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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960721024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896072102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896072102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-21
- Monat1896-07
- Jahr1896
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Extra»vkilaaen sgefaljt), nur mit der Morgen»Au-gabe, ohne Postbeförderung >l 80.—, mit Postbeförderung 70.—. 2innahmelchln8 für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen.Au-gabe: Nachmittag« «Uhr, Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au hie Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 90. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Juli. Kurz vor der Vertagung hat der Reichstag seine Ge- schäftSordnungScommission mit der Prüfung der Frage be auftragt, ob Mitglieder, die im Hause nicht anwesend sind, Anträge aus namentliche Abstimmung unterstützen können. Wenn die Commission im Herbst dieser Aufgabe näher tritt, wird eS sich empfehlen, Laß sie einem Bericht über eine demokratische Versammlung in Gablenberg, den der „Stuttgarter Beobachter" vom 14. Juli enthält, einige Beachtung schenkt. Die Gegner der Votkspartei haben eine Aufstellung veröffentlicht, aus der hervorgeht, daß die demokratischen Reichstagsabgeordneten Württembergs ihre Mandate ganz überwiegend, einzelne beinahe aus schließlich iu abseutia ausüben. In dem erwähnten Be richte heißt es nun: „Mit großem Beifall und lebhafter Heiterkeit nahm die Versammlung die Mittbeilung (des Reichstagsabgeordneten Galler) auf, daß bei der Versäumniß- liste mehrmals die Abgeordneten der Volkspartei als „fehlend" aufgeführt sind, während nicht weniger als 9 Mitglieder im Reichstagsgebäude anwesend waren und nur bei der von freisinniger Seite selbst beantragten Auszählung des Hauses absichtlich fehlten, um das Zustandekommen eines ver fehlten Gesetzes (Zuckersteuer) oder die Annahme eines schlimmen Antrags, auf dessen Durchpeitfchung mit allen möglichen Mitteln die Gegner bedacht waren, unmöglich zu machen. Jedes Gesetz wird einzelnen Parteien als „verfehlt" erscheinen, und wem ein Gesetz nicht gefällt, dem geht die Fertigstellung immer zu rasch, er findet, eS wird „durchgepeitscht". Herr Galler proclamirt also, indem er sich der Störung des Geschäfts ganges berühmt, das Recht der Minderheit, die Gesetzgebungs maschinerie zum Stillstand zu bringen. Die Ausübung dieses „Rechtes" wird selbstverständlich erleichtert, wenn dem Ab geordneten „eine Wirkung in die Ferne" dadurch ermöglicht ist, daß er von Ulm oder von München oder auch von New Aork aus Einfluß darauf nehmen kann, daß die Beschlußfähig keit des Reichstags in Frage gezogen wird. Man hat es, wie die württembergischen Demokraten verrathen haben, gegenüber den Anträgen dieser Art mit einem System zu tbun. Für die Geschäftsordnungscommission wird dieser Umstand voraussichtlich ins Gewicht fallen. Sie wird aller dings auch ohnedies die Logik auf ihrer Seite haben, wenn sie, wie schon im Reichstage geschehen, folgert, daß, da zweifellos nur Anwesende abstimmen können, bei Allem, was mit der Abstimmung zusammenhängt, nur die Abgeordneten, die anwesend sind, mitzusprechen haben. Die bisherige Praxis ist zwar eine andere, aber bisher ist ein tendenziöses Fernbleiben der Abgeordneten noch nicht festgestellt, jedenfalls nicht offen bekannt worden. Die schlechten Sitten dieses Reichstages machen eben gute Gesetze nöthig, deren man sonst entrathen konnte. Nun sind die württembergischen Demokraten in den zwei Fällen, wo sie zu Unrecht in der „Versäumnißliste" geführt zu werden glauben, im