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Dresdner Journal : 26.02.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-02-26
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188402264
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840226
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840226
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-02
- Tag1884-02-26
- Monat1884-02
- Jahr1884
- Titel
- Dresdner Journal : 26.02.1884
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1884. Dienstag, den 26. Februar. ^48 >m Is»n«v» s»ut»»x»» 7Lkr>ick: . ... IS H»rK. jLLrtiel»: 4 H»rtc LV I*t. Hiwuvor»: 10 4u,»«rk»Id äei äsuttcLeQ kaictza« tritt kost- uaä 8too>p«t«u»ct»I»^ Luna. I»»en»1«opr»I,«r kür ä«v kaum eiovr ^e,p»It«il«ll ?«titt»ils iv ?L vatsr „Li»zs««»nät" äi» 2«il« LV ?t. 8«i 1'»b»Uea- uoä 2iKari»«t» LV ^ak,eLI»b- Lr,edein<>» r H^UcL mit Xun»»km« äsr 8oao- vnä keiert«?« Xdsllij» kür 6«n kol^SQcisa '1»xx. DreMerÄMMÄ. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. I»8«r»tooiu>»LLm» «»««Lrlsr l.«lp»iz: 1>. Lru»ili«/r1tcr,.^ouuuii!Li<-lltU äe» 1>r««1llvr ^ounutl»; L»wdarU L«rU»-Vi«» I^tp«tU >»»«> Irsil»» ». ».: /sarnrnnte,» <« ^vAier, ImrUa-Vt«» S»»d«rU ^r»n>ltsi-1 «. ». »SorL«»: MiE, L«rUa: /-ikcit'tten^nnt, Lr«m«a: L. LcUott«, Lr.»I»»: L'tunAen » ^«rea« fF'mii LuLatL); kr»»LtLrt ». N ! L ^atA«'»eL« 1ji>vdo»QäI>ui8, N-rUU: <?. L»»»ar«r: <7. §cL»n«k«r, k»rt, S«rUL Vruut^tarr ». N-- St»tt4»rt: DauLeck 6o.» s-urrdarz: ^IL Lte»»«r II» r » u » x v d « r r KSvisl. L»pe6itioo 6s« vrssäoer 6oarruU», I)r«6so, 2vivbsr»tr»«« t^o LV. Machtstellungen auf daS ^Dresdner Journal" für den Monat März werden zum Preise von 1 M. 50 Pf. angenommen snr Dresden bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für »»SwärtS bei hen betreffenden Postanstalten. t'önigl. Expedition -es Dresdner Journals. Amtlicher Theil. Dre-den, 22. Februar. Mit Allerhöchster Geneh migung ist dem Steuermann Friedrich Wilhelm Schubert zu Serkowitz für die von demselben unter eigener Lebensgefahr am 15. October vorigen Jahres bewirkte Rettung eines Knaben vom Tode des Er trinkens die silberne Lebensrettungsmedaille nebst der Lefugniß zum Tragen der letzteren am weißen Bande verliehen worden. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte». Dessau, Montag, 2s. Februar, Mittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.*) Der Landtag deS Her- zogthums Anhalt ist soeben mit einer Thronrede eröffnet worden, welche die Nothwendigkeit der Aadrikationvbethriligung der Regierung zur Er gänzung deS Ausfälle» bei der Saline Leopold»- hall hervorhebt. Bi» jetzt ist noch keine darauf bezügliche Vorlage eingegangen. Lille, Sonntag, 24. Februar, Abend». (W. T. B.) Die Delegirtrn der Berg- und Hütten- arbritrr scheinen durch mehrere Zugeständnisse, mit denen sich der Generaldirektor in Anzin bei einer Besprechung mit dem Präfectea de» Depar- trment» du Nord einverstanden erklärt hatte, zu- frirdeugestellt zu sein. Morgen findet in Denatn eine große Versammlung Statt, welche darüber beschließen wird, ob der Strike fortdaueru soll. Störungen der öffentlichen Ruhe haben nirgend» stattgefunden. (Vergl. unsere Pariser Lorrespondenz unter.Tagesgeschichte".) London, Montag, 25. Februar. (Tel. d.DreSn. Journ.*) Der Herzog v. Marlborough ersucht die „TimeS", die Meldungen Berliner Zeitungen be züglich de» Verkauf» der Blenheimer Galerie au die preußische Regierung zu dementireu; r» seien keine Unterhandlungen mit der preußischen Re gierung darüber gepflogen worden. Auch wisse der Herzog von keinem Vorschläge für solche Un terhandlungen. Au» Hongkong wird untrrm heutigen Tage telegraphirt, daß gestern eine Kesselexplofion auf dem Dampfer „Kotsai" während der Fahrt von Hongkong nach Macao stattfand, wobei 17 Passa giere gelobtet wurden, darunter 8 Europäer. Kairo, Montag, 25. Februar. (Tel. d. DreSdn. Journ.