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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030407025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903040702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903040702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-07
- Monat1903-04
- Jahr1903
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Eigentlich braucht man als Antwort nur den Wortlaut der Mitteilung der „Politiken" über den Empfang in Erinnerung zu bringen: „Allgemeines Aufsehen erregte es, als die Kronprin zessin dem Kaiser den neugewählten Bürgermeister Jensen vorstellte. Der Kaiser begrüßte ihn und unterhielt sich lange und freundlich mit Herrn Jensen über das Rathaus und dessen Architektur." Die Vorstellung ist also durch die dänische Kronprin zessin erfolgt und konnte schon deshalb nicht abgelehnt werden, und dann hat sich die Unterhaltung um ein Thema gedreht, das ein Kaiser auch mit einem Sozialdemokraten erörtern kann. Aber es verlohnt sich doch, die Frage um zukehren und die deutschen „Genossen" auszufordern, zu sagen, was sie über die Bemühung des Sozialdemokraten Jensen nm den Empfang beim deutschen Kaiser denken. Denn das liegt doch auf der Hand, daß die dänische Kron prinzessin Herrn Jensen nicht vorgestellt haben würde, wenn dieser es nicht gewünscht hätte. In Deutschland wollen die Sozialdemokraten nicht einmal ihren Herrn Singer ins Reichstagspräsidium wählen — ganz abgesehen davon, ob er von den anderen Fraktionen gewählt werden würde —, weil Herr Singer als Mitglied des Präsidiums eine Audienz beim Kaiser nachsuchen müßte. Daß in Kopenhagen „Genosse" Jensen sich dem Kaiser hat vor stellen lassen, wobei er doch ganz ohne Zweifel die selbstver ständlichen Formen der Ehrerbietung beobachtet haben wird, sollten die deutschen. Sozialdemokraten eigentlich recht tadelnswert finden. Was den Kaiser weiter betrifft, so liegt natürlich der Fall so verständlich und korrekt wie möglich. Herr Jensen ist nicht als „Genosse", sonderiL als Kopenhagener Bürgermeister empfangen worden. Wenn er — obwohl „Genosse" — in Dänemark doch nach den Grundsätzen und Rechten der dortigen Vcrmaltungs- und Regierungspraxis Bürgermeister sein kann, ist er autoritäre und legale Persönlichkeit. Unser Kaiser hat selbstverständlich keinen Anlaß, an dem, was in Dänemark Recht und Gesetz ist, Anstoß zu nehmen. Sonst könnte ein Monarch, bezw. seine Regierung, doch auch nicht den Präsidenten einer Republik anerkennen oder es könnte der Gesandte einer Republik nicht mit der Regierung eines monarchischen Landes in offiziellem Verkehr stehen oder gar bei Hofe freundschaftlich empfangen werden. Daß unser Kaiser den Kopenhagener Bürgermeister empfangen hat, ist ganz selbstverständlich, daß aber „Genosse" Jensen sich vom Kaiser hat empfangen lassen und daß das Partei blatt der dänischen Sozialdemokratie unfern Kaiser mit einem ehrerbietigenArtikel begrüßt hat, das sindUmständc und Vorgänge, die unseren Sozialdemokraten Anlaß zur Kritik oder zum Nachdenken geben konnten. Mögen sie doch Herrn Jensen einen Rüffel zukommen lassen und seine Antwort dann veröffentlichen. Dann werden sie wohl nicht mehr fragen, was ihre Gegner von dem Empfange sagen., , . Das Poleutum ivl der Armee. Wie dieser Tage berichtet wurde, hat bei dem VI. Armeekorps (Schlesien! die Zahl der polnisch sprechen den Mannschaften so erheblich zugcnvmmen, daß der kom mandierende General,Erbprinz vvnLachsen-Meiningen, sich veranlaßt gesehen hat, eine schon früher von ihm erlassene Verfügung zu erneuern, nach der durch Erteilung deutschen Sprachunterrichts die Kenntnis der deutschen Sprache bei den Mannschaften gefördert werden soll. Zunächst ist vom allgemeinen politischen Standpunkte die Tatsache der er heblichen