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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-17
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070717026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-17
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BezugS-Pres» fltr L»ip»lg und Vorort» durch «userr Träg« und Spidtteur« tu« Hau» grbracht: Lut- gab« » (uur morgen») viertrlithrlich 3 vl.. monaMch 1 vt ; Autgabe It smorgen« und abend») vierteljLhrltch 4.SO M., mouatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen (2 «al «»glich) innerhalb Deutichland« u . der deutichen itolonien vterteljLhrlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. au»lchl. Postbesiellgeld, für Oesterreich S L SS k, Ungarn 8 L viertellährlich. Sboaaenrent-«nnLbme: Lugustusglatz 8, bet unseren Träger^ Filialen, Spediteuxe» und Lirnahineftellen^owte Postämtern und Die einzelne Nummer kostet 10 Redaktion und Lrpedttionr Johannitgaste 8. Delepho» «r. 1489«, Nr. 14SS3, Nr. I4SS4. Abend-Ausgabe 8. MpMerTaMM Handelszeituvg. Ämtsbtatt des Nates und -es Nolizeiamles -er Lta-t Leipzig. Nr. 188. Mittwoch 17. Juli 1907. verlturr Redaktion» - Vureau: Vertin RV. 7, Prinz Loui» Ferdinand. Straße 1. Telephon I, Nr. 9275. Lnzeign». Preis 1V1. Jahrgang Haupt > Filiale Berlin: Sarl Duncke-, Herzog!. Bayr. Hofbuch handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI. Nr. «S03). für Inserate au» Leipzig und Umgebung dm «gespaltene Petrtzeile 25 Ps., sinoazielle Anzeigen 30 Ps , Reklamen l M., von autwLrt» 30 Ps., Reklamen 1.20 M.,' vomtlntland50Ps., sinanz. Anz«tgen75Ps., Reklamen 1.50 W. Inserate v. BehSrden >m amtlich»« Teil 40 Ps. Beilagegebübr 5 M. p. Tausend exkl. Posl- tzebühr. SeschästLanzeigen an bevorzugter stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Laris. Festerteilte Susträge können nicht zurück» gezogen werden. Für da» Lrscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeige».Annahme: Luguftll »platz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen tlnnonre» ltppeditronen de» In- und Auslände«. Dar wichtigst- vorn Tage. * Sowohl der alte Bergmannsverband, wie der christ liche Gewerkverein dementieren die Nachricht, daß sie zwecks Besprechung der Lohnfrage Massenversammlungen im Ruhrgebiet planen. * Der österreichische Reichsrat nahm einstimmig einen Antrag Lueger an, das Kaiserjubiläum durch eine 100 - M i l l i o n e n s p e n d e für die zu schaffende staatliche Alters versicherung zu feiern. * Italien befestigt die Insel Elba. (S. Ausl.) * Der Maler Theobald Chartran ist gestern in Paris gestorben. * Heute früh wurde im Elster-Saalekanal auf Lindenauer Gebiet das Liebespaar Franz Edmund Stier und Minna Marga rete Elsa Junghans tot aufgefunden. Es liegt Selbstmord vor. (S. Leipz. Angel.) Tagesschau. Bilanz des Jndexkricges. Die klerikale „Augsburger Postzeitung" läßt sich aus Rom über die „Ansicht mancher Kreise in bezug auf den „Modernismus" schreiben: „Einige steckten davon so tief im extremen starren Konservativismus, daß sie sogar ihre eigenen Landsleute, die eine etwas freiere Auffassung haben, die aber noch lange nicht „Modernismus" ist, als abtrünnig ver dächtigten. Es scheine, als wollten sie jetzt ihre „Erfolge" auch über die Alpen dringen lassen." Tas scheint nicht nur so. Die Erfolge mehren sich. Der Geist der finsteren deutschfeindlichen Ultras ist das Maß, nach dem im Vatikan die echte