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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041203029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904120302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904120302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-03
- Monat1904-12
- Jahr1904
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BezugS.PretS 1« da Hauptexpedition oder deren All-gabe- slellrn abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch« land u. Oesterreich vierteljährlich X 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitunq-preiSliste. Diese Nummer kostet aus allen Bahnhöfen und III I bei den Zeitungr-Berkäufern Siedakrton und Erdedtttour 153 Fernsprecher 222 JohanniSgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Marienstrave 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzg l.Bayr.Hofbuchbandlg^ Lüyowttraste lO (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Abend-Ansgabe. KiDtzer TagMM Anzeiger. Ämtsvlatt -es H'öniglichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Aales und des Aotizeiamles der Ltadt Leipzig. Nr. 618. Sonnabend den 3. Dezember 1904. Anzetgen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion-strich (4gespalten) 75 nach den Familiennach. richten (6gespalten) 50 — Tabellarischer und Ziffernsay werden entsprechend höher be rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Ojsertenannahme 25 -H. Annahmeschlutz kür Anzeigen. Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zn richten. Extra-Vetlageu (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Srsteditton ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Polz in Leipzig (Inh. Ur. R. L W. Kliakhardt). S8. Jahrgang. Var Llicdligrle vom Lagt. * Der Reichstag trat heute iw die erste Lesung des Etats ein. * Der Vorsteher des Pirnaer Stadtverord netenkollegiums, Kommerzienrat Haensel, wurde zum Ehrenbürger von Pirna ernannt. (S. Sachsen.) * Pester Zeitungen behaupten, Tisza'habe gestern das königliche Reskript für die Auflösung des Parlaments erhalten. (S. Pol. Tagesschau.) * Der Kriegsminister Bcrteaux hat dem fran zösischen Offizierkorps versichert, die Auskunfts zettel seien abgeschafft. (S. Ausland.) * Die Leiche des Präsidenten Krüger ist gestern in Kapstadt von einer gewaltigen Menschen menge empfangen worden. (S. Ausland.) Stimmen rur kandelrverttagzlttire. Nachdem bisher nur die Offiziösen niederen Grades sich zum Abbruch der Vertragsverhandlungen mit Oesterreich haben hören lassen, nimmt jetzt die als Bertrauensorgan des Reichskanzlers bekannte „Süddeutsche Reichskorrespondenz" das Wort, um zu sagen, was ihr aufgetragen wurde. In ziemlich gereiztem Tone und unter der Ueberschrift „Denkstörungen" polemisiert die Korrespondenz gegen daS „Berl. Tgbl." und die Wiener „N. Fr. Pr.", was ein wenig ausfällig erscheinen könnte, wenn man dagegen hält, in welcher Weise die Bereitwilligkeit zu neuen Verhandlungen an anderer Stelle betont wird. Wir geben aus dem Ar tikel folgende interessante Stellen wieder: Die Wiener Unterhandlungen sind bekanntlich nicht von Oesterreich-Ungarn abgebrochen worden — man hätte den Grafen Posadowsky gern, sehr gern noch länger dort behalten —, sondern von Deutschland. Es gibt Stellen in Wien und Pest, wo man wohl schon jetzt bedauert, daß man es dabin kommen ließ, wo man sich vielleicht sagt, es könne mit gewißen Einzelheiten des nächsten Handelsvertrags zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich-Ungarn ähnlich gehen, wie mit den Büchern der Sibyllen. Mehrere Forderungen sind von Graf Posadowsky im ^inne des Reichskanzlers für immer zurück gewiesen worden; sie können, wenn es noch zu einem Vertrage kommen soll, in der bisherigen Gestalt von Oesterreich-Ungarn nicht wieder aufgestellt werden. . . Lieblicher noch ist die Geistesverwirrung der Wiener „Neuen Freien Presse". Die ließ sich in der Hitze des handelspolitischen Gefechts die Drohung entschlüpfen, Deutschland werde zur Strafe für die neue Tarifpolitik sein Bündnis mit Oesterreich-Ungarn ver lieren, und hat in ihren letzten Nummern diese Grausamkeit wieder holt. Es war also keine Entgleisung, sondern ein unerbittlicher Ratschluß der Politik der — „Neuen Freien Presse", und uns bleibt nur die Wahl, wohin wir kriechen wollen: entweder durch das kaudinische Joch wirtschaftlicher Forderungen, die für unannehm bar erklärt sind, oder isoliert, bündniSloS in irgend ein Mauseloch. Weiter wollen wir aus die hohe Politik der „Neuen Freien Presse" nicht eingeden. Es ist unmöglich, gewiss« wutschnaubende Leitartikel ernst zu nehmen. Daß der künftige deutsch-österreichische Handelsvertrag von sieben der letzte sein sollte, lag nicht in Deutschlands Absicht. Die Einladung zu Verhandlungen war von Berlin aus recht zeitig ergangen. Vielleicht hat man in Wien und Pest den Einfluß deutscher freihändlerischer Publizisten und Parlamentarier überschätzt, vielleicht zu lange an der stillen Hoffnung festgebalten, der neue deutsche Zolltarif werde zur wirtschaftlichen Isolierung Deutschlands, zum handelspolitischen Zusammenschluß einer Mehrheit euro päischer Staaten gegen das Reich führen, vielleicht auch mit der wirtschaftspolitischen „Unerfahrenbcit" des Kanzlers gerechnet, wie vor dem Zustandekommen des Zolltarifs mit seiner parlamen tarischen. Diese Illusionen haben ein frühes Grab gefunden: sechs neue Handelsverträge sind auf Grund des Reichszolltariss ab geschlossen worden. Eine konzentrische Bekämpfung der deutschen Handelspolitik vom Auslande her ist nicht mehr möglich. Wohl kann man noch versuchen, gegen die Annahme der neuen Verträge im Reichstage, wie in der Presse Stimmung zu machen. Die landwirtschaftsfreundliche Mehrheit aber wird diese Künste leicht durchschauen und daraus nur eine Bestätigung für die Not wendigkeit entnehmen, den auf Grund des Reichszolltarifs mit anderen Ländern erzielten Abmachungen die verfassungsmäßige Sanktion zu sichern. Das ist also ein Trutzartikel und kontrastiert ein wenig mit folgenden Schalmeien: Der „B. L.-A." schreibt: „In gut unterrichteten parlamentarischen Kreisen ist die Hoff nung auf ein baldiges Zustandekommen des Handelsvertrages mit Oesterreich-Ungarn noch nicht aufgegeben. Die Entscheidung werde tatsächlich erst in den nächsten Tagen fallen. Günstigenfalls werde dieser Vertrag gleichzeitig mit den übrigen Handel^v-rträgen im Reichstage zur Debatte gestellt werden. Auch der Staatssekretär Graf Posadowsky äußerte sich über den Stand der Angelegenheit nicht im mindesten pessimistisch." Von „geschätzter Seite", also wobl gleichfalls osfiziös wird der „Müych. Allg. Ztg." aus Wien geschrieben: So unerfreulich es sein mag, daß Graf Posadowsky, der erficht- lich von dem redlichsten Bestreben beseelt war, einen Handelsvertrag zustande zu bringen, abreisen mußte, weil doch bei längerem Warten nichts erreicht worden wäre, so sehr besteht auch auf öster reichisch-ungarischer Seite die Ueberzeugung, daß auf deutscher Seite keine Bitternis zurückzubleiben brauche. Niemand zweifelt daran, daß zu gegebener Zeit die Verhandlungen wieder ausge nommen werden, sei es, wie die einen wünschen, nach Neujahr, wie die anderen hoffen, nach Ostern. Die Verhandlungen sind unter- brocken, nicht abgebrochen. Eine ähnliche Auffassung findet sich in einer gleichfalls aus Wien datierten Korrespondenz der „Germania", die besagt: „Da es bei einem Handelsvertrag zwischen Deutschland und Oestcrreich-Ungarn keinen Besiegten geben darf, so müßen eben die beiden Regierungen jetzt durch ihre Referenten neue Modalitäten, neue Kompromißmöglichkeiten ausarbeiten laßen, über die dann im diplomatischen Wege verhandelt werden wird. Wenn nötig, werden die Unterhändler Oesterreich-Ungarns auch nach Berlin kommen — denn über den Modus der Verhandlungen wird ganz gewiß keine Streitfrage bestehen." Graf Bülow scheint also nach dem Schillerschen Spruche der Weisheit zu verfahren: Denn wo das Strenge mit dem Zarten .... — ver tur-irch-japsnizche Weg. Line russische Stimme über die englisch-russische Deklaration. Die Unterzeichnung der anglo-russischen Deklaration wird von der „Nowoje Wremja" als wichtiger diplonia- tischer Sieg bezeichnet, den Rußland nut Hülse des unverändert treuen verbündeten Frankreich über die englische Presse und über jene Vertreter der englischen Regierung erfochten, die durch Reden und Handlungen England in eine sehr gefährliche politische Konjunktur brachten. Die t a k t l o s e st e R c d e sei dieieiuge Bal- fours gewesen, die herausforderndste, unbedachteste Handlung die Mobilisierung der englischen Flotte. Russische Aufgebote. Der „Matin" meldet aus Petersburg, die Abfahrt von vier neuen Armeekorps nach dem Kriegs schauplatz werde beschleunigt. Am 5. sollen 20V 000 Mann Reservisten einberufen werden, die bestimmt sind, die nach dem Kriegsschauplatz abgegangenen Mannschaften zu ersetzen. Die Rekrutenzahl wurde eben falls erhöht: sie beträgt diesmal 380 000 Mann, statt, wie bisher, 250 000. Alle diese Maßnahmen deuten darauf hin, daß Rußland entschlossen ist, den Krieg fort- zu setz en. Tie tatsächlichen Operationen werden erst im März beginnen, wenn Kuropatkin über genügende Truppen verfügt. Man nimmt an, daß dann im Juli oder August der Krieg zu Ende sein wird. Der Der- k e h r s m i n i st e r Chilkoff erklärt, die Truppen transporte erfolgten mit bewundernswerter Präzi- sion. Täglich überschritten 12 Züge die Mantschurei- grenze. Vie Japaner in Rerea. Dem „New York Herald" wird folgender Vorfall aus Söul telegraphiert: „Die japanischen Vorbereitungen gegen Notfälle und die Entschlossenheit Japans, die Russen daran zu verhindern, auf koreanischem Boden Fuß zu fassen, gehen aus dem Berichte des Gouverneurs der Insel Ouelpart hervor, die an der Südwest, küste Koreas liegt. Der Gouverneur meldet, daß eine Dampferladung japanischer Arbeiter mit Werkzeugen und Maschinen landete und sofort mit dem Bau von Befestigungswerken begann. Der Gouverneur bat um Verhaltungsmaßregeln, und das koreanische Aus- tvärtige Amt erklärte, Ouelpart sei durch Vertrags- bestimmungcn für alle ausländischen Ansiedler ver schlossen, und forderte die japanische Regierung auf, ihre Arbeiter zurückzuziehen." Ter japanische Gesandte scheint der koreanischen Re gierung gegenüber jedenfalls eine immer deutlichere Haltung cinzunehmen. In demselben Telegramm des „New Aork Herald" heißt es, daß er die koreanische Regierung sehr stark drängt, um sie zu veranlassen, alle diplomatischen und konsula- rischen Vertreter aus dem Auslande abzuberufen und die Vertretung den japanischen Beamten zu überlassen. Die koreanischen Minister sollen sich gegen diesen Schritt noch sträuben, werden aber zweifellos nach geben müssen. Die mchrerwähnte Zeitung erzählt weiter, daß der Attache, der japanischen Gesandtsä-ast seit deni 21. November täglich den Sitzungen des Palastrates beiwohnt und dabei die koreanischen Staatsmänner instruiert, wie sie die Geschäfte zu leiten haben. Am 23. November teilte der japanische Gene- ral Hasegawa dem koreanischen Kaiser mit, daß unter den koreanischen Beamten eine proruf fische Partei bestehe, deren sofortige Beseitigung aus dem Amte notwendig sei. Au» Mnkden. nieldet das Bureau Reuter vom 2. Dezember: Ter britische Attachö bei der russischen Armee ist gestern abgereist, um den Winter in England zu verbringen: er hat die Erlaubnis, im Frühjahr wieder zukommen. — General Renne nkampf hatte einige Zusammenstöße mit den Japanern im Osten, wo all mählich wieder eine regere Tätigkeit zu bemerken ist. Auf eine Entfernung von 8 Kilometer bei Liuschimpu richteten die Russen und Japaner Untergrund wege ein, die beiden Teilen erlauben, sich in Sicherheit zu bewegen. Die Gegner stehen sich so nahe gegenüber, daß die Russen in dem Dorfe Tzeth die Stimmen der Japaner deutlich hören. PMstche LagerrLbaii. * Letpsis, 3. Dezember. Der „Diplomat" vanderbilt. Von einer Seite, die mit amerikanischen Verhältnissen aut vertraut ist, wird uns geschrieben: Ueber die angekündigte Berufung deS jungen Vanderbilt in die amerikanische Bot schaft zu Berlin werden in den amerikanischen Blättern weidlich Randglossen gemacht. Wenn man der Sache auf den Grund gebt, so wird es sich wohl Herausstellen, daß das Hauptverbienst des jungen Krösus darin besteht, daß er eS verstanden hat, die besondere Aufmerksamkeit des deutschen Kaisers zu erregen und daß dieser ihn wiederholt in einer Weise ausgezeichnet hat, welche Aufsehen verursachte. A ls Prinz Heinrich die Vereinigten Staaten besuchte, waren die Banderbilts die einzige Privatsamilie, von welcher er eine Ein ladung annahm und zwar soll er das auf den direkten Wunsch des Kaisers getan haben. Bekannt ist ferner, daß der Kaiser Herrn Vanderbilt wiederholt auf seiner Jacht besuchte und daß er, als das Vanderbiltsche Ehepaar sich nach Marienwerder begab, beiden dort von Seiten der Militär- und Zivilbebörden Ehren erweisen ließ, die einen geradezu amtlichen Charakter trugen. Diese aufiälligen Gunst beweise des Kaisers haben nicht allein in der deutschen Presse Anlaß zu unerquicklichen Erörterungen gegeben, sondern sie haben auch Streit und Zwietracht in der Vander- biltschen Sippe angesacht. Frau Cornelius Vander- bilt sr. soll bekanntlich sehr verschnupft sein, weil alle diese Auszeichnungen nicht ikr selbst, sondern ihrer Schwieger tochter zu teil geworden sind. Wenn nun der junge Vanderbilt, „Der Freund des Kaisers", wie die amerikanische Presse ibn gern nennt, als amerikanischer Botschaftssekretär nach Berlin gebt, so wird man sich auf recht merkwürdige Dinge geiaht macken können. Im allgemeinen spielt so ein Bot schaftssekretär keine allzu große Rolle, allein eS unterliegt wobl keinem Zweifel, daß die Gunst deS Monarchen Herrn Vanderbilt zu einer Ausnahmestellung verhelfen wird, um die man ibn sehr beneiden dürste. Man darf dreist annehmen, daß Herr Vanderbilt seine Ernennung, wenn sie erfolgt, nicht sowohl den ihm Feuilleton. Dir heilige Caeeilie» 4ij Roman von M a r i e B e r n h a r d. Nachdruck verboten. Damit erhob sich Ringhaupt, um zu gehen, — aber so leichten Kaufes kam er nicht davon. Sie waren alle mit ihm aufgestandcn, umringten ihn, redeten auf ihn ein, wünschten ihm Glück und bestürmten ihn noch mit zahllosen Fragen. „Laßt mich in Frieden ziehen, Kinder, — glaubt es mir, es ist mir am wohlsten, wenn ich neben Babettes Ruhebank sitze, — da gehör' ich jetzt hin! Gottlob, gibt's in dieser Woche keine Nufsichtsratssitzung mehr! — Sagt 'mal, kommt denn von Mentzels heute niemand hierher?" „Du hast vergessen, — die sind heute alle in der Scherwitz-Opcr — Oswald dirigiert ja die „Hugenotten!" propos Oswald " Ringhaupt hatte sehr lebhaft begonnen, stockte jetzt auffällig und sah die beiden Gastgeber unschlüssig an. „Sprich nur ruhig weiter!" ermutigte ihn Geheimrat Wessel. „Wir sind ja ganz unter uns in der Familie, — und wenn auch Oswald meiner Schwester Sohn ist, . . .. Komödie dürfen wir uns doch um seinetwillen nicht vor- spielen!" „Sehr verständig, lieber Wessel, — sei bedankt! Nun also, Kinder, Ihr wißt ja, ich habe immer auf den Jungen große Stücke gehalten, habe auf sein Talent geschworen und mir steif und fest eingebildet, aus dem wird 'mal was großes. Wenn er aber nicht bald damit anfängt, dann wird das Gegenteil d'raus." „Du meinst, er ist seinem Posten nicht gewachsen?" „Das möchte ich mir nicht zu beurteilen erlauben, — jedenfalls füllt er ibn schlecht aus. Ich habe Nachsicht genug mit ihm gehabt, so lange er in R. an einer ihm nicht zusagenden Stelle stand, auch so lange er Bräutigam war. So'n Mensch, der ist zu gar nichts, ist nicht Fisch, nicht Fleisch, zumal, wenn er so kopflos ver narrt ist, wie Oswald es war. Ich hab' getan, was ich konnte, damit er seine Annemarie bekam, und bald bekam" ..... „Ja, weiß Gott, das tatest du!" „Oswald ist dir unendlich großen Dank schuldig!" „Still, Kinder, so war es nicht gemeint! Mir ist's nicht um Lobeserhebungen zu tun, und die Hauptsache hat Babette getan! Ich meine bloß, ich hielt es für Pflicht, ihm die Wege zu ebnen: er hat sich ja auch 'n süßen kleinen Schatz ausgesucht, und zu verdenken war es ihm nicht, daß er ihn ganz für sich haben wollte. Aber ich dachte: nun wird die Geschichte gehen, wie auf Hefen, — und er selbst hat mir auch Aehnliches versprochen! Statt dessen" „Du hast die Kritiken über ihn gelesen?" „Nicht alle, — bewahre! Ich hab', zumal, seitdem Babette so krank ist, die Zeit nicht dazu, und wenn ich sie mir 'mal gewaltsam genommen hab', mußt' ich es jedesmal bereuen, — ich nehme mir vor, es nicht mehr zu tun! Hat man nicht schon Enttäuschungen genug im Leben? Soll ich mir auch noch über den Jungen den Leib voll ärgern? Ich weiß, Kritiker sind oft einseitig und gehässig, aber diesen Meschewski kenn' ich persönlich, der ist 'n ganz verständiger Mensch, und hat zudem noch immer für Oswald was übrig gehabt: wenn der ihn so verreißt, dann muß er seine guten Gründe dafür haben!" Eine etwas peinliche Pause entstand nach diesen, im Ninghauptschen Stil hervorgcsprudelten Worten. Daß diese Worte der versammelten Gesellschaft mehr oder weniger aus der Seele gesprochen waren, konnte man an den verlegenen Gesichtern sehen. Ter Bankier ließ seine lebhaften Augen von einem zum andern gehen. . „Bin ich vielleicht zu vorschnell gewesen? Seh' ich zu schwarz? Tann sagt es mir, Kinder, ich nehm' es nicht übel! Ich habe zn wenig eigenes Urteil, bin seit Monaten nicht mehr ins Theater gekommen" — „Nein, nein, Ninghanpt! Es ist ganz gut, daß das zur Sprache kommt! Tie Tanten sind ja zum Glück noch nicht hier" — „Na, wenn sie's wären, hätt' ich keine Silbe von der ganzen Geschichte gesagt, das könnt Ihr glauben!" „Selbstverständlich! Sie quälen die arme Mathilde Mentzel halb tot mit ihren Fragen: ob Oswald kein neues bedeutendes Werk geschrieben hat, — ob er eine Oper ver faßt, — wie es zugcht, daß die Kritik ihn so ungünstig beurteilt, und ob das wirklich nichts als Chikane sei! Oswald selbst kommen sie nicht mit dergleichen Fragen, — sie haben ihm ein paarmal sogenannte zarte Winke ge geben, die er anfangs unbeachtet ließ: wie sie damit fort- fuhren, da ist er einmal sehr deutlich geworden!" Die Umstehenden lachten. Der alte Geheimrat Wessel schüttelte mißbilligend den Kopf. „ES wäre besser gewesen, wenn Oswald mit meinen Schwestern und ihren Schwächen mehr Geduld bewiesen hätte. Schließlich ist er ihnen wirklich Tank schuldig, — und all' ihr dringliches Fragen beweist doch nur, wie viel Vertrauen sie in ihn setzen, welch' große Dinge sie sich von ihm für die Zukunft versprochen. Ist es denn wahr, daß man Oswald mit seiner jungen Frau so oft in eleganten Lokalen antrifft? Ich komme wenig heraus, wie Ihr wißt, konnte mich daher nicht durch den Augen- schein von der Wahrheit oder Unwahrheit des Gesagten überzeugen." „Melanie und ihr Mann haben die beiden neulich bei Dressel getroffen!" bemerkte Rolf Hennig Brückner halb- laut. „Ein guter Freund von mir hat neulich mit ihnen im „Heidelberger" gespeist, und bei Kempinski sind sie auch oft zu finden!" fuhr Herr Vollmar fort. Er ver schwieg cs wohlweislich, daß er selbst dieser „gute Freund" war, — die immer schmaler werdende Kost da heim nötigte ihn, bisweilen auswärts ein anständiges Souper oder Diner zu sich zu nehmen. „Ja, das kostet jedenfalls viel Geld!" meinte die Geheimrätin bedenklich. „Wo nimmt Oswald das her? Tie kleine Frau erscheint immer in sehr geschmackvollen Toiletten" — „In dem weißen Empirekleid mit den gemalten Akazienblüten sieht sie wie ein Bild aus!" „Ein gemaltes Empirekleid, — das ist ja furchtbar teuer, ein exquisiter Luxus! Unsereins kann sich so etwas nicht leisten!" seufzte Rose Vollmar. „Vielleicht hat Annemarie wieder einen gefälligen malenden Freund, der ihr die Sache umsonst herstellt, wie sie es ja auch von der „Heiligen Cäcilia" behauptet!" meinte Bianka spitz. „Das behauptet sic mit Recht!" siel Margot Wessel ruhig ein. „Ter Amerikaner Frank Holbein hat Anne marie aus deni Gedächtnis gemalt, er ist em steinreicher Mensch, ein Millionär, der wohl von einer armen, kleinen Musikschülerin kein Geld nehmen würde. Er sitzt übrigens seit Monaten in New Nork und ist dort ver heiratet!" Bankier Ringhanpt hatte sich während der letzten Reden definitiv verabschiedet und wurde von dem Haus- Herrn noch bis zum Vestibül begleitet. „Ich hab' cs in Onkcl Wessels Gegenwart nicht sagen wollen", — nahm Rolf Hennig Brückner mit gedämpfter Stimme das Wort, — „schließlich ist er immer Tante Mathildes rechter Bruder und gimmt sich die Sache mehr 5" Herzen, wie wir man munkelt so dies und das über Oswald! Er soll über seine Verhältnisse leben, sehr häufig in reizbarer Stimmung sein, unbeliebt bei den Mitgliedern seines Orchesters, die er ganz willkürlich und oft hochfahrend behandelt, — und die eheliche Harmonie soll durch seine übertriebene Eifersucht auch bereits mehrere starke Trübungen erlitten haben!" „Davon habe ich neulich selbst eine Probe erlebt!" be-
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