*) Au» Suakin von gestern Abend» wird gemeldet: Der General Graham schickte eine Avant garde von 200 Cavalleristen voran» und läßt eine wei tere Abtheilung folgen. Man hofft, morgen bi» Tokar zu gelangen. Die Truppen errichteten un weit Trinkitat Verschanzungen. Die Negertrup- pen in Suakin gelten für nicht zuverlässig. (Bgl. die „Tagesgeschichte".) Gestern (Sonntag) Nachmittag» find in Trinkitat nunmehr 4300 Engländer auSgrschifft worden; man gewahrt den Feind auf allen Seiten und schätzt seine Kräfte auf etwa 10000 bi» 12000 Mann. *) Nachdruck verboten. D. Red. Die uubischeu Truppe», welche di« Einschiffung verweigerte«, werden als Kameeltreiber verwendet. Die „Daily News" und der „Daily Telegraph" melden aus Kairo, daß die englische Okkupations armee bald auf 10000 Mann erhöht sein »erde. Dresden, 25. Februar. Da» von der norwegischen Demokratie unter Leitung Sverdrup'S, des Präsidenten des StorthingS, in Scene gesetzte Reichsgerichtsdrama ist nunmehr beim letzten Acte angelangt. Nachdem am Montage voriger Woche der Hauptvertheidiger seine Duplik be endet und der Ministerpräsident Selmer sich in ein dringlicher Rxde an seine Richter gegen die Unter stellung verwahrt hatte, daß seine Handlungen einen dolosen Charakter besäßen, wurde die nun folgende gericht liche Procedur geschlossen, und der Gerichtshof trat zur Berathung des UrtheilSspruches zusammen. Die 3 Anklagepunkte betreffen l) die Verweigerung der königl. Sanktion zum StorthingSbeschluß wegen Theil- nahme der StaatSräthe an den Verhandlungen des StorthingS, 2) die von der Regierung verweigerte Auszahlung der vom Storthing voürten 30000 Kr. für die Schützenvereine und 3) die von der Regierung nicht erfolgte Aufnahme der vom Storthing ernannten beiden Mitglieder in die centrale Eisenbahnadministra tion. Den Ausführungen des StaatSministerS Selmer entnehmen wir Folgendes: Mil Bezug auf die Grundaesetzfragen und Anklagepunkte, welche Gegenstand der hier geführten Verhandlungen gewesen seien, habe er nichts dem hinzuzusügen, waS von Seiten des Vtrlheidigers in so ausgezeichneter Weise und mit ebenso großer Gründlichkeit als Klarheit gejagt sei. Er wolle sich aber nur in Kürze über sein mehr persönliches Berhältniß al- Mitglied de» RatheS Sr Majestät aussprechen. Der Minister Selmer widerlegte die Behauptung, daß daS gegenwärtige Ministerium ein „Kampsministerium" sei, und erklärte im Begcntheile, daß dasselbe stet» von dem Wunsche beseelt gewesen, dem Storthing Entgegenkommen zu zeigen Niemals habe er dem Könige an- gerathen, Schritte vorzunehmen, wodurch Se. Majestät ent weder der Ausübung irgend eine» dem Storthing zustehenden Rechtes Hmdernisse in den Weg legte, oder in daS Machtgebiet deS StorthingS Eingriffe machte. Er sei auch so glücklich ge wesen, daß er Er. Majestät solche» abzurathen niemals nöthig gehabt. Aus der andern Seite habe er er als seine ebenso un bedingte Pflicht angesehen, über die der KönigSmacht durch da» Grundgesetz beigemessenen Prärogative zu wachen, und in den S vorliegenden Anklagepunkten habe er, ohne Einwirkung von anderen Rücksichten oder Beweggründen, dem Könige seine Rath- schläge ausschließlich mit dem Hinblicke aus da» Wohl seine» Baterlande» vor Augen ertheilt. Wenn man diese» bedenken und ferner in Betracht ziehen wolle, daß er i» den betreffenden Grundgesetzsragen die Meinung befolgt habe, welche nicht nur von den Repräsentanten der Wissenschaft behauptet, sondern auch in wichtigen Erörterungen der Nationalversammlung anerkannt worden sei, sehe er dem Urtheile de» Gericht» ruhig entgegen. Sollte dieser Urtheil zu seinen Ungunsten