Reichstagsgebäude anwesend gewesen, aber bei der von ihnen herbeigeführten Auszählung nicht im Sitzungs saale. Bei der Beralhung des Bürgerlichen Gesetzbuches hat der Präsident Manöver dieser Art unwirksam gemacht, indem er die zweifellos im Gebäude weilenden Mitglieder den im Saale anwesenden hinzurechnete. Er ist hierin außer Frage richtig verfahren, da aber über seine Entscheidung gemurrt worden ist, so wäre zu überlegen, ob ein Verfahren, wie das vom Präsidenten beobachtete, in der Geschäftsordnung nicht ausdrücklich als zulässig bezeichnet werden sollte. Es würde damit jedem Abgeordneten klar gemacht, daß er die Fälschung der tatsächlichen Frequenz und somit eine politische Absicht nicht erreicht, wenn er einen an Schülerpraktiken erinnernden Schritt thut. Es bleibt ja allerdings noch daS Verlassen des Gebäudes, aber dieses könnte Straßenbilder hervorzaubern, die man vielleicht nicht einmal in den demokratischen Kreisen von Gablenberg „mit großem Beifall und lebhafter Heiterkeit" an sich vorüberziehen lassen würde. In dem Streite um die Zulassung der Anarchisten zu dem bevorstehenden Locialisten - Eongrcsfc in London zeichnet sich das Centralorgan der in Deutschland lebenden Socialdemokraten durch besondere Schroffheit des Tones gegen die Anarchisten aus. Nach der Behauptung des „Vorwärts" kann zwischen Socialisten und Anarchisten nicht einmal mehr die Gemeinschaft einer DiScussivn besteben. Die anarchistischen Delegirten können hieraus auf den Empfang schließen, den sie in London von ihren socialdemokratischen Landsleuten zu erwarten haben, wenn diese volle Freiheit der Arme haben. Für andere Leute ist die Begründung lehrreich, mit welcher der „Vorwärts" seine Stellungnahnie gegen die Anarchisten motivirt. Ein französischer „Genosse" hat es herauSgefunden und der „Vor wärts" spricht es ihm getreulich nach: die sogenannten „Re- volutionaire" (vulgo Anarchisten) geboren in das Lager der „Reaction", der nach Ansicht des „Vorwärts" natürlich alle bürgerlichen Parteien anhängen. Jeder socialistische A-B-C-Schüler müsse wissen, so will unS der „Vor wärts" aufklären, daß Anarchisten und Socialdemokraten nichts miteinander gemein haben, daß beide von entgegen gesetzten Voraussetzungen zu entgegengesetzten Zielen und Forderungen gelangen, daß der Anarchismus auf dem Miste (!) des Capitalismus gewachsen sei, daß er in der modernen Arbeiterbewegung stets die Rolle eines Schleppträgers, Gehilfen und Handlangers deS CapitaliSmus gespielt habe. In Frankreich wie in Deutschland wären die Anarchisten die gehätschelten Schützlinge der Bourgeoisie. Gegen diese freche Heuchelei wenden sich mit berechtigter Entrüstung die „Bert. N. N", indem sie ausführen: „Ein solcher Complex von dreisten Lügen wie hier ist uns selten in der Presse begegnet. Derselbe „Vorwärts", welcher von jeher die anarchistischen Verbrechen in aller Herren Ländern wenn auch nicht rückhaltlos zu verherrlichen, io doch zu be schönigen und in ein milderes Licht zu rücken für gut befunden hat, welcher die Gräuelthaten der Pariser Commune 1871 als Heldenthaten gefeiert, den Untergang de- damaligen Schreckensregimrnts als „neue Pariser Bluthochzeit" br- zeichnet hat, erlaubt sich jetzt, die Anarchisten einfach den bürgerlichen Parteien auf die Rechnung zu stellen. Mehr als einmal freilich hat die Socialdcmokratie bereits die Methode geübt, um ihre eigene Haut nicht in Gefahr zu bringen, anarchistische Frevler von ihren Rockschoßen abzuschütteln, sie als Tollhäuslcr oder bezahlte Lockspitzel hinzustellen. Es war jo bequem, jede Mitschuld von sich abzuwälzen durch die kecke Behauptung, dieses oder jenes anarchistische Verbrechen sei „be stellte Arbeit" gewesen. Ob Jemand die jocialdemokratijchen Flunkereien glaubte, kam dabei wenig in Betracht; genug, Laß man sich allen Anklagen gegenüber hinter die wohlfeile Vlusrede verschanzen konnte, die Unthat sei von gegnerischer Seite an gestiftet worden. Nahezu komisch aber nimmt sich die fran zösisch-deutsche Theatercoulisse aus, daß der Anarchismus und die Socialüemokratie schon aus dem Grunde nicht an demselben Strange ziehen könnten, weij ersterer mit dem Capitalismus nahe ver wandt sei. Anarchismus und Capitalismus auf derselben Aue! — fürwahr ein groteskes Paar: der grobe Verächter jeder staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung und der besorgte Hüter von Recht und Gesetz im trauten Beieinander. Man könnte fast meinen, daß der „Vorwärts" sich einen Scherz auf Kosten der Leichtgläubigkeit seiner Leser habe leisten wollen. Mag zwischen dem Anarchismus in seiner modernen Form und dem historisch gewordenen SDualis mus rin Gegensatz sich aufthun, in den politischen Tendenzen zeigen beide dieselben culturwidrigen und staatsfeind lichen Züge. Beide haben den Umsturz des Bestehenden im Auge, nur daß die Socialdemokratie vorläufig sich scheu», durch revolutionaire Gewaltakte den phantastischen ZukunftSstaat seiner Verwirklichung entgegenzuführen. Was die Führer der deutschen Socialdemokratie wohlweislich mit Schweigen zu übergehen bestrebt sind, hat der große Prophet Karl Marx ausgeplaudert, als er schrieb: „Zwischen der capitalistischen und der kommu nistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionaire» Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Uebergangsperiode, deren Staat nichts Anderes sein kann, als die revolutionaire Diktatur des Prole tariats." Die Mehrzahl der Anarchisten ist aus den Reihen der Socialdemokratie hervorgegangen. Sie sind die heißblütigeren, radikaleren, ungeduldigeren Vorkämpfer für die wesensgleiche Sache. Bricht einmal vorübergehend der so häufig prophezeite Bcbel'sche große Kladderadatsch wirklich herein, so würde der Anarchismus als das thalkräftigere Element an der Spitze des Proletariats einher ziehen, um als Sturm zu ernten, was die Socialdemokratie als Wind gejäet hat." Obgleich das Urtheil über die Mission Li-Hung-Tschang'S als abgeschlossen gellen kann, ist cs doch von Interesse, auch eine j spanische Stimme über dieselbe zu hören,zumal da diese nur bestätigt und näher begründet, waS wir von vornherein in der Angelegenheit geäußert haben. Ein Mitarbeiter von „Louis Hirsch's Telegraphen-Bureau" hatte gestern Gelegenheit, einen in hoher Staatsstellung befindlichen japa nischen Diplomaten über seine Meinung über den Besuch Li-Hung-Tschang'S in Deutschland zu befragen. Der japanische Diplomat sprach sich folgendermaßen aus: „Zu nächst will ich die hier in weiten Kreisen verbreitete irrige Ansicht widerlegen, daß sich Li-Hung-Tschang noch in activer Staatsstellung befindet; er ist nur noch Vicekönig außer Diensten. Ueber seinen Einfluß in China sind hier allerlei Märchen verbreitet, welche dazu beigetragen haben, in Deutsch land Hoffnungen zu erwecken, welche sich niemals erfüllen können. Die Stellung, welche Li-Hung-Tschang jetzt in China bekleidet, ist ungefähr gleichbedrulend mit derjenigen eine« deutschen SlaatSministerS a. D., welcher dem Kronrathe an gehört. Li-Hung-Tschang ist Mitglied des sogenannten „Inneren RatheS", welchem außer ihm noch fünf Herren zugrthrilt sind. In diesem Rakbr hät er eben nur eine be- raihrnde Stimme, kann allerdings dort manche von ibm im Ausland gesehene Einrichtung, soweit er dieselbe für praktisch hält, in Vorlchlag bringen. Nun liegen aber dir Verhältnisse bezüglich der