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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030504022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903050402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903050402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-04
- Monat1903-05
- Jahr1903
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BezugS'PreiS bl der Hmlptexpedttton oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich S.—, bei tweimaltger täglicher Zustellung in» Hau» S.7K. Durch di» Post bezogen für Deut ch< land «. Oesterreich vierteljährlich ^ll 4K0, ür die übrige» Länder laut ZettungSpreiSüste. Ledaktton ond Erveditiou: IvhanntSgaffe 8. Fernsprecher 1Ü3 u»d SL2. FUtaievPediti»»»» r TlftedHah», vnchhandlg„ Univrrfftät-str.S, 8. Usch«, Kathariueustr. 14, «. KSnigspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marieustraße 84. Fernsprecher Amt 1 Nr. 171S. Haupt-Filiale Lerlin: U«rl Duncker, Herzgl. Bahr. Hosbuchbandlg, Lützowstraß« 10. Fernsprecher «mt VI Nr. 4603. Abend-Ausgabe. KiMgcr TWMM Anzeiger. AmlsAatt des Königlichen Land- und des Königlichen Nmtsgerichles Leipzig, des Nates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die «gespaltene Petitzeile LS Reklame» unter dem Redaktiou-strich («gespalten) 78 vor den Famlliennach- richten (S gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Bebühren für Nachweisungen und Osfertrnannahmr 26 (excl. Porto). Extra Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderuug vT 70.—. ^nnahmeschlnß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags uuuuterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend» 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Bolz in Leipzig. Str. 224 Montaft den 4. Mai 1903. 87. Jahrgang. Der Wahlaufruf der nalionalliberalen Partei. Berlin, 8. Mai. Der Allgemeine Dele giertentag der nattonalliberalen Partei, welcher heute im großen Saale des Kaiserhofs Hierselbst abgehalten wurde, war von 217 Parteivertretern aus allen Teilen des Reiches besucht. Er wählte zum Vor sitzenden vr. Ham mach er, zu dessen Stellvertretern vr. Friedberg-Halle und Landgerichtspräsident Uebel-MoSbach i. B., zu Schriftführern die General sekretäre Breithaupt und Flathmann. Die Be ratung des vom Zcntralvorstande im Entwurf vor gelegten Wahlaufrufs wurde von Bassermann durch eine allgemeine Darlegung der Stellung der Partei im bevorstehenden Wahlkampfe eingclettet. Nach kurzer Generalbiskuflion, in welcher vr. Sattler den Wahl- aufruf noch deS näheren begründete und Professor vr. Kahl insbesondere auch die Gefahren des Ultra- montanismus hervorhob, wurde der Aufruf im einzelnen beraten und nach mehrstündiger Spezialdiskussion mit einigen wenigen Aenderungen festgestellt. Diese sind bis auf eine nur redaktioneller Natur. Einstimmig wurde auf Antrag Hauber-Augsburg u. Gen. der sozial politische PassuS des Aufrufs dahin ergänzt, daß als Ziel der weiteren Tätigkeit auch die in der kaiser lichen Botschaft von 1890 befürwortete Fortführung ge meinsamer Einrichtungen zur Pflege des sozialen Friedens festzuhalten sei. — Die Abstimmung über den Entwurf im ganzen ergab besten Annahme mit allen gegen zwei Stimmen. Es herrschte in allen Kreisen der Delegierten eine frohe und zuversichtliche Stimmung und die sichere Erwartung eines guten Ausgangs des Wahlkampfes, in den die Partei nunmehr auf der ganzen Linie eingetreten ist. — In seiner vom Dclegiertentage genehmigten Fassung lautet der Wahlaufruf: Berlin, den 8. Mai 1903. Der soeben geschloffene Reichstag hat Tage tiefer Erniedrigung erlebt, als eine rücksichtslose Minderheit den Versuch unternahm, die Mehrheit zu tyrannisieren, ja die parlamentarische Tätigkeit überhaupt unmöglich zu machen. Er war der Schauplatz erbitterter Inter essen- und Klaffenkämpfe. Er