Zunahme der polnischen Sprache gerade bei den Mannschaften des VI. Armeekorps sehr interessant. Seit etwa 12 bis 15 Jahren, also seit der Zeit, da die jetzt in das Heer eingestellten Mannschaften mit dem Schulbesuche begonnen haben, hat die großpolnische Agitation in Ober schlesien sich ebenso zielbewutzt und rücksichtslos entwickelt, wie sic es in Posen und Westpreußen schon seit Jahrzehnten tut. Der Erfolg dieser Agitation tritt zweifellos in der starken Zunahme der polnisch sprechenden Rekruten zu Tage. Daß die Schule neuerdings weniger leiste als früher, wird man nicht annehmen dürfen. Wohl aber wird man zu der Annahme berechtigt sein, daß in der Zwischenzeit zwischen dem Verlassen -er Schule und dem Eintritt in das Heer, also zwischen dem 14. und dem 20. Jahre, der Heranwachsenden Jugend der national polnische Geist eingeimpst und deutsche Gesinnung und deutsche Sprache ausgetrieben worden sind. Es spricht alles dafür, daß diese Zustände in den nächsten Jahren sich noch verschärfen werden, was naturgemäß für die Ausbildung der Mannschaften des VI. Armeekorps sehr nachteilig sein wird. Um dieses Nachteils willen scheint uns die von dem kommandierenden General getroffene Be stimmung, daß bei einem Mangel an gutem Willen, die deutsche Sprache zu erlernen, den Soldaten jede Ver günstigung, besonders der Urlaub nach auswärts, zu ver sagen sei, nicht ausreichend zu sein. Wir halten es für geboten, daß diejenigen Soldaten, die nicht spätestens ein Jahr nach dem Eintritt in das Heer der deutschen Sprache durchaus mächtig sind, eindrittes Jahr unter der Fahne zu bleiben haben. Die zweijährige Dienstzeit durfte ein geführt werden unter der Voraussetzung einer gegen frühere Zeiten gesteigerten allgemeinen Durchschnitts bildung: aber selbst bei dieser Voraussetzung sind die An sprüche an Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften viel größer geworden, um in zwei Jahren das erreichen zu können, wofür früher drei Jahre vorhanden waren. Wenn nun ein Soldat der deutschen Sprache nicht mächtig ist und auch nach dem Verlaufe eines Dienstjahres sie noch nicht völlig beherrscht, so erschwert er nicht nur die Tätig keit seiner Vorgesetzten, sondern zugleich sich selbst die Möglichkeit, nach Ablauf der zwei Dienstjahre auf der gleichen Stufe der Ausbildung zu stehen, wie seine zur Entlassung kommenden Kameraden. Die Zurückbehaltung für ein drittes Jahr würde also nur im Sinne eines durch aus notwendigen Ausgleichs für von vornherein vor handene Nachteile nnd mindere Befähigung anzusehcn sein, nicht etwa als ein Akt der Willkür und der Strafe. Eine der Strafe ähnliche Wirkung würde allerdings vor handen sein: die Abschreckung. Weil das dritte Dienstjahr für den Soldaten selbst, wie auch unter Um ständen für seine Angehörige» in mancherlei Beziehung Nachteile mit sich bringen würde, so würden die Eltern der aus der Schule entlassenen Knaben eher dafür sorgen, daß diese die in der Schule erworbenen Kenntnisse der deutschen Sprache trotz der großvolnischen Agitation sich erhalten. Die Schule ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck: sie soll durch die in ihr erlernten Kenntnisse den Schüler zu dem Kampfe ums Leben vorbereiten, und dazu ist sicherlich die Kenntnis der Staatssprache eine der ersten Vorbedingungen. Die Armee ist in mehr als einem Sinne die Fortsetzung der Schule, und wenn sich also zeigt, daß der Schulzweck nicht erreicht ist, so hat die Armee nachzuhelfen, nicht zum Schabernack für den Soldaten, sondern zu seinem Segen. Neuauflage des Dreyfushandels. Der radikal-sozialistische Abgeordnete Jaures hatte be kanntlich vor einiger Zeit angekündigt, daß er den Drey- fusskandal aus der Versenkung wieder auftanchen lassen, daß er neues Material bekanntgeben und