StaatS- lieferungen in China nicht so wie anderwärts. Dort hat jeder Vicrkönig das Recht — und er macht von diesem den ausgiebigsten Gebrauch —. für seine eigene Provinz selbst die nöthigen Bestellungen sowohl an Maschinen wie an Kanonen, Kriegsschiffen u. s. w. zu machen, da Li-Hung-Tschang eben die Stellung eines Vicekönigs nicht mehr bekleidet, so ist sein Einfluß in dieser Richtung jedenfalls nur ein minimaler. Li-Hung-Tschaug hatte wohl anfänglich geglaubt, daß der warme Empfang, den er in Deutschland fand, seiner Person allein galt, als er dann aber später rinsah, daß man mit der gastlichen Aufnahnie auch noch Nebenabsichten ver band, setzte er in seiner Kölner Rede den kühnen Erwartungen einen kleinen Dämpfer auf. Man bat mich vor Kurzem gefragt, so fuhr der Japaner fort, welche Empfindung icv gehabt hätte, als der Abgesandte Chinas am deutschen Kaiserhofe so herzlich ausgenommen wurde. Ich habe über solche Frage nur lachen können! Es ist doch selbstverständlich, daß der deutsche Kaiser den ersten außerordentlichen Botschafter, welchen der Kaiser von China hierher sandte, gastlich aufnimmt; irgend welche politische Combinalioncn aber hieran knüpfen zu wollen, ist ebenso gewagt wie unangebracht." — Das ist Alles sehr zutreffend, und eS ist nur erstaunlich, daß ein Theil der deutschen Presse erst der Ernüchterung durch den oommi^ vovugvui' Chinas selbst bedurfte, um richtig zu seben. In den Rahmen des Seiitsch-franzöfischen Idylls, das durch die Neclameglocke der Pariser Weltausstellung einge läutet worden ist, scheint die Rettung des „General Chancy" durch den deutschen Kaiser und was drum und dran hängt, vortrefflich zu passen, zumal da der „Figaro" geflissentlich bestrebt ist, dem Kaiser das ganze Ver dienst an der Aufbringung des BooteS zu lassen und seine bezwingende Liebenswürdigkeit, wie seine schon ost bewährte Ritterlichkeit auch dem Feinde gegen über ins Licht zu stelle». Wie die übrige Pariser Presse, so beschäftigt sich auch der „Figaro" wiederholt mit dem Vorfall. Er hat jogar bei dem Vertreter der schwedisch-norwegischen Eisenbahnen, Herrn Berg, der bei der Strandung zugegen war. Erkundigungen eingezogen, die den Bericht des MalerS Forcade ergänzen. Nach Bcrg'ö Erklärung war die Haltung des Capitains und seiner Lssiciere über alles Lob erhaben; aber ohne die von dem Kaiser gesandte Hilse wäre, wie Berg ertlärt, das Schiff auf Len Felsen des Nordfivrds zu Grunde gegangen. Berg erzählt die An kunft der Franzosen in Stalheim in ähnlicher Weise wie Forcade, auch die Geschichte mit dem Frühstück, und fügt dann hinzu: Nach dem Frühstück stieg der Küster mit den Touristen zu den Wasser fällen von Stalheim hinab; er schritt bis zu dem äußersten Abhang vor und legte so vor Len Franzosen, von denen ein ein- ziger ihn durch einen Stoß gegen die Schulter in den Abgrund hätte stürzen können, seine Neberzeugung an den Tag, daß von einem Franzosen kein hinterlistiger Anschlag zu befürchten sei und daß er sich unter ihnen in vollkommener Sicherheit befinde. In der darauf fol genden Nacht strandete der „Genera! Chanzy. Sobald der Kaiser davon erfuhr, beauftragte »r den Capitam der „Gefion", dem Capitain des „Generals Chanzy" sein Bedauern auszudrücken und zuzusehe», ob er Hilf» leisten könne. Hierauf erfolgte da« RetlnngS- werk. Berg schließt seine Erzählung mit den Worten: Der Kaiser beschränkte sich bei seiner Hilfeleistung nicht daraus, sein Schiff hinzusenden, sondern ließ sich Stunde um Stunde Uber den Gang der Arbeit berichten. Um 1 Uhr früh sandte der Kaiser seine letzte Depesche an den Capitain v. Eickskedt, beglück wünschte ihn, seine Aufgabe so gut ausgesührt zu baben und