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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030130017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903013001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903013001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-30
- Monat1903-01
- Jahr1903
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Anzeigen »Preis die Ogrspalttlie PeUtzeile 25 Reklame» ««er dem ptedattionsprich (ägespalt«) 75 vor d« FamUtmomch- richt« (6 gespalt«) 50 Tabellarischer and Htffernsatz «1spr»ch«d höher. — chedübr« für Nachweisung« und Osferteuauaahm« S5 H («xrl. Porto). Ertra-Vetlage» (gefalzt »»» mit der Morg«.Au-gab«, ohne Postbesörderung 80.—» mn Postdesärderung 70^^ Ämiahmeschluß für Akyei-e«: Ab«»d. Ausgabe: Vormittag- 10 llhr. Morgea-Aa-gaber Nachmittag- 4 U-L Anzeig« stad stet» « di, Expeditlo« zu richt«. Die Expedition ist Wochentag» u»NLt«rdrvche, geüffnet von früh S bi- abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» tu Leipzig 97. Jahrgang. Ausgabestellen der Leipziger Tageblattes von welchen dasselbe zu dem Abonnement-Preise von 1 — monatlich 1.L5 bei freier Zustellung) bezogen werden kann: Im Zentrum. Tkl-v-on Brühl 58, C. F. Sckubert'S Nachf., Kolonialwarenhdlg. Kathartnrnftr. 14, L. Lösche, Cigarrenhdlg. 2935 Nttterftr. 4^ Linckesche Leihbibliothek und Buchhdlg. Im Norde«. Äerberftr. 8, H. 8. Kröger, Butterhdlq. 8624 Gneisenaustr. 12, B. uhlich, i. Fa. Ida Hartmann, Papierbdlg. Löhrftr 15, E. Hetzer, Kolonialwarenhdlg. 979 Norkstr. 32 (Ecke Berliner Straße), F. W. Kietz, Kolonialwarenhdlg. Im Osten. Johanntsgasse 8, Hauptexpedition 222 Nanftsche Vage 6, F. Fischer, Kolonialwarenhdlg. Lchützenftr. 5, I Schümicken, Kolonialwarenhdlg. 1178 Tauchaer Str. 18, E. R. Reichel, Drogenhdlg. 8341 Im Lüden. Arndtftr. 35, I. F. Canitz, Kolonialwarenhdlg. 3033 Bayersche Str. 45, H. Neumeister, Cigarrenhdlg. 3984 König-Platz 7, 8. Lösche, Cigarrenhdlg. 7505 Nürnberger Str. 45, M. E. Albrecht, Kolonialwarenhdlg. Lettzer Str. 35, V. Küster, Cigarrenhdlg. Im Weste«. Beelhovenstr. 21, Th. Peter, Kolonialwarenhdlg. 3901 Frankfurter Str. 22 (Ecke Waldstr.), 8. Sievers, Kolonialwarenhdlg. Nanstädtcr Stetuweg 1, O. Engelmann, Kolonialwhdlz. 2151 Walbftr. 3S, G- Vetterlein, Kolonialwarenhdlg. Westplatz 32, M. Leißner, Cigarrenhdlg. 2402 Ja den Bor» «nd Nachbarorten. Anger-Trottenborf, B. Friedel, Cigarrenhdlg., Zwei- uauudorfer Str. 6, O. Oehler, Bernhardstr. 29 Connewitz, Frau Fischer, Hermannstr. 23 - Fritz Koch, Pegauer Straße 17 Eutritzsch, Robert Altner, Buchhdlg., Delitzscher Str. 25 820 Gautzsch, Ioh. Wolf, Ecke Ring» und Oetzscher Str. 3526 GohltS, Robert Altner, Buchhdlg., Lindenth. Str. 6 820 - Paul Schmidt, Brüderstraße 8 Kleinzschocher, G- Grützmann, Zschochersche Str. 7a in L.'PlagWitz 2586 Leutzsch, Albert Lindner, Wettiner Str. 51 in L.-Lindenau LtuSenau, Alb. Lindner, Wettiner Str. 51 in L.-Lindenau Möckern, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L.-Gohlis Neustadt, Paul Kuck, Annonc.-Exped., Eisenbahnstr. 1 Nruschönefeld, Paul Kuck. Annoncen-Exp., Eisenbahnstr.1 Letzsch, Carl Scheffel, Ecke Ost» und Mittelstr. 6475 Plagwitz, G. Grützmann, Zschochersche Str. 7a 2586 Neudnttz, W. Fugmann, Marschallstr. 1 1516 - O. Schmidt, Koblgartenstr 67 1739 - Beruh. Weber, Gabelsbergerstr. 11 Schleuß!», G- Grützmann, Könneritzstr. 56 2586 Sellerhausen, O. Oehler, Anger-Crottendorf, Bern- hardstraße 29, Part. Stünz, O. Oehler, Anger»Crottend., Bernhardstr. 29, p. Thonberg, R. Häntsch, Reitzenhainer Str. 58 BolkmarSbors, Paul Kuck, Ann.-Exped., Eisenbahnstr. 