neue sensatio nelle Enthüllungen machen werde. In der gestrigen Sitzung hat denn auch der temperamentvolleBolksvertreter sein Wort wahr gemacht und mit seinen Enthüllungen be gonnen. Es wird uns darüber — kurz ist der Sache schon in einem Teile der Auflage des heutigen Morgenblattcs gedacht worden — das Folgende berichtet: Jaures wendet sich gegen Millevoye, der früher versichert hatte, daß eine Note des deutschen Kaisers existiere, und fordert ihn auf, zu erklären, wer sie ihm mit geteilt habe. (Bewegung.) Millevoye erklärt darauf, aus Gründen des Patriotismus weigere er sich, Jaures seine Unter stützung zu leihen, um die Dreyfusangclegenheit von neuem aufzurühren. Jaures verliest darauf einen noch unbekannten Brief des Generals Pellieux, den dieser nach der Entdeckung der ersten Fälschung Henris am 31. August 1898 an den Kriegsminister gerichtet hat. Der General schreibt: „Da ich von Leuten ohne Ehre getäuscht worden bin und auf das Vertrauen meiner Untergebenen nicht mehr rechnen kann, und da ich anderseits auch kein Vertrauen mehr zu meinen Vorgesetzten haben kann, die mich auf Grund einer Fälschung vor gehen ließen, bitte ich um meinen Abschied." (Anhaltende Bewegung.) Brisson erklärt darauf unter dem Beifall der Linken, daß Cavaignac, der damalige Kriegsminister seines Kabinetts, ihm diesen Brief niemals zur Kenntnis gebracht habe, und ruft, zu Cavaignac gewendet) „Sie verdienen in den Anklagczustand versetzt zu werden. Sie gehören nicht mehr der Republik an." Cavaignac erwidert, er habe damals seine Pfilcht getan, ernster, als Brisson zur Zeit des Panamaskandals. Brisson fährt fort: „Ich wußte, daß Cavaignac am 14. August von der von Henri begangenen Fälschung überzeugt war, er hat mich aber erst am 30. August davon in Kenntnis gesetzt. Heute erfahre ich von dem Briefe Pellieux'. Wenn Cavaignac mich nicht benachrichtigt hatte, so ist das geschehen, weil er sich in der Zwischenzeit mit Mercier in Verbindung gesetzt hatte." (Beifall links.) Cavaignac bestreitet, daß er die Fälschung schon am 14. August gekannt habe, ebenso, daß er sich mit Mercier verständigt habe. Redner stellt den Brief Pellieux' nicht in Abrede und erklärt, er habe geglaubt (!), Pellieux habe es leid getan, ihn geschrieben zu haben. Cavaignac erhebt Wider spruch gegen den politischen Charakter, der der Dreyfusange- legenhcit gegeben werde. Jaures erklärt darauf, die Re gierung hätte die Pflicht gehabt, auf die in dem Briefe Pellieux' enthaltenen Anschuldigungen einzugchen. Diese Pflicht sei nicht erfüllt worden. Das Ministerium müsse des halb eine Untersuchung anstellen und das Ergebnis der Kam mer mitteilen. Redner bittet dann, die Weiterverhandlung auf morgen zu vertagen, da er ermüdet sei. Das Haus be schließt der Bitte Jaures' entsprechend; die Sitzung wird auf gehoben. Die Nolle, die Cavaignac seinerzeit im Dreyfushandel gespielt hat, war, wie man sich erinnern wird, die denkbar kläglichste. Die Verheimlichung des Pellieuxschen höchst charakteristischenBriefes und die Motivierung derselben vervollständigen nur das Bild des in der Jesuttenschule große gewordenen „Retters der Republik". Man darf auf die weiteren Debatten gespannt sein. Daß freilich, wenn auch die Leidenschaften noch einmal hell auflodern werden, das Vorgehen Jaures' weitere Folgen haben wird, darf bezweifelt werden, da das Land sich ablehnend verhält. Man will die Wunden, die eben zu vernarben beginnen, nicht wieder aufgerissen sehen. Der russisch-französische Gegensatz in de« Orientfrage«. Aus Petersburg, 4. April, wird der „Intern. Korresp." geschrieben: Von bestunterrichteter Seite er halten wir folgende Darstellung der russisch-französischen Beziehungen: Die Pariser Blätter versuchen die durch die halbamtlichen Petersburger Zeitungen