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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040429025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904042902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904042902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-29
- Monat1904-04
- Jahr1904
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Abend-Ausgabe NMger TaMalt Anzeiger. Amtsötatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die Sgespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion-slrich (4 gespalten) 75 nach den Familiennach richten l6gespalten) 50 -H. Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 />-. Erlra-Vetlagen «gefalzt), nur mit der Morgen'Ausgabe, ohne Posibefördcrung ^ll 60.—, mit Postbefördernng 10,—. Annatzmeschlutz für Anreisen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von G. Pölz in Leipzig (Inh. Dr. V-, R. L W. Klinkhardt). Bezugs-Preis k» der Hauptexpedition oder deren Ausgabe stellen av geholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch ¬ land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitvnqSpreiSliste. NeVsklts«: Johannisgasse 8. Sprechstunde: 8—6 Uhr Nachm. Fernsprecher: 153. Ertzeditt«»: JohanuiSgasse L Fernsprecher: 222. Atltalertzedtttsne»: LlfredHahn, Buchhandlg., Universitätsstr. 3 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen- straße 14 (Fernsprecher Nr. 293b) u. KönigS- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-AUtsle Dresden: Marienstraßr 34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: EarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandla.. Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr.4603.) Nr. 217. Freitag den 29. April 1904. 98. Jahrgang. Var Mtdtigrte vsm Lage. * Die Uebergabe der Kirche und des HausesSionin Jerusalem an deutsche Benediktiner wird vom „Figaro" mit der Tätigkeit des Freiherrn von Hartlrng in Rom in Verbindung gebracht. Diese Auffassung wird jedoch von Berliner diplomatischer Seite als unzutreffend bezeichnet. * In Parlamentarischen Kreisen verlautet, die ar- beits statistische Abteilung des reichsstatisti schen Amtes solle von letzterem losgelöst und zu einem Arbeitsamte ausgcstaltet werden. * Ein Teil der E i n z e l st a a t e n soll Bedenken gegen die Militärpensionsreform babcn wegen der nut ihr verbundenen großen finanziellen Verpflichtungen. * Der König von Spanien ist in Malaga eingetroffen. - * Das Opfer eines Erdstoßes wurden in einer Kohlengrube bei Tocina (Provinz Sevilla) viele Ar- beiter. Mehr als 50 sind tot. * Zum Kommandeur der Flotte des Schwarzen Meeres wurde der Gouverneur von Archangelsk Kontreadmiral Rimski-Korssakow ernannt. * Die russische Regierung richtete an ihre Vertreter im Auslande ein R u n d s ch r e i b e n, in dem sie alle Vermittlungsangebote entschieden zu- rückweist. vsm neue« Mittelstand. DieBewegungderPrivatange st eilten ist vor einigen Tagen wieder in den Blättern besprochen worden, ein Beweis dafür, daß diese wichtige Bewegung, die auch in Leipzig eine große Versammlung hervor gerufen hat, keineswegs zur Ruhe gegangen ist. Jin Gegenteil ist im stillen eifrig gearbeitet worden, und neben den Berufsverbänden, die im Hauptausschuß ver treten sind, haben sich zahlreiche, sich immer mehr aus- dehnende Lokal- und Proviuzverbände gegründet, die Agitation für eine staatliche Pensionsversicherung der Pcivatangestellten bei Invalidität, im Alter und für ihre Witwen und Waisen pflegen. Von der Gründung eines Landesverbandes in Sachsen ist jüngst aus Dresden be richtet worden, doch steht vorläufig hinter diesem Landes verbände nur die etwa 2000 Mitglieder starke Vereini gung in Dresden und einige Chemnitzer. Die