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Dresdner Journal : 25.09.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-09-25
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188409258
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840925
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840925
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-09
- Tag1884-09-25
- Monat1884-09
- Jahr1884
- Titel
- Dresdner Journal : 25.09.1884
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- V2SS. Domeritag. dm.'W. Septemlm. »884. 4doou»»«at»pr«t», I» ss»»»« 4»»t»«t»«» N»i«L»: HLrUvk: .... »8 ^MirUe!»: 4 Hurt» LO kk. Liu»«!u« Kuiuwvri»: »O kL 4u»»»rk»Id 6e» äsutx:!»«» Koiel»«» tritt ko»t- uuü 8tvmp«I»a,Lll»L tw»»"- l»»sr»ts»pr«l»sr V<lr 6«u tt«uw 8lo«r ^«,p»!t«ueo ?»tit»«!o >0 kk Outor „Liu^ssuoät" 6i» 2vi!v LV kk. 8« ^»i>«üsn- uu6 2iAsro»«»t« LV H iL^Uo!» »ml Aon»»tui»« 6«r 8oru»- u»6 ksiortKL» Xbso6» kür 6sv kol^sväsv DreMerImrnal. Io»«r»t«o»ii audio« »ll»M»rt,r L»tp^: L>. LranciÄrtt-r, 6on»wü»iovLr 6« vr«»6o«r 6ooroul»; L»md»r, - Lsrlt» -Visu r»tp»tU »»—» >r»»l»u Vr»»KNu4 u. N.: Äaa»«»«te»« Vogler, L»rUa-Vi»a »»»darg kr»U l.»1p»tx kr»ade»rr ». M. - HLacd»a - L»o««e,» >«rUu: /-»va!«6e»»6a»»t, Lr«w»a L. ücdtott«,' >r»»t»a: I, ütanAen'» (Lm,l LaLatd), kr»»KL»rl ». » r L ^arAer'scd« Luedlu»a6luag; VLrlit»: 6. Atütler; L»aoo--r: (7. Sckü«!«', ?»rt» N»rUo Liuaktarr u. ».- >tattg»tt: Daud««« 6o.» LLwdsrz: A«L Lt«»»«' Verantwortliche Redactton: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Lsruuvxvdsrr LSoiA- krpsdltiov 6s» Vrv«6vsr 6ourmU», I)re«6sa, 2viou«r»tru»»« Ho. SV. unter Aöonntmenls - tzinkadung. Auf da- mit dem 1. October beginnende neue vierteljährliche Abonnement des „Dresdner Jour» nalS" werden Bestellungen zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen für Dresden bei der unter zeichneten Expeditton (Zwingerftr. Nr. 20), fiir anSwärtS bei den betreffenden Postanstalten. Muigl. Expedition des Dresdner Journals. FcuiUktou. Nedigitt vou Otto Bauet. Ein Problem der Gesellschaft. Novelle von.A. Marby. (Fottsetzung.) Im Uebrigen! Was begriff Frau Klein Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Wien, Dienstag, 23. September, Abend». (Torr.«Bur.) Im niederösterreichischen Landtage beantragte heute der Abg. Weitlof nebst Genossen, die Regierung sei aufzufordern, unverzüglich die nöthigen Einleitungen wegen Herstellung eine» Donau-Oder-Canal» zu treffen, und der Lande»- auSschuH sei zu beauftragen, über die Frage der Ausführung de» Donau Elbe-Canal», über die Reihenfolge dieser Ausführungen, über die Be schaffung der hierzu erforderlichen Geldmittel, insbesondere über eine etwaige BeitragSlei- stung Nirderösterreichs im Einvernehmen mit den LandrSauSschüssen Mährens und Schlesiens, beziehentlich Böhmen», sowie mit der Gemeinde- Vertretung Wiens schleunigst Erhebungen und Be- rathuugen zu pflegen und in der nächsten Session Anträge hierüber zu stellen. Prag, DienStag, 23. September, Abends. (Tel. d. Reichend. Ztg.) Im Landtage beantwortete heute der Statthalter die Interpellation des Abg. vr. Mattusch und Genossen, betreffend die Rei- chenberger Vorgänge und dir Vorkommnisse in der Gemeinde Trautrnau. Auf deutscher Seite wurde die Antwort lautlos ausgenommen, während auf den tschechischen Bänken laute Vybornerufe ertön ten. Trotzdem die Antwort des Statthalters be stätigt, daß die Reichenberger SicherheitSwache ihre Pflicht vollständig erfüllt habe, erklären die „NLrodni Listy", so lange Reichenberg eine städtische SicherheitSwache behalte, sei die Sicher heit der dortigen Tschechen nach wie vor bedroht. (Vgl. die „Tagesgeschichte".) Brüssel, Mittwoch, 24. September, früh.