Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920120029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892012002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892012002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-20
- Monat1892-01
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
IlboimernentOprelA k der Hau-terpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Au«, aabestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50, bei zweimaliger täglicher Austeilung ins Hau« 5.50. Durch die Post bezogen iiir Deutschland und Oesterreich: vicrteliLhrllch ^4 6.—. Directe tägliche «reuzbandjendung in« Au-land: monatlich st.—. Lie Morgen.Bu»gab« erscheint täglich '/,7Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag« 5 Uhr. Nedarlion und Erxedition: Iohannesgafic 8. Dt« Erveditiou ist Wochentag« ununterbrocht. geöffnet vou früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: ktt« -lemm's Ssrtim. (Alfred Hahn). UniversitätSstratze 1, Laut» LSfche. Ikalharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Abend, Ausgabe. KiMer. Tageblatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Jnsertion-preiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedaction«srrich («ge- ipaltea) 50-4- vor den Familiennachrlchteu sk gespalten) 40 >j. Größere Schritten laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zisserafatz nach höherem Tarif. iSrtra-Betlaqrn (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördrrung ./» 60-, mtt Postbesörderung 70.—. Innahmeschluß für Inserate; Abend.Au«gabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh 3 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Inserate sind stet« an die Orhedttt«» zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz in Leipzig Mittwoch) den 20. Januar 1892 8«. Jahrgang Leipzig, 20. Januar. * Der Kaiser begab sich Dien-tag Nachmittag 2V, Uhr von Kiel zu Wagen nach dem Nordostfee Canal. * Die in vielen Blättern enthaltene Mittbeilung, der Kaiser babe bei dem Empfang des Präsidiums des Ab geordnetenhauses der sicheren Erwartung Ausdruck gegeben, daS VolkSschnlgesetz werke zu Stande kommen, wird der „N.-L. C" zuverlässig als irrig bezeichnet. Der Kaiser bat diesen Gesetzentwurf im Besonderen gar nickt berührt, sondern nur im Allgemeinen die Hoffnung auf einen ersprießlichen Verlauf der Session ausgesprochen. * Der StaatSsecrctair vr. v. Boctticher, welcher an Influenza erkrankt war, befindet sick zwar auf dem Wege der Besserung, doch dürfte er zur Erholung noch längere Zeit von dienstlichen Arbeiten und namentlich von der Tbeilnahme an den ReichStagSarbeitcu sich feruballen. Die erste Lesung teS TrunksuchtSgesctzeS wird wobt bis zur völligen Wieder herstellung des StaalSsccretairs vertagt bleiben. * Die „Berliner Politischen Nachrichten" sckreiben: Wenn abweichend von dem bei Beratbung der Städleortnung im Jahre 1876 beobachteten Verfahren, durch welches die Ucber- tragung der gesammlen WobtfahrtSpolizci in allen Stätten mit königlicher Polizeivcrwallung, Berlin ausgenommen, von GesetzcSwcgcn erfolgen sollte, in dem demnäckst dem preußischen Abgeorknctenbause vorzulegenden Polizeikostengesetze bestimmt werden soll, daß auf Antrag der betbciligten Städte eine ankcrweite Abgrenzung der königl. und städtischen Polizeiverwaltung cintretcn soll,so liegt dem nicht die Absickt zu Grunde, die WohlfabrtSpolizci