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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920408029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892040802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892040802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-08
- Monat1892-04
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AbormementspreiS >, ta Hauptexpeditio, oder den tm Stadt, tqirt -ad de» Vororten errichteten «»«- Äeftelleu adgrholt: vierteljährlich^ 4ckH tweim-liger täglicher Zustell nag tu« Heu« » LöO. Durch die Post bezogen für L»iltlchland und Oesterreichs viertel,ährlich o» 8.—. Direkte tägliche Üre«jbaad>eai»ing ins Ausland: moaatiich -«l 9.—. UeNorgen-Au-gab« «scheint täglich '/.? Uhr. Ar «bend-Äusgab» Wochentag« b Uhr. tiedaction und LrveLition: 2ahannes«afie 8. DieTrvedition ist Wochentag» »»unterbrochen *äjsa«t von sinh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: kN» Nie««'s Larti«. tAlfre» Hahn). Uaiversilütsstraß« 1. L»»t« Lösche. itatharinenstr. 11. pari, »ab K-utgSvlatz 7. ^ I8l. Abend-Ausgabe. WM.TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschästsverkelir. Freitag den 8. April 1892. JnsertionspreiS Tie 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklame» unter demRedactio»«ftrich <4g» spalten) bO-^, vor de» Famtlienaachrtchdu» ch gespalten) 40 Grvgere Schrille» laut unserem Preis» verzcichnig. Tabellarischer uad Ziffernsatz nach höherem Takts. Hktra-Beilagen (gesalzt), nur mit de» Morgen-A,>»gaöe, ohne Postbefürderung 80—, mit Poslbesorderung 70.—. Ännatimkschluk für Inserate: Nbend-Au»gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge»-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh 0 Uhr. Lei den Filiale» und Annahmestellen je rin» halb« Stunde früher. Inserate sind stet» an die Extzetzitt«» zu richten. Druck und Verlag von T. Polz in Leipzig 8«. Jahrgang politische Tagcsschan. * Leipzig. 8. April. Die „reinliche Scheidung" im Lager der preußi schen Konservativen scheint sich rascher vollziehen zu sollen, als noch in den letzten Tagen erwartet wurde. Die Initiative zu dieser Scheidung hat die conservative Fraction des Herrenhauses ergriffen, indem sie, wie bereits telegraphisch gemeldet worden, an Herrn von Hcll- borf geschrieben hat, daß derselbe nach den jüngste» Vor gänge», speciell den Erklärungen in Nr. l-ia des „Conserv. Lockenblalles" selbst die Ueberzeiigung haben werde, daß er tn Fraction nicht mehr angrhöre. Ob der Gemaß- regelte seinen Austritt bereit« vollzogen hat, geht aus den vorliegenden Meldungen noch nicht mit Sicherheit hervor. Es wirk il»u aber nichts AiitereS übrig bleiben, und cS fragt sich nur, wer ihm folgt. Gleichzeitig mit dieser Maßregelung hat die conservative HerrenhauSfraction eine Demonstration gegen das nrue Regime in Scene gesetzt, indem sie dem vorigen CultuS- minister Grafen Zedlitz durch eine Adresse den Ausdruck „ihrer höchsten Verehrung und dankbaren Liebe" vermittelte. Der Wink mit dem ZaunSpsahl ist auch im letzteren Falle deutlich genug. Wer an diesen Gefühlen der „höchsten" Ver ehrung sich nicht eins mit den demonstrirendcn FraclionS- geiwssen suhlt, mag ebenfalls seiner Wege gehen. Das Weitere zur Herbeiführung einer „reinlichen Scheidung" besorgt die