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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-29
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070729024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907072902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907072902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-29
- Monat1907-07
- Jahr1907
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l-7. rer. LUV. SS ? Schoenaa. »ritte ras. >rner. Baedecker. tlaprolh. LormS. a v.Tutsem. adel. Duon. chlau. >»s. l0'/2 Uhr. dllen? »Li«r 4 Akten n. Katogan: Morgen: vckauiviel. r.'tnocn» n-rna«)» tisso >. Blumen- >urg. > C. Laufs. c für ikekuke, lehr billig. t- oiv«« uswahl. ausgefübrt. er Str. 37. reisen xe- SttL", r. o»k», 0t»u «KI» tral , »0L00» slios soL, Irsili « »itlirll. niü« von »0t»«7 laodL, rl. 23«8. BezugS-PreiS für Leipzig und Vororte durch umere Träger und Spediteure in« Hau» gebracht: Aut- gabe L (nur morgen«) vierteljährlich 3 M., monatlich t M.; Au-gabe v (morgen« und abcnd«, vierteljährlich <50 M., monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen (2 mal täglich) innerhalb Deutjchland« u der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M. monatlich l,75 M. aurschl. Postbestellgrld, für Oesterreich 9 ü 66 d, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahm«: AuguAu-platz 8, bei unseren TrägerH Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Di« einzelne Nummer kostet 10 Redaktion und Oxpediltoa JohanniSgasie 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. 14694. Berliner Redaktion- Bureau. Berlin I4>V 7 Prinz Louis Ferdinand» Straße 1. Telephon I, Sir. 9275. Abend-Ausgabe 8. ripMcr.TUMM Handelszeitung. Amtsblatt -es Nates und -es Nolizeiamtes -er Lla-t Leipzig. Anzeigen-PreiS für Inserate au» Leipzig und Umgebung di« «gespaltene Petit,eile 25 Pi., stnanziellc Anzeigen SO Pf., Reklameu l M.; von au»Wärt« SO Ps., ReNamen 1.20 M vomAirsland-O^s., stilai^. Anzeigen 75 Pi.. Ioisrgt« ». Behörden im amtlichen Teil 40 Pi BeiLlgegebü-r S vi. p. Tausend e?kl. Post gebüdr. Selchäft-anzeigen an bevorzugter Stell« im Preise erhäht. Rabatt nach Tarn. FestrrteUte Austräae Unnrn nicht zurück, aezogeu werden. Für da« »rscheinrn an bestimmten Tagen imd PlS-en wird keine Barantte Lbernomnicn. Anzeige«.AnniNlme: Auguitu-platz 8 bet sämtlichen Filialen u. allen Bnnoncen- Expeditioneu de« In- und Auslandes. Panpt-Filiale Berlin: ilarl Duncke , Lerzogl. Bahr. Hofduch- handlung, Lü-owstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. M 101. Jahrgang Montag 29. Juli 1907. Das wichtigste vom Tage. * Der sächsische Landesverein der „Deutschen Reform partei" hat ein Gutachten über die sächsische Wahlrechtsvor- lage abgegeben. sS. Dischs. N.) * Eine grobe Bergarbeiterdelegiertenversamm lung in Prag erklärte die Lohnzugeständnisse für un genügend und beschloß, nochmals in Verhandlungen zu treten, bevor ein entscheidender Schritt erfolgt. * Von den Paketen, die von der Kaiserlichen Bank in Petersburg an ihre Filiale in Tiflis gesandt worden sind, ist eins mit 100 000 Rubeln verloren gegangen. * Der spanische Senat hat die Zuckersteuervorlage angenommen. Tagesschau. I. Th. Bischer über die geistliche Schulanfsicht. Im Augusthefte der „Deutschen Rundschau" veröffentlicht und er läutert Gottlob Egehaas ein Dutzend Briese, die Friedrich Theo dor Vischer aus der Paulskirche an seinen politischen Freund W. Kapff gerichtet hat. Als liberaler Kandidat von den Aemtern Reut lingen