in größerem Umfange den königlickcn Polizeibehörden zu belassen. Viel mehr bestellt, abgesehen von einigen mit der Sicherheitspolizei im engsten Zusammenhänge stehenden Zweigen der Gc- wcrbepolizei, die Bereitwilligkeit, alle Zweige der Wobl- sabrlSpolizei — für Berlin, Potsdam und Ckarlottciiburg unter den aus der königlichen Prärogative und den wichtigen betbeiligtcn Interessen der Reichs-, Staats- und Hofvcrwal- lung sich ergebenden Vorbehalten — den Städten wider ruflich zur eigenen Verwaltung zu übertragen. Aber eine solche Maßnahme würde thcilö im Ganzen, iHeils bezüglich einzelner Zweige der Woblsahrtspolizei manchen Stadt- gemeinden nichts weniger als erwünscht sein Wie scko» früher die eine oder andere Gemeinde die Uebernakmc von Geschäften der WoblfabrtSpolizei abarlebnt hat, so sind auch die Berbandtungrn, welche aus Anlaß der von dem Abge- vrdnetenbause bei der erstmaligen Beratbung dcS Polizei- kostengcsctzc« gefaßten bezüglichen Resolution eingcleitet wurden, zum Tbeil ergcbnißloö geblieben, weil einige Städte zu der Uebernabme der ihnen angebotenen Zweige der WohlfahrtSpolizei nicht bereit waren. Rücksichten finanzieller oder organisatorischer Natur waren für die Ab lehnung entscheidend. Da es der Absicht, durch die Er weiterung der stävtischen Selbstverwaltung den Städte» einen Ausgleich für die iknen aus der Borlagc in Aussicht siebenden pecuniären Opfer zu gewähren, nickt entsprechen würde, Städten, welche dieser Erweiterung widerstreben, sie wider ikren Willen aufzunötbigcn, so soll die Maßregel von dem Anträge der Bethciliatc» abhängig gemacht und so die volle Berücksichtigung der Wünsche der betbeiligten Städte gesichert werden. * Die „Krcuz-Ztg " behauptet, aus guter Quelle zu wissen, daß der Finanzminister vr. Miquel im Staat-- Ministerium sein Bolum für den Volksschulgesetzentwurf abgegeben habe. * Angesichts des starken Widerspruchs, der sich von allen Seiten gegen den Zedlitz'schen VolkSschulgrsey- ent wurs erhebt, und der großen Erregung, die bereit- daranS erwachsen ist und noch mehr erwachsen wird, dürfte das Gefühl sehr verbreitet sein, daß der gegenwärtige Augen blick ungewöhnlich ries aufgewühlter konfessioneller Gegensätze überhaupt für die Lösung so schwieriger Principicnfragen nickt zweckmäßig gewählt ist. Der Versuch, in Zeilen so bockgeiliegencr Ansprüche und einer so gewaltigen Macht dcS UllramcntaniSmuS die bedeutsamsten Fragen der VolkS- erzicbung im Einvernehmen mit der katholischen Kirche zu regeln, erscheint uns von vornherein als ein Fehler und Schaden. Wir können unS gegenwärtig wenigstens keine Lösung verstellen, welche eine dauernde Berubigung und Befriedigung in Aussicht stellt. Sollte wirklich eine boch- conscrvativ-klcrikale Majorisirung aus Grund teS Zedlitz'schen Entwurfs zu Stande kommen, was wir indessen noch für keineswegs ausgemacht ballen, so würde das unausgesetzte Ankämpsen des liberalen BürgertknmS gegen ein solches Gesetz die unausbleibliche Folge sein, und über die Macht dieses FactorS in unserm öffentlichen Leben darf man sich dock auch keiner Täuschung hingeben. Ein Schulgesetz nach liberalen Wünschen zu Staude zu bringen, kann man andererseits unter den gegenwärtigen Umständen auch nickt besten. Bei solcher Sachlage bietet der Ver such, das Verhältniß von Staat und Kirche aus dem Gebiet der Volksschule zu regeln, von vornbcrein keine Aus sicht