Delete Search...
Dresdner Journal : 09.07.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-07-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187007091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18700709
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18700709
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1870
- Monat1870-07
- Tag1870-07-09
- Monat1870-07
- Jahr1870
- Titel
- Dresdner Journal : 09.07.1870
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
.V 155. Lbv»»«w«»t,pr»l»» r Iw lorää. /-Krlied: . . . . k XjLdrlicd: 1 l'llr. 15 RoostUel»: . . . 15 Liu-swe Xuwraerv: 1^8^ Io kr»«»»«» tritt ^Lkrlietl 2 PUr. Ktempvlßedütrr, dk» !>or<1ä. öuuöe» kost- uvä gttzmpelruictil^ tuuru. I«»»r»teopr»l«er kür 6vv ü»um oioer ^espitlteoen Teile: 14 Vater „Lioxb^u^" ^io 2«ile: 3 ^8^- Lr^edeiaea r mrt ^«»»»tune <ter 8oaa vn6 k«iert»8^, ^k«lläs kür äea kolxeoäso 1"»^. Sonnabend, den S. Juli. —- -- , —- —— ———- —— - —— DreMerÄmml. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. 1870. Io«<>ra1i>n»»nn»>iiue uu^«Lr1»r I-sixriz: />. /^uo^tetter, 6ouiiois8ioaLr äs» »rosäner Journal»; elEN«l»s.: // /.'»iq/er, Ht u. A , L»m- Iurx-LerIin-Vien-I.«jprj8-Ln»eI-Lr«»I»u-rr»nk1urt ». H.: / <1- rcrUll-Vieo-Hsmtors-k'rim^- kiir: ». ^.-Nüvcüeo: Lerlia: AeterneUer, / / .Mi et? /kremen: /.. »IVEe, vreelsu: /.. ^ta-iAen'» I >!r« iui ii. //. krerkkurt ». L". ^aeAer'sevv u. //e, > mcioo'^elie Iliielili.. /^I«5e <5 vo.,' kress: n. ^ 7,> //, /,> Nin ; ckemnUr: /-> IViAt. k»r>»://«»««, ck Vien: Stuttx-rt: /laude t?o. II e r >» ii 8 x e I> e r: Uüui^I. Dxpc-äition de« vresUner /ouro»I», vre^Ieu, Llurjiarettieiixttssv Ho. 1? Amtlicher Theil. DreSde«, 4. Juli. Se. Königliche Majestät haben dem Schiachtfteuer-Einnehmer Johann Gottlieb Hoher zu Tallitz die goldne Medaille drS Albrecht-ordens zu verltiheu geruht. Dresden, 6. Juli. Seine Majestät der König h)brn zu genehmigen geruhet, daß der Oberhofmarschall Freiherr »on Friesen daS von Seiner Majestät dem Könige von Italien ihm verliehene Großkreuz des Or dens der Italienischen Krone annehme und trage. Verordnung, die amtliche Bezeichnung der Eisenbahn-Stations stellen betreffend. Mit Allerhöchster Genehmigung wird die mittels Verordnung vom 31. Januar 1851 (Gesetz- und Vcr- orenungrblatt Seite 36) erfolgte Bezeichnung der ver schiedenen Stationsstellen der Staatse fenbahnen und der in Staatsverwaltung befindlichen Privatbahnen al- „Eifenbahnämtcr", „Eisenbaynveiwaltungen" und„Ei- senbahnexpeditionen" hierdurch wieder aufgehoben und verordnet, daß sämmtliche mit den vollen Dienstbefug- nissen versehene Eisenbahn-StattonSstellen von jetzt ab gleichmäßig die amtliche Bezeichnung , „ Bahnhofsinspection" und die Vorstände derselben ohne Unterschied das Dienst- prädicat „Bahnhofsinspector" führen sollen. Die lediglich für den Güterverkehr den vollen Sta- tionSdienst ausübenden Zwischcnstclle« — „Güterstatio- nrn" — führen den amtlichen Titel »Güterexpeditionen" und deren Vorstände das Dienstprädicat „ Güterft ations-Vorstände" Dresden, am 1. Juli 1870. Finanzministerium. Freiherr von Friesen. Heydenreich. Bekanntmachung, die Zulassung von Dachbedeckungsmaterialien aus der Fabrik von B. Lohse und Rothe in Nie derau bei Meißen