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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980421010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-21
- Monat1898-04
- Jahr1898
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Es muß das natürlich dazu führen, daß hinsichtlich der Be setzung richterlicher Stellen und der Begründung einer Advocatur mehr Angebot als Nachfrage vor handen ist. Es giebt unter den Anwälten in größeren Städten Existenzen, die im Vergleich zu der Verantwortlich keit, welche ihr Beruf mit sich bringt, ein wahrhaft kümmerlich;» Einkommen haben und nur aus der Hand in den Mund leben, weil sie durch die scharfe Concurrenz am Orte nicht im Stande sind, ihre Praxis lucrativ zu gestalten. Ungeschicklichkeit der Anwälte ist keineswegs immer der Grund solcher Er scheinungen. Es ist vielmehr nur zu oft das numerische Anwachsen der Anwaltschaft an einem Platze. Wenn nun die letzten Jahre ergeben haben, daß noch ein Steigen des Angebotes juristischer Hilfskräfte bemerklich ist, so ergiebt sich damit auch eine inten sivere Concurrenz in der Anwaltschaft. Um so unbegreiflicher ist es mit Rücksicht auf diese Erfahrung, daß di« Novelle zur Civilproceßordnung diese verhängnißvolle Concurrenz durch eine Bestimmung noch erhöhen will, die als eine der unglücklichsten Bestimmungen bezeichnet werden muß, welche die neue Gesetz gebung überhaupt gezeitigt hat. Die Novelle will das Vertretungswesen nämlich unter Anderem dadurch resormiren, daß die Befugniß des Gerichts, gewerbsmäßige Winkelconsulenten zurückzuweisen, keine An wendung auf solche Personen finden soll, denen das mündliche Verhandeln durch Anordnung der Justizverwaltung gestattet worden ist. (Z 143, Abs. 2.) Das bedeutet die Einführung einer legitimen Winkeladvocatur, die nicht scharf genug bekämpft werden kann. Den Winkelconsulenten wird gewissermaßen Exequatur ertheilt. Sie werden in Gnaden angenommen und den Rechtsanwälten in ihrer Hauptfunction, der Verhandlung vor Gericht, soweit nicht zwang in Frage kommt, gleich gestellt. Eine solche Gleichstellung bedeutet aber für den An waltsstand zweifellos eine Herabwürdigung. Wenn man einen Tieferstehenden dem Höherstehenden gleichstellt, so stellt man den Letzteren tiefer. Jastrow bezeichnet mit Recht die geplante Concessionirung der Winkeladvocatur als eine bedenkliche Schmälerung des Ansehens der Anwaltschaft. Auch Stenglein stellt sich im neuesten Heft der „Deutschen Juristen - Zeitung" auf diesen Standpunkt. Auch er bezeichnet die Einführung einer „Anwalt schaft zweiter Claffe" als einen Mißgriff, gegen welchen in den betheiligten Kreisen energisch angekämpft werden müsse. Steng lein zeigt, wie sich der Anwaltsstand nach 1848 gehoben und wie er sich durch die Beseitigung des Ernennungsrechtes und Freigabe der Advocatur gerade zu Ansehen und Achtung Verholfen hat, während er vordem einen niedrigen Rang in seiner socialen Stellung einnahm. „Weshalb also eine Maßregel", fährt Stenglein fort, „welche geeignet ist, das mühsam errungene An sehen wieder in Frage zu stellen? Gerade das Auftreten vor Gericht ist das am meisten in die Augen fallende der Partei vertretung. Macht der Laie die Beobachtung, daß hierbei Leute, die kaum irgend einen Bildungsgang durchgemacht haben, in manchen Fällen vielleicht sogar erfolgreich, Anwälten gegenüber treten können, welche ein streng vorgeschriebenes Studium, so und so viele Prüfungen hinter sich haben, so kann es nicht fehlen, daß die öffentliche Meinung beide Classen von Parteivertretern zusammenwirft. Der Anwalt sinkt, der Rechtsconsulent steigt in der allgemeinen Schätzung. Dies wirkt aber noch weiter. Man kann dagegen die Augen nicht verschließen, daß der gegen wärtige Stand der Rechtskonsulenten auf der Stufenleiter der öffentlichen Achtung ziemlich tief steht. Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß unter ihnen ganz ehrenwerthe Persönlichkeiten zu treffen sind. Zumeist aber recrutirt sich der Stand aus Leuten, die anderweit in ihrem bürgerlichen Erwerb gestrandet sind und sich als reine Routiniers auf die Vertretung fremder Interessen werfen, nicht ohne verhältniß- mäßig häufig mit der Strafjustiz in Conflict zu kommen. Man wird aber kaum glauben können, daß das verehrliche Publicum zwischen concessionirten und nichtconcessionirten Rechts konsulenten scharf unterscheiden werde. Die erhöhte Werth schätzung jener wird diese nach sich ziehen, und damit der großen Masse der Parteivertreter ein weiteres, sehr zweifelhaftes Element zuführen." Gerade die letzten Ausführungen Stenglein's verdienen wohl erwogen zu werden. In der That werden von dem Zeitpunkt ab, wo die neue Bestimmung eventuell in Kraft träte, alle Winkeladvocaten ohne Ausnahme einen höheren Nimbus be kommen. Alle die früheren verunglückten Kaufleute, Bureau beamten, Schreiber, auch vielfach Studirende, die ihre Studien nicht beendet haben, die sich als „Volksanwälte" niederlassen, werden ohne Ausnahme von dem ahnungslosen Publicum als „beglaubigte" Rechtsvertreter angesehen werden. Und was giebt es darunter fü. „dunkle Ehceumänner'" Uns sind erst aus letzter Zeit wieder Fälle bekannt geworden, wo Winkeladvocaren ihren Mandanten schwere Verluste zugeführt haben. In einem Falle hat eine Frau, deren Mann verunglückte, durch den Leichtsinn eines Winkeladvocaten die ganze Unfallrente für sich und ihre Kinder eingebüßt. Der Winkel- advocat ist Wohl schadensersatzpflichtig, aber es nützt nichts, gegen ihn einzuschreiten, denn er ist in der glücklichen Lage, — nichts zu besitzen! Wie viel Unheil ist ferner namentlich in Grundstücks- und Erbangelegenheiten von den Rechtskonsulenten angerichtet worden! Alle solche Fälle sollten zu bedenken geben. Und liegt denn überhaupt eine Nothwendigkeit vor, con- cessionirte Winkeladvocaturen ins Leben zu rufen? Wir haben oben gezeigt, daß die Zunahme der Advocaturen es mit sich bringt, daß nicht einmal die Anwälte vollauf ihre Beschäftigung finden. Warum ihnen eine Concurrenz von Staats wegen bieten, die in alle Wege nicht zum Segen gereichen kann? Jastrow hat darauf hingewiesen, daß sich dieThätigkeit eines Rechtsconsulenten nur da nothwendig machen könne, wo am Sitze des Amtsgerichts gar kein oder nur ein Anwalt existirt. In der That ist das der einzige Grund, der sich hören läßt. Aber wird denn nicht heute schon in solchen Fällen der gebildete Laie vom Gericht zur Ver tretung herangezogen? Wir haben es wiederholt erlebt, daß in kleineren Ortschaften intelligente Gewerbtreidende mit der Ver tretung von Rechten Anderer betraut wurden. Der Richter macht eben dann keinen Gebrauch von dem Rechte der Zurückweisung. Diese Zulassung von Fall zu Fall hat aber schon um deswillen nichts Bedenkliches, weil der Richter in einem solchen Gerichts sprengel selbst am besten weiß, wer sich zur Vertretung einer Sache eignet, wem in dieser Hinsicht Vertrauen geschenkt werden darf. Diese Kenntniß entzieht sich der Justizverwaltung. Sir concessionirt ein für alle Male und hat sich, wie Stenglein hervorhebt, nicht einmal das Recht Vorbehalten, die Zurücknahme der Concession aussprechen zu dürfen. Sie kann dieselbe also nicht einmal entziehen, wenn sie hinterher erfährt, daß