sprach seine Freude über die Flottmachung des französischen Dampfers aus. Der „Figaro" bemerkt zum Schlüsse: An Bord der Schiffe „General Chanzy" und „Gefion" sand ein Austausch von Höflich keiten statt; dec Capitain Les englischen Schiffes aber ließ sich seine Hilse mit theurcm Gelde bezahlen. Es ist schon viel, daß ein französisches Blatt einen der artigen Bericht ohne chauvinistischen Commentar abdrnckt, ja man könnte es ausfallend finden, daß der „Figaro", namentlich in feiner Schlußbemerkung, etwas von anscheinend ehrlicher Sympathie und Hochachtung für deutsches Wesen durchblickc» läßt. Allein man muß den „Figaro" kennen. Er ist, gerade was die deutsch-französischen Beziehungen anlangt, ras charakter loseste Blatt, das in Paris gelesen wird, und man hat es schon mehr als einmal erlebt, baß er heute einen von Senti mentalität übersließenden Umarmungsartikel veröffentlichte, um morgen desto lauter und widerwärtiger die Revanche trommel zu rühren. Nur Sensation um jeden Preis ist das Leitmotiv dieses edlen Blattes, dem wir auch die Autorschaft an der Bemerkung deS Berg'schen Berichtes zutrauen: ei» Stoß an die Schulter hätte den deutschen Kaiser in den Lim Pinkerton und ich. Roman von R. L- Stevenson und Lloyd Osbourne. 201 Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. Ich machte mich, so rasch eS die Höflichkeit irgend ge stattete, auS dem Staube, denn in dieser Stimmung war eS mit Rares nicht gut Kirschen essen. Ueberdies hatte sein ZornauSbruch eine Fluth von Gedanken in mir wachgerufen, die sich nicht so leicht bannen ließen. Ich vermochte mich kaum auf den Füßen zu erhalten. Die „Norah Creina" schaukelte wie eine Nußschale auf den schäumenden Wellen; mein Leben stand auf dem Spiele und das von sieben anderen Menschenkindern ebenfalls, und weshalb? Ich wagte kaum, mir diese Frage zu beantworten. Die Schamröthe stieg mir inS Gesicht, als ich mir sagen mußte: „All' die Angst, Auf regung und Verantwortung habe ich nur auf mich genommen, um eine große Menge todtlichen Giftes zu bergen". Aber als ich mich weiter fragte: „Wenn eS ein Jenseits giebt und ich wirklich bald vor dem Richterstuhl ewiger Gerechtigkeit werde stehen müssen, wie wird meine Thal beurtheilt werden?" Die Antwort lautete: „Mag daS Urtheil wie immer auSfallen, Jim, ich thue all' dies für Dich!" Bor elf Uhr wurden die Hauptsegel mit einem dritten Reff versehen. Johnson saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem nassen Boden der Cajüte und brachte mit Hilfe seiner Leute in großer Eile da- Sturmsegel in Ordnung. Zur Mittagszeit flüchtete ich mich in meine Coje, vor Angst schwindelig, stumm und betäubt. Die furchtbaren Sprünge der armen „Norah Creina", die wie ein verfolgter Hirsch dahin jagte, bannten mich auf meinen Platz. Ueber mir brauste die wilde Jagd des Sturmes mit ihrem lärmenden, kreischen den Gefolge dahin. Der Wind heulte, die Balken deS Schiffes ächzten, die Taue knirschten, die Ketten klirrten, dir unS verfolgenden hau«hohen Wogen brüllten und zischten. Bon Zeit zu Zeit war mir, al- ob ich einen mehr mensch lichen Laut hörte, der all die« furchtbare Brausen und Toben der aufgeregten Natur übertönte, er glich dem Weh klagen eines Engels, und ich glaubte den Namen diese- Engel- zu kennen, seine schwarzen Fittige flattern zn bören. Ich konnte nnv kann es heute noch nick>k begreifen >vi- vrr Mensch eine solch barbarische Mißhandlung des feuchten Elementes lange auszuhalten vermag. Der Schooner wurde bald auf eine berghohe Woge, bald in einen schäumenden, tiefen Abgrund geschleudert. Wie einem Kinde am Neck jede Sehne, jede« Glied verrenkt und verzerrt wird, so krachte und knackte jede