erhobene An klage betreffs der Unzuverlässigkeit der französischen Orientpolitik dadurch zu entkräften, daß sie behaupten, nur unmaßgebliche sozialistische Blätter Frankreichs hätten Partei für die bulgarischen Friedensstörer ge nommen. Damit wird und kann man sich jedoch auf russischer Seite nicht zufrieden geben. Es handelt sich hierbei nicht um Zeitungsartikel, sondern um Tat sachen, welche Rußland der französischen Regierung und deren Vertretern im Orient zur Last legt. Der jetzige Zwiespalt hat sich schon seit Jahren vorbereitet. Herrn De le ass 6 wirft man auf russischer Seite vor, er habe den Versuch des vorigen Kanzlers Muraw- jeff, während des Transvaalkrieges eine diplomatische Verständigung der europäischen Festlandsmächte zu stände zu bringen, absichtlich durchkreuzt. Man glaubt hier, Delcasse suche nach dem Wunsche der sozialistisch radikalen Partei Frankreichs einen Anschluß an England und Nordamerika, um nach dem Grundsätze, zwei Eisen im Feuer zu halten, das Bündnis mit Rußland entbehrlich zu machen. Auch mit der ost asiatischen Politik Delcafsos ist man in Rußland unzu frieden; doch der größte Stein des Anstoßes ist der Ehr geiz des Herrn Constans in Konstantinopel. Man behauptet hier, der letztere bekämpfe planlos und oft aus reinem Eigensinn die russische Oricntpolitik auf Schritt und Tritt, nur um Rußland zu angeblichen Zu geständnissen an Frankreich im Orient zu zwingen. Mit der Flottenkundgebung vor Mitylene habe Constans nur eine Kraftprobe gegenüber Rußland zum besten geben wollen; bei der Gelegenheit der Bagdadbahn-Kon zession habe er Rußland ärgern wollen, indem er die Be teiligung einer französischen Finanzgruppe durchsetzte. Der Eifer des Herrn Constans, eine Reorganisation der türkischen Staatsfinanzen mit Hülfe der augenblicklich unter französischem Einfluß stehenden Ottomanbank durchzuführen, erregt in Petersburg fortgesetzt Miß trauen, da die russische Regierung schon lange gegenüber den türkischen Finanzen eine ähnliche Stellung erringen wollte, wie in China und Persien. Unter diesen Um ständen konnte man in Petersburg auch nicht daran denken, bei der jetzt angestrebten Regelung der makedo nischen Frage die Mitwirkung der Herren Constans und Dclcassö in Anspruch zu nehmen. Das hat beide Herren FsriiHeton. «j Das Gold vom Widwatersrand. Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verbalen. „Peter ist ein Optimist. Seine gesamten geschäftlichen Unternehmungen sprechen dafür. Warum ist er hierher gekommen? Er hätte von vornherein wissen können, daß er auf einen brüderlichen Empfang bei mir nicht rechnen durfte; er war sogar gewarnt. Und wenn er überhaupt einer vernünftigen Ucberlegung fähig gewesen wäre, so würde er auf dem kürzesten Wege Louren«o-Marquez oder Durban zu erreichen gesucht haben, um sich auf eines seiner Fahrzeuge direkt einzuschifsen, anstatt nach Kapstadt zu kommen und mich in Verlegenheit zu bringen. In Eng land hätte er dann die Entwickelung der Dinge abwarten können. Die Sache wird nicht so schlimm auslaufen, wie e- augenblicklich aussieht. Gewiß muß man die Anführer vor ein Kriegsgericht oder den Obergcrichtshof stellen und auch das Todesurteil über sic verhängen, aber — Präsi. dent Krüger begibt sich in eine große Gefahr, wenn er durch Hinrichtungen Märtyrer schafft und den Riß -wischen den Engländern und Bürgern zu einem unhetl- baren macht. Er muß sich vorsehen und ist viel zu scharf blickend, um sich über die Folgen seiner Maßnahmen zu täuschen. Darum hätte Peter vor allem darauf bedacht sein sollen, sich vorläufig in Sicherheit zu bringen. Aber so ist er — feige. Da kommt er einfach her, mich zu kom- promittieren und meine Stellung zu gefährden." „Und wenn er den Kopf verloren, wenn er Hülfe von dir erwartet