stand von Beginn an unter dem ausschlaggebenden Einfluß des Zentrums. Der Liberalismus hatte nicht die ihm gebührende Geltung. Zwar hat der Reichstag auf verschiedenen Gebieten Bedeutendes geleistet: Die Stärkung der nationalen Machtstellung des Deutschen Reiches durch Heer- und Flottengesetz, die Fortführung der Sozial- rtform durch die neuen Invaliden-, Unfall, und Krankenversicherungsgesetze, durch die Gesetze Uber Ge- Werbegerichte und über die gewerbliche Arbeit der Kinder, durch die Seemannsordnung und zahlreiche andere Maßnahmen auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes, endlich die Schaffung des Zolltarifgesetzes als Grundlage der neuen Handelsverträge sind Leistungen von großer und dauernder Bedeutung für unser Vaterland. Alle diese Erfolge hätten aber nicht ohne die ent scheidende opferwillige Mitarbeit der national liberalen Partei erreicht werden können. Sie hat mit Entschiedenheit allen rückschrittlichen Versuchen Widerstand geleistet. S i e hat in erster Linie mitgewirkt, als es sich darum handelte, die Ordnung im Parlamente und seine verfassungsmäßige Mitarbeit an den dring lichen Aufgaben der Gesetzgebung aufrecht zu erhalten. Mit dem Gefühle ernster Pflichterfüllung tritt die Partei vor die Wähler. An den Wählern ist es jetzt, durch die Ausübung ihres Stimmrechts zu entscheiden, von welchem Geiste die Vertretung des deutschen Volkes während der nächsten Jahre beseelt sein soll. Sie tragen die Verantwortung dafür, ob der neue Reichstag erfüllt sein wird von dem Bestreben, einseitige Berufs- und Klasseninteressen, herrschsüchtigc Machtgclüstc konfessio neller, politischer oder sozialer Sonderströmungen zur Geltung zu bringen, oder von dem Geiste patriotischer Unterordnung unter das Wohl des ganzen Volkes, von der Entschlossenheit, redliche Mitarbeit leisten zu wollen an der Ausgleichung der verschiedenen Interessen zum Besten des Gemeinwohls. Wirtschaftliche Fragen stehen noch immer im Vordergründe, und zwar um so mehr, als seit einigen Jahren auch in Handel und Gewerbe dem erfreu lichen Aufschwünge der Vorjahre ein bedenklicher, hoffentlich bald vorübergehender Rückschlag gefolgt ist. Die Landwirtschaft kämpft seit langen Jahren schwer gegen andere, unter günstigeren Bedingungen ar beitende Länder. Soweit es der Staatsgewalt möglich ist, muß hier ein Zustand geschaffen werden, der unter gerechtem Ausgleich der verschiedenartigen Interessen von Landwirtschaft, Gewerbe und Handel dem deutschen Er- werbssleiß lohnende Arbeit ermöglicht. Die Grundlage dazu ist in dem neuen Zolltarife geschaffen, trotz aller ihm seiner Entstehung nach anhaftenden Mängel. Er gibt der Neichsregiernng das notwendige Rüstzeug zum Abschluß neuer, uns günstiger langfristiger Handelsverträge, durch welche zugleich ein besserer Schutz der Landwirtschaft gewährleistet wirb. Ohne solche Handelsverträge können Handel und Ge werbe ihre Aufgabe für das Volk nicht erfüllen. An ihnen ist deshalb auch die Landwirtschaft aus daß höchste interessiert. Denn nicht im Gegensätze zu einander, sondern im Zusammenarbeiten mit einander haben die verschiedenen Produktionszweige unseres Volkes ihr Heil zu erblicken. Die Verabschiedung von Handelsverträgen bildet daher in den nächsten Jahren eine der Hauptaufgaben der deutschen Po litik und Gesetzgebung. Der gewerbliche Mittelstand in Stadt und Land ringt seit Jahren um sein Gedeihen. Das Gesetz über die Organisation des Handwerks hat die geeigneten Wege sowohl der Selbsthülfe, wie der Erziehung und Fortbildung eines tüchtigen Nachwuchses erschlossen. Es bietet die Gewähr der sachgemäßen Vorbereitung weiterer Gesetzes- und Verwaltungsmaßnahmen unter Mit wirkung der Beteiligten selbst. Die gesetzliche Sicherung der Bauforderungen mutz durch geführt, den Auswüchsen im Ausverkaufs und