und Urach in die deutsche Nationalversammlung gewählt, schloß sich Vischer zuerst dem linken Zentrum an und half daraus die gemäßigte Linke gründen. Unter den selbständigen Reden Vischers verdient die über die Schulen noch heute Beachtung. Auf sie bezieht sich Vischers Bries vom 4. Oktober 1848. Wenige Tage vorher hatte die National versammlung mit 816 gegen 74 Stimmen beschlossen: „Das gesamte Er- ziehungs- und Unterrichtswesen ist der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben." — An diesen Satz knüpfte Vischer in seinem Brief vom 4. Oktober folgende Bemerkungen: „Ter Satz ... hat zweierlei sehr ungleiche Seiten. Für pro testantische Länder, insbesondere für die Verhältnisse auf den Dörfern, bietet er eine recht wohltätige Auskunft. Der Theologe macht ein pädagogisches Examen und bleibt in einem Verhältnis zur Schule, das oer Landmann gewohnt ist und sich nicht nehmen läßt. Freilich ist das aber nurda wohltätig, wo in demGeistlichen wirklich ein Beruf und Recht zur Pädagogik steckt, d. h. wo er wirklich freisinnig ist. Zur verderblichen Hintertür aber wird seine Bestimmung überall, wo Pfaffenwirtschaft ist: der pro testantische Pfaffe oder katholische Zauberer läßt sich im Examen ein paar pädagogische Fragen vorlegen und tyrannisiert die Schule wie bisher, nur nicht „als Geistlicher". Wirklich gibt es nicht leicht einen schwereren Knäuel zu lösen. Eigentlich möchte ich dem Geistlichen, so fern ich in ibm nichts als einen Volkserzieher sehe, gerade noch meyr als bisher in der Schule zu tun geben, um oen Zustand einzuleiten und vorzubereiten, den unsre Zukunft fordert: Auflösung der Kirche in die Schule ldie dann freilich etwas anderes und höheres sein wird als bisher). Nun ist dies aber, so lange die Kirche Kirche ist, höchst gefährlich: denn in ihr ist ja der Geistliche nicht ein fach Volkserzieher, sondern wesentlich Träger transzendenter Eigenschaften, die mehr oder minder einen Trieb zur Herrsch sucht mit sich bringen. Also muß man den entgegengesetzten Weg gehen: den Schullehrer mehr und mehr heben, dis er auf der gleichen Stufe mit dem Geistlichensteht, bis. endlich der Augenblick kommen wird, wo beide ineinander übergehen." Vischer wollte vor der Nationalversammlung die Schwierigkeit, den rechten Uebergang zu finden, ausführlich erörtern, aber der Frank furter Septemberausstand hatte bereits begonnen, so daß Vischer „über Hals und Kopf jagen mußte, weil niemand mehr Geduld hatte; denn draußen lärmte das Volk und baute schon Barrikaden". Die Belastung der Arbeiterschaft durch Gewerkschafts und Parteibeiträge.*) Wenn die Arbeiterschaft, insbesondere die der sozialdemokratischen Partei anhängende, in Deutschland unter einer Steuerlast zu seufzen *) Aus der zum Herbste erscheinenden neuen Bearbeitung des Poli tischen Handbuchs der nationalliberalen Partei. hat, die unter Umständen bis zu einer vollständigen Absorbierung der in den letzten Jahrzehnten eingetretenenLohnsteiaerungen geht, so ist es diejenige durch die sozialdemokratischen Gewerkschaften. Das Eintritts geld für die Gewerkschaften schwankt zwischen 50 Pfennigen und 2 Mark, die Wochenbeiträge schwanken zwischen 20 und 140 Pfennigen, auf den Durchschnitt berechnet betragen sie 44 Pfennige, ein Beitrag, der sich in Zukunft eher noch erhöhen als vermindern dürfte. Dazu kommen Lokal zuschläge, Gau- oder Bezirkszuschläge, Kreissteuern, Delegiertensteuern, Extrasteuern, Kartellsteuern, Beiträge für das Arbeitersekretariat und dergleichen