sie einen des Vertrauens unwerthen Mann concessionirt hat. Und liegt schließlich nicht eine große Ungerechtigkeit gegen den Stand der Anwälte in dieser Concessionirung, wenn man von jenen langwierige Studien und Examina fordert und ihnen schließlich zeigt, daß auch der Nichtjurist für diese Thätigkeit von Gesetzes wegen concessionirt werden kann? Nach unserem Dafür halten muß es für die Anwälte ein beschämendes Gefühl sein, solche „Kollegen" neben sich arbeiten zu sehen. Auch mit einer „Presse" für Rechtsconsulenten, wie sie Eugen Schiffer vor schlägt, in der ihnen das Nöthigste der Rechtswissenschaft ein getrichtert und eine Prüfung abgelegt wird, ist nichts gedient. Die Rechtswissenschaft könnte überhaupt nicht als Wissenschaft gelten, wenn es möglich wäre, das „Nothwendigste" derselben innerhalb einiger Wochen einem Laien „beizubringen"! Wir halten die Concessionirung von Rechtsconsulenten für eine sehr unglückliche Idee und stimmen Stenglein vollständig bei, wenn er sagt: „Es ist höchste Zeit, daß die betheiligten Kreise ihr Interesse wahren, daß der Reichstag sich die Sache genauer überlegt, als es dessen Commission gethan hat. Möge der Himmel noch in letzter Stunde das rechtsbedürftige Publicum, vor Allem aber die schlechtberathenen Landleute, vor diesem Danaergeschenke bewahren! Wenn endlich die öffentliche Mei nung einsehen wird, was mit der geplanten Maßregel geschaffen werden wird, — geschaffen werden kann, ist unendlicher Schaden schon geschehen. Ein Stand ist leichter in dem ihm nöthigen Ansehen herabgezogen, als wieder erhöht. Die vernichteten Existenzen, die zerrütteten Rechtsverhältnisse der übelberathenen Bürger sind aber nicht wieder gut zu machen. Schließlich wäre auch den Rechtsconsulenten nicht gedient, wenn sie auf einen Posten gestillt werden, dem sie nicht gewachsen sind und der fü» Viele nur eine Fallgrube werden wird. Rechte zu nehmen, ist aber schwieriger als solche zu geben." Deutsche- Reich. * Dresden, 20. April. Die Antwort, die Se. Majestät der König der Vertretung der evangelisch-lutherischen Landeskirche auf die Ansprache des Präsidenten und Vice präsidenten des Laneescynsistoriums gegeben hat, hatte folgenden Wortlaut: „Meine Herren! Ich Lanke Ihnen für die Glückwünsche, die Sir Mir zu Meinem 25jähriaen Regieruiigsjubiläum soeben dargeüracht haben. Wenn Ich auf eine 25jährige glückliche und noch friedfertige Regierungs zeit zurückblicken darf, so verdanke Ich das insonderheit auch der evangelischen Geistlichkeit, die Mich in Meinen Be strebungen, den Frieden unter den Confessionen aufrecht zu halten, unterstützt und durch ihre Predigten und ihr Wirken es dabi» gebracht hat, daß Ich durch die Treue und Liebe Meines Volkes geradezu verzogen worden bin. Wenn Ich noch Eins hinzufügen darf, so ist eS die Bitte, daß Sie Mich auch fernerhin auf Ihren Gebeten tragen wollen, damit auch Meine voraussichtlich nur noch kurze Regierungszeit eine ebenso glückliche und friedliche sein möge, wie die bisherige." vcrliu, 20. April. Die Besorgniß aufrichtiger Freunde der conservativenPartei, es werbe durch allzuweit gehende Nachgiebigkeit der Conservativen gegenüber dem Bunde der Landwirthe innerhalb der conservativen Partei ein „Fer ment der Dccomposition" geschaffen, wird sehr erheblich ver stärkt durch die Nachricht freisinniger Blätter, daß die Ver trauensmänner der konservativen Partei des XIII. badischen Reichstagswahlkreises Bretten - Sinsheim - Eppingen einstimmig beschlossen hätten, für den Landwirth Lucke aus PaterShause», den Candidaten deS Bundes der Landwirthe, bei der Reichstagswahl