1 - Georg Niemann, Konradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.) Wahren, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L.-Gohlis. Die fremdenfeindliche Lewegung in England. Die Völker entwickeln ebenso wie der einzelne Mensch ihren Charakter infolge der Ereignisse, denen ihr inneres oder nationales Leben unterworfen war. Gewisse Grund anlagen bleiben aber. Als nationaler Typus ist der Deutsche des Jahres 1900 ein ganz anderer, als der Preuße oder Sachse der Zeit vor dem Kriege. Unsere guten Freunde behaupten, wir wären durch unseren wirt schaftlichen und weltpolitischen Aufschwung recht garstige und überhebliche Gesellen geworden; das liegt wohl daran, daß unser grober Volkscrzieher Bismarck -em deutschen Geist die Lehre cingeprägt hat, daß cs bester ist, Sammer als Amboß zu sein. An Gutmütigkeit und Gast lichkeit haben wir immerhin nichts eingebüßt, und auch heute noch wie zu den Zeiten des Tacttus wird jeder Fremde auf beiden Ufern des Rheins mit Freundlichkeit empfangen. Auch der englische Bolkscharakter ist in einer Umwandlung begriffen. Die Zeiten des alten „Kleineng land", die uns Dickens so köstlich geschildert, sind auf immer dahin. Der heute an der Themse herrschende Menschen schlag ist gallig, neidisch, zanksüchtig, gel-gierig und ge walttätig gegen Schwache. Einst war der Herd der eng lischen Nation für alle Verfolgten da, der britische Boden war die Freistatt aller politischen Märtyrer, die englische Politik schützte die Freiheitskämpfer in Griechenland, Italien und Ungarn. Heute dagegen wendet sich die Ge reiztheit des Volkes gegen alles Fremde. Die schlechte Laune läßt man an den fremden Einwanderern aus, und das schlechte Gewißen, das man vom Boerenkriege her hat, sucht Betäubung in einer regelrechten Frcmdenhetze. Diese Bewegung richtet sich — man könnte sagen, selbst, verständlich — gegen die Deutschen in erster Linie. Schon nach der Krüger-Depesche suchte man -em Acrger über den mißlungenen Jameson-Raubzug in Unfreundlichkeiten gegen die Deutschen Ausdruck zu geben. Diese Strömung wurde immer stärker und verleitete unseren Landsleuten an der Themse immer mehr das Leben. Während des Krieges genügte eS, als Deutscher erkannt zu werden, um auf den Straßen des gastfreien London allerlei Unan nehmlichkeiten ausgesetzt zu sein. Der Humor wollte es, daß manchmal Leute mit solchen echt-englischen Liebens würdigkeiten bedacht wurden, die das Land zwischen Vo gesen und Memel nie in ihrem Leben betreten hatten. Der Haß richtete sich zuerst gegen die deutschen Handel treibenden, Techniker und Arbeiter, denen man als über legenen Konkurrenten so wie so nicht grün war. Jetzt wird jeder Deutsche, der auch gelehrter oder fachmänni scher Studien halber ober auch nur -um Vergnügen das britische Etland besucht, die Erfahrung machen, daß sich ihm die Türen gebildeter englischer Familien verschließen, daß man ihn boykottiert, wo es angängig, und daß man ihm möglichst viel Unannehmlichkeiten zufügt. Geht er ins Theater, so wird er bei dem Mangel an künstlerischen und literarischen Bühnen Schaustücke zu sehen bekommen, deren Geschmacklosigkeit nur durch die plumpsten Angriffe auf Deutschland gewürzt wird. In jedem Bariet6, von jedem Volkssänger hört er Gassenhauer, in denen der Haß gegen Deutschland dem verehrlichen fuselduftigen Zu schauerpöbel gepredigt wird. Die elenden Witzblätter bringen die gröbsten Karikaturen gegen das deutsche Volk, und kein Mann ist in dieser Sorte Literatur nach Ohm Paul mehr beschimpft, als unser Kaiser, der sich in Liebenswürdigkeiten gegen das Land, in dem sein Onkel herrscht, doch nicht genug tun kann. Wir wollen zugeben, daß auch in unseren Witzblättern und auf unseren Ueber- und Unterbretteln der