stille Werbearbeit der einzelnen Berufsverbände und sogen. Lokalkommissionen und -verbände, die etwa eine halbe Million Privatangestellte zusammen umfassen, scheint je doch einigen besonders energischen Vorkämpfern nicht zu genügen, denn einige dieser haben eine Sonderagitation eingeleitet, gegen die sich eine starke Opposition erhebt. Die letztere weist darauf hin, daß, bevor nicht im Reichs tage die Resolution des Zentrums angenommen ist, die dem Reichsamt des Innern Mittel an die Hand geben will, die am Schlüsse vorigen Jahres eingegangenen etwa 150 000 Fragebogen zu bearbeiten, irgend ein Schritt bei Regierung und Reichstag ohne Zweck sei. Das ist in- dessen nicht zutreffend, denn, wie wir schon mitteilten, hat Graf Posadowsky den Abgg. Sittart, Patzig und Frhrn. v. Richthofen am Dienstag ausdrücklich die statistische Be arbeitung des gesamten, durch die private Umfrage ge sammelten Materials durch seine Beamten zugesagt und die Mitteilung der Ergebnisse in einer besonderen Denk- schrift oder in einem amtlichen Organ versprochen. Ferner versprach der Staatssekretär, wie ebenfalls bereits be- kannt, bei der im Jahre 1907 stattfindenden Gewerbe- zählung entsprechend einem Anträge Patzig durch eine besondereRubrikin den Fragebogen den Stand der Privatbeamten in besonderer Weise zu berücksichtigen. Damit erledigen sich in der Hauptsache die noch neben der vorerwähnten Resolution des Zentrums laufenden Anträge der Nationalliberalen, daß der Reichsag beschließen wolle, die verbündeten Re gierungen zu ersuchen: „1) zur Vorbereitung einer den eigenartigen wirtschaft lichen Verhältnissen der Privatbeamten (Pcivatangestellten) entsprechenden allgemeinen obligatorischen Alters-, Jnvalidi- täts- sowie Witwen- und Waisenversicherung durch eine be sondere Kommission, zu welcher neben den Vertretern der ver bündeten Regierungen auch Vertreter des Reichstags, sowie der beteiligten Privatbeamtcn (Privatangestellten) und Privat betriebe und der Privatvcrsicherungsanstalten zuzuziehen sind, Erhebungen in die Wege zu leiten und die hierfür nötigen Mittel noch durch einen Nachtragsetat für 1904 anzufordern; 2) bei der im Jahre 1907 erfolgenden Gewerbezählung eine sorgfältige Feststellung der verschiedenen Kategorien der Pri vatbeamten (Privatangestelllen) anzuordnen." Auch das Zentrum und die Konservativen haben ähn liche zweckdienliche Anträge eingebracht, die noch der Be schlußfassung des Reichstags harren. Die beabsichtigte schärfere Agitation dürfte daher mehr dem Wunsche, eine Rolle zu spielen, als der Sache zu dienen, entsprechen. Wenn damit beabsichtigt wird, andere Ziele als die Pen- sionsversicheruug, die den Privatangestellten gemeinsam sind, z. B. Sicherstellung der Kautionen usw., zu erreichen, so möge darauf hingewiesen werden, daß in diesem Sinne schon eine Vereinigung von Verbänden, die sich „Kom mission zur Ausgestaltung des deutschen Privatbeamten rechtes" nennt, tätig ist, die auch den Zusammenschluß aller Privatangestellten in dieser Hinsicht in die Wege zu leiten sucht. Jedenfalls, und das muß gesagt werden, weil das große Publikum von dieser sich vorbereitenden festeren Zusammenschließung eines Teiles des Mittel standes keine Ahnung hat, sind die Privatangestellten tüchtig an der Arbeit, um ihre Interessen politisch und sozialpolitisch energisch zu wahren. ver Kutttand äer Herero. Va» Gefecht vsn Owikekorer». Ueber das Gefecht von Owikokorero veröffentlicht die „Kreuzztg." einen vom 20. März datierten Privatbrief aus Onjatu, der aus der Feder eines Mitkämpfers in der Ost- kolonnie stammt: Es heißt darin: Am 13. März wurde von der Ostabteilung eine Erkundungs abteilung entsandt. Diese stieß nirgends auf Widerstand. Ter