al- Surrogat harter Dachung betreffend. Nachdem die Dachpappenfabrik von König und Lohse in Niederau auf die Firma von B. Lohse und Rothe übergegangen ist, so wird auf dtesfallsiaes An suchen die früher unter dem 27. Februar 1861 und später unter dem 25. August 1865 erfolgte Anerken nung der Dachpappen aus der vormaligen Fabrik von Stalling u. Co. und später von König und Lohse als Surrogat harter Dachung hiermit auf die Dachpappen aus der Fabrik vo - B. Lohse und Rothe übertragen. Demnächst hat das Ministerium des Innern auf Grund sachverständiger Begutachtung beschlossen, die Holz-Cement-Bekachung aus der letztgenannten Fabrik unter den in der Verordnung vom 29. September 1859 angegebenen Beschränkungen bis auf Weiteres und vor behältlich des jederzeitigen Widerrufs sowie mit der Bestimmung als Surrogat der harten Dachung anzu- erkennen, daß jeder Lieferung dieses Dachbcdcckungs- matirials die unter L hier bcigesügte Gebrauchsan weisung in einem bcsondern Abdrucke beigcgeben ist. Unter Hinweis aus § 3 jener Verordnung wird dies hierdurch bekannt gemacht. Dresden, den 29. Juni 1870. Ministerium de- Innern. Für den Minister: Körner. Fg. F Anweisung für die Herstellung der Holzcement-Bedachung. Die HoUcement Bedeckung ist auf einer für die zu erhal tende Betastung hinläuglich unterstützten und tragbaren Bret- schalang oder Wiodelboden herzustellen. Sie hat zu bestehen aus: I) eiaer mindestens A Zoll hohen gleichförmigen Bedeckung des Holiwerks (der Schaluoa) von seinem Saad, oder die sem gleich feuerbeständigen Stoffe; 2) mindesten- vier in gehörigem Fugenwechsel mit Holz-Cemeot- oder diesem gleich entsprechender Masse auf einander ge klebte« Lagen hinlänglich starken Papiere-, Pappmasse, oder diesem gleich geeigneten Stoffes; S) einem Holz Cemcnt- oder diesem gleich entsprechenden Uebcr- zuge der Decklage »ob 2, welcher mit seinem Sande (Stein- kobleoslagasche, Steinkoblcuschlackcnpulver oder dergleichen) dicht zu überdecken und in die noch weiche Ueberzugsmaffe einzudrücken ist; 4) einer aus die Ueberzugsmaffe «nd 3 auszubringcnden und diese gleichsörmig überdeckenden, wenigstens l^ Zoll hohen Sand- und Kic-schicht mit einer Beimischung von Lehm, welche, unter entsprechender Anfeuchtung, vollkommen nach der Dachstäcke abzuebnen und leicht cinzuwalzen ist. klebrigen- sind die Einfassungen an den Giebel- und Dach- säumea, welche zur Verhütung des HcrabrollenS der Decklage suk 4 erforderlich, nicht aus Holz, sondern aus einem seuer- und wetterbeständigen Material (Blech und dergleichen) herzu- stellen und für die Ableitung des von der Holz-Cement Deck- läge abfließe«den Tagewasscrs, die Dachsäume mit entsprechend angebrachten Oeffnuugeu »u versehen. Die Decklage »ub 4 ist stets in gutem Stande zu erhallen. Nichtamtlicher Theil. Uebersiidt. Telegraphische Nachrichten. Zeitung-schau. (Norddeutsche Allgemeine Zeitung. — National-Zeitung. — Kölnische Zeitung. — Pro- vinzial-Cvrrespondenz. — Posener Zeitung.) Lagesgeschichte. (Dresden. Berlin. Koblenz. Wies baden. Altenburg. München. Wien. Prag. Paris. Brüssel. Genf. Floren;. Rom. Madrid. Washington.) Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Leipzig. Chemnitz. Plauen. Schwarzenberg. Löbau. Dippoldiswalde. Altenberg ) Statistik und Volkswirthschaft. Feuilleton. Inserate. Tageskalender, Börsen- Nachrichten. Telegraphische Nachrichten. Paris, Donnerstag, 7.Juli, Abends. (W.T. B.) Im gesetzgebenden Körper kam heute die spa nische Throncandidatur des Prinzen von Hohen- zollern (vgl. unter „Tagcsgcschichte") abermals zur Sprache. Picard verlangt Vorlegung der Mittheilungen, welche seit gestern zwischen diN Cabincten von Berlin und Paris gewechselt seien. — Der Finanzminister Segris erwidert, daß er persönlich keine Mitthei lungen darüber empfangen habe, daß aber die Re gierung zu geeigneter Zeit Alles, was ihr über die Frage zugehe, vorlegcn werde, vorausgesetzt, daß es die Situation, deren friedliche Lösung die Negier ung erstrebe, nicht gefährde. — Picard nimmt Act von dieser Erklärung. — Plichon protestirt da gegen, daß eine Discussion über diese Angelegenheit in Abwesenheit des Ministers der auswärtigen Ange legenheiten geführt werde. — Favre nimmt den An trag Picard's wieder auf und verlangt, daß die Kam mer den Tag feststcllc, an welchem die Discussion über die Interpellation Cochery wieder ausgenommen wer den solle. — Der Justizministcr Ollivier beantragt eine Vertagung der Discussion und erklärt im weiteren Verlaufe der Debatte: Sobald die Regierung es für angemessen erachten werde, die ihr zugegangenen Mit- theilungen vorzulegcn, werde sie selbst die Festsetzung eines für die Interpellation bestimmten Tages bean tragen. Das Land möge überzeugt sein, daß die Ne gierung mit Festigkeit und Würde vorgehen und Nichts außer Augen lassen werde, waS das Land über die Situation aufklären könne. — Favre, welcher am Schluß der Debatte das Wort noch einmal ergreift, macht geltend, es sei zu vermeiden, daß Kammer und Land auch in diesem Falle, wie es bei Gelegenheit des mexicanischcn Krieges geschehen sei, hinter den Ereignissen zurückbleiben. Der Zwischenfall ist damit erledigt. Paris, Freitag, 8. Juli. (W T B.) Auch der heutige „Conftitutionnel" kommt auf die spanische Throncandidatur deS Prinzen von Hohenzollern zurück. Der „Constiiutionnel" stellt den Abbruch der diplo matischen Beziehungen mit Spanien in Aussicht, wenn die französische Regierung die Ucberzcugung gewinne von dem hartnäckigen Festhalten des spanischen Mini steriums an der Candidatur des Prinzen von Hohen- »ollcrn. Was Preußen anbelangt, spricht der „Con- stitutionncl" nur die Meinung aus, cs genüge nicht, zu sagen, Preußen stehe dieser Candidatur fern. Wie .Louis Philipp dem Herzog v. Nemours die Annahme der belgischen Krone, England dem Prinzen Alfred und Rußland dem Herzog v. Leuchtenberg die Annahme der griechischen Krone und der Kaiser Napoleon dem Prinzen Murat die Annahme der Krone von Neapel nicht gestattet habe, so müsse Preußen dem Prinzen von Hohenzollern untersagen, die spanische Krone an- zunebmen. Ferner meldet der „Conftitutionnel", die fran zösische Regierung habe sich mit den Großmächten in Beziehung gesetzt, welche beabsichtigten, in Ma drid in friedlichem Sinne zu wirken. Das Gerücht über die Enthebung des diessei tigen Botschafters am preußischen Hofe, Benedetti, von seinem Posten ist, wie versichert wird, völlig unbegründet. Madrid, Donnerstag, 7. Juli, Abends. (W. T B ) Die Regierung hat dem