berechtigte Zorn über die Verunglimpfungen unseres Volkstums durch England sich in recht kräftiger Weise und häufig auch nicht gerade sehr geschmackvoll geltend macht. Unsere maßgebenden Kreise stehen aber diesem Treiben fern und heute, wie vor 10 oder 20 Jahren, wird der einzelne Eng länder mit Freundlichkeit und Gastlichkeit bet uns ausge nommen. Wenn er sich dann nicht in Dinge mischt, die ihn nichts angehen — wozu er allerdings sehr neigt — wird er unbehelligt seinen Neigungen, seinen Studien und seinem Berufe uachgchen können. Benimmt er sich heraus fordernd, so mag ihm auch einmal gründlich die Wahrheit gesagt werden. Anders in England. Hier dringt jetzt die fremden feindliche Bewegung auch in die Regierung ein. Man plant nichks weniger als ein Gesetz, das die Freiheit der Einwanderung beschränken soll. Nun könnte es einen Gesichtspunkt geben, unter dem ein solches Vorgehen sogar mit Anerkennung zu begrüßen wäre. England hat bisher nicht nur harmlosen utopistischen Schwärmern, sondern auch politischen Verbrechern aller Art ein Asyl gewährt und dadurch eine schwere Schuld an der Aus breitung der anarchistischen Seuche auf sich geladen. Wollte Herr Balfour hier die Klinke der Gesetzgebung in die Hand nehmen, so würde er sich Dank auch auf dem Festlandc verdienen. Die Abwehr gegen die zu nehmende Einwanderung verbrecherischer Elemente spielt nun offiziell bei den amtlichen Erwägungen auch eine gewisse Rolle. Hierin ist aber nicht das eigentliche Motiv zu der ganzen gesetzgeberischen Aktion zu suchen, die zur höheren Ehre des Jingoismus eines der köst lichsten Kleinodien aus der Schatzkammer der britischen Volks- und Menschenrechte opfern will. Wir wiesen schon darauf hin, daß eines der stärksten Gefühle, die das englische Volk heute bewegen, der Neid ist. Auf dem ganzen Erbenrmnde wird der Engländer im gewerblichen Betriebe vom Amerikaner und dem Deutschen überflügelt. Jetzt sieht er, daß der verhaßte Deutsche sich im Herzen des englischen Landes fest ein genistet hat, zu tausenden jährlich weiter einwandert und im Konkurrenzkämpfe die eigentlichen Landcskinder fort während schlägt. Daß der Deutsche nur deshalb vor wärts kommt, weil er fleißig und regsam ist, wo der Eng länder in seinem Dünkel keinen Finger rühren zu müssen glaubt, übersieht man jenseits des Kanals ge flissentlich. Einen gewissen berechtigten Kern wird man ja einer solchen Abwehrbcwegung, die vom nationalen Egoismus inspiriert ist, nicht absprechen können. Diese deutsche „Invasion" wird aber tatsächlich wett überschätzt. Bon chauvinistischem Haß gegen alle-, was vom Festlande kommt, geblendet, malt man dem berühmten „Mann auf der Straße" in den Half-Penny-Blättern ein wahres Schreckbild von der drohenden Erwürgung durch immer neue Massen festländischer Einwanderer vor, um die fremdenfeindlichen Boxerinstinkte in ihm zu wildestem Rassenhaß aufzuretzen. Tatsächlich ist die Fremdenetnrvanderung nach dem Bereinigten Königreich keineswegs so stark. Im Jahre 1901 — weiter reicht die englische Statistik, die übrigens höchst unzuverlässig ist, nicht — verlieben sogar 64 000 Fremde mehr den englischen Boden, als ihn neue Ein wanderer vom Festlandc betraten. Die ganze Bcrech- nung wird ttberhaupt dadurch sehr schwierig, daß die aller- metstenZuwandernden in England nur mehr oder weniger Station machen, um sich in überseeische Länder zu begeben. Da lassen sich nach Belieben die Zahlen drehen und wenden, und die Zahl der nur Durchreisenden bringt man, um das englische Publikum zu täuschen, absichtlich gar nicht oder nur ungenügend in Anschlag. Von den 1901 wirklich dauernd eingowanderten, etwa 50000 fremden Staatsangehörigen