katholische Frömmigkeit zurzeit gemessen wird. Ihr eiserner Jesuitenbesen säubert diesseits und jenseits der Alpen. Monsignore Umberto Fracassini, Professor der Heiligen Schrift und der hebräischen Sprache am Seminar zu Perugia, seit 17 Jahren Regens desselben, von Leo XIH. zum Konsultor der Kongregation für biblische Studien berufen, ist von seiner Stelle als Professor und Rektor enthoben worden. Die Kongregation des Konzils verdammte ihn als einen Anhänger der Loisyschen Irrtümer. Diesseits der Alpen aber triumphiert in Würzburg der Professor und Jesuitenfreund Weber über den vornehmen Dr. Merkle. Eine Eingabe des Professor Kneib an Antonius v. Wehner, den bayerischen Kultusminister, über seine Amtsführung soll ihn veranlaßt haben, das theologische Dekanat nieder zulegen. Wer wird nach ihm auf die Proskriptionsliste gesetzt werden? Und wann wird Bischof Aoert den Commerbrief und damit seine eigene Verurteilung in seinem Diözesanblatt veröffentlichen? — Im übrigen bleibt das Organ des Vatikans, der „Osservatore Romano", nach wie vor bei seiner Brandmarkung der „Liga von Münster", als einer zum System und zur hartnäckigen Rebellion gegen die Kirche erhobenen Kon fusion. Die „Germania" verwahrt sich gegen diese Beleidigung so vieler treukatholischer Männer. Zugleich aber veröffentlicht in der „Germania" die Münstersche Bitischriftkommission mit Namensunter- schrist (Justizrat Hellraeth, Assessor Dr. ten Hompel, Abg. Schmedding, Universitätsprofessor Dr. Schwerins) eine Ehrenrettung für Baron Hertling. Dieser hat die Bittschrift zwar mit beraten, hat Aenderungen vorgeschlagen, die allseitigen Beifall fanden, hat ausdrücklich erlaubt, daß bei der Werbung um weitere Teilnehmer auf seine Mitarbeit ver wiesen werden durfte, bei der weiteren Entwickelung der Angelegenheit aber hat er sich nur noch zur Unterschrift der Bittschrift bereit erklärt, um dann schließlich, als die Ultras in Rom den Commerbrief beim Papst durchgesetzt hatten, auch diese Unterschrift schleunigst zurückzu ziehen. Das ist Freiherr v. Hertling. Ob ihm mit der Münsterschen Ehrenerklärung gerade ein Dienst erwiesen wurde? — Alles in allem, welche Gegensätze zwischen römischem und deutschem Katholizismus! Dort, in Rom, am Herrschersitz des heiligen Vaters, wo die Summe aller priesterlichen Macht thront, von deren Leiten, Lehren und Richten sich jeder gläubige Katholik in Deutschland in seinem Verhältnis zu Gott schlechthin abhängig weiß, ein Kultur- und Bildungsniveau der regierenden Kreise, das sich mit Fleiß auf der Stufe der religiösen An schauungen, wie sie in den unteren italienischen Schichten vorhanden sind, hält. Damit ist eine ränkesüchtige Rücksichtslosigkeit gepaart, sich durchzusetzen und alles Höherstrebende niederzuhalten, die einer besseren Sache Ehre machen würde. Finstere Männer, aber Männer. Und in Deutschland durchzieht zwar ein erfreulich starkes Sehnen nach Frei- heit des Denkens und Forschens auch die katholische Welt. Der deutsche Geist, der kämpft „zu aller Frist, weil er ja unsterblich ist". Aber nicht «in Mann erhebt sich, um dem welschen Treiben in Rom gegenüber dies Sehnen nach einem besseren und höheren Katholizismus mannhaft zu verfechten! Und dieser deutsche Ultramontanismus hält sich für be fähigt, in den deutschen Staaten die Regierungen zu leiten! Saft- und kraftlos, ein schwankendes Rohr, wenn die welsche Roma winkt. Ver langt er noch