permanenten Aus schüsse der CorteS den Brief des Erbprinzen Leo pold von Hohenzollern übersandt, in welchem der- selbe sich bereit erklärt, die spanische Krone anzu nehmen, falls die Cortes ihn zum Könige wählen sollten. ' London, Donnerstag, 7. Juli, NachtS. (W. T B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses erklärte auf eine Interpellation bezüglich des Ver trags mit China der UnterstaatSsecrrtär des Aus wärtigen, Otway, die Regierung empfehle nicht die Ratification desselben. Die Regierung, bemerkte Otway ferner, habe keine Bestätiguna der Nach richt von der angeblichen Ermordung von Englän dern und Franzosen in Peking erhalten. Der Mi nister des Innern, Bruce, erklärte, die Regierung müsse die Gewerkvereinsbill für dieses Jahr zurück- ziehen. Dresden, 8. Juli. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" begleitet die gestrigen Pariser Nachrichten, die Jnter- pellmivn Cocheiy's über die spanische Thronfrage im gesetzgebenden Körper betreffend, mit folgenden Be merkungen: „Das Resultat der ministeriellen Antwort war das Sinken der Rente um 2 Francs. Uns ist die Antwort deS Herrn Ministers ebenso unverständlich, wie das Resultat dieser Antwort. Während wir zum ersten Male aus der Rede des Herzogs v. Gramont definitiv ersahen, daß der Prinz von Hohenzollern das Anerbieten Prim's angenommen habe, erfahren wir aus derselben Quelle, daß man in Frankreich die be treffenden Unterhandlungen nicht kennt, daß eine wei tere Discussion zwecklos sei, und doch, bei aller dieser Unsicherheit seiner Information erklärte der Herr Mi nister, daß die französische Regierung nicht dulden werde, „„daß eine fremde Macht einen Prinzen auf den spa nischen Thron setze und die Ehre und Würde Frank reichs in Gefahr bringe."" Ebenso wenig verstehen wir das Wort „Krieg", welches später Herr Ollivier in die Discussion hineinwarf. Krieg, mit wem? Mit dem spanischen Volke, weil sich dasselbe, der Unsicher heit müde, einen König geben will? Wir würden einen solchen Krieg nicht verstehen, denn er würde ja gerade das Resultat haben, welches Herr v. Gramont vermei den will: eine fremde Macht würde über den spanischen Thron entscheiden. Krieg mit Deutschland? Wir verstehen dies noch weniger, denn oft genug und deut lich genug haben die Thatsachm, aus denen sich die Geschichte der letzten vier Jahre zusammensctzt, er geben, daß die Neugestaltungen in Deutschland nur nationale Motive haben, nur nationale Zwecke verfolgen, während Preußen, als Sonderstaat, ge rade durch die Schöpfung des Norddeutschen Bundes und die Verpflichtungen, die cs sich dadurch zu Gun sten seiner Bundesgenossen aufgelegt hat, ebenfalls den Beweis gegeben hat, daß es seine möglichen Particular- interessen der nationalen Bewegung unterordnet. Wir glauben daher, der friedlichen Entwickelung der Dinge mit der gleichen Zuversicht entgegen sehen zu können, wie dies Herr Ollivier am Schlüsse seiner Rede auL- sprach, und meinen, man müsse die Worte der fran zösischen Minister nur nach dem Umstande bcurtheilcn, daß sic vor einer parlamentarischen Versammlung ge sprochen wurden, deren Majorität nicht gerade die zu verlässigste ist." — Die „National-Zeitung" schreibt über denselben Gegenstand unter Anderm: „Es ist keine