waren unter anderem 10 000 Russen und Polen (zum großen Teil Juden), 7000 Italiener, 6000 Deutsche, 5000 Franzosen. Die Einwanderung hatte im letzten Rechnungsjahre sogar eine absolute Abnahme zu verzeichnen. In den westlichen Vororten Londons sitzen die wohlhabenderen kleinen Kolonien der Deutschen und der anderen Mitteleuropäer, in den östlichen, pro testantischen Vierteln sitzen die Fremden in dichteren Massen; hier überwiegen in manchen Gegenden Italiener, Polen und Juden sogar im Prozentsatz die einheimische Bevölkerung. Deutsche sollen nach den amtlichen Be richten des Konsulats etwa 30 000 in London leben, doch wird ihre Zahl von vielen Seiten weit höher geschätzt. Daß dieser Bevölkerungsanteil keine Gefahr für das Land bildet, zeigt sich darin, daß das weit kleinere Paris ohne ängstliche Bedenken ebenso viele Deutsche beherbergt, und außerdem auch andere Fremde in weit höheren Zahlen, als London ohne Beschwerden aufnimmt. England hat einen großen Teil seiner politischen, wirtschaftlichen und künstle rischen Errungenschaften Ausländern, vor allem Deutschen zu verdanken. Der vorletzte Marinemintstcr Goschen war Deutscher, Beaconsfield, der Inspirator der Weltpolitik, war Jude, und der Mann, der heute sich in Popularität neben Chamberlain behauptet, Milner, ist deutscher Abstammung. Ist nicht die Königliche Familie selbst eingewandert aus Deutschland? — Von den glänzenden Namen der Wissenschaft verdankt England einen großen Teil dem Festlande, auf dem Gebiete der Kunst, wo es selbst so kläglich unfruchtbar ist, fast alles; es sei nur der Name Händel genannt. Die ganze Unsinnigkeit der englischen Fremdcnfeind- schaft erhellt aber daraus, daß Britannien selbst einen so gewaltigen Bruchteil seines nationalen Nachwuchses in nicht englische Gebiete sendet, daß es selbst, um diesen nicht Repressalien zuzuztehcn, die Unwirtlichkeit nicht zu weit treiben sollte. Seit Waterloo haben 27 Millionen Briten in fremden Landen ein neues Heim gesucht und gefunden. In den Jahren 1890 b«S 1895 haben sich in Frankreich 40 000, in Deutschland 16 000, in Italien 7000 Engländer niedergelassen. In derselben Zeit (1890 bis 1895), wo England im ganzen nur 250—275 000 Fremde aufnahm, verdaute Frankreich 1 Million in seinem Volks körper, Deutschland über eine halbe Million, ganz zu schweigen von den Vereinigten Staaten, die 10 Millionen Fremde beherbergen, allein 2 Millionen — also den fünften Teil — Engländer. Sollte die englische Regierung also wirklich gesonnen sein, auf der schiefen Ebene, auf die das verhetzte Volk daS Ministerium drängen will, vorwärts zu schreiten, so dürfte das Britentum in erster Linie die Kosten dieser Unklugheit zu tragen haben. I'. VV. Deutsches Reich. ch Leipzig, 29. Januar. Eine Anzahl Vereine deutscher, österreichischer und Schweizer Buchhändler, Buchdruckerei besitzer und ZenungSvcrleger, darunter der Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig und der Deutsche Buchdrucker-Verein zu Leipzig, bat sich in einem Aufrufe an die BerlagSbuchbändler, ZeitungSverleger und Zeitungsredaktionen, sowie an die Buchdruckereibesitzer deS Deutschen Reichs, Oesterreichs und der Schweiz mit der dringenden Bitte gewendet, die Durchführung der neuen deutschen Rechtschreibung energisch zu fördern; und zwar soll dies dadurch geschehen, daß sie die „Rechtschreibung der Buchdruckereien dcuticher Sprache" bei der Her stellung aller in deutscher Sprache gedruckten Bücher, Zei- tungen und sonstigen Drucksachen in Anwendung bringen, sofern von den Auftraggebern nicht unbedingt etwas Anderes bestimmt werde, und daß sie die mit ihnen in Verbindung stehenden Schriftsteller, Journalisten und