lauten, so würde ihn die» gewiß tief schmerzen Er würde aber ohne Sorge um sich und sein Schicksal sein, denn er habe seine Pflicht gethan. Er würde aber voll Sorge wegen der traurigen Wahrheit sein, daß r» politischer Irreleitung gelungen sei. da» Land seine» theuer- sten Schatze», de» Schutze», welchen rechtschaffene» Betragen bei den Bericht-Hosen besitzen solle, zu berauben. Die Rede deS Ministers machte durch ihre Würde und Männlichkeit einen starken Eindruck und wurde von der großen Versammlung (die Galerien waren übervoll) mit gespannter Aufmerksamkeit gehört. DaS Reichsgericht ist am vorigen Freitag zur Fällung des UrtheilS über den Staatsminister Selmer zusammengetreten. Das zuerst votirende Gerichtsmit glied beendigte sein Votum am Nachmittage desselben Tages. Die Abgabe des zweiten Votums hat am Sonnabend Nachmittags 5 Uhr begonnen. Die Publi- cation des Spruches dürfte erst am 28. d. M. erfolgen. Die Abstimmung geschieht in folgender Weise: Zuerst stimmen die 8 Höchstengerichtsassessoren in der durch Loosziehung bestimmten Reihenfolge. Der zuerst Vo- tirende ist verpflichtet, eine Darstellung des Processes zu geben. Darauf stimmen die Mitglieder des Lands- thingS in nachstehender Reihenfolge. Merenberg, Fril- seth, Egge, Skaar, Lindstöl, Bicepräsident Havig, Kol- benstvedt, Kirkhorn, Iversen, Tönning, Mustad, Huser, Bjering, Lieu, Reisan und Leer; dann der Justitiarius in» Höchstengericht, Thomle und zuletzt der Präsident de« Reichsgerichts, Oberjägermeister Lange. Falls ein Votirender nicht zu demselben Resultate kommt, als ein vorhergehender Mckter, ist er verpflichtet die Gründe anzugeoen, welche sein abweichendes Votum veranlaßt haben. Das Urtheil wird vom Präsidenten Lange bei nicht verschlossenen Thüren vorgelesen und durch eine Deputation der Regierung zugestellt, um im Falle der Berurtheilung vollstreckt zu werden. DaS Urtheil geht als Beschluß des gesummten Reichsgerichts hervor, also ohne Vorbehalte, und kein Mitglied des Gerichts darf offenbaren, welcher Anschauung entweder es selbst, oder irgend ein anderes Mitglied des Gericht« bei der Votirung gewesen ist. Die Mehrheit der Mitglieder des Reichsgerichts befindet sich leider nicht mehr in der Lage, ein freies, selbstständiges Urtheil abgeben zu können. Um einen Druck auf daS dieser Gestalt zusammengesetzte Richter collegium auSzuüben, wurde bereit« das Möglichste ge leistet, und vielfach ist man der Ansicht, daß das Ver- dict für den Staatsminister Selmer und 7 seiner Col- legen auf Amtsentsetzung lauten wird, wogegen ange nommen wird, daß die StaatSräthe Johannesen, Schweigaard und Hertzberg mit Geldstrafen davon kommen dürften, trotzdem Johann Sverdrup öffent lich erklärt hat, daß „alle StaatSräthe bereits ver- urtheilt (soll natürlich heißen: beseitigt) seien". Die Agitationen der Radicalen erstrecken sich in immer weitere Kreise. Auch die bewaffnete Macht ist bereits davon nicht unberührt geblieben. In Horten hat ein Marineconstabler sich in unehrerbietiger Weife über Einrichtungen bei der Flotte geäußert, und seinen Auslassungen, die derselbe in einem radicalen Blatte veröffentlichte, sind nicht weniger, als 66 Kameraden beigetreten. Eine Untersuchung ist im vollen Gange, der Rädelsführer wurde bereits verhaftet. Am tollsten erscheint das Treiben der Presse. Man stößt Droh ungen gegen Ehristiania aus, man sucht durch Bro schüren und Zeitungsartikel auf die norwegischen Trup pen einzuwirken und weist nach, wie man sich zu ver halten hat, wenn die Beschlüsse des StorthingS und das Erkenntniß deS Reichsgerichts nicht vollständig von den übrigen StaatSautoritäten respectirt werden. In den letzten Tagen ist namentlich da- Organ der nordenfjold'schen Districte „Dagsposten", eines der radicalsten