conservative Fraction des preußischen Abgeordnetenhauses. Jetzt, zum Abschluß der LandtagSberathnngen vor Ostern, hat sie die Programmfrage voll anfgerolll; je 2 Referenten sind berufen worden, um die Juden-, die Börsen-, die Hand werker- und die agrarische Frage für ei» conservative» Pro gramm zu beantworten. Darüber wird sogleich nach Ottern verhandelt werden und dann muß sich zeigen, wie weil die Fraction des Abgeordnetenhauses das — Land hinter sich hat. Auffallend ist eS jedenfalls, daß von irgend cuier Mitwirkung der Reichötagsfraction bei dieser Hstrenlenbestcllung, überhaupt bei dieser Programmvorbc- rritung mit keinem Worte die Rede ist. Die rheinischen und mitteldeutschen Conservatioen haben aber bisher stet« mebr in letzterer als in der preußischen LandtagSsraction ihren Ausdruck gefunden. WaS die preußische» Liberalen betrifft, so mögen sie in höchster GemüthSrube den GährungSproceß ii» conservativcn Lager abwarten. Verändert man dort das Pro gramm in derart entscheidender Weise, wie eS den Anschein bat, so wird znm Herbste Zeit genug sein, auch die liberalen Programme daraus anzusehen, ob sie gegenüber der conser- vatioen Schwenkung einer Ergänzung bedürfen. Zunächst muß abgewartct werden, wen Herr von Helldorf, wen Herr von Hammerstein hinter sich hat. Gegenüber den noch immer in Umlauf befindlichen Ge rüchten. daß nach Ostern neue Veränderungen in den höchsten Reichs- und preußischen Staatsämtern zu erwarten seien, wird uns von unterrichteter Seite aus das Äestiiniiilcstc versichert, daß nichts vergleichen eintreten werde. Unser Berliner Gewäbrsmann fügt dieser Versicherung hinzu: „Graf von Caprivi hat den Ihm bewilligten Urlaub in der Thal so sebr nöthig, daß an diese Urlaubsreife irgend welche politische Folgerung unmöglich geknüpst werden kann. Ter Kaiser hegt de» dringendsten Wunsch, daß die jetzt getroffenen Uinänderungen als bauernde von allen Seiten angesehen iverdt» mögen; er hat den, Aeichstanzler nicht minder wie Herrn von Boetticher in aus- jnchiiender Weise zu erkennen gegeben, daß er da« Verbleiben der beiden Staatsmänner im Amte als die Gewähr einer dem Lande »oldwendigen Beruhigung betrachte, auch al« die Gewähr weiterer ersprießlicher Arbeit der verbündeten Regierungen mit dem Reichstag, kludrrerseits hat der preußische Ministerpräsident, GrafEulenburg, »ichls weniger als den Ehrgeiz, seine Stellung und seine Ausgaben erweitert zu sehen. Wir glauben eine in politischen Kreisen circu- lirende Bemerkung wiederholen zu sollen, da sie von maßgebender Stellt zu kommen scheint und die Auslassung kennzeichne», in welcher der Reichskanzler und Gras Eulenburg ihr Berhäilniß zu einander einzurichten gedenken. Tie Bemerkung bezieht sich aus eine in der Presse und im Parlament laut gewordene Besorgniß, Laß die Trennung der Aemter ein Widerspruch z» de», organiiatonichen Gedanken des odernen BenvaltungSbaueS im Reich und Preuße», deshalb auch unpraktisch und auf die Dauer unmöglich wäre. Hierzu sei von betheiiigter Seite bemerkt ivorden: daß die Trennung allerdings widersinnig erscheinen müsse, so lange am Bn» selb» noch viel zu thnn und der Banmeisier persönlich noch mitthulig war; warum aber svlllen sich zwei gute Freunde nicht vernändige» können, den serliggcslelllen Ban in alle» Theilen