Druckauftraggebcr für diele Rechtschreibung zu gewinnen suchen möchten. Berlin, 29. Januar. (Sozialpolitische Auf- ga ben.) Die programmatischen Erklärungen, -tc der Reichskanzler in der Etatodebattc des Reichstages über die Anerkennung der Gleichberechtigung der Ar beiter und über den Ausbau der sozialen Gesetzgebung als Aufgabe unserer Zeit abgegeben hat, werden von der „Sozialen Praxis" mit unverhohlener Befriedigung be grüßt. Das genannte Organ der Sozialrcfvrmer stimmt dem Reichskanzler darin bei, daß die Monarchie in Deutschland die Führung der Sozialgesetzgebung über nommen habe, und daß „die von Wilhelm I. inaugurierte". Arbeiterversicherung und die Arbeiterschutzgeseygobuirg Wilhelms II. Marksteine der Reform seien. Aber zweierlei fügt die „Soziale Praxis" hinzu: Das Verdienst der Ar tz e it er b e w e g u n g, die die Notwendigkeit von Re formen zum allgemeinen Bewußtsein gebracht habe, und dieBor-undMitarbettgroßerParteicnim Reichstage und zahlreicher Soztalpoli- ti.ker im Lande, die rastlos und eindringlich ihre Hülfe liehen. Da die „Soziale Praxis" ausdrücklich von -er durch Wilhelm I. „inaugurierten" Arbetterversiche- rung spricht, ist daran zu erinnern, daß nach dem eigenen Zeugnis Wilhelms I. die Initiative dazu vom Fürsten Bismarck ausging; am 30. Oktober 1882 hat der Kaiser in einem Briefe an Bismarck die Novembervotschaft des Vorjahres als alleiniges Werk der großen Voraussicht Bismarcks bezeichnet. Die „Soziale Praxis"" hebt im Anschluß an ihre oben erwähnte Auslassung folgenden bemerkenswerten Gesichtspunkt hervor: „AIS Jahre kamen, in denen reaktionäre Einflüsse die Katserbotschaften unter Schutt und Schlamm zu begraben suchten, waren es wiedernm große Parteien im Reichstage und aufge klärte Sozialpolitiker, die jeues fruchtbare Feld für Re formen rein zu halten wußten, während die Sozialdemo kratie durch Leidenschaft und Gehässigkeit nur zu oft den Gewaltpolitikcrn in die Hände arbeitete." AufGrunb der Reden des Grafen Bülow fordert die „Soziale Praxis" endlich alle Sozialpolittker und Arbeiter, die auf dem Boden der bestehenden Staatsordnung treu zu Kaiser und Reich stehen, eindringlich auf, sich nun doppelt zu rühren und zu regen. So groß die Errungenschaften der Arbeiter versicherung und des Arbeiterschutzes seien, soviel sei auch auf diesen Gebieten der Sozialpolitik noch zu tun. Doch der Schwerpunkt aller Sozialreform liege in der Aner kennung und Durchführung der vollen gesetzlichen Gleich berechtigung der Arbeiter in Bezug auf Koalitionsrecht, Vereins- und Bersammlungsrecht, Berufsveretn und Ge nossenschaften; das sei heute das eeternm censso aller wahren Sozialpolitik. v. Berlin, 29. Januar. (Katholische Nieder lassungen in Berlin.) In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Niederlassungen geistlicher Orden und orden»- äbnlicher Kongregationen der katholischen Kirche im Polizei bezirk Berlin eine erhebliche Zunahme erfahren. Nach dem kürzlich erschienenen dritten Verwaltungsberichte des Könia- lichen Polizeipräsidiums in Berlin für die Jahre 1890 brS 1900 bestanden Ende 1890 in Berlin 7 jener Nieder lassungen mit 134 Mitgliedern, Ende 1900 dagegen 19 Niederlassungen mit 314 Mitgliedern. Als neu hmzugekommen werden folgende Orden genannt: Barm herzige Brüder, Marienichwestern und Schwestern vom heiligen Josef. Der letztere Orden hat ein Arbeiterheim für katholische Mädchen eingerichtet, während die Mariea- schwestern neben der Krankenpflege als Nebentätigkeit noch Kleinkinderbewahrunterricht geben und eine Spielscbule, «in Mägdrhaus nebst PfründeuhauS, eine HauShaltuagSschule und eine HandarbeitSschule betreiben. Am stärksten vertreten ist der Orden