hätte, Vater? Ich glaube, er war von allen Mitteln entblößt. Hast du etwas Bestimmtes mit ihm verabredet, ihm einen Rat gegeben?" drängte Wilm voll Angst. Ihm kamen schreckliche Vorstellungen. „Er hat weder Geld noch Rat verlangt, sondern nur das unsinnige Begehren an mich gestellt, Cecil Rhodes zu veranlassen, sich bei der Transvaal-Rcgierung für ihn zu verwenden. Daß dies ebenso unmöglich als zwecklos ist, mußt auch du zugestchen." „Er ist im Aerger von dir gegangen — bald nach Mit ternacht." „Jedenfalls war es spät." „Papa, ist dir denn an Onkel Peter weiter nichts aus gefallen? Mir machte er den Nndruck eines Geistes gestörten." „Laß dich nicht auslachen, Wilm. Peter — geistesgestört! Daß er konfus war, wundert mich nicht, dem ist ja viel im Kopf herumgegangen. Ich habe übrigens nichts Unge wöhnliches an ihm bemerkt, so wie gestern sah ich ihn nicht zum ersten Mal. Peter war von frühester Kindheit an eine sich sehr widersprechende Natur. Mache dir seinet wegen nur keine Sorgen — der kommt schon wieder zu recht." Wilm war nicht im geringsten durch die Worte des Vaters beruhigt, sondern fühlte sich nach wie vor von schlimmen Vorstellungen gequält, eine Pein, die dadurch erhöht wurde, daß er sich außer stände sah, irgend etwas zu tun, und keinen Anhaltspunkt gewonnen hatte, Peter van Senden zu Hülfe zu kommen. Er machte sich Bor würfe, daß er in der Nacht nicht besser auf seiner Hut ge wesen und dem sich Entfernenden gefolgt war. „Ich fürchte, Papa, du hast dich getäuscht. Onkel Peter war in einem Zustand von Verzweiflung, der ihn vielleicht in den Tod getrieben hat." Die Worte des Sohnes machten auf Mynheer van Sen den einen häßlichen Eindruck. Er hatte in der Nacht ähn liches gedacht, und zwar ehe der Bruder gegangen war. Aber selbst diese Gedanken vermochten nicht seinen Vorsatz zu erschüttern, unter allen Umständen jede Gemeinschaft mit dem Berginspektor van Senden, der nicht nur als ein Betrüger, sondern auch als Rebell auf das Schwerste kom- promittiert war, von der Hand zu weisen. Er hatte Pflichten gegen sich selbst, gegen seine Familie und gegen diejenigen, die vertrauensvoll die Ausführung gewisser Pläne ihm überlassen. Sic durften sich nicht getäuscht sehen, sondern mußten es schützen lernen, daß keine Rück sicht von seiner Seite sie der Gefahr aussetzte, in Verdacht zu geraten. So überwand er auch jetzt eine unbequeme Schwäche. Er hatte nicht anders handeln können, als er getan, nnd Peter mußte so viel Ueberblick gehabt haben, daß er ihn nicht in eine unnütze Verlegenheit gebracht. Für die Fol- gen war gewiß nicht er verantwortlich. Mit kirrzen, bün digen Morten sprach er diese Meinung noch einmal auS, und glaubte dadurch seinem Sohn hinreichend die Unmög lichkeit bewiesen zu haben, auf die Absicht, nach Johannes, bürg zu reisen, zurückzukommen. Hierin aber sah er sich getäuscht. Konnte er dem Onkel nicht mehr helfen, so hatten um so mehr dessen Gattin und Tochter Anspruch aus seinen Beistand, und er besann sich nicht einen Augenblick, dem Vater dies unumwunden zu erklären, obwohl er nicht auf eine Zu stimmung desselben rechnete. Wenn er aber auch er wartet hatte, ihn ausbrausen zu sehen, so entsprach doch diese Vorstellung nicht der Wut, mit welcher Mynheer van Senden von seinem Sitz in die Höhe fuhr, um sich zornsprühend dem Sohne zuzuwenden. „Du mußt nicht klar im Kopfe sein, um eine solche wahnsinnige Idee beibehalten zu wollen und mir Schwierigkeiten zu bereiten. Wie denkst du dir das eigent lich? Zur Stunde mag Peter van Sendens Vermögen schon längst mit Beschlag belegt sein, und seine Bücher und Papiere befinden sich möglicherweise in den Händen der Regierung. Was willst du unter diesen Umständen in Johannesburg und was kann deine Anwesenheit nützen? Du wirst nur noch