Auktions wesen mutz durch Ausbau des Ge- setzes gegen den unlauteren Wettbewerb wirk sam entgegengetretcn werden. Die Verhältnisse der mittleren und unteren Reichs beamten erheischen unsere stetige Fürsorge. Die ge werblichen und kaufmännischen Privatbeamten stellen bedeutsame, wohl erwägenswerte Forderungen. Die Einführung der Kaufmannsgerichte ist eine dringliche Aufgabe des neuen Reichstags. Soweit die Börsengesetzgebung dahin geführt hat, Treu und Glauben im Handelsverkehr zu unter graben, ist eine zweckmäßige Reform notwendig. Die im Interesse der Arbeiter in Angriff ge- nommene, von menschenfreundlichem Geiste getragene, vom Auslände bewunderte sozialpolitische Ge setzgebung bedarf der weiteren Verbesserung und des inneren Ausbaues, unter Berücksichtigung der praktischen Verhältnisse des Wirtschaftslebens und des ausländischen Wettbewerbs. Die Versicherung der Witwen und Waisen und die Fortführung gemeinsamer Ein richtungen zur Pflege des Friedens zwischen Arbeiter und Arbeitgeber sind als Kiel festzuhalten. Es ist eine Ehrenpflicht des deutschen Volkes, durch Revision der Militärpensionsgesetze die Lage der Militär-Invaliden zu erleichtern und für unsere unterstützungsbedürftigen Kriegsteilneh mer zu sorgen. Vorbedingung für eine gedeihliche Tätigkeit auf allen Gebieten ist aber die Erhaltung des Friedens und der nötigen Bewegungsfreiheit für deutsche Arbeit, Intelligenz und Unter nehmungslust im Wettstreit mit den übrigen Na tionen. DaS ist nur möglich durch Erhaltung und Stärkung der deutschen Macht und des deutschen An sehens. Ein mächtiges Deutsches Reich muß daher immer das erste Ziel eines wahrhaft patriotischen Deutschen sein. Die Gegner sind zahlreich, sogar im Innern zeigen sie sich in Gestalt der nationalpolnischcn Propaganda und der unseligen partikulartstischen Strömungen, welche die verschiedenen auf einander angewiesenen Stämme gegen einander zu Hetzen sich bemühen. Die nationalliberale Partei wird auch in Zukunft überall, wo cs gilt, anti nationale Bestrebungen zu bekämpfen, in erster Linie stehen. Schwer und gewichtig sind die Aufgaben, welche der neue Reichstag zu erfüllen hat, und sie entbehren wahr lich nicht des idealen Inhalts: Bewahrung und Stärkung der Macht und des Ansehens von Deutsch land, in unverbrüchlicher Treue zu Kaiser und Reich, Pflege und Weiterbildung unserer freiheitlichen Einrichtung en und Kulturerrungenschaften, Aufrecht erhaltung des bestehenden Reichs tagswahlrechtes und der Koalitions freiheit, Ausgleichung der verschiedenart i- gcu wirtschaftlichen Interessen zum Schutze der nationalen Arbeit, einsichtige und kraftvolle Betäti gung des Staates, in Gesetzgebung und Verwaltung, zu Gunsten der wirtschaftlich Schwachen, der minder begüterten Volksklassen, das sind Gedanken, welche jeden Baterlandsfrcund er füllen und ihn zwingen müssen, seine ganze Kraft in ihren Dienst zu stellen. Große Gefahren aber bedrohen die nach dieser Richtung hin tätigen Kräfte und verlangen unsere schärfste Abwehr. Die Sozialdemokratie verhetzt die Arbeiter: sie läuft Sturm gegen die Grundlagen unserer Kultur, gegen Monarchie, Religion, Familie, Eigentum; sie hat sich durch ihre Tätigkeit im Reichstage als Feind des sozialpolitischen Fortschritts erwiesen. Das Bestreben, die Staatsgewalt, die Schule, Kunst und Wissenschaft, das gesamte Volksleben ultra mon tan en Machtgelüsten zu unterwerfen, wirkt immer verhängnisvoller. Die verschiedenen Berufsklasien werden durch Ueber- treibung von Sonderinteressen gegen einander aufgewühlt, als seien sie nicht alle Glieder eines Volkes. Um so dringender ist die Verpflichtung für alle, welche diese Gefahren erkennen und eine ruhige, friedliche Ent wickelung auf der Grundlage unserer, in heißen Kämpfen errungenen nationalen und liberalen Güter anstrcben, es an