Fuge der „Norah Creina". Es gab kein« Planke in ihr, die nicht laut um Erbarmen schrie. Bei jedem Sprung, den sie in die Höhe oder Tiefe that, glaubte ich, jetzt und jetzt müsse sie unter dem heftigen Anprall bersten, aber nein, die Kleine hielt sich tapfer, und meine Bewunderung für ihre Tüchtigkeit stieg von Minute zu Minute und ließ mich fast meine Todesangst vergessen. Ich segnete im Stillen jeden der Arbeiter, der bei dem Bau des winzigen und dock so starken SchiffS- rumpfeS den Schlägel geschwungen. Er hatte nicht nur deS Lohnes halber gearbeitet, sondern auch dazu beigetragen, Menschenleben zu retten. Den Rest deS Tages und die folgende Nacht verbrachte ich wach in meiner Schlafkoje. Ich wagte kaum zu athmen. Am nächsten Morgen ging ich auf's Deck. Ich hielt es unten vor Ungeduld und Angst nicht mehr aus — ich mußte Gewißheit erlangen, wie es um uns stand. Noch immer lösten Johnson und Rares einander standhaft und ernst am Steuerrad ab und begaben sich dann abwechselnd hinunter, nm ein wenig auSzuruhen. Der erste Blick dieser Beiden, sobald sie wieder das Deck betraten, galt dem Wetterglas, das sie stirnrunzelnd betrachteten, denn eS hörte nicht auf zu fallen. Wenn Johnson davor stand, wandte er sich mit viel sagendem Achselzucken dem Speisekasten zu, entnahm demselben einen Imbiß und verzehrte ihn, an den Tisch gelehnt, nut düsterer Miene. Mit vollem Munde beehrte er mich zwischen durch wohl auch mit einer Anrede in seinem Kauderwelsch, die nicht gerade ermuthigend klang und mir die Gefahr, in der wir schwebten, vor Augen führte. Wenn er gegessen hatte, warf er sich erschöpft ans sein Bett und schlief seine zwei Stunden wie ein Klotz. Rares rührte weder Speise noch Trank an, auch schlief er nicht. „Oh, Sie hier, Herr Dodd?" sprach er mich an, nachdem er dem Wetterglas seinen Besuch abgestattet. „Nun, mein Sohn, wir sind noch gerade 104 Meilen von der Insel ent fernt und segeln mit aller Macht. Wenns so fortgeht, werden wir, wie ich vorauSgesagt habe, morgen gegen vier Uhr dort anlegen. Es ist aber auch möglich, daß wir in einen ganz anderen Hafen einlanfen, in den de» T-ike- nämlich .? >, i--t wissen Sie. Sie wsssen wollten, und ick wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich wieder in Ihre Cajüte trollten. Sie sehen, daß ich todtmüde und nicht zum Plaudern aufgelegt bin." Damit kehrte er mir den Rücken, biß seine Zähne fest auf die Cigarre und paffte darauf los, bis er ganz in Rauchwolken gehüllt war. Später erklärte er mir, daß er damals sich sehr glücklich ge fühlt hätte, was ich nie vermuthet hätte. „Wissen Sie, mein lieber Dodd, der Wind war uns nicht gerade ungünstig, aber das Meer dafür um so wilder und gefährlicher. Der Schooner brauchte eine feste Hand, und das Wetterglas deutete an, daß un« Böses bevorstand. Es lag die Möglichkeit vor, daß wir direct unserem Verderben zu steuerten, aber auch daS Umgekehrte war nicht ausgeschlossen. Eine solche Situation bat doch etwas Erhabenes in sich. Ick fühlte mich in meinem Elemente! Wir Menschen sind doch ganz merkwürdig geartete Bestien!" schloß er vergnügt. Der Morgen brach mit unheilvoller Klarheit herein, Vie Luft war beunruhigend durchsichtig, der Himmel rein, der Horizont hob sich deutlich und bestimmt vom Firmament ab. Der heftige Wind und die ins Ungeheure angeschwollenen wilden Wogen verfolgten uns unermüdlich. Ich stand, vor Angst zitternd, auf Deck und schien jede Macht über meine Beine verloren zu haben. Meine Kniee knickten wie Papier zusammen, wenn die brave „Norah Creina" in einen mörde rischen Abgrund versank; mein Herz stockte, wenn ein schwarzer Wasserberg sich wie eine Lawine aufs Deck wälzte