mehr. Die gesamten Abgaben der Gewerkschaftsmitglieder an ihren Verband unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Aufwandes für gesellige Veranstaltungen sind von einer Seite auf 2 Mark die Woche berechnet worden, was sicher nicht zu hoch ist. Rechnen wir aber, daß die wöchentlichen Abgaben mit Einschluß von Vergnügungen nur 1 Mark betragen, so wäre dies schon immer eine Jahresabgabe von 52 Mark und bedeutet also, wenn man das Durchschnittseinkommen des Arbeiters auf 1000 ansetzt, eine direkte Einkommensteuer von 5,2 Prozent, ein Satz, den die Staatseinkommensteuer in Preußen bekanntlich selbst bei Millioneneinkommen nicht kennt, da sie 4 Prozent überhaupt nicht übersteigt, während die gesamten Einkommen bis 900 Mark, d. i. das überwiegende Gros der Arbeitcrbevölkerung, vollkommen steuerfrei bleiben. Zu diesen Gewerkschaftsabgaben, denen man trotz ihrer enormen Höbe eine Art Berechtigung nicht absprechen kann, da sie ja, wenigstens im Prinzip, zur Förderung der wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter dienen sollen, treten aber dann noch vor allem hinzu die Anforderungen, welche die sozialdemokratische Partei als politische Organisation an den schmalen Arbeiterhaushalt stellt. Hier ist die direkte Steuer in der Regel auf 25 Pfennige den Monat, also jährlich 3 Mark, bemessen. In- dessen ist das nicht die Hauptsache. Denn die „freiwilligen Sammlun gen", die allenthalben in.Fabriken, Werkstätten und bei allen Gelegen heiten ins Werk gesetzt werden, dürsten im Jahre schon allein mindestens das Fünffache der direkten Parteistcuer erreichen. Dazu kommen eine große Anzahl von indirekten Steuern infolge des Zwanges, die Ver gnügungen der politischen Verbände mitzumachen, so daß es sicher nur gering gerechnet ist, wenn man die Abgaben insgesamt auf monatlich 1HH Mark, jährlich also 18 Mark, bemißt, so daß sich unter Zurechnung der Gewerkschastssteuern eine Jahresgesamtabgabe von 70 Mark ergibt. Das macht eine Gesamtbesteuerung der Arbeiterschaft von 7 Prozent, eine Zumutung, die alles das bei weitem übersteigt, was Staat und Gesellschaft selbst von ihren reichsten Bürgern und von den höchsten Einkommen verlangen. Jeitmigsschan. Aus dem schon voa uns angezeiglen Artikel der „Nordd. Allg. Z." über die Dänensrage teilen wir noch folgende Sätze mit: In Schleswig-Holstein scheint allmählich wieder eine ruhigere Auffassung der Verhältnisse Platz zu greifen. Man erkennt in Blättern verschiedener Rich- tung an, daß ein Vergleich der dänischen und polnischen Frage durchaus abzu- lehnen ist. Die Tänenfcage ist von verhältnismäßig so untergeordneter Bedeu tung, daß sie die großen Linien der deutschen Politik nicht verwirren kann. Zn beiden Seiten einer Grenze wird man iin engeren Bezirke immer beide Sprachen sprechen: wer nur eine beherricht, ist wirtschaftlich benachteiligt. Bei den Polen bandelt eS sich aber nickt bloß um einen Grenwerkebr, nickt um einige Tau end anderslpreckender Einwobner. sondern nm eine BcvölkerungSmasse, die größer als die von ganz Dänemark ist, die, allein schon durch ihre kräftige Vermehrung, eine starke Exoansionskraft aufweist und nicht blotz in den ältlichen Provinzen die deutsche Bevölkerung zurückzudrängen sucht, sondern in Rheinland und Westfalen große Enklaven bildet, überall mit dem Bestreben, sich gegen die Deutschen abzuschließen. Selbst in Berlin wollen sie nicht mehr den Gottesdienst mit den deutschen Katholiken gemeinsam üben, sondern erstreben eigene Kirchsprengel. Den