möglichst gut zu conserviren und, wo eS nöthig, weitcrsestcr zu machen? Man dars wohl z»- geben, daß in solcher Gesinnung eine gewisse Bnrgichast lieg! Lasur, daß die geschaffene Neuerung eine guic Weile Bestand haben tan», sosern nicht unerwartete Zwischensällc eintreten. In dem überein stimmenden Willen aller maßgebenden Stelle» liegt cs jedensalls, solche Zwischeniälle fern zu Hallen und — jeder an seinem Platze — den »öthigen Ausgaben der nächste» Zukunst sich ungestört widmen zu könne». Unter diese» Umstände» glauben wir wenigsten» de» Gerüchten bestimmt enlgegentretcn zu sollen, welche weitere Minister. Veränderungen derart ankündigen, als od dieselben höheren Orte» bereits beschlossene Thalsache» wären." In der bayerischen NcichSratbSkammcr bat die deutsche Socialgesctzgebuug dieser Tage eine Erörterung erfahren, welche Verwunderung und Widerspruch Hervorrufe» muß. Manches von dem, was der Referent, Herr v Poschingcr, an der ArbeitervcrsichernngS- bezw. der Arbeilerschntzgcictz- qebnng zu tadeln Halle, mag man als nicht unbegründet an- sehen. Daß z. B. die Verwaltnngskostcu der Unfallversiche rung im Allgemeinen noch immer zu hoch sind, läßt sich kaum bestreiten, und daß namentlich daö InvaliditälS- und Altcrö- versicherungSgesetz sebr empfindliche Lasten auscrlegt, vor Allein aber eine sebr starke Belästigung des Publikums zur Folge bat, ist auch durchweg anerkannt. Aber mit vollem Recht bat der bayerische Minister v. Feilitzsch heroorgckoben, daß daraus wohl die Folgerung der Nothwendigkcit von Ver besserungen und Erleichterungen in der fragliche» Gesetz gebung, nicht aber diejenige der Beseitigung derjelben gezogen werden könne. Und der bekannte frühere ReicbSlagSabgcorkiicle v. Hertling bat der Wahrheit gemäß zugsstanden, da» daö so viel geschmähte JnvaliditätS- und AllerSversichernngsgesetz sich leichter in die Praxis einlcbe, als man seinerzeit im Reichs tage erwartet babe. Wenn Herr v. Poschingcr meint, daß die ganze socialpolitische Gesetzgebung des Reichs nur die Ver mehrung der Socialdemvkralie zur Folge gcbabt babe, so ist das eine unerweiSbarc Behauptung, der sich mit gleichem Rechte die andere entgegensetzen ließe, daß obne diese Gesetz gebung das WachSthnm der Socialdcmokratie noch weit stärker gewesen sei» würde. Im Ucbrigcn ist diese Gesetz gebung dem Pslicktbewußtscin des Reichs gegenüber den arbeitenden Classen. nicht aber dem Wakne entsprungen, die svcialdemokratische Partei befriedigen zu können. Die fernere Bebauptung des Herrn von Poschingcr, die arbeitenden Elasten empfänden diese Gesetzgebung so wenig als Wohl- that, daß vielmehr gerade die besten Arbeiter um ikretwillen i» großer Anzabl ausgewandert seien, entbehrt noch mehr, als das Vorerwähnte, der beweisenden Anhaltspuncle. Was aber am meisten zum Widerspruch provocirl, ist seine Forderung, daß die Socialgesetzgebung den Einzel staaten uberwiesen werde. Damit wäre die Freizügigkeit, wäre das deutsche Staalsbürgcrrecht für die große Masse der arbeitenden Classen praktisch zu nichtc gemacht. Selt samerweise melken die Berichte nicht, daß diese Idee des Herrn von Poschingcr in der Kammer selbst zurückgcwicsen wäre. Um so notbwendiger ist cs, daß cS anderweit geschieht. Als im Jabre 1890 zum ersten Mal die