und die nasse Fluth wie ein Gießbach über meine Knöchel floß. Ich hatte nur Ein mächtiges Verlangen, das alle anderen Gefühle in mir erstickte: mich in meiner Seelenangst wie ein Mann zu benehmen und, was immer nur bevorstehr, meinen Charakter zu bewahren. Wie Recht hatte doch Rares: „Wir Menschen sind doch ganz merkwürdig geartete Bestien!" Die Frühstückzeit kam. Ich beeilte mich, eine Tasse beißen TheeS herunterzuwürgen, um wieder so bald wie möglich mit schwindligen Augen den Chronometer zu studiren und mich verwundert zn fragen, welchen Werth diese Be obachtungen eigentlich auf einem Schiffe haben, daS wie ein Wurfgeschoß von den wilden Wellen bin und her geschleudert wurde und jeden Augenblick in Atome zerschellen konnte. Der ganze Vormittag schleppte sich noch in dieser aufreibenden Eintönigkeit der Gefahr hin. Jede Umdrehung de- Steuer rades war ein tollkühne-, aber nothwendige- Experiment — tollkühn wie eine verlorene Hoffnung, nothwenoiz wie der Sprung de« Feuerwehrmann«« von einer brennenden Leiter ec ' ticberen Bl-d-n Mittag kam heran. Der Capitän speiste sich mit seiner anstrengenden Arbeit ab, ich damit, daß ich ihn genauer beobachtete. Er fuhr fort mit ängstlicher Genauigkeit, unseren Curs auf der Seekarte zu bezeichnen, WaS mir theils absurd dünkte, andererseits aber auch mein Mitleid wachrief, denn ich konnte mich des Gedankens nickt erwehren, vaß das nächste Auge, welches diesen Bogen erblicken werde, Wohl da- eines Fisches sein dürfte. Der Zeiger rückte auf Eins, sodann aus Zwei, und die Laune Les Capitains besserte sich nickt. Er tobte und wüthete. Wenn ich jemals in einem mensch lichen Auge Mord schlummern gesehen habe, so war cs in dem seinigen. Wehe dem armen Matrosen, der ihm jetzt nicht auf den Wink gehorchte!" Plötzlich wandte er sich an den Steuermann, der sich gerade an dem Rade abmühte, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne perlten. Ich verstand nicht, was er ihm zurief, denn der Wind verschlang die Worte; aber Johnson nickte, über sein ganzes Gesicht huschte ein freudiges Lächeln, er fnbr fick mit dein Rücken seiner nassen Hand über die Augen und wartete, nachdem Rares das Steuer übernommen, einen günstigen Augenblick ab, wo das Schiff auf eine hohe Woge geschlenreit wurde, um das Takelwerk des Hauptmastes zn erklettern. Er schwang sich immer höher, klammerte sich bei jedem Unter tauchen der „Nora Creina" fest an die Taue rind bi ig zwischen Himmel und Meer. Jede ruhigere Bewegung des SchoonerS benutzte er, um ein Stückchen höher zu klimmen, bis er endlich die Dwarssahlingen erreicht hatte. Mit Herzklopfen verfolgte ich seine Bewegungen und bewunderte feine Ge wandtheit. Jetzt klammerte er sich wie ein Affe mit einem Arm an die Stangen, und ich bemerkte, daß er seine Blicke späkend über den südwestlichen Horizont schweifen ließ. Im nächsten Augenblicke glitt er die Pardune hinab, sprang grin send und nickend aufS Deck und nahm schwitzend und pustend seinen Posten am Steuerrad wieder ein. Sein ermüdetes Gesicht strahlte und lächelte, sein vom Sturme zerzaustes Haar und seine zerfetzten Kleider umflatterten ihn. NareS eilte in seine Cajüte, nm sein Fernrohr zn holen, und richtete eS ernst und stumm über die Meere-fläche Ladin, ich that dasselbe mit unbewaffnetem Au^ze. Anfang- sah ick nicht- als die unendliche weite Wasserwuste, aber nach uns nach gewöhnte sich da- Auge daran, und ich vern cchle in der Ferne einen Punct zu erspähen, wo da- Wcchc mir etwas condensirter erschien; der sich Larütcr wölbende Himmel war ebenfalls weißlich und dunstig "ie e>"> Bö. Mit einem Mal« fck!ug roi Ton au
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