(W.T. B.) Der gestrige Abend verlief abermals ziemlich un- rvhig; mehrere BolkShaufen zogen lärmend und schreiend durch die Stadt und vor das RrdactionS- local des „Patriote", wo sich der Lärm fortsetzte; indrß gelang eS der Polizei und der Gendarmerie, die Ruhestörer wieder zu zerstreuen. Gegen 11 Uhr AbendS concentrirte sich die Bewegung Haupt- sächlich auf dem Münzplatze; hier schritt die Bür Amtlicher Theil. Dresden, 24. September. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Oberstlieutenant und Kommandeur des 2. Jäger- Bataillons Nr. 13, von Treitfchke, sowie der Haupt mann und Kompagnie-Chef im Schützen- (Füsilier) Regiment „Prinz Georg" Nr. 108, von Haugk, die ihnen von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und König von Preußen mit der Ernennung zum Ehren ritter des Johanniterordens verlieheneu Abzeichen, in- gleichen der Premierlieutenant der Reserve des Ca- rabinier-RegimentS, Freiherr vonZedtwitz, das ihm von Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich ver liehene Lomthurkreuz des Franz-Joseph-Ordens an- legen dürfen. dieser Beziehung? Freilich ließ der Eifer, mit welchem Käthchen ihre altgewohnten häuslichen Verrichtungen wieder übernahm, nichts zu wünschen übrig, nie gab es ein Versehen, eine Lässigkeit zu rügen! Daß bei Allem eine quälende Ruhelosigkeit sie beherrschte, wer hatte Zeit, darauf zu achten? Auch den Kindern wid mete sie sich wieder mit der alten Hingebung; daß im heitern Spiel und Scherz nicht der frühere herzige Frohsinn aus ihren Augen leuchtete — beim Märchen erzählen ihre Stimme zuweilen einen müden Klang gewann, als ob ihre Gedanken weitab schweiften von Dem, was der Mund mechanisch sprach — fiel Nie mandem auf. — Heute hatten die stürmischen Jungens und selbst Miezchen, Käthchen'S Liebling, sie vergeblich zu bewegen versucht, mit ihnen hinaus zu eilen in den verlockenden Sonnenschein. Sie wehrte die kleinen Quälgeister entschieden ab und stickte an den Geburtstagsschuhen für den Onkel mit einem Eifer, als müßten sie noch heute vollendet werden. Sie hörte Fritz die Stube schließen — jetzt schritt er langsam durch die lange Hausflur — Käthchen war's, als sollte sie aufspringen und Dresden, 24. September. In Belgien dauern die liberalen Bestrebungen, durch Straßencrawalle den König einzuschüchtern, fort. Am Montag Abends machte sich unter der Bevölke rung Brüssels wieder große Erregtheit und Unruhe bemerkbar; indeß gelang es, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Mehrere Menschenhaufen, welche die zum Gassenhauer der Allerweltsrevolutionäre herab gesunkene „Marseillaise" singend und schreiend durch die Straßen zogen, wurden von der Polizei ohne Schwie rigkeit zerstreut. Gegen den Director des ultraradi- calen Journals „National", Gabriel Marchi, einen Sohn des Kerkermeisters des Marschalls Bazaine, ist wegen mehrerer heftiger, für die republikanische StaatSreform plaidirender Artikel ein Ausweisungs befehl erlassen worden. Es kann nicht genug betont werden, daß die liberalen Bürgermeister die eigentlichen Hetzer sind. Hat doch der Bürgermeister von Lüttich in der bekannten Audienz vor dem Könige eine geradezu revolutionäre Sprache geführt. Karnant, fo heißt der Mann, erklärte nach der „Etoile belge" in sehr ener gischem Tone, daß die Bewohner von Lüttich sich