lächerliche Kund gebung einer l. Maifeier austauchte, da gab es selbst in der socialdeniokralischcn Arbciterwelt Stimmen, welche auf die Bedenklichkeit und Fruchtlosigkeit von Masscnausziigen biiiwiese» Im vorigen Jabre ermangelten die Umzüge und sonstigen Festlichkeiten am l. Mai bereit- einer größeren Theilnahme und es steht bereits fest, daß in diesem Jahre in mebrercii großen Städten keine Arbeiteranszüge veranstaltet werte». So bat i» Wie» ei» Theil der dortige» Arbeiter öffent lich Einspruch gegen die Maifeier erboben »nd jetzt schließt sich auch die Pariser Arbeiterschaft solchem Vergebe» an. Daö in Paris zur Vorbereitung der Feier des 1. Mai ein gesetzte Arbcitcrcomitö bat den Beschluß gefaßt, a» diesem Tage keinerlei Abordnungen an die Bcbörden zu senden und keine Straßenm aiiiscstationeii zu veranstalten. In Leipzig bestand, wie schon gemeldet, bis vor Kurzem in den socialistischcn Kreisen die Absicht, eine l. Maifeier ver bunden mit großem, össentlichen Aufzug zu veranstalte». Dieses Vorhaben ist jedoch bereits durch die in jeder Bc- ziebung gerechtfertigte ablehnende Haltung der Bcbörden hinfällig geworden. ES batte anfänglich den Anschein, als ob im Tyroler Landtag ein heftiger Kamps nm die i» demselben vorgcleztc» Gesetzentwürfe über die Schulaufsicht und die öffent lichen Volksschulen entbrennen werke, weil in diese» Entwürfen dem katkolischen Klerus ein weitreichender Einfluß ans die Volksschule eingeränmt ist. Wie wir schon in einem Tbeile der Morgenausgabe melde» konnten, bat die Angelegen- beit insofern eine Wendung crfabrc», als der Fllbrer der Liberale», Prof. Wiltaner, erklärte, die Liberalen wollten die endgiltigc Annabmc des EntwnrscS, welcher zwar eine Reibe von Bcstiinmniigcn parteimäßigen Charakters enthalte, nicht hindern, weil er sich in de» Grenzen tcS Reichsvolkssckul- gesetzcS bewege »nd eie Bccndigniig tcS Schulkainpscö behen Werlb habe. Vorher batte der Brixener Bischof erklärt, die Bischöfe stimmte», obwohl die Kirche nicht voll befriedigt worden sei (!), dem Schulanfsicbtsgeietz zu, weil das Betürsniß zur Regelung der Schulverhälliiisse inimcr dringender werde. In Italien stebr seit Jabre» die Frage der Ebc- scheidung znr öffentlichen Erörterung, ohne daß die gesetz liche Regelung dieser Frage einen Schritt weiter vorwärts gelang« In den letzten Tagen bat zwar, knapp vor den Osterferien, der vormalige Znstizmiiiister Villa eine» aus die Ebcscheikuiig bezüglichen Gesetzentwurf ringebracht, die Ange legenheit scheint indessen abermals verschleppt werden zu sollen. Billa hielt eine warme Rede zu Gunsten der Schei dung. die er auf zwei Fälle beschränkt wissen will. Sie soll nur dann gestattet werde», wenn einer der Gatten wegen eine« gemeinen Verbrechens zu miiidesteuü zwanzigjähriger Zuchthausstrafe vcrurtheill worden ist, oder wenn freiwillige Trennung durch fünf — wenn Kinder verbanden sind — oder drei Jabre — bei kinderlosen Ehe» — vorkergcgangen. Selbst diese äußerst beschränkte Scheidung fand in Bonghi einen scharfen Widersacher. Der einstige Unterrichtsminister bebanptctc, die Scheidung würde für die liiileren Volksclasien eiiie Ourlle des Un glück-werten; der Staat könne sie nicht zulasten Der Justiz minister Cbimirri erklärte, bis jetzt seien alle Gesctzentwürse