Busch wurde immer dichter und unübersichtlicher. Die seitlichen Patrouillen mußten sich dichter heranschlicßcn. Etwa halb vier Uhr fielen vor dem rechten Flügel einige Schüsse aus naher Ent fernung, man glaubte es mit der schwachen Nachhut eines ab ziehenden Gegners zu tun zu haben, es wurde abgesessen und das Feuer erwidert. Die Schützen des Gegners lagen vereinzelt hinter Büschen oder sonst gedeckt. Nur zum Schuß zeigte der Schwarze den Kopf, um dann sofort wieder zu verschwinden. Auch bot vor dem rechten Flügel ein buschbewachsener Termitenhügel mehreren feindlichen Schützen vorzügliche Deckung. Um den Widerstand des Gegners schnell zu brechen, wurde das Maschinengewehr vorgezogen, hier fiel sofort der Unteroffizier Bachmann. Der linke Flügel, der zunächst keinen Gegner gegenüber hatte, wurde zur Umfassung des Gegners vorgenommen. Inzwischen verstärkte der Gegner seine Linie auf beiden Seiten. Auch erschienen auf beiden Flanken feindliche Schützen, die unsere Abteilung zu umfassen und abzuschneiden drohten. Das Feuer wurde bedeutend lebhafter; der Gegner mochte an 150 Gewehre stark sein. Eine Fortsetzung des Kampfes mit nur 30 Schützen schien aussichtslos, zumal weitere Leute verwundet und die Rückzugs- linie mehr und mehr bedroht wurde; dinier den feindlichen Schützen zeigten sich weitere Schwarze, und es schien, daß man fast die ganze Armer sich gegenüber habe. Auch nach Ansicht der Kenner afrikanischer Verhältnisse, Hauptmann v. Francois und Ober leutnant Eggers, war ein weiterer Kampf aussichtslos. Major v. Glasenapp ließ deswegen den Befehl zum langsamen Zurückgehen geben. Der Versuch, den gefallenen Unter- offizier Bachmann mitzunehmen, mußte bald aufgegeben werden. Der Rückzug vollzog sich in vorzüglicher Ordnung. Nach achtzig Schritt etwa wurde gehalten und das Feuer wieder ausgenommen. Unser Zurückgehen ermutigte den Gegner, sein Feuern wurde lebhafter. In der dritten Stellung nach dem Zurückgehen fielen beide Maschinengewehrschützen, Ober leutnant z. S. Hermann wurde durch zwei Schüsse kampf unfähig. Reiter, die zu helfen suchten, fielen ebenfalls, sodaß das Maschinengewehr liehen blieb. Während des Zurück gehens häuften sich die Verluste. Die Pferde wollten sich nicht zurückführen lassen und wurden größtenteils getroffen. Die Pferdchalter fielen oder wurden verwundet. Oberleutnant z. S. Mansholt, der einen Befehl nach Onjatu zu überbringen hatte, gelang es, nachdem ihm das erste Pferd erschossen war, mit einem Reiter durchzukommen. Ich selbst war zweifach verwundet, mein Karabiner durch zwei weitere Schüsse unbrauchbar ge worden. In der Nähe des Majors von Glasenapp, der in ruhigem Schritt unseren Weg zurückging, befand sich noch in der Richtung Hauptmann v. Francois und einige Reiter, der Gegner drängte von rückwärts heftig mit wildem Kriegsgeheul nach und begleitete uns gleichzeitig auf den Flanken. In der Nähe des Weges begegneten wir unserer Karre, die auf das Feuer zu- marschiert war und uns anfnahm. Außer Major v. Glasenapp, Oberstleutnant z. S. Hermann und mir erreichten nur wenige Mannschaften die Karre, Hauptmann v. Francois war 400 bis 500 wohinter einem Busch zurückgeblieben und dort tödlich getroffen worden. Die Karre fuhr, nachdem die Verwundeten untergcbracht waren, auf dem Wege zurück. Der Gegner folgte und feuerte an fangs auf 200 bis 300 m. Es war 5 Uhr 15 Minuten abends; erst '/,7 Uhr bei Dunkelwerden ließen die Herero von der Ver- folgung ab. Die Ursachen de» Auslandes. Eine ans 27. April in Windhoek abgehaltene Versammlung von Ansiedlern hat sich mit der Frage der Ursachen des Herero - Aufstandes beschäftigt. Der „Kol. Zeitschrift" ist über den Verlauf dieser Versammlung folgender