sich nicht fehlen zu lassen. Jeder Einzelne hat die ernste Pflicht, sein Bestes einzusetzen, um diese Güter durch siegreiche Wahlen zu sichern. Nur so wird das Gedeihen unseres Volkes gewährleistet sein. Darum gilt es, die Trägen aufzurütteln, die Lauen zu begeistern, die beiseite Stehenden zu gewinnen, die Verhetzten aufzuklären, sie alle mit dem festen Entschlüsse zu erfüllen, tätig zu sein im Dienste der guten Sache. Deutsche Wähler! Seid eingedenk der Bedeutung der Wahl. Sorgt dafür, daß Männer gewählt werben, welche als oberste Richtschnur für ihr ganzes Verhalten, als einzigen Leitstern für ihre Bemühungen nur aner kennen das Wohl des ganzen teuren Vater landes. Der Allgemeine Delegierte»»«« der «atioualliberale« Partei. I. A.: vr. Hammacher. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Mai. Nedeukliche Wahlvorbereitungen. Auf die Herausforderungen, die kurz vorSchluh der par lamentarischen Kanpagne imReichstage wie imprc u- ßischen Herrenhause die unter dem Drucke des Bundes der Landwirte stehenden Konservativen wegen Kündigung derHandelSverträge gegen die verbündeten Regierungen und die preußische Regie rung insbesondere zu richten für gut befunden haben, hat zwar die „Nordd. Allgem. Ztg." eine Antwort noch nicht erteilt, wohl aber findet sich eine solche in der „Münch. Allg. Ztg.", und zwar in einem Artikel, der einer Berliner Feder entstammt, die zweifellos mit offiziöser Tinte ge speist ist. In diesem Artikel, der die vorstehende Ueber- schrist trägt, wird zunächst die Z w c ck w i d r i g k e i t der konservativen Vorstöße folgendermaßen nachgewiesen: „Dunkel war nur, was verständige Politiker — und als solche wollen die Antragsteller doch genommen werden! — prak tisch zu erreichen dachten. Irgend welchen Zwang auf die Regierung vermochten sie nicht zu üben. Sie können auch nicht das Bedürfnis gehabt haben, sich über die Absichten der I Regierung Klarheit zu verschaffen; denn sie zweifeln 1 l ä n g st nicht mehr daran, daß die Regierung auf die bestehen- Feirilletsn. 3j Freiheit. Roman von Walter Schmidt.Häßler. Nachdruck verboten. Sie hatten sich beide ganz gleiche, ziemlich auffallende Dominos machen lassen, und da sie sich auch in der Er scheinung glichen, so konnte die geplante Verwechselung niemandem so leicht ausfallen. So holte denn der liebens würdige Mitschuldige Ella von der Seite der Mutter ab und übergab sie am Fuß der Treppe seinem Doppel- gänger, während er selbst in einem der abgelegenen Wein- zimmer verschwand. Und so wandelte denn die glückstrahlende Ella am Arme deS Geliebten durch den Saal, während von oben die mütterlichen Augen mit Wohlgefallen auf ihr und dem vermeintlichen Kommcrzienratssohn ruhten, der so auf fallend mit ihr zusammen war und ihr wundervolle Dinge sagen mußte, denn sie lachte einmal Uber das andere und beide nickten oft und vertraulich zu ihr hinauf. An diesem Abend entschied sich Ellas Geschick, bei den schmeichelnden Weisen der Musik strömte es ihnen warm vom Herzen zum Herzen, und als sie sich trennten, wußten sie, baß sie einander gehörten fürs ganze Leben. von dieser Ballnacht an war aus dem wehmütigen Schwärmen ein heißes Sehnen geworden, daS keine Ruhe, kein« Rast ließ, die Knoiv« der Liebe war aufgegangen zur vollen, üppigen Blume. All diese Erinnerungen zogen an ihr vorbei, während sie in der Tofaecke lag und vor sich hinträumte mit halb geschlossenen Augen. Sic hatte die Arme unter dem Kopfe verschränkt und fühlte sich allem, wa» sie umgab, weit entrückt in seligem Selbstvergessen. Gi« kam sich heute so merkwürdig stark und entschluß- fähig vor. Ein wesübl der Widerstandsfähigkeit war über sie gekommen, daß ihr eigentlich sonst ganz fremd war und sie selbst überraschte. Alle» hatte sie bisher geduldig, mit einer gewissen Resignation über sich ergeben