über die Scheidung an dem Widerstande der öffentlichen Meinung gescheitert; er wolle über die Nützlichkeit der Scheidung nicht spreche», babe aber nichts dagegen, daß man Villa'« Entwurf in Berathung ziehe. Der Entwurf ward daraus an die Bureaux verwiesen. Dort bleibt er vielleicht länger wie seine Vorgänger, und die Anomalie, daß in einem Lande, in welchem die bürgerliche Trauung allein gilt und die kirchliche null unv nicklig vor dem Gesetze ist, absolut keine Scheidung stattsindcn darf, bleibt sortbestebe». Der Geistliche kann »i Italien keine Ehe rechtSgiltig machen, die Ehe aber, welche vor dein Bürgermeister oder seinem Stell Vertreter geschloffen wird, ist unauflöslich. In Spanien wird mit de» Ausweisungen fremd ländischer Anarchisten fortgefabren. Die dortige Geben» Polizei entwickelt eine äußerst rübrige Thätigkeii, um der Ccntralleituiig der spanischen Anarchisten aus die Spur zu kommen. Der Tirector der Ferro carilis dcl Nortc (Eisen bahn-Gesellschaft) bat mekrrre Drohbriefe erhalten, daß, falls er nicht die vor kurzem inastenbast entlassenen Arbeiter der Gesellschaft wieder ciiistellcn würde, das Dircctionsaebäude mii Dynailiit in die Lust gesprengt werde. Auch der Minister präsident CanovaS und mehrere conservative Abgeordnete Kaden anonyme Schreiben erkalten, worin sie mit dem Tote bedroht werken, wenn eine Verschärfung des Straf gesetzbuches bezüglich der Anarchisten vargeiiomiiien werden jollte. Sämmtlichc össeiiUichc» Gebäude »i Madrid werden oon Militairposlen und Geheim Agenten der Polizei bewacht. In Barcelona wurde ei» Individuum verhaftet, bei dem wichtige, niekrcre anSläudischc und spanische Anarchisten com- proiniuirende Papiere und Drnckschnsten aufgcsunde» wurden. Man verniulbet, ciiien Fübrcr der Anarchisten i» de» Händen zu haben. Eine Meldung der „Magdcburgischen Zeitung" aus Madrid vom 7. April lautet: „Heute Vormittag wurden 74 ausländische Anarchisten in Be» gleitiiiig von Gendarmen »ach Hendanc gebracht und dort de» fran zösische» Behörden übergeben. Aus Barcelona verschwanden in den letzten Tagen zahlreiche Anarchisten. Man glaubt, daß diese die iraiizöslsche Grenze Überschritte». In d>n Städten Saragossa, Bilbao, Sevilla, Cadix und Valencia fanden zahlreiche Anarchisleii-Verhastniige» statt." Ta die russischen Meldungen über den Nothstand sebr von einander abwcichen und sich säst widersprechen, indem die einen blos die Notk der Bauer», die anderen nur die glänzenden Ergebnisse der VerpflegiingSauSschüsse betonen, o will eS zweckmäßig erscheinen, die Anschauung dcö vor Kurzem an» dem Kreis Samara »ack Petersburg zurück- gckcbrtcn Beauftragten des WokltbätigkeitS Ausschußes in Philadelpbia, Mr. Blankenburg, mitzutheilcn. Dieser amerikanische Pbilantbrop erklärte ganz offen, daß die furcht bare Notblage der russischen Bauern auf ihn einen höchst betrübende» Eindruck gemacht babe. „In Amerika hat man keine Ahnung, daß eine solche Roth über- Haupt möglich sei. Ich überzeugte mich. Laß sie in Wirklichkeit sehr groß ist. Vo» Hunger ist aber trotzdem keine Rede. Die Persön lichkeiten, welche die Verpflegung teilen, stehe» ans der Höhe ihrer Ausgabe. Ich iah mit eigene» Augen, wie gewissenhasl die Semststa Natichalniki, Geistliche, Dorsschullehrer und besonders russische