der Grauen Schwestern mit 7 Niederlassungen und 115 Mitgliedern. Er beichäfligt sich hauptsächlich mit der Krankenpflege, verfügt aber auch nebenher über Kleinkinder- bewahraiistalten, über eine Waisenanstalt, ein Arbeiteriunen- bospiz u. s. w. Unler Len beiden Männerorven widmet sich der Orden der Barmherzigen Brüder der Krankenpflege und der Leitung des Hauswesens in dem katholischen Leohospiz, während der Orden der Dominikaner lediglich in der Seel sorge aushilft. Berlin, 29. Januar. (GeistlicheWahlagita- tion.) Bekanntlich hat das Zentrum ivie-erum gegen die am 24. r'lpril 1902 erfolgte Wahl des Nationalltberalen vr. Bol tz im Wahlkreise Saarbrücken Protest eingelegt. Boltz wurde gleich im ersten Wahlgange mit großer Mehr heit gewählt. Von den 33 232 abgegebenen Stimmen fielen auf ihn 17 900, auf den Zcntrumskandidaterr vr. Ntuth 14 393, auf den sozialdemokratischen Kandidaten 827 Stim men, zersplittert waren 52 Stimmen. Unsere national liberalen Parteigenossen im Wahlkreise Saarbrücken haben nun ihrerseits, -durch die Umtriebe des Zentrums dazu gezwungen, ein reichhaltiges Material gesammelt, das auf 62 Folioseitcn im Druck die Beschuldigungen der Zcntrilinspartei über „unglaubliche Wahlbccinflussungen" nicht nur gebührend zurückweist, sondern auch klar er kennen läßt, von welcher Seite denn eigentlich die der nationalliberalen Partei zu Unrecht zugcschobcnen Wahl beeinflussungen ausgeübt worden sind. Auf Grund des vorliegenden Materials erklärt der Vorstand des national liberalen Wahlvereins zu Saarbrücken mit Fug und Recht: 1) Die Kandidatur des Herrn Boltz hat den Charakter einer amtlichen Kandidatur nicht getragen; 2) weder vor noch nach der Wahl sind irgendwo Wahl berechtigten Vcrmögensnachteile angedroht worden für den Fall, daß sic Boltz nickt wählen, und 3) ist nirgendwo das Wahlgeheimnis durchbrochen und die Wahlfreiheit durch eine Kontrolle oder durch kontrollierende Beamte vernichtet oder auch nur beeinträchtigt worden. Aber nun das Gegcnbild: der ungeheuerliche Druck der katholischen Geistlichkeit aus die Wähler! Der Bericht des Vorstandes der nationalliberalen Partei zu Saar brücken schreibt darüber im allgemeinen folgendes: „Wie die hiesige ZentrumSpartci überhaupt den Mur haben kann, einer anderen Partei Wahlbceinflussung vorzuwerfen, ist für jeden mit den hiesigen Verhältnissen auch nur einiger maßen Bekannten unverständlich. Leistet doch die Zentrums partei hier an der Saar namentlich durch ihre Pastoren und Kapläne an Wahlbeeinflussiing das Menschenmöglichste! Die geistlichen Agitatoren scheuen weder Kanzel noch Beichtstuhl, um die Wähler auf den ultramontancn Kandidaten zu verpflichten. Sie drohen mit der Verweigerung der Sterbesakramente für den Fall der Betätigung einer nationalliberalen Gesinnung. Sie scheuen sich nicht, diese Drohung auszusprechen, nachdem sie zugestandenermaßen fick überzeugt, daß man wegen der Wahl die Sakramente nicht verweigern dürfe; wie dies der streitbare Pfarrer von Altcnkcsscl, Herr Didier, getan hat, derselbe, der sich geäußert hat, es sei vielleicht besser, wenn im Jahre 1866 Oesterreich statt Preußen gesiegt hätte. Sie drängen sich, selbst auf die Gefahr, den ehelichen Frieden zu zerstören, als Wahlmacher zwischen Mann und Frau. Der Geistliche — Herr Pfarrer Rover in Sulzbach — bittet die Mitglieder eines FrancndereinS zu einer Sitzung, und nach kurzer Besprechung einiger VercinSangrlegenhciten sagt er: „Jetzt kommen wir zur Wahl." Vernünftige Frauen verließen den Saal mit der Bemerkung, daß die Wahl mit dem Frauen verein nichts zu tun habe, andere ließen sich ruhig im Dienst
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