der Bedingung so fortige» Frievcnsscklusses, damit t-ngland freie Hand bekomme, angesichts der drohenden Wendung Ser Lage in Lftasien. Bewahrheitet sich diese Information, was wir allerdings noch dahingestellt sein lassen müssen, so ist eS an der Zeit, an einer für osficiöS gehaltenen Auslastung russischer Blätter kurz nach Beginn de« Boerenkriege« zu erinnern. Damals war cs in der boerenfreundlichen und englandfeiadlichen Presse Rußland wiederholt zu verstehen gegeben worden, eS möge jetzt, wo England in Südafrika gebunden sei, in Mittelasien einen easns belli schaffen: die Lage sei so, daß eS mit einem Schlage der englischen Herrschaft in Indien ein Ende macken könne. Russische Blätter erwiderten damals, cS könne Rußland nicht einfalleu, jetzt, wo Englands Macht noch völlig intact sei, den großen EntsckeidlingSkampf mit seinem alten Rivalen vom Zanne zu brecken, wohl aber könne au die Petersburger Diplomaten die Frage, schwerwiegende Bortheile berauSzuschlagen, zu einer Zeit herautretiu,
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