auf irgend einen haltbaren Erfolg; die Kämpfe würden nicht zur Ruhe kommen, sic würden nur noch mebr an- gefackt werden. Der gegenwärtige Zeitpunkt bcstig erregter konfessioneller und kirchlicher Gegensätze scheint unS daher durchaus ungeeignet für ein solches Werk, welches doch natur gemäß die Absicht haben inuß, Frieden und Beruhigung zu bringe». Darum gerate jetzt alte vieldeutige VcrsassungS- bestimmungen, bei deren Erlaß ganz andere Anschauungen herrschten, aus ihrem Schlummer wecken? ES hat sich mit der Zeit, wenn gesetzliche Bestimmungen fehlten, eine Ver- waltungSpraxiS herausgebildet, bei der die Schule und die Interessen des Staats bestehen können. Wir ziehen diesen Zu stand einem verfehlten Gesetz entschieden vor. Es wäre vielleicht woblgetban und würde einen ersprießlichen Erfolg in Aussicht stellen, wenn man sich für jetzt unter AuSscheidcing der großen Principicnfragen auf die Regelung der mehr äußerlichen Verhältnisse der Schule, Lehrerbesoldungen, Bertheilung der Sckullastcn zwischen Staat und Gemeinde und bergt, beschränkte. Hierüber würde die preußische Regierung vor aussichtlich zu einer Verständigung mit einer großen Mehr heit der Volksvertretung gelangen können. * Der preußische Cultnsminister hat den Aepzte- kainmern zur Begutachtung die Frage ausgegeben, ob die den Vorständen der Acrztekammern den Acrzten gegenüber ertbeilte DiSciplinarbcfugniß, welche sich auf das dauernde oder zeitweise Streichen der Wahlberechtigung beschränkt, er weitert werden solle, »nd für die Mitglieder deS AcrztcstandeS eine ähnliche ehrengerichtliche Institution eingesübrt werden solle, wie solche für Rechtsanwälte bestehe. * Die ursprünglich für Mittwoch in Aussicht genommene Berathung des schweizerischen Handelsvertrags hat wegen Erkrankung deS Geh Rath Huber verschoben werden müssen und wird jedenfalls nicht vor Freitag vorgenommen werden können. * Für die bevorstehende Ersatzwahl zumLandtag in der Stadt Hannover an Stelle des Herrn Tramm ist Herr Wallbreckt Candidat der nationalliberalen Partei. * Wir lesen im „Franks. Journal" Uber den Fürsten BiSmarck: „Wie lies eingewurzelt der blinde Hast gegen den Fürsten Bis marck bei einzelnen Parteien und Persönlichkeiten ist, davon gab einmal wieder die Sitzung de« Reichstags vom Dienstag ei» beredte« Zeugin». I>r. Lieber vom Zentrum, Eugen Richter vom Freisinn und Herr Singer von der Sociaidemvkealie, sic reichten sich die Hand zum ichünc» Bunde, um de» srubercu Reichskanzler in allen Tonarten zu schmähen, und wen» der Präsident diesem toctlofen Treiben nicht Einhalt gelhan hätte, der Hast jener drei Herren und Partei- sichrer hätte sich wobt i» noch unqualisicirbarcrcn Anklage» und Schmähungen Lust gemacht. Ter größte Aergcr dieser Feinde des Alt-ReichskanzlerS ist, daß dieser eS verichmal», sich seinen kleinen Gegnern aus dem parlamentarische» .Eampsselde zu stellen. Sie baden sogar den traurigen Mulb, dem Fürsten BiSmarck bei diesem Fernbleiben vom Reichstage Motive unierzuschiebcn, durch die sich cder cinsachc Mann auS dem Volke aus da« Tiefste beleidigt üble» wurde: denn Le» Borwurs der Feigheit erträgt so leicht kein Mann, wenn er nicht eben aus einer solche» Hohe sieht, dast ihn die Schmävlingcn der Kleinen da untc» im Thale nicht erreichen können. Die Feinde des Fürsten Bismarck haben kein Gefühl für die Motive, welche den Fürste» bestimme», den