Frauen ihre Pflicht, die Noch zu linder», ersullen." Im Allgemeine» kommt der Amerikaner zum Schluß, daß Rußland alle Chancen bat, Amerika vom europäischen Getreide- markt zu verdrängen. Selbstverständlich könne davon keine Rede sein, so lange dem Boden, was nur möglich, entzogen, aber nichts wiedergcgcben wird Düngung scheine ihm in Rußland ein ganz unbekanntes Ding zu sein Sobald aber der Boden rationell bearbeitet wird, die Industrie sich in gesunder Weise entwickelt, verliere jede Mißernte ihre Schrecken. Deutsches Reich. D. Leipzig, 8. April. Der zweite Strafsenat des Reichsgerichts verwarf heule die Revision des Schrift steller- Wilhelm Heinrich PüuS, früheren NedacteurS des socialdeniokralischcn Volksblaltes in Dessau, welcher vom Land gericht Berlin II am 20. Januar wegenj Vergeben- gegen die vsscntliche Ordnung (tz. tllt) zu Gesängnißstrafe vernrtheilt worden ist. Die Verhandlung vor dem Reichsgerichte fand unter Ausschluß der Lesfentlichkcit statt. Berlin, 7. April. Die CivilgcsetzbuchScom- mission bat in dieser Woche die Dcralhungen über Miethe und Pacht begonnen und mit großer Mehrheit den Grund satz „Kauf bricht nicht Miethe" ausgestellt. Wird das vrr- »iiclkcte oder verpachtete Grundstück während der Dauer de« MietbS- oder PachtverbältnisteS veräußert, so tritt der Er werber in die Rechte und Pflichte» des VermiethcrS gegen über dein Mictber ein Sehr cingcbend wurde die Frage erörtert, ob die Fortdauer de« MictdSverhältnisseS gegenüber dem Erwerber davon abhängig gemacht werden solle, daß ein schriftlicher MictbSvcrtrag vorliege; nach längeren Fe«»lletsn. Moderne Junggesellen. 7j Roman von B. W Zell. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Ach, schluchzte jetzt Franzi, mit meinem Sonnenschein ist'S vorbei, für immer! Ihr hier draußen in Eurer sclbst- zeschaffcnen schönen Welt der Arbeit und Anspruchslosigkeit lvißl ja gar nicht, wie ernst unv schwer das Leben ist! lind das wüßte unsere kleine Franzi? fragte die Professorin lächelnd. Die Wissenschaft kam schnell über Nacht. Und bcch haben Sie diese Nacht fröhlich durchtanzt, so viel ich weiß. Ja, aber dazwischen liegen Stunden, entgegnete Franzi, sich fastend und die Thräncn trocknend Eine einzige genügt manchmal, über unser Leben zu entscheiden, ihm eine andere Wendung zu geben. Eigentlich darf ich wohl noch nicht dar über sprechen, aber Rose ist meine einzige Freundin, und Sie, Frau Professor, verehre ich wie eine Mutter. Hört denn — ich soll bcirathen. Und wieder schluchzte sie auf und barg daS Gesicht in den Händen. Da« große Unglück! lächelte Frau Blangenet. Ich sagte es ja — Aprilschauer, die Segen vorbereitca. Rose aber begriff, sie war leicht erblaßt und schlang ihren Lnn um die Freundin. Du Aermste — hriratben! Und wen denn nun gar! Etwa bei, Onkel Ministerialratb oder den dicken Major. Nein — Len Grasen Remmclin. Ab, den! Man könnte ihn gelten lassen, wenn nicht — aber so geht eS doch nicht. E» muß sein — versiebst Dn denn nicht? Eben weil ich nickt reich bin, sagt Mama — ach Gott, wie bin ich unglücklich! Die Frau Professorin, welche noch immer nicht ganz begriff, legte daS gütige Gesicht in ernste Falten und schickte sich ebni an, dem thörichten Kind da« Köpfchen ein wenig zurecht- zusctzen, als die Hausglocke