Rede und kann keine Rede davon sein, daß Preußen den Prinzen von Hohenzollern auf den spanischen Thron setzen würde; sondern wenn diese Thronbesetzung statt fände, so würde es nach dem freien Willen der Cortes geschehen, ans welche unsere Negierung nicht den ge ringsten Einfluß hat. Was Preußen anlangt, so ist seine Stellung zur Sache schon vor Jahr und Tag in einer Thronrede in Berlin dahin ausgesprochen wor den: daß uns die Ereignisse in Spanien keinen ankern Wunsch cingcbcn, als den, daß das spanische Volk mit voller Unabhängigkeit Fürsorge treffen möge für seine Wohlfahrt und seine Macht. Diese Sprache war so, wie es sich für eine „fremde" Negierung schickte, und nach einem andern als nach diesem Grundsatz sich zu beneh men, würde Preußen gar nicht im Stande sein. Da gegen ist es Frankreich, welches sich vorzusehen hat, daß es dem Sclbstbestimmungsrechte der Spanier nicht zu nahe trete." — Die „KölnischeZeitung" bringt ebenfalls einen längcrn Artikel unter der Aufschrift: „Was geht es uns an!", in welchem sie u. A. sagt: „Selbst wenn ein Sohn oder Bruder des Königs von Preußen zum König von Spanien gewählt würde, so sähen wir davon gar keinen Vorthcil für Preußen oder Deutschland ab. Die Spanier sind sehr lifersüchüg ge gen alle Fremden, und wenn ein Fremder König wird, so werden sic gegen Niemanden argwöhnischer sein, als gegen dessen Landsleute. Nicht den kleinsten Vorthcil dürste der neue König diesen bieten, wenn cr sich nicht von allen Seiten angeschuldigt sehen wollte...Die preu ßische Negierung hat nicht den geringsten Einfluß in dieser Angelegenheit geübt, nech wild sie ihn üben. Die Sache geht allein die Spanier und den Prinzen au. Gesetzt, die spanischen Cortes wählten ihn zum Könige, so ist König Leopold von Spanien eben so sou verän, wie König Wilhelm von Preußen...Preußen hat weder einen preußischen Prinzen aus den Thron Ru mäniens gesetzt, noch hat cs von der Gründung jenes schwankenden Thrones bis jetzt den geringsten Nutzen gezogen. Auch von der Erhebung eines hohenzollern» sehen Prinzen auf den spanischen Thron würde cs nicht den geringsten Nutzen ziehen; dagegen liegt der Nach tbeil auf der Hand, da die ohnehin schon so rege fran zösische Eifersucht neue Nahrung erhalten würde, ja, in der ersten Hitze in halb unsinniger Weise aufgcflammt Feuilleton. Die Saison in London. London, Ende Juni 1870. Ein französischer Schriftsteller, ich glaube Froissart, sagte von den Engländern, sie amüsirten sich traurig. Ich glaube, dieser Ausspruch ist charaktirtstisch für beide Nationen, denn des Engländers Zerstreuungen sind schwer und solid, wie Alles, was auf ihn Bezug hat, und der Franzose findet Alles traurig, was schwer und solid ist. Schwer ist das richtige Maß, denn gerade jetzt, im Zrntth der Saison, lasten die Vergnügungen schwer auf unsern Häuptern. Zwei große italienische Opern, französisches Lustspiel, die Schneider und Offen bach, ein halbes Dutzend neuer englischer Theater, aus gezeichnete Morde, Diebstähle und antique Verbrechen aller Art in Fülle, Scheidungen, Fatllite rc. in den aristokratischen Kreisen, ehrliche Börsenspeculanten, kurz Wunder aller Art, von den stereotypen Saisonattributcn gar nicht zu reden. Und als ob Alles dieses nicht deS