Reichs- tagsoeriiandlungeil vor der Hand fern z» bleiben. Er ist nicht ein Politiker gewöhnlichen Schlages, der um >ede kleine politische Streit- frage zu Felde ziehe» must: er kann sich nicht in das alltägliche politische Gezänk mischen, welches jetzt einmal wieder Sille geworden ist. Tie großen Gesichlsvuiicie verschwinden ja mehr und mehr auS unserer innere» Politik, welche ein epigone». hasteS Ansehen ailzunchmc» beginnt. Die kleinen Geister eines Lieber, eines Richter, eines Singer, suhle» sich in diesem kleinen täglichen Rainpsc wohl, das ist ihr Element; sie haben nicht die großen Gesichtspunkte, welche die Politik eines Fürst«» BiSmarck leiteten. Wie die klassende» Hunde über den Löwen würden sie über den Fürsten berialleii, sollte sich dieser im Reichstage zeigen; sie würde» keine Gelegenheit vorübergehen lasse», um ihn durch geheime und offene Anwiclungen, durch kleinliche, aber schmerzliche Nadelstiche zu reize» und zu necke», »nd wen» dann der Löwe sich reckle und voll Zorn einige seiner Gegner in seinen gewaltigen Pranke» schüttelte, La»» gäbe es ein Geschrei »nd Getobe, Last Fürst BiSmarck nur gekommen zu sein scheine, um kleine Streitigkeiten auszutragen, dann wäre »S de» Herren wieder nicht recht, dast Fürst BiSmarck sich seiner Haut wehrte. Wir haben es bedauert, dast Fürst BiSmarck nicht zu de» Berathung»» dcS Handelsvertrags gekommen ist, aber wir haben seine Motive wohl verstanden, die ihn verdinderte», in den, Reichs- tage zu erscheinen, um die Reihen der Opposition gegen die Handels. Verträge zu verstärken. Wir ehre» diese Motive, denn sie sind die- enigen eines treuen, alten Dieners, der den neue» Wegen seines rühcren Herr» und Gebieters nicht cntgegentrelcn will." * Uebcr daS neue konservative Blatt in Berlin werden dem „Hamburger Corrcspondentcn" folgende Mil theilnngcn gemacht: Richtig ist, daß die Geldmittel in einem sehr hoben Betrage aufgebracht sind. Dagegen soll erst im Laufe dieser Woche in einer Sitzung die Perständigung über das Programm gesucht werden. Selbstverständlich ist der WclfenfondS an der Sache gänzlich unbetkciligl. * Nack einem Münchner Briese der „Franksurlcr Ztg." soll der Plan, eine einheitliche deutsche Militair- gerichtSorganisatiou und ebensolche- Militairgcrichtö- vcrfahrcn zu schaffe», vorläufig wieder bei Seite gelegt worden sein, da cS nickt gelungen, einen Ausgleich zwischen den gegensätzlichen. »i Nord und Süd bestehenden An- chauungen herdeizusührcu. * * * Im österreichischen Abgeordnetenhaus ver wahrte sick bei der sortgcscvlc» Beratbung der Handelsver träge der Gencralredner gegen die Verträge, Kaizl, wie schon in einem Theil der Auflage der Morgennummcr ge meldet, gegen die Auffassung Oesterreich- als Agrarstaat gegenüber Deutschland als Industriestaat, für welchen Oester reich das wirlkschasllicbe Hinterland bilde Der Generalredner für die Verträge, Ruß, führte aus, durch den Dreibund, welcher die Ordnung »n Balkan liergcstellt bade, sei der Frieden besser gewahrt, als durch die vo» den Iung- czcchen befürwortete Verbindung Oesterreich« mit Rußland und Frankreich Krainar bade Elsaß-Lothringen erwähnt, um cinen Bückling vor Frankreich zu machen. Wenn ein Mächtigerer als Krainar so gesprochen hätte, würde er die entsprechende Antwort erkalte» baden. Tie Verbindung Ocstcrrcich-llngarnS mit Deutschland stärke zwar da- Czechen- thum nicht, dies sei aber keine Ursache, den Handelsvertrag zu verwerfen. Keine einzige Haiitclskammer bade sich gegen die Verträge auSgcsxrochc» * Die gegenwärtige, aus den Zeitraum von 4 Winter- Wochen zusainmengedrängte Wablbeweguiig in Ungarn ist von größerer Tragweite, als nach oberflächlicher Beob achtung zu glaube» wäre. Das äußerliche Ergcbniß derselben wird sanm eine merkliche Veränderung in der .