weiteres Gericht? * Unter der Ueberschrift: „Index in neuerer Beleuch tung" läßt sich die „Köln. Ztg." von einem Unterzeichner der an den Vatikan gerichteten Bittschrift folgendes mitteilen: Bei der Beurteilung des Geheimbundes gegen den Index muß berücksichtigt werden, daß die Bittschrift vorläufig nur einen Entwurf darstellt. Viele Katholiken ver langten eine schärfere Tonart des ganzen Gesuches. Die Ablehnung einer Reform des Katholizismus stieß auf lebhaften Widerspruch. Gegenüber der Behauptung, daß die ganze Bewegung nur einen Sturm iM Glase Wasser bedeute, versichert der Briefschreiber auf das be. stimmtest«, daß Hunderte deutscher Katholiken bereitwilligst an der Be wegung gegen den Index teilnähmen und auch namhafte italienische, englische, französische Gelehrt« begeistert ihre Zustimmung erklärten. Der Gewährsmann der „Köln. Ztg." erwähnt ferner ein« Affäre, die noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungen ist, nämlich die Maßregelung des Professors Renz in Münster durch den dortigen Bischof. Renz wurde im Herbst vorigen Jahres von der bischöflichen Behörde aufge- sordert, schriftlich sich wegen einiger Ideen zu rechtfertigen, die er über Schöpfungsgeschichte, Erbsünde und anderes vorgetragen hatte. Renz entsprach diesem Verlangen, worauf seine Ansichten als häretisch be funden wurden und an die Studenten der Theologie das Gebot erging, die Vorlesungen des Jrrlehrcrs fernerhin nicht zu besuchen. Alle Ver suche, eine Audienz beim Bischof zu erlangen, schlugen fehl, worauf Ge heimrat Dr. Elster in Münster eintraf, um im Auftrage der Regierung die Streitsache zu schlichten. Dieser Versuch blieb indes erfolglos. Der Bischof verlangte, daß Renz aus der theologischen Fakultät zu Münster entfernt werd«. In diesem kritischen Moment bestimmte Kardinal Kopp di« theologische Fakultät zu Breslau, Professor Renz dorthin zu berufen. HiÜrr Vorgang machte einen tiefen Eindruck auf die ge bildete Bevölkerung der Stadt Münster. Auch Zentrumskatholiken ver langten, daß solcher Willkür Schranken gesetzt würden. Aus den Er- örterungen, die sich an den Fall Renz knüpften, ist dann der Gedanke hervorgegangen, einen Laienbund zu organisieren, um derartigen Ueber- griffen vorzubeugen und zunächst gegen den Index Stellung zu nehmen. Leider ist das Unternehmen über das Anfangsstadium nicht hinaus gekommen. „Es war nur eine Platzpatrone", äußerte vor einigen Tagen geringschätzig ein Münsterscher Prälat. Er mag abwarten: Bald wird im katholischen Lager scharf geschossen werden, l?) Zur voraussichtlichen Wirkung der Wahl aus Kommunalverbänden. Von nationalliberaler Seite aus wird bei dem Wahlgesetzentwurf der Regierung die schärfste Kritik angewendet gegenüber der projek tierten Wahl von 40 Abgeordneten aus Kommunalverbänden heraus. In diesem Punkt trifft man sich auf einer gemeinsamen Linie mit den Konservativen. Auch die Motive sind dort wie bei den Nationalliberalen insofern die gleichen, als man eine Organisation wie die Kommunal verbände nicht durch Verleihung politischer Aktionen in ihrem Charakter ändern will. Ueber die voraussichtliche parteipolitische Wirkung einer Wahl durch Kommunalvcrbände gehen indes die Ansichten auseinander. Man befürchtet auf liberaler Seite, daß der Einfluß der politischen Parteien dadurch fast ganz ausgeschaltet und an ihre Stelle zum großen Teil der Einfluß des Amtshauptmanns, d. i. der Regierung, gesetzt