Guten genug wäre, schreibt rin Ex-Premier Novellen, und der gegenwärtige Premier gryt zum Derby-Wett rennen trotz irischer Bill und unerzogener Jugend. Ich zweifle nämlich nicht daran, daß „die ganze Welt" eine hier sehr beliebte Phrase weiß, daß die ErziehungS- frage neben Irland unsern Staatsmännern eben jetzt manche sorgenvolle Stunde macht. Dazu kommen neue unter- und oberirdische Eisenbahnen, Pferdeetsenbahnen, Dampfomnibusse, ncue Kat-, neue Spitäler, neue Kir chen, und weiß Gott waS alles noch nie Dagewescnes. Glauben Sie nicht, taß ich übertreibe, oder blos Rhetorik mache. Ich glaube, es wird Ihre Leser in- terefstren, wenn Sie mir erlauben, da- eben Gesagte zu beweisen. Die Politik ist in diesem Theile Ihres Blattes nicht am Platze, die Morde und Diebstähle rc. sind wahrscheinlich schon längst in allen deutschen Zei tungen ausführlich erzählt und besprochen worden, ich werke mich also auf die andern Novitäten beschränken, die diese Saison bietet. Bei dem Mangel an guten Stimmen beiden Geschlechts ist es merkwürdig, wa) für Kräfte die beiden fleißigen italienischen Opern zusam mengebracht haben, im Covcntgardcn 4 berühmte Tenore (beneiden Sie uns nicht?), Wachtel, Mario, Naudin, Gunz und einen weniger berühmten, aber nichtsdesto weniger sehr tüchtigen Tenor Cotogni, von den zweiten Tenören gar nicht zu reden, ein halbes Dutzend Sopran- Celebritäten, Patti, Lucca, Tietjens, Sessi, Sinico, Vanzini und eine Schaar von cküs minorum gentium. DaS andere Haus, Drurylane mit Nilsson, Jlma de Murska, Volpini, Levitzky und den Tenoren Mcngint und Gardoni, den famosen französischen Bariton Faure, der beste englische Bariton Santley, die famose Trebellt- Betüni, die Sie kennen, ausgezeichnete Chöre und Or chester in beiden Häusern und Jntriguen ohne Zahl. DaS Repertoire ist bas gewöhnliche, mit 2—3Novitätcn, von denen nicht viel zu sagen ist, als „Esmeralda" und „Hamlet". Ich weiß nicht, ob S!e die letztere von A. Thomas kennen, wenn nicht, haben Sie nichts verloren, das Einzige, was dieses Machwerk über dem Wasser hält, ist eine WahnsinnSarte von der Nilsson gesungen, um aber dahin zu kommen, müssen Sie 6 Acte, sage 6 Acte, anhören, die etwas Zukunftsmusik, etwas Ne- miniscenzen und viel Unsinn enthalten. Nun triffr es sich, daß die Coventgardenoprr das auSschlicßliche Recht hat, „Hamlet" aufzuführen, besitzt jedoch die Nilsson nicht; Durylane, dessen Primadonna die Nilsson ist, darf „Ham let" nicht aufführrn. Den Besuchern der Oper ist jedoch die Wohlthat dieser Umstände dadurch verkümmert wor den, daß Coventgarden „Hamlet" ohne Nilsson gab, das ist, was man in größem Kreisen Deutschlands „faule Fische und Prügel dazu" nennt. „Esmeralda", von Cam pana, ist trotz der Patti, die die Titelrolle singt und tanzt, nur zwei Mal gegeben worden, und wird hoffent lich den Rest ihres Lebens in Victor Hugo's Roman „biotre I)»mo cks Usrw" zubringen, von wo sie nie hätte herausgeholt werden sollen, wenigstens nicht, um solcher Musik zum Prätcxt zu dienen. Eine französische Schauspielertruppe unter der Direktion des Raphael Felix, Bruders der berühmten Rachel, kommt seit eini gen Jahren regelmäßig im Mai herüber, und tlvtzdem die Berühmtheiten der französischen Bühne, die wir bei