Polen gegenüber hat die Staatsregierung wirklich allen Anlaß, darüber zu wachen, daß diese vielfach unruhigen Elemente nicht einen Staat im Staate bilden. Dergleichen Sorgen liegen in der Nordmark nicht vor. Wir begreifen cs ja, daß die SchleSwig-Holsteiner den Tag von Olmütz nicht vergessen können; wir halten es aber denn doch für eine arge Uebertreibung, wenn die Rede Les Obervräsidenten v. Bülow-Bossee in Haderklebencr Blättern wie den „Jtzehöer Nachrichten" den Anlaß hergibt, „die Sturmglocken an der Königsau" in mehreren Nummern in Bewegung zu setzen. Die Besorgnis vor der Wiederkehr ähnlicher demütigender Vorkommnisse ist im kraftvollen neuen Deutschen Reich wie in Preußen völlig ausgeschlossen. Wenn jetzt — nach Meldungen Schleswiger Blätter — deutsche Pastoren in den Grrnzdtstrikten eine Eingabe an den Oberpräsidenten gerichtet haben sollten, in der die Einführung von zwei fakultativen dänischen Sprach stunden in denjenigen Schulen NordschleswigS erbeten wird, in denen dänischer Religionsunterricht erteilt wird, so darf man dabei doch nicht übersehen, daß dies nicht etwa eine neue Regung dänischer Gesinnung oder Hinneigung ist, sondern daß die gleichen Wünsche schon vor beinahe 20 Jahren verlautbart wurden, auch wenn neue Filialen dcs dänischen Sprachvereins gegründet werden sollten. Die Politik der Rübe, Gerechtigkeit und Friedfertigkeit, welche aus der Rede des Obervräsidenten v. Bülow hervorklang, wird ganz gewiß nicht auf Kosten der deutschen Bewohner weiter geführt. Ueber die Landesgrenze ist kein Streit, sie ist von Dänemark im Januarvertrag von neuem anerkannt. „Darum kämpfen wir", so schreibt die „Kieler Zeitung" sehr einsichtsvoll, „in Nord schleswig nicht mehr nm den Besitz, sondern es handelt sich dort aus schließlich um die Regelung innerer Verhältnisse. Die nordschleswigscke Frage ist nichts anderes als cine Frage der Staatsklugheit, wie die unlösbar mit Preußen uud Deutschland verbundene Bevölkerung Nordschles- wigs am richtigsten zu behandeln ist, um mit den tatsächlich und rechtlich be stehenden Verhältnissen allmählich ausgeiöhnt zu werden." Die Regierung wird mit Beharrlichkeit und Festigkeit ihr Ziel verfolgen, die nordschleSwiger Be völkerung zu guten Staatsbürgern zu machen; sie wird ebenso nachdrücklich etwaige Uebergrisse dänisch Gesinnter zurückmeisen. Bei verständiger Mitarbeit der deutschen Patrioten in der Nordmark wird der Erfolg nicht ausbleiben. Der „Berl. Lok.-Anz." schreibt zur Begegnung des Kaisers mit der Exkaiserin Eugenie: Die Zusammenkunft bat iu der Pariser Presse großes Aussehen erregt und lebhafte Diskussion bervorgerufen. Sie war die zweite ihrer Art, da das deutsche Reist soberbaupt die Witwe des zweiten französischen Imperators vorher nur einmal gesehen hat, nämlich in England vor 14 Jahren. Damals hatte der Kaiser die britische Uniform angelegt, waS als bohr Courtäsie gegenüber der französischen Zäiarenwitwe empfunden wurde Auch das dies malige Zusammentreffen war sehr merkwürdig und wird zu den markanten Ereignissen dieses Jahres gerechnet werden. Im hohen Norden und in den Gewässern eines aus der großen Politik seit Jahrhunderten ausgeschiedenen Landes begegnet sich der Enkel dcs deutschen Reichsbegründers mit ter 81 lührigell Trägerin des Napoleonischen Kaisernamens. Kaiserin Eugenie würde eine sehr merkwürdige Frau gewesen sein, auch wenn das Schicksal sie nicht ein reichliches halbes Menschenalter hindurch an die Spitze der französischen Gesellschaft gestellt