gezogen wurde und dann > draußen im Gange leichte Schritte sowie die letzte Strophe eines BurschenlicdcS ertönten. Die beiden Mädchen fuhren aus, Franzi trocknete eilends die Tbränen und in den braune» Augen leuchtete cs aus, während die Lippen noch schmerzlich zuckten. Es ist Victor, sagte Rose, und die Blicke der Freundinnen senkten sich ineinander, um sich gleich daraus der JünglingS- gestalt zuzuwenden, die eben nach flüchtigem Klopsen ins Zimmer getreten war. Baroneß — Sie hier! Jubel in der Stimme und Selig keit im Auge gaben den einfachen Worten einen Inhalt, der die Professorin überrascht ausmerken ließ. Ein schneller Blick auf Franzi, die wie »lit Gluth Übergosse» dastand, und die Dame begriff jetzt plötzlich Alles — nicht eben zu ihrer Freute. Victor Blangenet besaß Selbstüberwindung genug, dem ersten, unvorsichtigen Ausruf eine formelle Verbeugung folgen zu lassen und dann vorerst seine Tante ehrerbietig zu begrüßen. Darauf wandte er sich zum BäScken. Nun, Rose — Du solltest Dich bei mir bedanken. Ich komme extra her, um anznfrage», wie Dein erstes Auftreten in der Gesellschaft verlausen. Hast Dich hoffentlich würde voll betragen und keine Narrcnstreiche verübt? Na, na, ich traue Dir nicht ganz. Du Schelm! Rose verzog spöttisch die frische» Lippen. Hab dem Herrn Studiosus am Ende gar Schande gemacht, mich so hoher Verwandtschaft unwürdig gezeigt, neckte sie. Frag doch einmal an bei der Frau Baronin, ob sie mich das nächste Mal wieder einladet — ich glaube kaum. Victor lachte und trat jetzt erst zu Franzi Darf ich auch hier ansragen, ob der gestrige Abend Genuß brachte, gnädiges Fräulein? Grwiß — das heißt — aber sprechen wir doch nicht weiter davon. Diese Gesellschaften sind alle gleich, was ist darüber Besonderes zu sagen. Lassen Sie mich lieber Ihnen danken für den herrlichen Strauß, den Sic mir neulich sandten. Ich war entzückt davon und muß Sie doch schelten, denn man sagte mir, die Blumen seien sehr kostbar. Kann für Sie etwas zu kostbar sein? fragte er mit strahlendem Blick in ihre Augen. Die Kran Professorin aber horcht« verwundert auf. Ein Strauß, ein sehr kostbarer Strauß — ei, ei! Und davon erfahre ich erst heute? Victor bat doch sein Vielliebchcn an Franzi verloren! rief Rose eilfertig. Was sollte er da ander- geben als Blume» — sprachen wir denn noch nicht davon, Dintterchen? Nein, sagte Frau Blangenet gedehnt. Rose aber fuhr zu FranrI gewendet fort: Und über die Kostbarkeit brauchst Du Dir keine Sorgen weiter zu machen — ich konnte Dir gestern noch gar nicht inittbeilen, welch unverschämtes Glück Victor gehabt bat. Er ist nämlich Hauslehrer beim Instizininistcr geworden — oder doch wcnigstens bei testen Söhnen. Wirklich? Welch ein große« Glück für Sie — nehmen Sie meinen herzlichsten Glückwunsch! rief Franzi frob über rascht und reichte dem jungen Manne ibre Hand, die dieser an seine Lippen führte—welche Procednr nach Frau Blangcnet'S Ermessen merkwürdig viel Zeit erforderte. Jetzt erst nakm die kleine Gesellschaft Platz, Victor saß zwischen Franzi und Rose, der Tante gegenüber, die sehr still geworden war. Franzi aber plauderte angelegentlich weiter. Wie ist da« nur so schnell gekommen, Herr Blangenet? Ist die Stellung angenehm und wird sic von Dauer sein? Ich hoffe