lassen in kindlichem Gehor sam, in anerzogener Passivität, aber ihre Liebe sollte ihr niemand aus dem Herzen reißen wollen, denn alle Hoff- nvngen auf eine glückliche Zukunft nach langer, sehr freudloser Jugend gipfelten in dem Gedanken, die Seine zu »erhe«. W«U sie unumstößlich sicher wußte, wie kehr er Ne liebte, war etwas in ihrem schüchternen Herzen gewaltig zum Leben erwacht, -essen Vorhandensein sie bisher nie mals gefühlt hatte — der Wille. Auch sie hatte ein heiliges Anrecht an das Glück, das jedem Lebewesen beschicken ist, ein Anrecht, das keine Autorität der Welt, selbst nicht die elterilche, ihr be streiten konnte! Ein Klopfen an der Tür weckte sie aus ihrem Sinnen; man rief sie zu Tisch. Ueber der ganzen Familie lag heute etwas Feierliches, das ihr auffiel. Namentlich der Vater war heute noch schweigsamer als sonst und schien an einem ganz ge waltigen Entschlüsse zu arbeiten. Mehrere Male bemerkte Ella, daß die Mama dem Gatten einen aufmunternden Blick zuwarf, wie es immer geschah, wenn sie seine hausherrltche Autorität zu Hülfe rief. Er war ja sonst eine Null, der gute Papa, daS wußten alle im Hause, von der ältesten Tochter bis zum Dienst mädchen, aber wenn er „im Namen der Familie" sprach, so war dies so gut, als wenn die allgewaltige Mutter höchstihren Willen durch einen Herold bekannt gab. Endlich begann Herr Römtnger, indem er sich an seine älteste Tochter wandte: „Liebe Ella! Wir haben heute vormittag einen wichtigen Besuch gehabt, der un« un gemein viel Freude bereitet hat. Herr Doktor Ellrich ist bet uns gewesen und hat bet uns in aller Form um deine Hand angehaltenl" Alle drei Mädchen machten große Augen, erwiderten aber nichts, und der Hausherr fuhr fort: „Deine Mutter und ich sind natürlich überzeugt, daß du die Ehre, die ein so hervorragender Mann dir erweist, in vollem Umfange zu schätzen weißt, und so haben wir ihm selbst verständlich auch in deinem Namen daS ersehnte Jawort gegeben!" Eine lange Pause trat ein, während Herr Röminger nach der Anstrengung, die ihm dieser Aufwand von Energie gekostet hatte, wieder in sich zusammensank. Alle Augen hingen an Ella, die weiß geworden war wie daS sonntägliche Tischtuch und sich unmutig auf di« Lippen biß. „Nun?!" begann jetzt die Mutter mit dem ihr eigenen scharfen Tone, „wir warten auf deine Antwort, liebes Kind?!" Ella richtete st« stoch auf. Sie fühlte, wie ihr daS Blut wieder in di« Wangen strömte, und rüstig, ohn« eine Miene zu verzi.hen, sagt« ft«, als ob «S sich um «in« gleichgültige geschäftliche Mitteilung g«hand«lt hätte: „Ich And« «S, wenn ihr nach meiner Ansicht fragt, kehr verfrüht, auch in meinem Namen „Ja" gesagt zu haben, noch bevor ihr mich fragtet, ob ich mit dieser Wahl auch nur im entferntesten einverstanden sei. Der Herr Doktor mag ein ganz angenehmer Mensch sein — ich habe ihn mir daraufhin allerdings noch nie angesehen, er mag eine gute Praxis haben, was ich ihm wünsche, und mag ein ganz ausgezeichneter Arzt sein, was ich seinen Patienten wünschen will. Aber daß ich ihn mir deshalb zum Lebensgefährten wählen sollte, das kann doch unmöglich euer Ernst sein. Ich weiß die Ehre zu schätzen, aber seine Gattin werde ich unter keiner Bedingung!" Frau Bertha war sprachlos — aber nur einen Moment, dann begann sie im härtesten Tone, dessen sie fähig war: „Du — willst nicht? — Ja, hör' ich denn wirklich recht? Deine Eltern geben sich die erdenklichste Mühe, für dich endlich eine passende Partie zu stände zu bringen, und der Dank dafür ist ein kurzes „Ich will nicht!" — Willst du dich vielleicht herablassen, uns für diese merkwürdige Weigerung Gründe anzu geben?" „Gewiß will ich das", entgegencte Ella, indem sie jetzt den Kopf trotzig erhob, „und ich hosfe, daß meine Gründe euch einleuchten werden. Ich fühle mich sogar ver pflichtet, klar und