werde. Zwar wird dieses Bedenken auch von konservativer Seite ge teilt, indes dort wiegt ein anderes vor — man fürchtet ein Wachstum liberalen, ja sozialdemokratischen Einflusses durch die Wahlen aus Kommunalverbänden. In dieser Richtung wird der „Deutschen Tageszeitung" aus sächsischen Kreisen des Bundes der Landwirte folgendes geschrieben, das wir lediglich zur Illustration der verschiedenen Beurteilung über die Wirkung einer Wahl aus Kommunalverbänden wiedergeben. Die Zuschrift lautet: „In Nr. 314 der „Deutschen Tageszeitung" kritisiert «in Herr aus Sachsen in recht zutreffender Weise den Regierungsentwurs; nur in einem irrt er sich, wenn er nämlich unter 3 sagt: „Die Wahlen durch Bezirksversammlungen könnten sich die Konservativen bei der gegen wärtigen Zusammensetzung der Bezirksversammlungen wohl an sich ge- fallen lassen." Unsere Bezirksversammlungen werden zusammengesetzt zu einem Drittel aus Vertretern der Höchstbesteuerten und zu zwei Drittel aus Vertretern der Gemeinden. Die Höchstbesteuerten sind in ihrer überwiegenden Mehrheit liberal, die Vertreter der Stadt gemeinden erst recht, so daß in den seltensten Fällen in den Bezirksver sammlungen eine konservative Mehrheit besteht. Als Beweis ein paar Beispiele: In der Amtshauptmannschaft Döbeln, die gegenüber anderen Amtshauptmannschaften Sachsens noch als eine in der Hauptsache land wirtschaftliche anzusprechen ist, sitzen in der Bezirksversammlung 14 Vertreter der Höchstbesteuerten (davon sind nur 3 konservativ und 11 liberal), 14 Vertreter der Städte (1 Konservativer, 13 Liberale), 14 Vertreter der Landgemeinden (davon allerdings 12 sichere Konserva tive, während bei 2 Herren die Parteizugehörigkeit nicht feststeht). Der Bezirksausschuß besteht aus 5 Liberalen und 3 Konservativen. In der Amtshauptmannschaft Freiberg befinden sich innerhalb der Bezirksver sammlung unter 14 Höchstbesteuerten 3 Konservative und 11 Liberale, unter 8 städtischen Vertretern 1 Herr mit unbestimmter Parteirichtung und 7 Liberale, darunter einige vom linkesten Flügel; von den 20 Ver tretern der Landgemeinden sind 11 gut konservative Herren, während die Parteistellung der übrigen nicht ganz sicher ist. Natürlich liegen in einigen Amtshauptmannschaften, wie Bautzen, Großenhain, Dippoldis walde und Grimma, die Verhältnisse für die Konservativen günstiger; in allen übrigen aber ebenso ungünstig wie in den beiden angeführten, ja in den meisten bei weitem ungünstiger. Nach dem neuen Wahlmodus würden wir bald einen hauptsächlich aus Liberalen und Sozialdemo kraten bestehenden Landtag haben, der für die Interessen der Land wirtschaft und des gesamten Mittelstandes wenig Verständnis haben würde." Z-itungsstrinin-n. Unter den Freunden der fachmännischen Aufsicht der Volksschulen finden sich auch Manner, Vie in der preußischen Schulverwaltung ein flußreiche Stellungen einuehmen. So schreibt der langjährige Vor tragende Rat im Kultusministerium, Geheimrat Brandt, zu dessen Ressort die Volksschulen gehörten, in den Preußischen Jahrbüchern: Früher, als die Volksschule noch die sehr einfache Anstalt war, deren Beaufsichtigung weniger Blühe und Zeit kostete, war der Geistliche der geborene Schulinspektor. Er hatte mehr Beziehungen zur Schule als irgend ein anderer und daher auch das meiste Verständnis für sie. Jetzt ist das ander- geworden. Die Vervollkommnung des Seminar- in Verbindung mit den For derungen des Lebens