Blätter Norwegens, im höchsten Grade exaltirt gewesen. „ Dagsposten " enthält einen Brief, in welchem die nächste Zukunft besprochen wird. ES heißt darin u. A.: „Ich weiß nicht, ob die in Chri- stiania garnisonirenden Truppen aus solchen Sclaven bestehen, daß sie sich vorkommenden Falles gegen das Storthing sollten gebrauchen lassen. DaS Storthing müßte es jedenfalls mit Ruhe hinnehmen, wenn es gesprengt und die wichtigsten Mitglieder desselben ver haftet werden sollten; denn die Hauptstädtler würden in diesem Falle weder in der Militär-, noch in der Civilbevölkerung der übrigen Theile deS Reiches irgend welche Stütze finden. In dem Augenblicke, in welchem das Storthing gesprengt würde, hätte man keine gesetzliche Leitung mehr, und die Bevölke rung würde berechtigt sein, in den verschiedenen Kreisen die vorhandenen Beamten abzusetzen und an dere mit einer Centralbehörde in Drontheim oder Bergen einzusetzen. Wenn dies geschehen, müßte ein neues Storthing erwählt werden, um die Einsetzung einer andern Oberleitung des Landes anzuordnen. In zwischen könnte man Ehristiania als nicht zu Nor wegen gehörend betrachten, bis es die Bitte vorbrächte, wieder in dasselbe einverleibt zu werden. Selbstfolg lich könnte Ehristiania nicht erwarten, jemals wieder Hauptstadt zu werden." Die längst bestehende Erbit Tagesgeschichte. Dresden, 25. Februar. Die Zweite Kammer erklärte sich in ihrer heutigen Sitzung durch den von der Staatsregierung vorgelegten ausführlichen Bericht über den Stand und die erfolgte Inventur bei der königl. Altersrentenbank für befriedigt und erledigte hierauf eine Anzahl von Petitionen. Eine Debatte knüpfte sich nur an die von einer größern Anzahl Landgemeinden eingereichten Petitionen um Modifika tion der gesetzlichen Vorschriften über den Fortbildungs schulunterricht. Die Mehrheit der Beschwerde- und Petitionsdeputation beantragte, die Petitionen der Staatsregierung zur Keimtnißnahme zu überweisen. Im Laufe der Debatte, in welcher der segensreiche Einfluß der Fortbildungsschule, namentlich ihre erzieh liche Wirkung, von fast allen Rednern anerkannt wurde, wurden Anträge gestellt, einerseits die Petitionen der Staatsregierung zur Erwägung zu übergeben, andererseits sie auf sich beruhen zu lassen. Die Kam mer lehnte den Antrag auf Ueberweisung zur Er wägung gegen 9 Stimmen ab und nahm den Deputa tionsantrag mit 33 gegen 22 Stimmen an. * Berlin, 23.Februar. Se. königl.Hoheit der Prinz Heinrich ist von Plymouth zum Besuche der Königin von England in Windsor^eingetroffen. — Der heute im Ab ge - terung der Radicalen gegen die Hauptstadt ist wesent lich noch dadurch gesteigert worden, daß der König und die Königin seit ihrer Ankunft in Ehristiania fortdauernd Gegenstand begeisterter und herzlicher Huldigungen sind. — Interessant ist, was „Dagen» Nyheter", die meistverbreitete^Zeitung Schwedens, über die Streitfrage sagt. Da» Blatt schreibt nämlich, c» sei wohl zu beachten, daß Norwegen Jahrhunderte hindurch von deutschen Beamten regiert worden sei, und daß die Nachkommen derselben noch jetzt den Kern der norwegischen Bureaukratie bilden. Der Streit, der nun geführt werde, gelte daher zum Theile einem fremden Elemente in der norwegischen Nation. Eine umfangreiche Abhandlung des bekannten schwedischen Professors Rydin über die Reichsgerichts angelegenheit, welche in der neuesten Nummer der „Nyt svensk Tidsskrift" enthalten ist, schließt mit folgenden Sätzen: „Das Verdick, welches das Reichs gericht abgeben wird, ist nur deshalb von Bedeutung, weil eS den Barometerstand der Aufregung anzeigt, welche augenblicklich in den Gcmüthern de» norwegischen Volkes vorhanden ist. Wir wünschen mehr, als wir hoffen, daß daS Reichsgericht seine Stellung als Rich terstuhl