wegen der Finanzfrage keine Sorge machten, daß sie aber mit Schrecken daran dächten, daß es Auswärtigen erlaubt sein solle, die belgische Jugend zu unterrichten. Derselbe Culturkämpfer wagte noch hinzuzufügen, „daß die Unterzeichnung des neuen Schulgesetzes zur Folge haben würde, das Land dem Königthume abhold zu machen." Der König blieb die Antwort auf diese Frechheit nicht schuldig; er wandte sich von dem Schwätzer ab und drehte ihm den Rücken zu. Die Haltung des Königs ist die wahrhaft liberale, indem sie das verfassungsmäßige Recht der Na tionalvertretung in Belgien anerkennt, eine ihrer Mehrheit entsprechende Regierung zu besitzen. Brüssel, meldet man der „Franks. Ztg." von dort unterm 22. d., scheint heute, am Tage der Veröffentlichung des Schulgesetzes, im Belagerungszustande zu sein. Von allen Seiten ertönt Trommelschlag, um die Bürgergarde auf die angewiesenen Posten zu rufen. gergarde ein und säuberte dru Platz. ES wurde» mehrere Verhaftungen vorgeuommen. (Vergh die Rubrik „Zeitungsschau".) Rom, DieuStag, 23. September, Abeud». (Lorr.-Bur.) Der gewesene Jrsuiteupater Curci ist heute Morgens hier angelangt, um, wie der „Moniteur de Rome" meldet, den Wünsche» der Kirchevbehörde zu entsprechen. London, Mittwoch, 24. September. (Tet. d. DreSdn. Journ.) „Reuter'» Office" meldet au» Wadi- half«, daß in Ambukol ein Bote de» General» Gordon eiutraf, welcher berichtete, daß mehrere Heere»haufeu, die zur Belagerung Chartum» ver einigt gewesen seien, wieder abgezogen wären. Die Verproviantirung der Stadt erfolge ohne Schwierig keiten vom Süden au». Der General Gordon habe 4 Dampfer abgeseudet, um der Garnison i» Sennaar Hilfe zu bringen. Nach der Rückkehr der Dampfer werde der General Gordon eine Ex pedition nach Berber schicken, um der von Kairo kommenden englischen Expedition die Hand zu bieten. Kiew, Dien»tag, 23. September, AbendS. (W. T.B.) Wegen der am Sonntage stattgehabteu Excesse wurde heute durch Anschlag in der Uni versität bekannt gemacht, daß Zusammenrottungen untersagt seien und daß eventuell an solchen theil- nehmende Studenten sofort rrlegirt werden würden. — Eine weitere Bekanntmachung besagt, daß die Vorlesungen auf der Universität nicht vor dem 27. d. begönnen und daß bis dahin den Studenten der Zutritt zur Universität nicht gestattet sei. vertheilen. Nun marschirte auch die Bürgergarde auf, welche mit raufchendem Beifall und den Rufen: „Hoch Buls!" empfangen wurde, während, als berittene Gen darmen heranfprengten, die Menge unter ohrenzerreißen- dem Pfeifen das fatale „0 Vanäsopoerodoom" an hob. Schritt für Schritt wurde die Räumung des Platzes durch die Bürgerwehr vollzogen, welche zwar das Bayonnet aufgepflanzt hatte, aber keinen Gebrauch davon machte, sondern schweigend und ernst vorrückte. Gegen 11 Uhr Nachts war der Zug gesprengt. Da und dort fanden noch minder bedeutende Ansammlun gen Statt. Vor dem königl. PalaiS herrschte Ruhe; dasselbe war übrigens bis spät in die Nacht hinein bewacht. Wie der Telegraph ferner aus Brüssel meldet, wurde der gestrige Jahrestag der Revolution von 1830 von einer großen Volksmenge dazu benutzt, eine Manifestation ins Werk zu setzen. Namentlich wurde der Zug der Combattanten von 1830, welche sich wie alle Jahre an diesem Tage nach dem zum Andenken an die Gefallenen errichteten Denkmal begaben, um dort Kränze niederzulegen, von der Volksmenge leb haft begrüßt. Dem Zuge schloß sich eine große Menschenmenge an, welche, von der Polizei verdrängt, sich unter Absingen von