hätte, als Gemahlin des zweiten, den kaiserlichen Namen Napoleon führenden Souveräns. „Weib ohne Gatten, Mutter ohne Kind" lautet der Vers eines deutschen Dichters auf Las Schicksal einer französischen Aristo kratin während der großen Revolution. Diese Tost ter einer spanischen Herzogs familie kann von sich dasselbe sagen und hat dies seit fast drei Jahrzehnten tun müssen. Sie ist Kaiserin ohne Krone wie ohne politisches Vaterland, dazu seit 34 Jahren Witwe und seit dem verhängnisvollen Pfingst-Sonntag 1. Juni 1879 des einzigen Sohnes beraubt. Seit dieser Zeit hat die Kaiserin Eugenie die Witwentracht nicht wieder abgelegt — eine Niobe unter den Fürstinnen. Aber sie hat auch dieses Schicksal mit würdiger Ergebung zn tragen vermocht. Ihre natürliche Willenskraft und Seelenstärke ist durch religiöse Gesinnung noch vermehrt und geläutert worden. Es entspricht durchaus dem ritterlichen Eharatlec Kailer Wilhelms IO, daß er dieser durch Jahre und Schicksale gleich ehrwürdigen fürstlichen Frau jetzt bet dem Reisezusammeniressen leine persönliche Huldigung dargcbracht hat. Deutsches Reich. Leipzig, 29 Juli. * Koiltrsllwesen in Südwestafrika. Nach beendetem Ausstande wird in der Kolonie jetzt ein militärisches Kontrollsystem nach heimischem Muster eingerichtet werden, um beizeiten die Mobilmachung vorbei eilen zu können unv im Falle der Gefahr die Mannschaften des Beurlaudien- standes möglichst schnell heransiehcn zu tonnen. Die Kolonie wild zu diesem Zwecke in zwei Militärbezirke geteilt, jede Militärstation ist Kontrollstation (Bezirkökommando), die Stärke des Verwaltungspersonals im Sitze der Bezirke (Olavi und Keetmanshoop) ist 56 Mann. Jeder waffenfähige Deutsche und Reservist erhält von diesen Kontrollstationeu Kriegsbeorderungen, die ihm den Platz anweisen, den er im Falle eines Aufstandes einzunehmen hat. Selbstverständlich muß jeder Deutsche in der Kolonie sich bei der Ankunst bei einer Kontrollstation melden unv Feuilleton. Im Gebirge der Wahrheit kletterst du nie umsonst; entweder du kommst schon heule weiter hinauf, oder du übst deine Kräfte, um morgen höher steigen zu können. Nietzsche. S Gustav öftrer (geb. 29. Juli 1807). Von Martin Stein (Leipzig). Das Schwabenland ist reich an hervorragenden Männern des Geistes. Wir haben genau vor einem Monat Friedrich Theodor Vischers, des großen Aesthetikers, gedacht, heute ist es sein Freund und Studiengenosse Gustav Pfizer, dem wir ein Erinnerungsblatt widmen. Gustav PfizerS Name ist nicht so bekannt, wie der dcs Vau-Vischer. Und doch verdient dieser prächtige Mann nicht minder, daß man sein Gedächtnis in die Erinnerung zurückruft. Denn der Wert eines Menschen richtet sich nicht nach dem mehr oder minder großen Beifall der Mitwelt, sondern was einem Menschen allgemeinen Wert gibt, ist lein Charakter, die Persönlichkeit, die er ausmacht. Von diesem Ge sichtspunkte aus ist aber Gustav Pfizer cine höchst beachtenswerte Er scheinung: abgesehen davon, daß er nicht nur ein geschätzter und ge wandter Dichter war und ein feinsinniger Stilist, er ist auch als Poli tiker der Revolutionszeit nicht zu vergessen, und hat als Gelehrter wie als Lehrer und Jugendschriftsteller sich Ruf und Bedeutung geschaffen. Gustav Pfizer ist am 29. Juli 1807 in Stuttgart geboren. Sein Vater war Obertriounoldirektor. Gustav hatte noch einen jüngeren Bruder Paul — den bekannten Politiker. Von 1813 an besuchte Gustav Pfizer das Gymnasium in Stuttgart, 1821—1825 das niedere theologische Seminar in Blaubeuren. Von 1825—1830 war er im Stift in Tübingen und gehörte zu der vielgenannten Geniepromotion, über die wir in dem Artikel über seinen Freund Friedrich Theodor Vischer ge sprochen haben. Bon 1830 an war Pfizer Vikar In Stuttgart, von 1832 an Repetent am Tübinger Stift. 