wahren und sich von dem Parteidrucke be freien möge, dem es ausgesetzt worden ist, und welcher seinen lebendigsten Ausdruck in den Auslassungen des Anklägers gefunden hat. Wir können nicht umhin, an die Gefahr zu erinnern, welche in dem Experimentiren mit Gerichtshöfen für Freiheit und Ehre eines Volkes liegt. Was hat ein anderes wohlbekanntes Land so sehr an seiner Entwickelung gehindert, als der Miß brauch der Richterstühle der Parteitribunale? Der gefährlichste Feind der wahren Freiheit ist die Be nutzung der Richterstühle im Dienste einer Freiheit, welche von den Leitern des Volkes als die richtige er klärt wurde." Was die Folgen der Berurtheilung deS CabinetS sein werden, läßt sich mit Gewißheit noch nicht be stimmen, doch kann sicher behauptet werden, daß der König, selbst wenn das gesammte Ministerium Selmer beseitigt werden sollte, niemals neue Rathgeber um sich versammeln wird, welche mehr, als die bisherigen daS Recht der Regierung unterschätzen, ihr Veto gegen Verfassungsveränderungen einzulegen, und ebensowenig wird diese principielle Frage durch das gegen das Ministerium erlassene Urtheil entschieden zu werden vermögen. Feuilleton. Redigitt von Banck. Genf im Winter. Wird dem Reisenden in der Schweiz im Sommer schon oft genug durch schlechtes Wetter der Genuß der Schönheiten dieses Gebirgslandes verkümmert, so ist dies im Winter noch in ungleich höherm Grade der Fall, und man muß sich unter Umständen glücklich schätzen, bei einem Aufenthalte von l4 Tagen über haupt nur „die Berge" zu sehen. Die» hat vollend» sür Genf und die Umgebung de» Genfer See» seine Geltung. Wer in der Zeit der Winternebel die Schweiz zum ersten Male passirt, kann sich in Wirklichkeit keine Vorstellung von dem Charakter de» Lande» machen, da der Nebel ost so dicht ist, daß man kaum über 100 Schritte hinaus irgend einen Gegenstand deutlich erkennen kann. Ein Engländer war daher neulich vollkommen in seinem Reckt, zu bestreiten, daß die Schweiz ein Gebirgsland sei, wie er immer gehört Habel Wer dagegen vom Geschick begünstigt wird und an einem schönen Hellen Wintertage die Schweiz passirt, auf dem Wege von Bern nach Genf daS Berner Hoch land in seinem prachtvollen Winterschmuck und über wölbt von dem tiefblauen Himmel de« Süden» sehen kann, der wird die Schönheit der Schweiz auch im Winter zu würdigen wissen. Die Scyatten nehmen dann in Gemäßheit mit dem Grade der Helle de» Sonnenlicht» und je nach der Entfernung der Gegen stände alle Nüancen von Grau bis Tiefblau und Vio let an und die Landschaftsbilder, die sich dem Reisen den bieten, gewinnen überdies in dem Maße an Schön heit, als die Farben durch die mehr oder minder großen Schneemassen, durch ihren Contrast gegen da» Schneelicht und die Sonnenreflexe in ihrer Intensität erhöht werden Unfehlbar ergreifend wirkt aber auf jeden für Naturschönheit empfänglichen Beschauer an solchen Tagen der erste Blick auf den Genfer See. Ganz plötzlich und unerwartet eröffnet sich der Blick auf dir mächtige tiefblaue Wasserfläche, hinter der sich die stattliche Kette der Hochalpen erhebt, je mehr das ganze Hochland mit dem winterlichen Schneemantel bedeckt ist. Das Alpenglühen übertrifft an Schönheit an solchen seltenen klaren Tagen bei Weitem daS der Sommerzeit, weil eben die reiche Hülle der Berge e» intensiver erscheinen läßt. In unbestimmten Umriß linien und endlich in leichtem Dunst verfließt nach Westen hin daS Bergpanorama, während es im Osten durch die gewaltigen Gebirgsmassen abgeschlossen ist, durch die die Rhone sich ihren Weg bahnt, ehe sie das Becken des Genfer Sees erfüllt. Tausende von Häusern zeichnen sich an den wohlbebauten Seeufern und den Berghängen ab und hie und da erfrischt ein grüner Baum, eine grüne Matte daS Auge. So