mehr Verwirrung anrichten und bringst dich und mich in die Gefahr, mit in eine Unter suchung verwickelt zu werden." Die Heftigkeit des Vaters übte nicht die beabsichtigte Wirkung, Wilm einzuschüchtcrn, aus, sie konnte auch nicht dessen Entschluß ins Wanken bringen. Der Ge sichtsausdruck des Sohnes bereitete Mynheer van Senden auf den AuSgang dieser Unterredung vor, und reizte ihn zu einem neuen Zornesausbruch, der nicht geeignet war, besänftigend zu wirken, es vielmehr Wilm leicht machte, auf das Bestimmteste zu erklären, daß er sich nicht einen Augenblick länger zurückhalten lassen werde. Nicht nur verwandtschaftliche Rücksichten verlangten sei« Kommen, auch der Wunsch des eigenen Herzens dränge zur Abreise. Er wolle Tante Grietje zur Seite stehen und Cato trösten. Die Festigkeit des Sohnes erschreckte Mynheer van Senden. Er hatte den Fall nicht erwogen, daß es ihm mißlingen könne, Wilm seinen Wünschen gefügig zu machen, sei es durch Strenge, vernünftige Vorhaltungen oder auch Bitten, denen er nie zu widerstehen vermocht. Bei dieser Gelegenheit erwiesen auch sie sich fruchtlos. Mit immer größerer Kälte erklärte der junge Mann, daß er sein gegebenes Wort zu halten gesonnen sei, und als er endlich eingesehen, daß der Vater seine Zustimmung nicht geben würde, ging er. Mynheer van Senden hatte flüchtig die Idee, den Widerspenstigen zurückzuhalten, selbst unter Anwendung von Gewalt. Dann kam ihm eine andere, nicht minder bizarr, aber sie wurde in ernstliche Erwägung gezogen. Wenn er sich an seine einflußreichen guten Freunde wendete und den Sohn verhaften ließ! Nur die Kürze der Zeit ließ ihn nicht zu einem Ausspinnen dieses Ge dankens kommen, der, zur Ausführung gelangt, zweifel los bewirkt haben würde, was er zu vermeiden ge wünscht: einen Verdacht mit seinem Gefolge von An schuldigungen und Gerüchten. In der Aufregung erwog er diese Gefahr nicht. Inzwischen hatte Wilm dem Diener bereits Auftrag gegeben, sein Gepäck nach dem Bahnhof zu bringen und sich bei der Mutter verabschiedet. Mrs. van Senden war sehr überrascht gewesen, den Sohn nun doch die Reise antreten zu sehen, zeigte auch eine auffallende Verstim mung. Sie machte aber doch nicht mit einem Worte den Versuch, ihn zurückzuhalten, sondern sprach nur die Er wartung aus, baß Wilm bald zurückkehren werde, und bedauerte seine Abwesenheit bei der Soiree. Endlich war er auf dem Wege. Wenige Augenblicke, nachdem Wilm das Haus ver lassen hatte, wurde nicht weit von dem Eingänge des Botanischen Gartens, unter einer Eiche, der Leichnam eines unbekannten Mannes aufgehoben, der durch einen Schub in die Schläfe sich getötet. Er gehörte offenbar den besseren Ständen an. Man fand jedoch weder Papiere, noch irgend Etwas bei ihm, das über seine Person hätte Auskunst geben können. In einer Börse aus Krokodilleder hatte er über 16 Pfund, außerdem in einem Portefeuille eine namhafte Summe in Banknoten, so daß die Annahme, daß Nahrungssorgen den Unglück lichen in den Tod getrieben, von vornherein ausgeschlossen erschien. Während der Fahrt hörte Wilm viel von den Vor gängen in und um Johannesburg. Jeder neu ein steigende Fahrgast wußte zu berichten. Zwischen Pretoria und der aufrührerischen Stadt lagerten bereits 12 000 be- wafsnete Burghers, sie nötigenfalls mit den Waffen in der Hand zur Uebcrgabe zu zwingen. Diese war noch nicht erfolgt. Man vermutete auch, daß ein Beilegen der Feindseligkeiten nicht ganz so leicht von statten gehen werde, da die Bestrafung der Rädelsführer, die unbe dingt in der Hinrichtung derselben bestehen müsse, schon einen neuen Konflikt im Schoße trage. Wenn mau sich nur erinnern wolle, welches Uebermaß von Leid dem Oranje-Freistaat vor 25 Jahren aus dem gesetzlich von
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