Spottliedern stets von Neuem sammelte. Bei den Stufen der Börse drängte sich die Masse zusammen und demonstrirte. Man rief: „Hoch die Freiheitskämpfer!" und begann dann wieder Spott lieder zu singen. Die Polizei nahm viele Verhaf tungen vor, was immer einen neuen Auflauf und neuen Lärm verursachte, ohne daß eS dabei zu ernsten Thätlichkeiten kam. Erst als die Gendarmen ein schritten, fielen Gewaltacte vor. Die Menge zog vom Boulevard du Nord aus durch schmale Gassen bald singend, bald pfeifend bis auf den Platz Monnaye, wo sich das große Theater befindet; vor einem Bier locale versperrte die Polizei der Menge den Weg. Darauf wieder Geschrei und Pfeifen. Die Polizisten machten die Straße, wenn auch mit Schwierigkeit, frei. - In diesem Moment kamen aus dem gegenüber dem Theater liegenden Gebäude etwa 20 Gendarmen, ge führt von 2 Offizieren; diese vertrieben die Menge. Tische und Stühle wurden umgeworfen, und das schreiende Volk und die Soldaten verstrickten sich in die Stuhlbeine. Vor dem Monument verurtheilte es einer der Combattanten auf daS Lebhafteste, daß man die Grundsätze der Revolution preisgegeben habe. Der Redner dankte der Stadt Brüssel für ihre Fürsorge, und schloß mit dem Rufe: „Es lebe Belgien! Es lebe der König!" Ein anderer Combattant erklärte: „Wenn unsere Vorfahren 1830 gekämpft haben, fo thaten sie dies in der Hoffnung, daß Belgien frei bleiben würde. Dies ist es gegenwärtig nicht mehr; wir werden nie mals Römlinge fein." Nach der Feierlichkeit kehrte der Zug in ein Local zurück; eine dicht gedrängte Volksmenge, welche die „Marseillaise" und tue „Bra- ban^onne" sang, folgte ihm. 2 Redacteure eines re publikanischen Journals wurden verhaftet. Vor der Redaction des Journals „Patriote" fand eine feind liche Kundgebung Statt, welche indesfen durch die Gendarmerie zerstreut wurde. Ein republikanisches, von den Führern der socialistischen Partei in Belgien unterzeichnetes Flugblatt, welches zum Anschlusse an die jüngst constituirte republikanische Liga auffordert, wurde in äußerst zahlreichen Exemplaren vertheilt. Die Polizei nahm mehrere Exemplare in Beschlag. Ein anderes republikanisches Flugblatt, welches in sehr heftiger Sprache abgefaßt war, ist vorgestern mit Beschlag belegt worden. Seiten der Polizei waren zur Aufrechthaltung der Ordnung dieselben Maßregeln getroffen worden, wie Tags vorher. DaS Verhalten der belgischen Liberalen wird selbst von ihren fortgeschrittensten Gesinnungsgenossen ent schieden verurtheilt. So sagt die demokratische „Frank- Der Bürgermeister hat eine Proklamation erlassen, in welcher er alle Manifestationen verbietet und die Hoffnung ausspricht, die nächsten, am 19. October stattfindenden Wahlen für die Hälfte der Mitglieder aller Gemeinderäthe des Lande- würden die gesetzlichen Mittel zur Erklärung zu Gunsten des öffentlichen Unterrichts und gegen das neue, denselben bloßstellende Gesetz liefern. Ein Brüsfeler Telegramm der „N. ft. Pr." berichtet folgende Details: Vor den Orten, wo die Proclamation des Bürgermeisters angeschlagen war, standen am 22. d. kleine Gruppen. Fast alle Zei tungen, ausgenommen einige wenige radicale, mahnten zur Ruhe. Trotzdem wurden Demonstrationen er wartet. Gegen Abend rückten die Bürge» garden zu Fuß und reitende Bürgerwehr aus und sammelten sich auf der Place de la Liberte. Vor dem königl. PalaiS nahmen starke Abtheilungen derselben Aufstellung. Alle RegierungSgebäude liegen auf der Anhöhe um den Park vor dem königl. PalaiS gruppirt. Diese Anhöhe wurde von