kann die Schweiz auch im Winter ihre herrlichen Reize ent falten, wenn die Lust nicht zu sehr von Feuchtigkeit erfüllt ist, die sich al» Nebel oder Regen auf da» Land senkt. Und auch Genf bietet zu solchen Zeilen von seinen Promenaden au» die prachtvollsten Land schaftsbilder, nicht allein von dem gegenüberliegenden Seeufer, sondern von dem nahen Jura und dem ge ¬ waltigen Beherrscher deS ganzen schweizer Gebirgs- systemS, dem hochragenden Montblanc. Die Temperatur ist im Allgemeinen in Genf und seinen Umgebungen nicht sehr, niedrig und ziemlich gleichmäßig, jedoch als klimatischer Curort ist Genf immer nur mit großer Vorsicht zu benutzen und für Per sonen, die zu Rheumatismus neigen, offenbar durchaus nicht zu empfehlen. Die Atmosphäre ist stets von Feuchtigkeit erfüllt und der Wärmegrad doch nicht so hoch, daß er die ungünstigen Einwirkungen der durch dringenden Nässe vollständig paralysiren könnte. Ein starker Schneefall, wie er z. B. im vergangenen Winter mehrmals erfolgte, trägt da» Seine dazu bei, den Grad der Feuchtigkeit außerordentlich zu erhöhen und über Haupt den Aufenthalt dort sehr ungemüthlich, da» Gehen in den Straßen sehr unangenehm zu machen; denn wenn diese auch wohl gepflastert, zum großen Theil macadamisirt sind, und wenn durch daS Waschen derselben mit Leitungswasser möglichst für ihre Rei nigung gesorgt wird, so ist die Entwickelung eines zähen Schmutzes doch nicht zu vermeiden. Dieser Winter ist freilich sehr mild und arm an Nieder schlägen gewesen, und vollends jetzt ist der Aufenthalt in Genf schon bei der hohen Temperatur sehr an genehm, und dieser Umstand hat auch bereits viele Reisende dorthin gelockt, die sich nun zu einer Tour durch Italien rüsten. Im Ganzen bietet Genf im Winter Denen, die sich vergnügen wollen, wenig. DaS Theater ist zwar äußerlich sehr hübsch, sein Foyer dars zu den schönsten, stilvollsten gerechnet werden, die Europa auszuweisen hat, aber mit diesen äußeren Reizen sind noch nicht alle seine Aufgaben erfüllt, und die Vorstellungen da ¬ selbst befriedigen den verwöhnten Reisenden nur selten. Bedeutender sind allenfalls noch die Theaterconccrte, die von Zeit zu Zeit im Opernhause veranstaltet werden. Damit sind die höheren Kunstgenüsse in der Hauptsache erschöpft. Die beliebten Rauchconcerte Norddeutschlands existiren nicht, die guten Kapellen sind gering an Zahl; so ist man auf den Verkehr mit der „Gesellschaft" angewiesen. Der Typus der letztern sowie der Genfer Bevöl kerung im Allgemeinen hat nicht gerade etwa- beson ders Charakteristisches. Wie in allen Städten von aus gesprochen internationalem Charakter, und zu diesen gehört Genf ohne Zweifel, bewahren die verschiedenen nationalen Elemente, aus denen sich die Bevölkerung zusammensetzt, im Ganzen ihre Eigenart und ver schmelzen nicht zu einer gleichmäßigen einheitlichen Masse. Zunächst stehen sich in Genf zwei verschiedene Elemente ethnisch ziemlich schroff gegenüber, das roma nische und das germanische, zwischen denen das eigent liche schweizerische aus keltischen, romanischen und ger manischen Bestandtheilen zusammengesetzte die Mitte hält. Von den etwa 500'0 Einwohnern der Stadt sind ungefähr 15000 Deutsche; innerhalb der deut schen Gesellschaft giebt es aber — wie überall unter den Deutschen — wieder viele Spaltungen. Da sind zunächst die Deutschschweizer und ferner die eingewau- derten Deutschen. Die ersteren sind echte Schweizer und Republikaner — die letztern spalten sich in Mo narchisten und Republikaner aller Schattirungen, und beide Parteien standen sich zeilenweise feindlich gegen über, jetzt seit >871 ist allerdings eine größere Ein heitlichkeit zwischen ihnen erzielt. Aber auch hier zeigt
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