einzutreten. Herr Lucke, einer der thätigsten und scrupellosesten Agenten der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe, ist als Reichstagscandibat in ter Nachwahl für Professor v. Marguardsen im pfälzischen Wahl kreise Homburg-Kusel bekannt geworden. Es verlohnt sich, in Erinnerung zu bringen, daß während der damaligen Wahlbewewegung Fürst Bismarck auf eine Anfrage des Pfarrers Schäfer in Spesbach unter Nichtbeachtung Lucke'S für den uationalliberalen Candidaten sich erklärte und daß die „Hamburger Nachrichten" am 3. Februar dieses Jahres in einem „Homburg-Kusel" überschriebenen Leitartikel an den Bund der Landwirthe die Mahnung richteten, die allgemeine nationale Sache nicht dadurch zu gefährden, daß er den Bogen Überspanne. Wenn jetzt die Conservativen einen so extremen Agitator, wie Herrn Lucke, als Candidaten annehmen, so wird die allgemeine nationale Feuilleton. Lubamsche Frauen. Die Damen in Havannah schildert vr. K. von Scherzer in interessanter Weise im Feuilleton der „Neuen Freien Presse." Zunächst verbreitet sich der Verfasser kurz über die Naturschön heiten der Insel Cuba. Er schreibt: Der gewaltsame Umschwung, welcher sich auf der Insel Cuba gegen die Jahrhunderte hindurch währende spanische Despoten- wirthschaft vorbereitet, hat neuerdings die Augen der ganzen gebildeten Welt in erhöhtem Grade auf die Perle der Antillen gelenkt. Schon Alexander v. Humboldt hebt unter den Vorzügen des Klimas von Havannah den Umstand hervor, daß man dort selten Glasfenster findet und gleichwohl nicht das geringste Ver langen nach einem Kaminfeuer verspürt. Der Naturcharakter der Landschaft von Havannah ist zwar nicht großartig und' imponirend, wohl aber heiter und lieblich. Auf keiner anderen- Insel der Antillen, sowie an keinem anderen Puncte des tropischen Festlandes von Amerika dominiren die Palmen so sehr wie hier, und ihr edler Schmuck bildet die reizendste Zierde aller Kast- hügel und Serpentinfelsen, welche sich rings um das Hafenbassin der Stadt und das Meergestade entlang bis tief in das Innere der Insel gruppiren. Der Palmenreichthum, die verschiedenen, bald buschförmigen, bald baumartigen Cacteen, die Mangos und Anonen, die Orangen- und Limonenbäume, die Sagoten- und Brodfruchtbäume, die Granat- und Olranderbllsche, sowie viele andere Kulturpflanzen der warmen Zone geben der Um gebung von Havannah einen ganz eigenthümlichen bunten Schmuck, welcher durch den ungemein milden Hauch der Atmosphäre noch gehoben wird. Und dazu denke man sich das herrliche, blau-grüne und fischreiche Antillenmeer, dessen bran dendes Wogenspiel am Campo de la Punta einen ebenso lustigen wie prächtigen Anblick gewährt; den herrlichen Hafen von Ha vannah mit seinem schaukelnden Wald von Masten und bunten, lustig flatternden Flaggen, das große Häusergewirr, die Cita- dellen und Forts, welche alle Hügel in der Nähe des Hafens krönen, und darüber die tiefblaue Kuppel des Tropenhimmels, mit leichten Wölkchen drapirt, so wird man die Anmuth eines BildeS begreife», welche» zwar nicht mit Rio de Janeiro oder Konstantinopel vergleichbar ist, wohl aber unzweifelhaft die glänzendste aller Städte-Ansichten Westindiens bildet. Havannah ist durch die breiten Alleen seiner Paseos oder Promenaden in zwei große Hälften getheilt. Die äußere Stadt ist jünger und luftiger, hat breitere Straßen und bequemere Trottoir», während die inner« Stadt älter und zugleich belebter ist, weil sich daselbst das geschäftliche Leben concentrirt. Der Mammon, welcher die Welt beherrscht, »eigt auch dort seine Macht. Ansehen, Einfluß und Leben»comfort sind in Havannah noch ausschließlicher als anderswo an Reichthum gebunden. Man ist schon etwas genirt, wenn man kein eigene» komfortables Hau» hat, und man leidet wirklich, wenn man nicht seine Volante besitzt, da» heißt einen kleinen Wagen ohne Kutschirbock, mit zwei Rädern und einem gewandten Neger vorn auf dem Sattel de» Pferde». Die Trottoir» sind in der alten Stadt so schmal, daß zwei Personen ohne geschickte» Drehen nicht einander aulweichen können. Damen der vornehmen Gesellschaft erscheinen öffentlich nur fahrend, und manches zierliche Füßchen soll das Straßen pflaster niemals berührt haben. Nicht einmal in dir Kaufläden treten die Sennoras und Sennoritas ein, sondern bleiben vor denselben im Wagen sitzen und lassen sich Putzwaaren oder was sonst ihr Herz begehrt, aus dem Innern zur Ansicht auf die Straße bringen. Schöne Häuser, glänzende Kaufläden und Equipagen und Spaziergänger findet man wohl in allen großen Städten der civilisirten Welt; aber eine so bunte und brillante Blumenlese von geputzten Damen, wie man sie an Sonn- und Feiertagen auf den Paseos der Havannah sieht, trifft man nicht einmal in den ersten' Hauptstädten Europas. Diese Sonntagspromenade ist das große Rendezvous aller hübschen Damen.der wohl habenden Stände. Reichthum, Mode und Putzliebe entfalten dort die buntfarbigste Pracht der Toiletten. Die Lieblichkeit des Klimas gestattet auch im Winter unter freiem Himmel die nämliche leichte Form des Kleides, wie auf den Bällen des Nordens in wohlgeheizten Sälen. Fast alle Sennoras der Havannah sind, wenn sie öffentlich erscheinen, ganz ähnlich costll- mirt wie bei uns nur die jüngsten Damen, wenn sie zu Walzer oder Polka in den Reigen treten. In unabsehbarer Doppelreihe fahren dann die Volantes. Die zu Fuß gehenden Caballeros bilden in den verschiedenen Alleen Spalier und betrachten wohlgefällig die kutschirendc Ge sellschaft. Der leichte, malerische, aber durch seine Länge etwas unbequeme Wagen blitzt in Lbersilberter Garnitur. Der Neger auf dem Pferdesattel hat seine schönste, mit Gold- und Silber borten reich verzierte Jacke an. Seine hohen, enganschließenden, mit Silber beschlagenen Reiterstiefel haben eine pittoreske Form, welche noch aus der spanisch-mittelalterlichen Mode stammt. Die Damen sitzen in zurückgelegten, offenen Wagen, gewöhnlich zu drei, in pyramidaler Gruppirung. Die jüngste und schönste Sennorita bildet die Spitze dieser Pyramide. Wir hatten zwar auch anderwärts Gelegenheit, die Schönen der Stadt in größerem Vereine zu sehen, wie z. B. im prachtvollen Theater Tacon oder auf den Bällen des Generalcapitains. Aber so günstig, großartig und eigenthümlich ist die Erscheinung der Creolinnen fast nirgends wie bei der sonntäglichen Paseofahrt, Po an Schmuck und Geschmeide, an wundervollen Blumen und flattern den Bändern in den Haaren, an rauschenden Atlas- und Seiden kleidern in den hellsten und schimmerndsten Farben eine Toilettenpracht zur Schau gestellt wird, welche selbst auf den Boulevards von Paris nicht ihresgleichen findet. Da die Vo- lanteS, des großen Wagengedränges wegen, meist sehr langsam fahren und die Absicht, den vollen Anblick ihrer darinsitzenden Schönheiten und ihrer eleganten Toiletten dem ganzen spazieren- den Publicum zu gönnen, von Niemandem verleugnet wird, so hat man hier die günstigste und angenehmste Gelegenheit, die ganze Creme des schönen und edlen Geschlechts von Havannah wie lebende Bilder einer Theatervorstellung an sich voruberziehen zu lassen. Die Creolinnen von Havannah haben meist eine sehr reiche Fülle glänzend schwarzer, prächtiger Haare, schöne, schwarze Augen, eine edle Stirn, einen feinen Mund und ein Kolorit welches unter der Beihilfe von Kunst meist blendend weiß erscheint. Wo durch den Einfluß des Klima« der Teint eine gelbliche Farbe angenommen hat, da versteht ein feiner Stoff, die CaScarilla de Merida, Rath zu schaffen, welche in Havannah in beträchtlichen Quantitäten consumirt wird. Die Profile sind zwar nicht immer tadellos, erinnern jedoch merklich an die edle castilische oder andulisische Abkunft. Der vorherrschende Zug der Ruhe in den Gesichtszügen erhöht die Schönheit, obschon er den Ausdruck von Geist und Anmuth zurückdrängt. Die Lebensgewohnheiten der Creolinnen sind von einer Ein förmigkeit, welche gegen den civilisirten Norden traurig absticht. Die jungen Mädchen erhalten nur die nothdürftigste Bildung. Häusliche Arbeiten werden einer wohlhabenden Dame für un würdig gehalten und sind fast ausschließlich den schwarzen oder farbigen Dienerinnen überlassen. Man lernt dafür etwas lesen und unorthographisch schreiben, ein wenig Stickerei, etwas Musik, ein wenig Französisch. Die Erziehung des weiblichen Geschlechts geht nur selten so weit, um Liebe und Hang zu poetischer Lectüre, zu erhebenden Versen oder interessanten Romanen zu wecken. Das Lesen selbst nützlicher Werke ist vom Tagewerk der Frauen fast gänzlich ausgeschlossen, indem Bücher in der Havannah als der entbehrlichste Luxus betrachtet wird. Es kommen mindestens zweihundert wohlassortirte Modemagazine auf einen ärmlich ausgestatteten Buchladen! Wo Intelligenz und Phantasie keine Nahrung finden, kann auch die geistige Anmuth, selbst wenn die allgütige Natur sie verliehen hätte, nicht glänzen und beglücken. Eine gewisse äußere Grazie vermißt man bei dem schönen Geschlecht von Havannah allerdings nicht. Imposante Haltung, majestätischen Gang und Würde im Benehmen zeigen die Creolinnen überall, wo sie öffentlich erscheinen, gleichviel, ob es in der Kirche oder im Theater, im Ballsaale oder im Circus bei den Stiergefechten ist. Aber es liegt in dieser creolischen Grazie etwas Künst liches, Angelerntes, Studirtes; Grazie des Geistes ist ihnen völlig fremd, und wo sie Gott gegeben, da wird sie durch den erschlaffenden Einfluß der Erziehung, der Gewohnheit und der Umgebung erstickt. Die Konversation der Havanneserinnen ist ebenso langweilig und platt in der Form wie leer im Inhalt. Selbst jene leichte Unterhaltung, welche in den alltäglichsten Dingen des Lebens feine Züge zu beobachten und den gewöhnlichsten Tages erscheinungen eine reizende Seite abzulauschen versteht, welche nicht die Tiefe des Verstandes herausfordert, sondern mehr das heitere Spiel der frohen Laune offenbart — sogar dieses moderne Genre von Unterhaltung fehlt in Havannah gänzlich. Wie man in einer so monotonen Weise, fast ohne irgend welche andere Beschäftigung, als jene der Toilette, der Tafel und einigem Piano-Geklimper, den langen Tag ohne quälende Lange weile hinzubringen vermag, wird nur begreiflich, wenn man erwägt, welche versöhnende Macht die Gewohnheit übt. Auch stimmt das Klima von Havannah gleich jenem der Tropenländer zum süßen Nichtsthun, zur gedankenlosen Träumerei und zu einer tiefen Avathie der Seele. Es ist eine Eigenart der Bauart der Häuser in der Havannah, daß man das Leben und Treiben der meisten Familien auch von der Straße aus beobachten kann, gewissermaßen beobachten muß. Man wohnt nämlich infolge der häufigen Erdbeben ziemlich allgemein zu ebener Erde. Die großen vergitterten Fensterbalcone reichen fast bis auf den Boden des Trottoir», haben keine Glasscheiben und sind, der frischen Luft wegen, fast immer geöffnet. Wer also nicht der Gefahr des Ueberfahren- werdens Trotz bieten will, muß sich daher auf den schmalen Fuß- wegen dicht an den Häusern halten und kann somit bei aller Discretion kaum verhindern, einen Blick seitwärts durch die weit offenen Fenster in den erleuchteten Salon zu werfen, wo er ganze Familiengemälde gewahr wird. Geputzte Sennoras und Caballeros, mit den reizendsten Kindern an der Seite, wiegen sich auf den rookin« otiairs und öffnen ur selten den Mund. Auch in ihrem Hause sind die Frauen und Fräuleins so ball mäßig gekleidet wie auf der Promenade, und scheinen noch mehr Vergnügen daran zu finden, gesehen zu werden, als Andere zu sehen. Der Contrast, welcher in den politischen Institutionen, sowie im socialen Leben zwischen den Hispano-Amerikanern und den Anglo-Amerikanern sich kundgiebt, erscheint am augenfälligsten im Familienleben und im socialen Verhältnisse der Frauen. In Nordamerika will Niemand sein häusliches Leben und sein Familienglück der öffentlichen Schau preisgeben. Das Theuerste und Heiligste im Leben würde man dadurch entweiht glauben. Man liebt bei sich das Ungenirte und außer dem Hause die Freiheit ohne Etiquette und Modezwang. In der eigenen Wohnstube ballmäßig sich zu putzen, blos dem vorbeispazierenden Straßenpublicum zu Liebe, kommt in Nordamerika Niemandem in den Sinn. Die Cavalierbegleitung ist dort nicht nöthig, um einer Lady den Respect des Publikums zu sichern. Ueberall findet sie den Schutz, dessen sic bedarf. Das Schicksal und die Behandlung der Frauen ist vielleicht der sicherste Höhenmesser der verschiedenen Civilisationsstufen. Man mag immerhin die politischen Institutionen Nordamerikas hassen, die Gröhe dieser Republik in dem nicht anerkennen, was sie für politische Freiheit und bürgerliche Gleichheit, sowie für praktische Lösung der socialen Association geleistet hat, so kann man doch die That- sache nicht leugnen, daß noch keine Nation der Erde der besseren Hälfte des Menschengeschlechtes mehr Freiheit gönnte, als die Nordamerikaner, daß keine, wie diese, es verstanden hat, die Frauen zu ehren. Wir wollen hier keineswegs eine Parallele ziehen zwischen der Civilisation des spanisch-amerikanischen Stammes und jener der mohammedanischen Völker des Orients, wenn die Be handlung der Frauen als Maßstab des Urtheils dienen soll. Selbst in seiner entartetsten Gestalt hat das Christenthum vor den vorgeschrittensten Völkern des Islam noch immer viel, sehr viel voraus. Wenigstens sehen wir nicht, daß die romanischen Völker, gleich den islamitischen Orientalen, ihre Frauen in Harems sperren und ihnen das Vergnügen mißgönnen, gesehen zu werden. Aber erst die Reformation und die ungeheure Bewegung für Freiheit und Gleichheit, welche darauf folgte, hat in den christlich-protestantischen Ländern des Nordens die Verehrung der Frau zur Pflicht und Sitte aller gebildeten Völker erhoben. Auf die Völker roman'schen Stammes hat dieses Beispiel zwar gewirkt, aber sie sind hinter dem protestantisch-germanischen Norden weit zurückgeblieben. Das Frauen-Jdeal in den ro manischen Ländern ist noch immer die äußere Schönheit, die Eleganz der Manieren und eine künstliche Grazie. Um dieses Ideal hat der Norden jene nicht zu beneiden. Er fordert An deres vom Weibe und stellt in seinem Ideal die Anmuth des Gemüthes noch Uber die äußere Form. Es sind andere, solidere Elemente de» Glücke» damit verschwistert, welche in romanischen Staaten nur als Ausnahme erscheinen: die wahre Weiblichkeit, das innige Familienleben und die dauernde Liebe!
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