den Bürgergarden regelrecht be setzt, ebenso die steil ansteigenden Straßen, welche aus den bevölkerten Vierteln zu den Plätzen führen, wo ein Regierungsgebäude sich befindet. Die Bevölkerung nahm diese großen Vorbereitungen mit mehr neugieri gem Befremden, als Trotz auf. Vor jeder Abtheilung Bürgerwehr, die aufmarschirte, lief ein Schwarm bloß- löpfiger, pfeifender und singender Jungen einher. Die Höhe, wo der Palast und die Gebäude der Mi nisterien liegen, war bei einfallender Nacht völlig cernirt. Bi- 9 Uhr Abends kam kein besonderer Vor fall vor; bloS eine ungewöhnlich große Bewegung herrschte in den Straßen, wo Colporteure rothe Zettel mit der Aufschrift: „1.«» malbsur» äu jonr" ver kauften. Diefe Zettel verlangen, das Volk folle lieber „Vivs !a rsnubligus!" rufen, als sich die ihm von den Klerikalen angethane Schmach gefallen lassen. Vor der Börse und auf dem elektrisch beleuchteten Rathhausplatze fanden zwar Ansammlungen Statt, die Ruhe wurde aber nicht gestört. Vor 10 Uhr Nachts änderte sich jedoch plötzlich die Situation. Von dem stark bevölkerten Boulevard du Nord her vernahm man Schreien und Pfeifen. Von allen Seiten liefen Leute herbe», und die Polizei verhaftete einige Ruhe störer, wobei sie von der Menge ausgepfiffen wurde. Nun formirte sich ohne besonderes Arrangement ein immer größer werdender Zug, der die steilen, bergauf gehenden Straßen, die zum königl. Palais führen, Hinanstieg. Man kann nicht sagen, daß Jemand die stetig anwachsende Menge geführt hätte. Langsam zog sie unter dem Absingen eines eine Art Kirchengesang parodirenden Trauermarsche-, dessen Text blos den Namen des Justizministers bildete, die Straße hinauf. Er lautet: „0 Valläeopeersbooiu-pesrsboolu-boom« (ein Spottlied, das in Brüssel jetzt allenthalben ge sungen wird) und schwoll immer lauter an. Plötzlich stimmten Einige die „Marseillaise" an, welche sofort im großen Chore mitgefungen wurde. Einzelne Rufe: „Hoch die Republik!" wurden au-gestoßen. Mitten in der schmalen Straße hörte man plötzlich da- Ge räusch von regelmäßigem Marschtritt; die Frauen im Zuge schrien auf, die Menge stob auseinander, um in den Häufern Schutz zu suchen. Eine starke Brigade Polizei drang nämlich alsbald im Laufschritt auf die Menge ein, welche im ersten Augenblicke aller dings erschrocken auseinanderstob, sich aber sofort wie der sammelte und die Polizei auspfiff. Die Ermah nungen des Polizeicommissars wurden mit dem Chor: „0 Vanäsapssrsdoom" und der „Marseillaise" beantwortet. Die Polizei nahm eine große Menge Verhaftungen vor, konnte aber nicht verhindern, daß die Masst sich immer wieder sammelte und vorwärts drang. An einem gut gewählten Punkte standen Gruppen von Slcherheitswachen und Pompiers, welche die Menge nöthigten, sich nach den Seitengassen zu seinen schwankenden Gang unterstützen, aber — sie preßte nur ihre zitternde Hand auf das heftig pochende Herz — was galt sie ihm? fragte er doch nie, nie nach ihr, trotzdem, daß er wußte — o, sie war zu stolz, sich ihm in den Weg zu stellen, um ein armselige- Wort des Dankes zu ver nehmen! Ob er wohl eine Ahnung hatte, daß er in seinen wüsten Fieberphantasien seine Liebe bloßgelegt zu jener Anne, die doppelten Verrath an ihm geübt? Und doch liebte er sie noch immer, die längst das glückliche Weib eines Andern? Ein schmerzender Stich durchzuckte Käthchen'S Brust, ein banger Seufzer zitterte über ihre Lippen. „In vier Wochen geht er fort —" hatte gestern der Onkel erzählt. Vier Wochen!? Wären sie nur erst vorüber! Mit