Drahtbericht zugegangen: In einer großen Versammlung der Ansiedler aus Windhoek und Umgegend am 27. April wurde auf das entschiedenste Einspruch eingelegt gegen die amtliche Darstellung der Ursachen des Herero-Aufstandes im „D. Kolonialblatt". Diese ist unvoll ständig und doch entstellt wiedergegeben worden; namentlich ist die Beschuldigung, daß Wanderhändler den Aufstand her vorgerufen hätten, durchaus unzutreffend. Die Ursachen sind vielmehr: die Schutzverträge, die niit den Herero ohne deren Unterwerfung abgeschlossen worden sind, das Verbot (?) des Waffenhandels mit den Eingeborenen, die von Deutschland aus geforderte Nachsicht, mit der die Eingeborenen stets behandelt worden sind, und die sie stets als Schwäche ausgelrgt haben. Uebergriffe einzelner Wanderhändler haben erst stattgefunden, nachdem die behördliche Unterstützung versagt hatte. Fernere Gründe waren: die vermehrte Einwanderung, die Abtretung großer Ge biete an Gesellschaften, die Farmverkäufe und die Festlegung von Reservaten. Nicht zum wenigsten verursachte aber das Ver langen der übermütigen Hererokapitäne nach ihrer früheren unbeschränkten Herrschaft in der Verwaltung der Bezirke Oka- bandja und Waterberg die Rebellion. Die Versammlung erklärt, der Reichstagsbeschluß, nur zwei Millionen Mark als Darlehen oder Hilfeleistung gewähren zu wollen, sei gleich bedeutend mit dem Zusammenbruch der Kolonie. Die meisten Ansiedler werden vorziehen, in Deutschland verarmt zu leben oder in außerdeutschen Kolonien ihr Glück zu suchen. Sie wollen nicht in einem Lande weiter arbeiten, zu dessen Zukunft ihnen das Vertrauen geraubt worden ist. Die Versammlung beklagt aufs tiefste den Reichstagsbeschluß. Was eine falsche amtliche und außeramtliche Kolonialpolitik verschuldete, haben die Ansiedler mit Gut und Leben bezahlen müssen. ver n»rrttcd-iapanircbe Krieg. Japan macht Fortschritte. Einen bedeutungsvollen Schritt vorwärts in der An passung an die westliche Kultur hat Japan getan. Während das immer etwas rückständige Rußland Kriegsberichterstatter zuläßt, so lange sie die gewährte Gastfreundschaft nicht miß brauchen , hat sich Japan für die modernste Behandlung der Presse entschieden. Aus Washington meldet Reuters Bureau: Einem Telegramm des amerikanischen Gesandten in Tokio zufolge, wird von nun an Zeitungskorrespondenten nicht mehr gestattet, den Unternehmungen des japanischen Heeres zu folgen. Man rechnet, daß bereits 200 englische und amerikanische Korrespondenten dem Heere zugeteilt sind. Agenten verbeten. Nachdem in der letzten Zeit von englischer Seite in geradezu aufdringlicher Weise Rußland die Annahme einer Vermittelung in seinen ostasiatischen Verwickelungen angeboten worden ist, erläßt nun die russische Regierung an die eifrigen Vermittler eine Ablage, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Der „Regierungsbote" veröffentlicht nachstehendes Cirkular des Ministers des Aeußern an die Vertreter Ruß lands im Auslande vom 27. April: Die Presse des Auslandes verbreitet in der letzten Zeit hart näckig Gerüchte über die bei einigen europäischen Regierungen auf getauchten Absichten einer friedlichen Vermittelung behufs einer schnelleren Beendigung des russisch-japanischen Konfliktes. Eingegangene Telegramme meiden sogar, der kaiserlichen Regierung seinen bereits Vorschläge in solchem Sinne gemacht. Die Vertreter sind bevoll mächtigt, diese Meldung aufs kategorischste zu dementieren. Ruß land wünschte den Krieg nicht und tat in den Grenzen der Möglichkeit alles, um die im fernen Osten enstandenen Verwickelungen auf friedlichem Wege zu lösen; doch nachdem treu losen Ueberfalle Japans, der Rußland gezwungen hatte, zn den Waffen zu greifen, kann