hat die Kunst des Unterrichtens und Erziehen- in der Schule zu einem reich entwickelten Berus-fach gemacht, dessen Aneignung ein ernste-, lange- Studium erfordert. Infolgedessen ist auch die Volksschule jetzt vor eine viel größere und schwierigere Aufgabe gestellt worden, so daß ibre Beaufsichtigung mit vielseitiger und zeitraubender Arbeit verknüpft ist. Die allmähliche Veränderung dieser Verhältnisse konnte niemanden deutlicher vor Augen treten als den Geistlichen selbst, und daher ist auch deren Stimme zu gunsten einer allgemeinen Fachaussicht über die Volksschule vor allem beachtens wert. Diese Stimme würde noch nachdrücklicher und häufiger laut werden, wenn nicht das Herkommen und das bekannte kirchliche Bedenken entgegensiände. Das „Evangelische Gemeindeblatt für Rheinland und Westfalen" schreibt dagegen: 1. Der Pfarrer kommt durch die Abschaffung der geistlichen Bezirksschul aufsicht und Beibehaltung der geistlichen Ortsschulaufsicht in eine für ihn Pein- Feuilleton. Alle großen Menschen waren intolerant, und man muß es sein. Abbs Galiani. * Zur Frage -es modernen Buchgewerbes. Von Robert Breuer (Berlin). Die große kunstgewerbliche Reformation strebt eifrig nach einer würdigen Form für das Buch. Die Bewegung wird Erfolg haben, weil sich die Führer von vornherein über die Grundbedingungen, nach denen die Gestaltung des Buches vorzunehmen ist, klar geworden sind. Was wir in Deutschland unter künstlerischer Gestaltung des Buches verstehen, ist ja glücklicherweise ganz etwas anderes als was etwa die Franzosen meinen, wenn sie von Bibliophilenband sprechen. Das ist gewöhnlich nichts als ein mehr oder weniger geschmackvolles, häufig aber auch geschmackloses Bijou, ein Nippes, eine Anhäufung von allerlei Bizarrerien, von edlen Materialien und allen mögliche» abstrusen Formen, cs ist ein Gedicht in Edelsteinen und ein Rausch in seltenen Nüancen, kurz es ist alles, was man will, nur kein Buch! Wir hingegen wissen genau, daß man einen Unterschied zu machen hat zwischen dem Gebrauchsbuch und dem Prachtbuch, daß das Gebrauchsbuch die bei weitem häufigere Form und das Prachtbuch eine verhältnismäßig seltene Erscheinung bleiben muß. Von dem Gebrauchs buch verlangen wir vor allem Zweckmäßigkeit; es muß leicht auf- zuschlagen, leicht in ein Regal zu stellen sein; es muß ausgeschlagen fest liegen, es darf nicht zuklappen, man muß mit Leichtigkeit darin blättern können. Das Papier darf weder zu schwach noch zu dick sein, es muß einen angenehmen Tastreiz gewähren und dem Auge wohltun. In dieser Richtung bewegen sich alle unsere Forderungen an das Gebrauchsbuch, und nur wenn hier Genüge geschehen, werden wir von Schönheit sprechen; nämlich dann: wenn alle Forderungen der Zweckmäßigkeit mit einem Gefühl für Rhythmus, für Gleichmäßigkeit und Kontrast, kurz mit artistischem Empfinden erfüllt wurden. Für das Prachtbuch lassen wir einen größeren Reichtum an Schmuckformen gelten; wichtiger aber ist es, daß bei dem Prachtbuch besonders edle Materiale verwendet werden. Niemals aber darf das Prachtbuch sich die Freiheit nehmen, den Grundbedingungen, die an ein jedes Buch zu stellen sind, zu wider sprechen; niemals darf den Materialien etwas abgetrotzt werden, was nicht in ihrem Wesen latent ist. In solcher gesunden Gesinnung haben sich nun zahlreiche Männer von Verstand und Geschmack bemüht, die Elemente des Buches durchzubilden: erst wenn die einzelnen