seiner Entfernung wird dann gewiß da- dumpfe Weh aus ihrer Seele schwinden und der frühern Heiter keit Platz machen. Horch! da kehrt er schon wieder zurück—er spricht mit der Tänte — ach! noch fehlt seiner Stimme der alte kräftige Klana! Nach einer Weile betrat Frau Klein die Wohn stube, und sich Käthchen gegenüber niederlassend, fragte sie: „Hast Du Fritz am Fenster vorübergehen sehen?" „Nicht?" fuhr sie auf des Mädchen» stumm ver neinendes Kopfschütteln mit unverkennbarer Theil- nahme fort, „der arme Mensch sieht doch noch recht elend auS! Denk« Dir: das Stündchen in der freien Luft hat ihn so ermüdet, daß er jetzt schon wieder schläft; daraus kann man auf seine große Schwäche schließen." Eine unbezwingliche Sehnsucht erfaßte plötzlich Käthchen'S Herz. „Er schläft? Weißt Du das gewiß, Tante Paulchen?" „Ja freilich! Ich wollte ihm ein Glas Wein zur Stärkung anbieten, fand ihn aber leider schon schlum mernd!" „O, liebe Tante, Schlaf ist ihm beste Stärkung! Und Du meinst, er schläft fest genug, daß ich nicht fürchten darf, ihn aufzuwecken, wenn ich leise hinüber gehe?" „Ist dies denn jetzt nöthig?" fragte Frau Klein verwundert. „Ich" — — Käthchen erhob sich, legte ihre Stickerei sorgfältig zusammen und sich dabei tiefer als nöthig bückend, fuhr sie mit sicherer Stimme fort: „Mir fehlt eine Schattirung von der grünen Wolle, wahrscheinlich habe ich sie in meiner Lommode liegen lassen und möchte gleich mal nachsehen." „Aber Käthe, damit hat's doch Zeit, bi- Fritz wieder munter ist?" „Ja — müßt' ich bestimmt, wo die Wolle liegt! Aber solch Herumkramen in allen Kästen ist, fürchte ich, Fritz fehr unangenehm! Er empfindet dann, daß ein fremder Raum ihn beherbergt, und glaubt durch seine Gegenwart zu geniren. Ich selbst suche un beobachtet auch viel ruhiger." „Ich bitte Dich, Käthchen — in Deiner eigenen Stube! Das ist die Rücksicht zu weit getrieben. UebrigenS halte ich ihn jetzt für so weit hergestellt, daß er sein altes Quartier wieder beziehen könnte." „Nein, nein!" rief Käthchen rasch, „das Treppen steigen dürfen wir ihm noch nicht zumuthen. Beste Tantel laß davon ja kein Wort gegen Fritz verlauten, er ist so leicht verletzt!" „I, meinetwegen macht mit Eurem verwöhnten Prinzen, was Ihr wollt", versetzte Frau Klein mit leichtem Spott. „Du hast ja die meiste Unbequemlich keit von Deinem Stubengast." „Es ist nur noch für kurze Zeit, liebe Tante, dann verläßt er uns ja ganz!" sagte Käthchen, wie zu seiner und ihrer Entschuldigung. In ihrem lieblichen Antlitz und im leise zitternden Ton ihrer Stimme lag ein so tief wehmüthiger Aus druck, daß Frau Klein der verfchwindenden Gestalt beunruhigt nachschaute und, nachdem die Thür sich hinter Käthchen geschlossen, seufzend murmelte: „Was auch unter allen Umständen das Beste ist. Gebe nur der Himmel, daß mein gutmüthiger Mann ihn nicht noch andern Sinnes macht." (Fottsetzung folgt.) Eine Reise »ach England. Skizze von A. W. (Fottsetzung zu Nr. r>4.) Ohne die Leser zu ermüden, sei es mir noch ge stattet, einer Reihe von Gebäuden, besonders öffent lichen, in London Erwähnung zu thun, die einen her vorragenden Rang einnehmen. Ich komme da zunächst zum Temple nebst Templechurch in der Nähe von Themse Embarkment, der neuen Themsekalstraße; dieses Gebäude steht auf dem rechten Themseufer, vor ihm die berühmte Nadel der Kleopatra. Vor dem Gebäude sind herrliche Gartenanlagen und da- Ganze ist ein GesellschaftSwohnhau» für junge Juristen, die
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