cs. entgegnete er zuversichtlich llnd wie ich dazu kam? Es war eben Glück, wie Rose richtig sagte Sie erinnern sich vielleicht, daß ich vor einem Jahr ein Stipendium errang Die wissenschastliche Arbeit, vermittelst deren cs geschah, kam durch Zufall — vielleicht auch aus Empfehlung eines der Professoren — in die Hände de« Ministers Ich ward zur Audienz befohlen, und als Ercellenz durch allerlei Frage» bald heran« batte, daß ich völlig mittellos bin und durch Stundengcben meinen Unter halt erringe, bot er mir die HauSlchrerstelle bei seinen Söhnen aus drei Jahre. So kamS. Gott sei Dank! seufzte Franzi aus tiefster Brust So sind Sie ja der leidigen Sorgen, von denen mir Rose oft sprach, überboben und ist mir ein Stein vom Herzen. Ihne», Baroneß? fragte er, sich verbeugend und mit leuchtendem Blick ihre Augen suchend Sie aber hielt dieselben beharrlich gesenkt, als sie jetzt treuberzig erwiderte: Freilich. Ich wollte ja doch Mama bitten, Ihnen die Mittel znr Vollendung Ihre« Studiums zu gewähren. Mama bätte eS gewiß gethan, kenn sic ist gut »nd großmüthig, aber gerade heute erfuhr ich, daß — daß sie eS nicht kann. Und darum, Frau Professorin — jetzt erhob sie die Augen voll kindlicher Reinheit zu dieser — darum beklagte ich vorhin so innig, daß wir nicht reich seien. Victor Blaiigcuct hatte diese Worte mit seinen Blicken von ihren Lippe» ausacsogcn und man sab ibm an, daß er seiner holdseligen Vorsehung am liebsten zu Füßen gestürzt und den Sannt ihre« Kleide« geküßt bätte. Da dies nicht anging, begnügte er sich, sich aus ihre Hände zu neigen und mit halberstickter Stimme: Dank, Dank! zu stammeln. Auch Frau Blangenet war gerührt und strich liebkosend über Franzis Haar. Cie sind ein gutes Kind — Gott erhalte Sie so. Ein schüchternes Klopsen ward an der Thür laut, Nanette steckte den Kopf bercin und erinnerte, daß es höchste Zeit sei, an de» Heimweg zu denken. FranziSca sprang sofort auf, auch Victor, als sei cS selbstverständlich, daß er mitgebe. Ein mabiieiider Blick Rose'S brachte ibn znr Besinnung und so half er dem Gast nur voll Haltung, in die Pelzjacke zu schlüpfen, wobei eS freilich geschah, daß Franzi durchaus nicht in die Aerinclöffnung gelange» konnte und Victor ibre Hand ergreife» »iiißlc, »>» sie bineinzusührcn Auch das Anziehen eines kleine» Jäckchens schien der Professorin ganz unvcr- bältnißmäßig viel Zeit in Anspruch zu nehmen, aber'was war da zu machen? Dafür stand Franz« auch jetzt endlich fix und fertig da, verabschiedete sich herzlich von der alten Dame, grüßte Victor mit langein Blick und Händedruck »nd ward von Rose binauSbegleitet, wo sich die beiden Freundinnen innig umarmten. Meine einzige Franzi — verzage nur nicht gleich — eS kann ja doch noch Alles gut werden! klang eS tröstend, und mit herzbrechendem Seufzer kam die Antwort: Ach, Du hast gut reden — wenn ick nur nicht zu heirathen brauchte! Ein letzter Kuß und FranziSca ging. Drinnen aber nahm die Frau Professorin den Herrn Neffen sehr ernsthaft ins Gebet Ich hoff«, Victor, Du vergißt nicht, daß eS eine Ehre für mich ist, wenn die Baronin Ratbenow mir ihr Kind an- vertraut »nd daß eS schmählich wäre, dies Vertrauen zu täuschen. In meinem Haus« werden keine Stelldicheu» gegeben.
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