1834 machte er eine halbjährige Reise durch Italien und nahm dann dauernden Aufenthalt in Stutt gart als Schriftsteller. Dort gab er 1836 und 1837 die „Blätter zur Kunde der Literatur des Auslandes" heraus und redigierte länger« Zeit den praktischen Teil des „Morgenblattes". Pfizer hat in dieser Tätig- kc-t manchem aufstrebenden Talent den Weg in die Oeffentlichkeit ge wiesen. Es war dies ein Zug schöner Menschlichkeit, wie er den knorrigen, aber geistreichen Söhnen des Schwabenlandes viel eigen ist: die Freude am Können des anderen, das Wohlgefallen und die innere Befriedigung, dazu beitragen zu können, dem Nächsten zur Anerkennung zu verhelfen. Wie selten sind in der Welt diese Charaktere geworden, wie notwendig ist es, solche Menschen in die Erinnerung zurückzurufen! Pfizer selbst hatte schon im Jahre 1831, zusammen mit seinem Landsmann und Freund Friedrich Motter und Hermann Hauff, „fünf zehn politische Gedichte" und für sich allein eine eigene Sammlung „Gedichte" herausgegeben, der dann im Jahre 1835 „Gedichte. Neue Sammlung" nachfolgten. Dieses Buch hat er Nhland gewidmet, an dessen „Stilisticum" er sich, zu Uhlands großer Befriedigung, beteiligt hatte. Daß er UHIand sein Buch widmete, war ein Akt der Verehrung und Dankbarkeit für die geistige Anregung. Die Welt aber urteilte anders, und obgleich Pfizer nichts Gemeinsames mit Uhland hat, wurde er doch in das allgemeine Verdammungsurteil Goethes über Uhland und seine Schule mit eingeschlossen. Man kann an diesem Beispiel wieder einmal scheu, wie oberflächlich die Welt urteilt, und wie leicht sie mit ihrer Meinung über den Mitmenschen fertig ist. Wenn Pfizer an einen der schwäbischen Dichter erinnert, ist es Gnstav Schwab. Aber da sind es dann gerade jene Seiten Schwabs, die mit Uhland nichts zu tun habest. Von 1833 an übersetzte Pfizer mit Friedrich Stotter zusammen die Werke Bulwerö, die in mehreren Auflagen erschienen sind, 1835—1840 Byron. 1836 erscheint sein Werk „Martin Luthers Leben", daS, bis auf Köstlin, die geschätzteste Biograplsie des Refor- mators gewesen ist. In den Jabren 1837—1840 läßt Pfizer eine „Aus. Wahl der Werke Luthers" Nachfolgen. Für sein Lutherwerk wurde Pfizer am 11. Juli 1836 von der philo sophischen Fakultät der Universität Tübingen ehrenhalber der Doktor titel verliehen. 1837 veröffentlichte Pfizer bei I. G. Cotta eine Abhand lung „Uhland und Rückert", in der er ganz sachlich beiden Männern gerecht zu werden sucht. Wie Pfizer schreibt und urteilt, zeigt schön und treffend eine Stelle aus dieser Schrift. Es heißt da mit Bezug auf Rückerts „Weisheit des Brahminen": „Uebrigens gestehen wir diesem poetischen Kommentar zu einer heiteren Lebensweisheit einen nicht geringen Wert zu, und bekennen gern, daß dies didaktische Gedicht zu manchem nicht unbeliebten, platt moralischen oder sentimentalen Lehr gedicht in eben dem Verhältnis stehe, wie ein ausgezeichneter Philosoph zu einem pedantischen Schulmeister." Und bei einem Vergleich der Weltanfchaunng Rückerts und UhlandS, wie sie sich in ihrer Poesie kundgibt, sagt Pfizer: „Der Deutsche, von Natur ernst, nachdenklich, in sich gekehrt und systematisch, vergißt jclbst in der Poesie den Ernst des Lebens so wenig, daß ein