augenscheinlich keinerlei friedliche Ver mittelung Erfolg haben. Gleicherweise wird die kaiserliche Regierung Feuilleton. SOI Das Testament des Lankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck verboten. Inzwischen waren beide Parteien der Prozeßgegner in emsiger Arbeit, um das Beweismaterial zu sammeln und alles für die Entscheidung vorzubereiten. Im Wal- dorf-Hotel fanden hinter verschlossenen Türen zahlreiche Besprechungen statt, und Telegramme flogen nach allen Richtungen. Herr Sutherland schien sich zu vervicl- faltigen. Unter andern: war ein Hauptpunkt seines Be- strebens, den Beginn der öffentlichen Verhandlung hin- auszuschicben, und eines Tages erschien er gutgelaunt und rief schon beim Eintreten seinen drei beisammcnsitzenden Freunden zu: „Na, Gott sei Tank, ich hab's erreicht — der Termin wird erst für Anfang Dezember anberaumt." „Das ist vortrefflichI" jubelte Herr Barton. „Besonders in Bezug auf den Inhalt dieser Depesche. Lesen Sie einmal!" Sutherland nahm das Telegramm. „Ei, der Kuckuck!" rief er, „Firson hat die Stadt verlassen. Das hat etwas zu bedeuten!" „Und zwar sehr viel", nickte Barton. „Unzweifel haft hat er die Spur gefunden, und das ist bei ihm fast ebensogut, als hätte er schon das Wild." „Hören Sie", frohlockte Sutherland, sich vergnügt die Hände reibend, „dieses Drama wird mit einem Knalleffekt enden, wie er großartiger mir in meiner zwanzigjährigen juristischen Praxis noch nicht vorgekommen ist!" Tie ganze Gesellschaft lachte und Herr Barton sagte: „Es wird Sie interessieren, daß auch mein Bruder Ihre Ansicht teilt. Er kabelte heute, ich solle ihm jeden- falls den Termin melden, an dem cs zum Schlagen kommt, denn nicht um die Welt, sagt er, wolle er es ver- säumen, diesem Schauspiel beizuwohnen." Die Sache nahm nun ihren Weg. Ganz wider Er warten erklärte Ralph Mainwaring sich mit dem Auf schub einverstanden, als ihm Herr Whitney darüber be richtete. So trat der Waffenstillstand ein. Der Diamantenhändler. Ein trüber, unfreundlicher Tag Anfang Dezember neigte sich zu Ende, als der Expreßzug einer der trans- kontinentalen Eisenbahnen unter Sturm und Regen vor dem langen, niedrigen Bahnhofsgebäude einer Minen stadt des Westens anhielt. Ter Zug stand noch nicht still, als ein Mann gewandt von einer Wagenplattform sprang, durch das wartende Publikum schlüpfte und sich im Schatten verbarg. Kein Mensch beachtete ihn, niemand aber entging seiner Beob achtung. Ein großer, in Pelz und Mütze vermummter Mann, der einem der Hinteren Wagen entstieg und mit hastigen Schritten an ihm vorbeieilte, fesselte seine Auf- merksamkeit. Er folgte ihm unbemerkt zu einem Wagen und erlauschte den dem Kutscher gegebenen Befehl: Jeffersonstraße 545. „So. endlich hätte ich den Fuchs im Bau", murmelte er, während er beim Scheine einer Laterne die Adresse notierte. Tas trübe Licht der Laterne beleuchtete ihn. Er war ein Mann unter Mittelgröße. Der tief in die Stirn ge zogene weiche Filzhut verbarg den ganzen oberen Teil des Gesichts und ließ nur eine Habichtsnase und einen dicken schwarzen Schnurrbart erkennen. Nachdem der Fremde seine Notizen beendet hatte, schritt er zu einem Wagen und fuhr nach einem Hotel. Dort angelangt, ließ er sich eines der besten Zimmer geben, schrieb sich in das ihm vo»-gelegte Fremdenbuch als A. Rosenbaum aus Berlin ein und begab sich dann in den Speisesaal. Nach beendeter Mahlzeit ging er in das all- gemeine Gastzimmer und setzte sich dort, mit mehreren englischen und deutschen Zeitungen versehen, an ein etwas abgesondertes, ruhiges Plätzchen. Er trug jetzt einen feinen schwarzen Anzug, an der linken Hand einen Ring mit einem selten schönen Rubin, und im Chemisett einen prachtvollen