dieser Gelegenheit zu sehen bekommen, gewöhnlich Ker- Vergangenheit angchören, so sind sie doch um so lieber gesehen, als die englischen Schauspieler im Allgemeinen schreckliche Coulissenrcißer sind, und cs ein großer Ge nuß ist, das feine und kunstvolle Spiel der Franzosen zu sehen, abgesehen davon, daß die Damen mit ihren geschmackvollen und neuen Toiletten die hiesige Damen welt in Entzücken setzen, und manche Engländerin den ganzen Abend im französischen Theater zubringt, von dem sie nichts versteht, aber ganz zufrieden ist, für ihr Geld die neuesten Pariser Moden auf der Bühne ge sehen zu haben. Seit Ansang dieses Monats ist die Schauspielergesellschaft durch eine Operntruppe (wenn ich so sagen darf) ersitzt, d. h. jetzt werden Offenbach's Opern mit der Schneider gegeben. Trotzdem die Preise doppelt sind (7 Lhlr. Sperrsitz), ist das Haus täglich gedrängt voll, und von der besten Gesellschaft, die sich an den sranzösischcn freien und mitunter ausgelassinen Bewegungen ergötzt, zugleich aber auch Frl. Schnewer s Diamanten bewundert, die sie jeden Abend zur Schau trägt und deren Werih auf 30,000 Pf. St. (?) geschätzt wird. — Eine andere Novität dieser Saison sind die Gartenfeste, die sonst wegen des vnänderlicheu Klimas dieser Insel hier nicht Mode waren, aber voriges Jahr von der Königin versucht wurden. Dieses Jahr nun, da- sehr heiß und trocken zu werden versprach, glaubte man, diese Feste veranstalten zu können, die Königin machte letzten Freitag den Anfang, das Wetter verdarb jedoch großmthcils das Fest, der Prinz v. Wales folgte am nächsten Tage mit besserm Wetter, und der Premier ist der dritte im Bunde. Sein Gartenfest hat jedoch we gen des Todcs von Earl Clarendon verschoben werden müssen. Nun einmal der Anfang gemacht ist, werden es Alle nachmachcn, denn hier sind alle Unterhaltungen, Diners, Festlichkeiten, Soiräcn rc. nach einem Muster; wcnn man zu 6 verschiedenen Diners eingeladen ist, ist man sicher, bei allen dieselben Gerichte und Rart» täten zu finden, mit Ausnahme solcher Häuser, wo wie es bei einigen Großen der Fall ist, die Küche von einem Triumvirat regiert wird, d. h. einem englischen Koch für die Braten, cincm französischen für die feinen so- genannten französischen Gerichte, und einem italienischen Kcch für die Bäckereien und Mehlspeisen. — Die Pferde- eisenbahncn, nachdem sie vor 8—10 Jahren versucht und als unpraktisch aufgegeben worden, sind jetzt plötz lich wieder in Gunst gerathcn, und nun fängt man au, an allen Ecken und Enden welche zu bauen, da die Tausende von Fuhrwerken, unter- und oberirdische Ei senbadnen und Dampfschiffe nicht mehr genügen, den täglich zunehmenden Vcrkehr des Kolosses zu befriedigen. In der Provinz, ich glaube in Liverpool, sind kürzlich Versuche mit einem DampfomnibuS gemacht wordeu, der in den Straßen fährt und so händig und leicht zu bewegen und zu reguliren sein soll, daß wir bald solch« hier zu sehen bekommen werden. — Alle dies« Neuig keiten sind begreiflich, aber manche Ihrer Leser werd«« wohl im Zweifel sein, ob e- etwa- Neue- geben dürste in Bezug auf Kirchen, da ich auch diese weüer oben alt eiue der Neuigkeiten der jetzige» Lais»u»aunte. Auch da»
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview