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Dresdner Journal : 11.07.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-07-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188407113
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840711
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840711
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-07
- Tag1884-07-11
- Monat1884-07
- Jahr1884
- Titel
- Dresdner Journal : 11.07.1884
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Lrsekslaso: Ulliel» mit Xu»n»km« äsr 80011- onä keiert«^« ^keiiä!, für äsn fol^snäsn 1^. ll«r»u»8«d«rr Lönial Lrpsäition äu» liresäver änurn»!», vresäsu, ^vviu^rstr^ssv Xo. SO. Uichtamtlichkr Theil. Uetersich,: Telegraphische Nachrichten. Zeitungsschau. Tage-geschichte. Erneyaungeu, Versetzungen rc. im öffeatl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Telegraphische Nachrichten. München, Mittwoch, S. Juli, AdrudS. (W. T B.) Wie die „Allgemeine Leitung" meldet, hat der König den Ministerialrath Krhrv. v. Rae-- frldt auf sein Ansuchen von der Function eines stellvertretenden Bevollmächtigten Bayern- zum Buudesrathe unter Verleihung des Comthur- kreuze- de- Verdienstorden- vom heiligen Michael enthoben und au dessen Stelle den Ministerialrath Arhrn. v. Stengel zum stellvertretenden Bevoll mächtigten beim Buudesrathe ernannt. Wien, Mittwoch, S. Juli, Abends. (Tel. d. Boh.) Um 1 Uhr wurde die Stimmenabgabe bei der Landtag-Wahl au- dem niederösterreichischen Großgrundbesitze geschlossen. E- find im Ganzen 179 Stimmen abgegeben, die absolute Majorität beträgt demnach 9V. Das Resultat der Wahl ist folgende-: Von 179 abgegebenen Stimmen erhielten Schweizer 177, Abt Karl 175, Graf Christian KinSky 172, Graf Traun (Mittelpartei) 166 und Hardegg (Mittelpartei) 155, Gustav Suttner 105, KielmannSegge 105, Gatterburg 102, Baron Gudenus 94, Richter 92, Graf Thurn 92, Graf Hoyos 94, Mitscha 103. Je 90 Stimmen erhielten Dreher und Pirko (Liberale). Ferner Haug witz und Falkenhayn (Conservative). Bezüglich dieser 4 entschied das Loos zu Gunsten der beiden Liberalen. Die klerikalen Candidaten erhielten, soweit sie von der Mittelpartei unterstützt wurden, zwischen 80 bis 90 Stimmen, die Anderen zwischen 60 bis 70 Stimmen. ES find sonach mit Hilfe de- Loose- sämmt- Uche Candidateu der liberale» Liste gewählt wor den. (Vgl. die „Zeitungsschau".) Pola, Donnerstag, 19. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Kaiser »st gestern Abends nach Be endigung der Flottenmanöver unter enthusiastischen Knndgebungen der Bevölkerung zurückgrreist; er erließ einen Alottenbefehl, worin er der Marine, in welcher der Geist Tegetthoff'- fortlrbe, seine vollste Anerkennung aussprach. Buda-Pest, Mittwoch, 9. Juli. (Tel.d.Boh.) Da- Ministerium des Innern dementirt die Nach richt eine« Klauseuburgrr Blattes, wonach in MaroS-LudaS (Siebenbürgen) 2 Fälle von Olwlsra uv8tr»8, darunter einer mit tödtlichem AuSgange, vorgekommen sein sollen. London, Mittwoch, 9. Juli, Abends. (W.T.B.) Heute Nachmittag fand eine Sitzung de- CabinetS Statt, die gegen 3 Stunden dauerte. Wie ver lautet, ist beschlossen worben, die liberalen Mit glieder deS Parlaments morgen zu einer allge- weineu Versammlung unter dem Vorfitze deS Pre- mierS Gladstone nach dem Foreigu Office einzu- ladeu, Gladstone würde in dieser Versammlung von dem Vorgehen Mittheilung machen, daS die Regiernng infolge der Ablehnung der Wahlreform- bill durch daS Oberhaus einzuschlagen beschlossen habe. Bukarest, Mittwoch, 9. Juli. (W. T. B.) Der königl. Hof ist heute in vie Sommrrrrsidenz Sinaia übergefiedelt. Chicago, Donnerstag, 19. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die demokratische Convention Feuilleton. Redigirt von Otto Banck. May Crocker. Roman von L Lameron. Deutsch von L. Frenzel (Fortsetzung.) Hier holte er dieselben aus seinem Koffer hervor, laS sie nochmals — und was ihm in May'- Nähe in diesen Briefen roh und abstoßend erschien, gewann jetzt eine andere, mildere, ja — erfreuliche Bedeutung. „Meine kleine Rosie hat mich aufrichtig gern — für sie bin ich die ganze WeltI — Kümmert sich May um mich? — Zu der soll man halten, von der man geliebt wird, wer sie auch seil Rosie ist gescheidt ge nug, um sich in jede Lebensstellung hinein zu finden — und wie schön ist siel Die Hauptsache ist aber, daß sie mich gern hat; das wird mich glücklicher machen als all' da- Lrocker'sche GeldI" Getrieben von solchen Gedanken setzte er sich nieder und schrieb an Rosie: Meine liebe, kleine Rosie I Ich komme in ein oder zwei Tagen nach Hause. Sei nicht böse, daß ich so lange fortgeblieben bin, und daß ich bisher nicht schrieb — aber ich konnte nicht. Denn ich muß Dir gestehen, mein Liebling, — eS ist ja am Besten, daß ich Dir die volle Wahrheit sage — daß ich der reichen Miß Crocker in Fern-Lastle einen Heirathsantrag gemacht habe und machen mußte. Geld ist für einen so armen Menschen, wie ich eS bin, eine große Versuchung und überdies hätte mein Vater mir schwer gezürnt, eonstituirte fick gestern unter dem Lorfitze Billa'- (Wisconsin) definitiv und nahm eine Resolution an, wonach biS zur Annahme des Programms keinerlei Abstimmung über einen Präsidentschafts kandidaten stattfinden soll. AlS Präsidentschaft-- candidaten werden Cleveland, Bayard, Carli-le, Macdonald und Thurmann genannt. Dresden, 10. Juli. Gestern nahm der niederösterreichische Großgrund besitz die Landtagswahl vor. Wiederholte Zäh lungen haben ergeben, daß die liberale Partei allein über eine Majorität nicht verfügt und die Hoffnungen waren nunmehr auf das Zustandekommen eines Com» promisseS gerichtet. Bisher hatte die liberal-deutsche Partei bei den Landtagswahlen der österreichischen Monarchie nur Niederlagen zu verzeichnen. Verhält- nißmäßig günstig war noch der Ausgang der Wahlen in Niederösterreich. Von den 21 Mandaten der Land gemeinden Niederösterreichs entfallen nunmehr l4 auf* die deutschliberale, 5 auf die klerikale Partei und 2 auf die Antisemiten; während das Verhältniß früher 15:4.2 war. Wesentlich ungünstiger gestaltete sich das Wahlergebniß dagegen in den mährischen Städten, wo die deutschliberale Partei 11 Sitze an die Tschechen verlor, und zwar in den Stadtbezirken Kremsier, Proß- nitz, Auspitz, Boskowitz, Gaya, Ungarisch-Hradisch, Holleschau, Trebitsch, Datschitz, Freiberg und Kromau; die Zahl der tschechischen Vertreter aus den Städte gruppen, welche bisher 2 betrug (Neustadt und Prerau), ist infolge dessen auf 13 angewachsen, während die Zahl der deutschen Vertreter von 29 auf 18 zurück ging. Der Grund dieser Verschiebung dürfte nach der „Bohemia" darin zu suchen sein, „daß durch die Art der Zusammenstellung der Wählerlisten, durch die Aus scheidung deutscher und Aufnahme tschechischer Wähler in dieselben, durch die zügellose Agitation der Tschechen, welche insbesondere auf die jüdische Wählerschaft einen beispiellosen Druck ausübten, es der Gegenpartei ge lang, die obgenannten gemischtsprachigen Städtewahl bezirke zu erobern. Wie's gemacht wird, das haben wir ja hier zu Lande sattsam erfahren." Die Brünner und Olmützer Handelskammer wählten insgesammt wieder deutschliberale Candidaten. Der Landtag, bei welchem infolge einer Doppelwahl ein Mandat unbe setzt bleiben dürfte, wird in der nächsten Session aus 99 Abgeordneten bestehen. Hiervon werden der Ver fassungspartei angehören: Aus den Landgemeinden 8, aus den Städten 18, aus den Handelskammern 5, aus dem Großgrundbesitze, wo die Compromißliste durchgedrungen ist, 17; im Ganzen also 48 Man date. Die Tschechen besitzen 23 Mandate der Land gemeinden, 13 der Städte, 5 des nichtfideicommissa- rischen Großgrundbesitzes und 2 Virilstimmen; zusam men 43 Mandate. Die Mittelpartei wird über 8 Mandate des Großgrundbesitzes verfügen und, da weder die Deutschen noch die Tschechen die absolute Majorität im Landtage haben werden, auch eine ent scheidende Stellung im Landtage einnehmen. Im Ganzen sind diese Ergebnisse keine erfreulichen und auch die Hoffnungen, welche bezüglich des mähri schen Landtags auf die Mittelpartei gesetzt werden, sind nicht geeignet, hieran etwas zu bessern. Er fahrungsgemäß sind derartige Parteien wenig zum Widerstande geeignet und es wird die tschechische Partei aus der Stellung, welche die Parteien in den Land tagen einnehmen, den Gewinn ziehen. Die Regierung erblickt in dem Ergebniß der von langer Hand her vorbereiteten mährischen Wahlen einen Sieg ihrer Politik und die regierungsfreundlichen Wiener Blätter machen aus ihrer Freude über das Wahlergebniß selbstverständlich kein Hehl. Die Wiener (alte) „Presse" vergleicht die Wahlergebnisse in den wenn ich seinem Willen zuwider es nicht gethan hätte. Ich bin glücklicherweise abgewiesen worden und die Gefahr, daß Du nicht meine kleine Frau werden könntest, wie ich es Dir versprochen habe und hier wieder verspreche, ist somit vorüber. Wie froh bin ich, Dich wieder zu sehen! Denn seit ich fort war, sah ich keine Schönheit, welche der Deinen gleicht. Ein Geschenk für Dich habe ich noch nicht, aber auf dem Heimwege werde ich nach Glasgow gehen und dort etwas sehr Hübsches für Dich kaufen. Dein Harold. Diesen Brief schrieb Harold spät am Abend, nahm ihn mit hinunter in die Halle und warf ihn dort in den Briefkasten der zur Frühpost um 8 Uhr Mor gens ausgeleert wurde. Um halb neun Uhr andern Tags, als Harold zum Frühstück kam, befand sich der Brief bereits auf dem Wege nach Dorrington, und schon zu dieser Zeit würde Harold seine rechte Hand hingegeben haben, hätte er ihn zurückrufen können; denn sein Enthusias mus war über Nacht verflogen. Bis gegen den Morgen hin hatte er schlaflos gelegen und dann unruhige Träume gehabt, in denen ein wohlbekanntes, liebes Gesicht, aber nicht das von Rosie, wieder lebhaft vor seinem Geiste erschienen war. Matt und voller Unmuth war er ausgewacht, und mit dem zurückkehrenden Tageslicht waren alle seine Selbst täuschungen dahin und er empfand ein tiefes Weh im Herzen, da- sein Traumbild und das letzte Zusammen sein mit May im Park in lebendige, nicht zu bannende Verbindung brachte. War seine Liebe zu Rosie Wood die Ursache, daß ihn die- bedrückte und beunruhigte? Und sein thörichter, sinnloser Anttag, war er wirk verschiedenen Wahlbezirken der Reichshauptstadl Wien und gelangt zu dem Ergebniß, daß die Ziffern einen Niedergang der liberalen Partei in ganz Wien be kunden. Als im December 1882 die große, von den Reichsrathsabgeordneten der innern Stadt einberufene Wählerversammlung im Saale des Musikvereinsgebäu des stattfand, der über 2000 Wiener Bürger bei wohnten, da erhielten noch Kuranda, Hoffer, Jaques und Weitlof ein beinahe einstimmiges Vertrauens votum. Im Jahre 1879 bei den allgemeinen Reichs- rathswahlen war den Wählern der innern Stadt sogar Se. Excellenz der damalige Justizminister 0r. Glaser viel zu wenig verfassungstreu und „liberal" und im Jahre 1878 wurden Stöger und Genossen mit Stim meneinhelligkeit in den Landtag entsendet. Heute geht es aber in jeder Wählerversammlung der innern Stadt schon ebenso stürmisch zu wie auf der Landstraße und in der Josefstadt, ja der Candidat der ausgesprochenen Gegner der Vereinigten Linken erhielt diesmal um 100 Stimmen mehr als die 1878 gewählten Abgeordneten. Das ist der Niedergang im 1. Bezirk. In der Leopold- stadt wurde Prof. Sueß vor 6 Jahren mit großer Ma jorität gewählt und war von einer Opposition gegen die Linke nichts zu spüren. Dies Mal erhielt ein Can didat, der sich gar nicht um das Mandat bewarb, ebenfalls mehr Stimmen als Sueß im Jahre 1878. Das ist der Niedergang im 2. Bezirk. Was die Wieden anbelangt, so erklärte die Wählerschaft eines ganzen Bezirks, sich nicht an der Wahl betheiligen zu wollen, weil man ihr keinen eigenen Abgeordneten concedirte, und dies zeigt doch ebenfalls weder von einer besondern Disciplin, noch von einer Begeisterung für den Candidaten der Linken. Hr. Winkler v. Forazest erhielt auch um 323 Stimmen weniger als im Jahre 1878. Das ist der Niedergang im 4. Be zirke. In Margarethen mußte die Linke aus der Noth eine Tugend machen und Hrn. Steudel unter stützen, der doch zu den Gesinnungsgenossen Krona- wetter's, des Verbannten, zählte. Beinahe wäre aber gerade diese Unterstützung dem ehrenwerthen Vice- oürgermeister Wiens verhängnißvoll geworden; denn sein noch weniger mit der vereinigten Linken sympathi- sirender Gegencandidat erhielt beinahe ein halbes Tausend von Stimmen. Das ist der Niedergang im 5. Bezirke. Ebenso mußte die Linke mit schwerem Herzen in Mariahilf Schlechter acceptiren, den doch die Volkspartei als einen der Ihrigen reclamirt. Nur so wurde auch die Wahl eines Antisemiten verhindert, den die Mariahilfer einem Candidaten der Linken wahrscheinlich vorgezogen hätten. Das ist der Nieder gang im 6. Bezirk. Am Neubau unterließen es die Parteigenossen der Opposition wohlweislich, den der Volkspartei angehörenden Abg. Riß zu. bekämpfen, trotzdem sie in einer Vereinsversammlung dazu nicht wenig Lust zeigten. Das Facit war, daß Riß, trotz dem er keinen Gegencandidaten hatte, um 55 Stim men mehr erhielt als Nr. Schrank im Jahre l878. Das ist der Niedergang im 7. Bezirke. Im 8. Be zirke enthielten sich die Demokraten aus Courtoisie gegen den Bürgermeister der Wahl, im 9. überließen sie Or. Borschke das Feld und nur im 3. hat die Linke einen Stimmgewinn zu verzeichnen. Alles in Allem fielen auf die Gegner der Linken im Jahre 1878 2554, Heuer 4382 Stimmen." Die liberale Partei vertritt in der österreichischen Monarchie die Interessen des Deutschthums. Von diesem Gesichtspunkte aus sind daher die Niederlagen der österreichischen Liberalen zu beklagen und, wie man auch die neuesten Wahlen in Oesterreich zurecht legen mag, so erscheinen sie als eine schwere Bedroh ung des deutschen Charakters der Monarchie. In der österreichisch-ungarischen Monarchie, wo leider die Deutschen auch vielfach die politische Klugheit außer Acht lassen, arbeitet Alles auf eine Zurückdrängung lich nur eine Posse oder Wahrheit gewesen? — Er hatte ihn ernst gemeint — und sie? Harold sprang aus dem Bette und zog heftig die Schelle. „Sehen Sie doch nach, ob die Briefe schon ab geholt sind", sagte er zu dem eintretenden Diener. „Ich möchte einen, den ich gestern Abend schrieb, zu rückbehalten. " „Die Briefe sind bereits fort, seit einer halben Stunde, Mylord", antwortete der Mann. „Zehn Jahre meines Lebens würde ich darum geben, hätte ich ihn nicht geschrieben", sagte er sich. „Er war eine Lüge von Anfang bis zu Ende? Was war ihm nur in den Sinn gekommen, die Thorheit zu begehen und einen solchen Brief zu schreibenI" Er warf Rosie's Photographie in seinen Koffer zurück, ohne sie nur anzusehen und es gab für ihn keine Andere in der Welt mehr als May. Während des ganzen Frühstücks war er still und zerstreut, nachher glng er hinaus und schlenderte miß- muthig auf den weißen Steinen der Terrasse vor den Fenstern auf und ab, den Kopf schwermüthig nieder gebeugt, ohne auch nur an den Trost einer Cigarre zu denken. „Mein lieber Junge", sagte eine Stimme hinter ihm — er wandte sich hastig um und stand vor Lady Harryson — „mein lieber Junge, Sie werden eine alte Frau entschuldigen, wenn dieselbe sich in Ihr Ver trauen drängt, nicht wahr? Ich sehe, daß Sie nicht glücklich sind; und könnte Ihnen vielleicht helfen, wenn Sie mir nur die Ursache davon sagen wollten." „Sie sind sehr gütig gegen mich, Lady Harrison", sagte er verwirrt. „Ich wüßte nicht, wie Jemand mir des deutschen Element- hinaus, und der Dualismus weicht den wachsenden Ansprüchen der zahlreichen kleinen Nationalitäten. Man muß daher dringend eine Stärkung des deutschen Elements herbeiwünschen und giebt die „Neue freie Presse" diesem Gedanken mit Rücksicht auf die von Prag aus zu Gunsten der Tschechen geübte Wahlbeeinflussung in folgender Weise Ausdruck: „Am tiefsten aber wird diesen Wandel der Dinge (die Erfolge des Tschechenthums) das Reich empfinden. Wenn es die Politik der Regierung ist, durch Befriedigung aller Nationalitäten, wie sie oft und feierlich verkündigt hat, dem Reiche eine Quelle innerer Kräftigung zu erschließen, so mag sie, auf ihre 5jährige Arbeit zurückblickend, sehen, wie weit diese Befriedigung gediehen ist, und danach ermessen, welche Aussichten die Zukunft eröffnet, zu diesem Ziele auf dem eingeschlagenen Wege zu gelangen. Wie unter den Deutschen in Böhmen ungeachtet des mäßigenden Einflusses der Führer die extrem-nationale Richtung an Heftigkeit und Ausbreitung zugenommen hat und noch immer von Tag zu Tag wächst, das sieht jeder Patriot mit Besorgniß und Bekum merniß. Von heute an ist für diese Saat in Mähren der Boden gelockert. Wenn die Deutschen in Oesterreich in nationaler Be ziehung gleichwerthig mit Tschechen und Slowenen behandelt werden, dann darf man sich nicht wundern, wenn sie allmählich auf demselben Fuße sich einrichten, wie Tschechen und Slowenen, deren Politik keine andere Triebfeder kennt, als die nationale, und von denen man es selbstverständlich findet, wenn sie als exclusiv nationale Parteien austreten. Die Deutschen in Mähren hatten praktisch den Beweis geliefert, daß das Deutschthum nicht aggressiv ist, daß es tue sreie Entwickelung anderer Nationalitäten in Oesterreich nicht gefährdet und daß Oesterreich seinen historischen deutschen Charakter nicht abzustreifen braucht, um Ge rechtigkeit gegen alle Nationalitäten zu üben. Es war vergebens. Am gestrigen Tage (4. Juli) sahen sie ihre Reichstreue damit gelohnt, daß der Statt halter selbst in die Arena trat und in die Reihen der Gegner sich stellte. Wenn nun auch sie in den Wirbel der extrem nationalen Politik gerissen werden, so wird dies der Erfolg der Staatskunst sein, welche uns zeigen wollte, wie man aus nationalen Parteien politische macht." Tagesgeschichte * Berlin, 9. Juli. Se. Majestät der Kaiser hat gestern früh 8 Uhr Coblenz verlassen und sich mittelst Extrazugs über Worms, Mannheim und Karlsruhe nach Constanz und der Insel Mainau zum Besuch der großherzogl. badischen Familie begeben. In Karlsruhe wurde Se. Majestät von den Prinzen Wilhelm und Karl, sowie von den Ministern und der Generalität begrüßt und wurde Sr. Majestät der hier eingetroffene bisherige Gesandte in Washington, v. Eisendecher, vorgestellt. In Constanz wurde der Kaiser als er sich vom Bahnhof zu Wagen nach dem Hafen begab, von den sich immer erneuernden jubeln den Hochrufen der Bevölkerung begrüßt. Um H8 Uhr verließ das Schiff unter den Salutschüssen der im Hafen liegenden Schiffe und unter unausgesetzten enthusiastischen Hochrufen der versammelten Volks menge den Hafen. — Der „Staatsanz." veröffentlicht in seinem amtlichen Theile folgenden allerhöchsten Erlaß: Als in den Jahren 1874 und 1882 der Borübergang des Planeten Venus vor der Sonnenscheibe — eine für viele Forschungszwecke ungewöhnlich bedeutsame, erst nach mehr als 100 Jahren wiederlehrende Himmelserscheinung — heran- nahte, deren volle Vcrwerlhuny durch ein Zusammenwirken zahlreicher Astronomen an wert von einander entfernten Punkten der Erde bedingt war, hat auch Deutschland an diesem Werke durch Entsendung mehrerer wissenschaftlicher helfen könnte. Ich bin sehr thöricht gewesen", fügte der arme Bursche mit jämmerlichem Lächeln hinzu. „Das heißt", sagte die alte Dame und legte ihre Hand zutraulich auf seinen Arm — „das heißt, May hat Sie abgewiesen." Harold erröthete heftig. „Mein lieber Harold, oft kennen Mädchen anfangs selbst ihr Herz nicht und machen sich nachher großeu Kummer deshalb. Wollen Sie den Rath einer alten Frau hören? Ich war auch einst jung, wie Sie wohl denken können, und erinnere mich dessen noch und weiß, wie den Mädchen zu Muthe ist. Ueberlassen Sie sich meinem Rathe; warten Sie hier ruhig noch zwei Tage, dann nehmen Sie eines von unseren Reitpferden und reiten nach dem Frühstück hinüber nach Fern-Castle, um May wieder zu sehen. Denken Sie darüber nach, mein lieber Mr. Dorrington!" und nach mehrmaligem mütterlichen Tätscheln verließ ihn die gute alte Dame mit freundlichem Zunicken. Am dritten Tage sagte Harold zu ihr, indem er wie ein Mädchen dabei erröthete: „Ich gedenke Ihren Rath zu befolgen, Lady Har rison. Wird Sir John mir ein Pferd leihen?" Als Harold Fern-Castle erreichte, war eS etwa halb drei Uhr. Der Platz sah ungewöhnlich still aus. „Mr. Crocker," sagte der Portier, „sei nach Glas gow gereist und Mrs. Crocker sei ausgefahren." „Und Miß Crocker," fragte Harold mit klopfendem Herzen. Der Portier und der Diener sahen einander an; denn sie wußten nicht, wo May war; der Diener meinte jedoch, daß sie im Gauen sei und fragte, ob er sie suchen und ihn anmelden solle.
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