Diamanten. Anscheinend war der Fremde ganz in die Lektüre vertieft, doch glitt jedesmal ein schneller Blick über die Zeitung hinweg, sobald neue Gäste das Lokal betraten. Unter diesen bemerkte er nach einiger Zeit den Herrn, dem er auf dem Bahnhofe seine besondere Aufmerksamkeit zugewandt hatte. Dieser sah sich zuerst suchend um und wählte dann seinen Platz ganz in der Nähe von Herrn Rosenbaum. Er hatte graues Haar, einen starken Bart von gleiches: Farbe und trug eine dunkle Brille. Nachdem er mit dem Rücken gegen das Licht Platz genommen hatte, zog er ein Bündel gedruckter Papiere hervor, mit deren Durchsicht er sich beschäftigte. Nach einer Weile trat der Hotelwirt zu Herrn Rosen- bäum und sagte: „Sie haben sich schlechtes Wetter für den Besuch un- serer Stadt ausgesucht. Sie sind wohl fremd hier?" Dec Angeredete hob langsam sein Gesicht und er widerte achselzuckend init unverkennbar deutschem Accent: „Wenn ich mich um das Wetter kümmern wollte, würde ich nicht weit kommen." „Ja freilich, wer viel reist, muß es nehmen, wie er's trifft, aber in einer schönen Gegend, wie die unserige, will man doch auch etwas sehen. Sie bleiben aber vielleicht länger hier?" „Je nachdem das Geschäft geht." „Ah, ich verstehe. In welcher Branche reisen Sie?" Statt einer Antwort reichte ihm Herr Rosenbaum seine Firmenkarte: „Gebrüder Rosenbaum, Diamanten- Händler, Berlin." „Ei, Tiamantenhäudler! Tas läßt man sich gefallen!" rief der Wirt mit Respekt. „Für solche Ware werden Sie aber kaum hier Käufer finden." Herr Rosenbaum schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich suche auch keine Käufer, sondern ich will s e l b st kaufen. Unser Geschäft ist sehr ausgedehnt. Wir haben Zweig geschäfte in Paris. Landon und New Dort, und diese alle zu versorgen, dazu reise ich." „Hierher?" sagte der Hotelwirt. „Ach, lieber Herr, da sind Sie an den falschen Fleck geraten." „Nun, da geht man eben weiter. Aber ich habe schon an ganz anderen Orten wie dieser recht schöne Steine und recht willige Verkäufer gesunden. Der Zufall spielt dabei eine große Nolle. Warum soll ich also mein Glück nicht auch hier versuchen?" „Gewiß, wenn Sie es so meinen, das ist etwas an- deres. Reiche Leute, die herabgekommen sind und zu- fällig noch einen solchen Schatz besitzen, gibt es überall." „Ganz recht, und auch noch andere, die nur auf die Gelegenheit warten, einen solchen Handel abzuschlicßen, und sich schon einfinden, wenn sie von einem zahlungs- fähigen Käufer hören. Aus welchen Gründen der eine oder der andere verkauft, darum kümmern wir uns nicht. Wir nehmen, ohne zu fragen, jedes gute Stück, das sich uns bietet." Während dieses Gesprächs erhob sich Herr Rosenbaum und hing den Mantel um. „Wollen Sic noch ausgehen?" fragte der Hotelwirt. „Ja; ich habe noch einen Ganz zu machen." Damit verließ er das Zimmer in dem Bewußtsein, daß sein stummer Nachbar trotz eifrigen Lesens doch die ganze Unterhaltung mit dem Wirte gehört hatte. In der Portierloge blätterte er einen Augenblick in dem Adrcß- buche, dann trat er ins Freie. Er schritt die Hauptstraße entlang und von da durch mehrere Seitenstraßen in eine dunkle, menschenleere Allee. Hier nahm er eine kleine Verwandlung mit sich vor. Er vertauschte den weichen Filzhut mit einer leichten Mütze und setzte sich eine goldene Brille auf. An einem alleinstehenden Hause angekommen, prüfte er die Num mer, stieg die zur Haustür führenden wenigen Stufen hinauf und klingelte kräftig. Erst nach einer ganzen Weile ließen sich schlürfende Schritte hören. Die Tür wurde aufgeschlossen, und ein häßliches altes Weib er schien, das ein in der Zugluft flackerndes Licht in der Hand hielt.
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