Glieder vollkommen sind, ist eine gute Montage möglich? So bearbeiteten Spezialisten das Papier, die Type, die Druckfarbe, den Buchschmuck, den Einband. Sie griffen dabei vielfach auf das gute, alte Handwerk zurück. Man sah mit Staunen und halb mit Scham, daß damals, als der Buchdruck noch eine junge Kunst war, köstliche Leistungen zustande kamen. Und so genierte man sich nicht, die Druckwerke des 16. Jahr hunderts für die Anordnung des Satzspiegels zum Vorbild zu nehmen. Dürers charakterfeste Typen sah man sich genau an; man erinnerte sich des glatten Lederbandes. Man begriff vor allen Dingen eins: daß die Buchkunst, ob es sich um d>e einzelne Seite, um das Titelblatt ober den Deckel handelt — eine Flächenkunst ist! Daraus folgt, daß, wer ihre Reize vermehren will, neuen Reichtum aus der Fläche schöpfen muß. In diesem Sinne hat man sich nun auch auf eine überaus charmante Flächenkunst besonnen, die den Alten an das Herz gewachsen war. Das ist das Buntpapier. — Unter Buntpapier versteht man jene farbig ge musterten Papiere, die sich in den Büchern vom Großvater auf dem Deckel und als Vorsatz finden, mit denen häufig unsere Schulbücher und die Schulhefte beklebt sind. Wir haben Wohl, wenn wir solch ein altes Buntpapier ansahen, schon oft daran unsere Freude gehabt; und nicht minder häufig werden wir uns entsetzt haben über die Ge schmacklosigkeit des Buntpapiers, wie es heute lanbläufig ist. Freilich nur wenige von uns werden sich darüber klar geworden sein, wie solche Papiere entstehen, welche Geschichte sie haben und worin ihr eigentlicher Reiz liegt. Um hier einmal dem größeren Publikum einen Ueberbtick zu geben, hat Peter Jessen, der Direktor der Bibliothek am Kunst gewerbemuseum zu Berlin, in einer gut organisierten Ausstellung den Entwicklungsgang des Buntpapiers zusammengestellt. — Die Ausstel lung zeigt uns zunächst die sogenannten Prägepapiere, wie sie die Buch binder der Renaissance herstellten. Es aalt, die goldgepreßtcn Lcdcrcin- bände nachzuahmen. Auf handfestes Büttenpapier wurde Blattmetall gelegt, der Aufdruck geschah mittels einer gravierten Messingplatte. Diese Papiere sind von einer ungeheuren Lebendigkeit des Ranienwerkcs, sie entzücken durch die Intensität ih-er Farben. Prachtvoll steht Gold auf Purpur, Karmoisin und Grün. Weit einfacher ist die Herstellung der gestrichenen Papiere; eine Farbe wird als Uniton aufgestrichen, das Korn des Papiers bewirkt die Belebung. Zur Abwechslung sprenkelte man wohl eine zweite Farbe auf den Grundton und erhielt so amüsante Muster, die Effekte von Vogeleiern. Den eigentlichen Formenreichtum des Buntpapiers aber bergen die beiden Hauptveriahren: das Tunk papier und das Kleisterpapier. Zwei alte, ehrwürdige Techniken. Die Tunkmanier ist wahrscheinlich orientalischen Ursprungs; es gibt sehr frühe und sehr schöne türkische Tunkvapiere. Dies ist daS Verfahren: Auf eine zähe Masse von schleimig gekochtem und erkaltetem isländischen Moos wird Farbe ausgetropft. Da Galle eingemischt ist, so dehnen sich die Farbkleckse, streben gegen einander, lehnen sich aneinander, ohne sich zu vermischen. Nun zieht man diese auf der Gallert schwimmende Farbe auseinander und durcheinander, wirbelt sie herum, kämmt sie, läßt Kreise und Schnecken unb mancherlei Nüancen von Marmor ent stehen. Nachdem man so eine Farbschicht hergestellt hat, deckt man einen Bogest saugenden Papiers darauf, hebt ab, läßt abtropfen und trocknen. Die Farbfläche ist nunmehr zerstört und muß aufs neue zugerichtet werden; somit ist jeder Abzug Original, kein Bogen gleicht völlig einem andern. (Das Prinzip der Radierung und Lithographie.) Das Ver fahren scheint ein wenig kompliziert; in Wirklichkeit können geschickte Hände sehr schnell die Farbschichten Herrichten. Die großen Anstalten in Aschaffenburg, die heute den Markt für Tunkpapier beherrschen, arbeiten mit einem Menschenmaterial, das weder übermäßig intelligent, noch künstlerisch begabt ist; dennoch werden ungeheure Mengen Tunkpapiers hergestellt. Allerdings, diese Massenprodukte haben wenig von den Reizen jener Papiere, die den Stolz der alten Buchbindermeister aus machten. Die Aschaffenburger sind nicht vorwärts gekommen, sie liefern ganz anständige Ware, aber sie begnügen sich damit, die gleichen Muster zu wiederholen, das heißt: mit stumpfer Gleichmäßigkeit zu variieren. Von den simplen Arbeitern dieser Betriebe kann die Erfindung neuer Muster auch nicht gut erwartet werden; aber es wäre nur billig, wenn die Fabrikanten sich von Zeit zu Zeit einen Künstler kommen ließen, der dem äußerst beweglichen Verfahren neue Reize abzugewinnen versteht. Es gibt solche Künstler. Schon Eckmann hat sehr wirkungsvolle Muster Zurückgelassen. Ernst Pöschel aus Leipzig erfand schöne Effekte. Be sonders farbensröhlich arbeiten die Wiener; da tanzen und sprühen grün und rot, braun und lila flott durcheinander. Wie kreisende Kaleidoskope sind diese Papiere, immer geschmackvoll, ebenso feurig wie liebenswürdig. Ein Blatt von Josef Hoffmann oder Kolo Moser in einen Rahmen gespannt, ist jedenfalls ein weit schönerer Zimmerschmuck, als die meisten Bilder, die den Moabiter Glasschuppen füllen. Neben das Tunkpapier gehört das Kleisterpavier. Der Buchbinder mischt Kleister mit irgendeiner Farbe und streicht diese Paste auf daS Papier, dann fährt er mit einem Stäbchen, einem gezahnten Holz oder auch mit dem Finger in der nachgiebigen Masse herum, legt hier und dort das Papier bloß, mischt andere Farben hinein: schafft so Muster. Auch diese Technik läßt unzählige Möglichkeiten zu. Man kann z. B. zwei nasse Flächen gegen einander drücken, man kann mit einer Hasen- psote feine Maserungen einziehcn, man kann mit einem Stempel rhythmisch ein Muster eindrückcn. Auch in dieser Technik suchten die Alten nach immer neuen Nüancen. Die Ausstellung bringt eine ganze Sammlung von Aktendeckeln. Ein amüsantes Potpourri, ein wenig bunt und spießerlich, aber doch ein Zeichen von der beschaulichen Sorg falt und der Liebe, mit denen die braven Leute ihre wertlosesten Ge- bravchsgegenstände schmückten. Aus diese Aktendeckel klebten sie große Etiketten, die sie sich aus Schreibpapier mit der Schere „zurecht- schnipperten"; man denkt an Chodowiecki und Matthias Claudius, an lange, gemüttiche Winterabende, da der bezopfte Familienvorstand Silhouetten schnitt und andere Kunststücke machte. — Die Kleistertcchnik wirb gleichfalls von modernen Künstlern geübt. Frau Lilli Behrens zeigt recht gute Entwürfe, wenn auch zuweilen der seidige, süßlich glitzernde Effekt dieser Blätter die „weibliche Handarbeit" nicht ver leugnet. Am angenehiysten und künstlerisch am vollkommensten empfinden wir jene Papiere, die den Herstellungsprozeß, das Wirt schaften nut dem Kleister, den Fingerdruck, den Pinselstrich, daS Hin-
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