leichtes, wenn auch noch so geistreiches Tändeln und Scherzen in der Poesie, wie z. B. bei Beranger, ihn nicht befriedigt, daß er unter dem leuchtenden Spiegel der Dichtung sofort nach dem Grund forscht. Er sucht überall gern die Ueberzeugung und die Gesinnung, und bei Dichtern, wie Rückert und Uhland, wird er diese nicht vergeblich suchen." Und er fährt fort: „Obgleich gerade in diesem Punkt die beiden Dichter einander ziemlich fern zu stehen scheinen, und der didaktisch reflektierende, dialektische Rückert sehr wenig Be rührungen mit der naiven, unbefangenen Muse Uhlands daroieten möchte, so verschwindet doch plötzlich diese Unähnlichkeit, und werden sie sich sehr nahe gerückt, sobald man andere poetische Zeitgenoffen, von den Deutschen etwa Heine, von Engländern und Franzosen Byron und V. Hugo, neben sie stellt. Gegenüber diesen verneinenden, zweifelnden Geistern unter den Poeten erscheinen «ns Uhland und Rückert als verbrüdert in der Einheit eines zuversichtlichen Festhaltens an tröstlichen und freudigen Ueberzeugungen. Jene aus innerer Zer rissenheit und Aerfallenheit mit der Welt hervorbrechenden, oft gewaltig erschütternden Mißtöne, jene Geisterstimmen aus den nur von Blitzen erleuchteten Abgründen des Zweifels oder der Verzweiflung, jene marternden, unaufgelösten Dissonanzen und jene peinigenden Effekte — alles dies ist der Poesie unserer beiden Dichter fremd geblieben. Wie sie keine ungeheuren Leidenschaften schildern, so auch keine unheimlichen Verirrungen des Gedankens. Sie sind sich gleich in der Gesundheit ihres Empfindens und ihrer sittlichen Natur, in der Reinheit und Klar heit ihrer Gesinnung." Als dann 1838 und 1839 in Stuttgart cine Vervielfältigung von Roubillaca-, Shakespeare-, Thorwaldsen- und Schiller-Statuen er- schienen war, schrieb Pfizer den begleitenden Text. In den Jahren 1840 Lis 1846 übersetzte er die Romane G. P. R. James'. Daneben gingen selbstschöpserische Arbeiten: 1840 Dichtungen epischer und lyrischer Gattung (Stuttgart, Cotta), 1844 der „Welsche und der Deutsche", „Aeneas Sylvins Piccolomini" und „Gregor von Heimburg", Ro manzen im Versmaß von Uhlands „Vertrau de Born". 1846 wurde Pfizer als Professor <m das Gymnasium berufen, um an den oberen Klassen deutsche Sprache, Literatur, Religion, Geschichte und philoso phische Propädeutik zu lehren. Aus dieser Tätigkeit stammten seine für di« Jugend geschriebenen historischen Werke „Geschichte Alexanders des Großen" 1846 und „Geschichte der Griechen" 1847, sowie sein« einzige philosophische Schrift „Dre Philosophische Propädeutik aus den Gym- nasien", die 1852 als Gymnasialprogramm erschienen ist. Die «reignis- und stürmereichen Jahre der Revolution sind auch an Pfizer nicht spurlos vorübergegangen. Er war von entschieden poli tischer Gesinnung und gehörte neben seinem Bruder Paul zu den Haupt vertretern her Idee einer preußischen Hegemonie und des gemäßigten Liberalismus in der Heimat und der Führer des vaterländischen Ver eins. 1849 wurde Pfizer Abgeordneter für das Amt Stuttgart in der ersten verfassungSberatenden Versammlung Württembergs. Publi- zistisch ist er aber außer in Zeitungsartikeln nur mit einer Schrift an die Oeffentlichkeit getreten: „Die deutsche Einheit und der Preußen haß", „Weder jetzt das Direktorium, noch das habsburgische Kaisertum später". Zu erwähnen ist noch eine Gelegenheitsschrift auS dem Jahre 1880: „Worte der Erinnerung an den 25. Juli 1530." 1872 trat Pfizer
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