offen meine Meinung über diesen Punkt auSzusprcchen, schon um euch die Mühe zu er sparen, ein zweites Mal so voreilig um meine Zukunft bemüht zu sein. Die Frau eine« Mannes zu werden, den ich nicht liebe, für den mein Herz auch nicht bas Mindeste empfindet, erscheint mir so in höchstem Grade unmoralisch und widersinnig, daß ich keine Worte finde, um den Ab scheu auszudrücken, den mir der bloße Gedanke einflößt. In allererster Linie, denke ich, muß doch wohl das Herz eines Mädchens daS entscheidende Wort aussprechen, wenn eine Eh«, ein lebenslange«, gemeinsames Zu sammenleben, sich auf einer gesunden Bast« auf bauen soll!" „Da haben wir die Frucht der geistreichen Lektüre, die das hochgebildete Fräulein nächtelang heimlich ver schlingt", erwiderte Frau Bertha, in höchstem Grade ge reizt, „Romanibeen, schöne, hochtrabende Redensarten ohne jeden praktischen Hintergrund! DaS Leben ist wahr haftig kein Ballsaal, in b«m zwei verliebt« Mestschen sorg, lo« hintändeln können. Die Liebe ist ein sehr kurzer und flüchtiger Rausch, eine kindliche Selbsttäuschung, au> der man nur zu ost bitter enttäuscht aufwacht zu einer sehr ernsten Wirklichkeit. Mit schön«« Phrasen au« Büchern baut van sich I«in«n soliden heimischen Herd, und »en« wirklich ein «vnst zu n«b»««d«r Mann um ein Mäbche» an hält, di« schon einundzwanzig Jahre alt ist, so sind dies Chancen für die Zukunft, die man mit dankbarer Gesinnung an nehmen sollte, statt von allerlei unhaltbaren Phan tastereien zu faseln, wie ein Pensionsmädchen. Ehen, die die Vernunft schließt, sind stets die gesündesten und darum auch die einzig glücklichen. Die Liebe kommt in der Ehe. Das weiß ich am besten!" „Die Gewohnheit, willst du sagen, Mama", entgegnete Ella mit einem fast mitleidigen Blick auf den Vater, der sich in seiner langen Ehe wirklich an vieles gewöhnt hatte. .„Ich bin nun einmal nicht so geartet, ein so verant wortungsvolles Spiel zu beginnen, mit der Hoffnung auf einen so bescheidenen Gewinn. Nein, der Mann, den ich mir wähle, muß vom ersten Augenblicke an auch meine volle Neigung besitzen, ich muß wissen, daß mich in der Verbindung mit ihm nicht bloß eine Versorgung, sondern auch bas Glück erwartet. Und jedes Wesen, dem Gott eine Seele zum Fühlen und Empfinden gegeben hat, hat auch ein Recht an das Glück, da« ihm kein Mensch ver weigern, keine Gewalt der Erde streitig machen kann. Ich bin, Gott sei Dank, nicht oberflächlich genug, um mir damit genügen zu lasten, ben Namen irgend eines mir innerlich fremden Mannes zu tragen, der zufällig ein Herr Doktor oder Herr Leutnant ist, ihm sein Hans in Ordnung §u halten und mich in seine Launen zu fügen. Ich will in erster Linie den Mann, den ich mir wähle, selbst lieben, lieben von ganzer Seele, und alles, was ich ihm an Schönem und Herzlichem erweise, aus diesem Gefühl der Neigung für ihn tun. Deshalb werde ich den von euch erwählten Herrn Doktor niemals heiraten, denn ich empfinde nichts für ihn, al« Gleich gültigkeit, und werde nie und nimmer etwa» anderes für ihn empfinden. Mein Hauptgrund aber" — und hier richtete sie die großen blauen Augen fest auf die zürnende Mutter — „ist der, daß mein Herz bereits nicht mehr frei ist, und meine Hand ohne diese wichtige Zugabe zu ver schenken, ist mir unmöglich!" „Und darf man vielleicht wissen", mischte sich jetzt der Vater in« Gespräch, „wer der Glückliche ist, dem meine selbständige Tochter hinter dem Rücken ihrer Eltern ihre Neigung geschenkt hat?" . - . „Gern, lieber Vater, denn ich sehe durchaus nicht «in, warum ich meine wahren Empfindungen vor euch länger verbergen sollte. Ich liebe einen Menschen, d«r dirfer Zuneigung in höchstem Grade mitrdig ist und der ««ch der Einzige sein wird, dem ich inS Leben folge!" iAortsetzung folgt.)
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