-Zusammen setzung dcS Parlaments hcrbeifükren. Denn ob die Regierungs partei 15»—20 Mandate verliert, wie ihre Pessimisten glauben, oder eine ähnliche Zahl gewinnt, das t-eemslußt die Tbatsacbe ihrer Mehrheit scbr mäßig Aber in der Gruppirung der Parteien »nd ibrcr gegenseitigen Stim mung wirk sich die Wirkung der vorzeitigen Auslösung »nd rcS erbitterten Wahlkampfes geltend macken. .-Zweifellos bat Gras Szaparn durch die Auslösung eine gewisse Sckwäche verratbc» und über der ziffcrinäßigc» Berechnung des Ausgangs der Wahlen die mit dciiselben verknüpsten moralischen Momente außer Acht gelassen Tie oppositionellen Fraktionen fühle» sich nickt ganz mit Unrecht vergewaltigt, wenn sic auch durck ihre Verschleppungstaktik de» Anlaß gegeben haben Tic Art »nd Weise, wie die Regierung und deren Partei das Unwesen der ossiciöscn Candidaturcn betreibt, dieselben niil nftlk und amt licher Pression durch die Obergespäne sörkcrt, »in eine große Anzahl parlamentarischer Nullen, aber verläßlicher Jasager sich z» erkalten, verletzt das sittliche Gefühl, wo solckeS bei der herrschenden Walilrorruption sick noch erhalten bat, und ver leibt der Opposition einen Riinbiis, den sie im Hinblick auf ihre politische» Ziele nickt verkienl. Tenn der Chauvinismus und staatsrechtliche Sontergeiu werdcn in einer Weise wach- geruse», die den inner» Fricdcn Ungarns ebenso wie das Einvernehmen der beiden Reichsbälsien ernstlich bedroht E« ist auch neck zu bezweifeln, ob diese« Uebermaß zu einer gesunde» Reaction politischer und nationaler Ernüchterung ji'lbrt, wie manche Erscheinungen boffcn lassen: cS ist ebenso möglich, daß die patriotische» ParoziSnien zu einer noch weiteren Steigerung unter den cinzclncn Parteien führen. * Der schweizerische BundeSratb hat über die Er neuerung des Handelsvertrages mit Italien an die BundcSvcrsaniinluug eine Denkschrift gerichtet Darin ist bemerkt, cS falle dem Bnndcsralh schwer, anzunckmen, daß Fenilletsn. Vas gestiigelte Rad. IS! Roman von Hermann Heinrich. «erbolen. (Fortsetzung.) „Ich babe den Auftrag, der Direktion ein amtliche-Gut achten darüber zuzustcllen." „Wie?" rief Gustav erstaunt. „Herr Maschinenmeister Werner hat ja bereit- im Aufträge der Direktion meine Erfindung untersucht und sich sehr anerkennend darüber aus gesprochen." „Herr Maschinenmeister Werner", entgegnete Dorner, „ist im Interesse des Dienstes plötzlich versetzt worden. Es ist ibm keine Zeit geblieben, sein Gutachten auszuarbeiten, weS- balb ich den Auftrag erbalten habe." Gustav erbleichte. DaS Wohlwollen de« ersten Sach verständigen war ihm gewiß, dasjenige Dorner'S nach dem anmaßenken Tone, den dieser Herr anschlug, mindestens rwc.selhast. Und doch bing so viel, ja Alles von diesem Urlbeilc ab. Dorner'S Aufenthalt im Bade war bei seinen amtlichen Verpflichtungen von verhältnißmäßia kurzer Tauer gewesen. Er batte seine Braut dort zurückgelaffen und seine amtliche Tbätigkeit auf der Bahn wieder ausgenommen. Da cS bekannt war, daß auck er sick mit der Erfindung einer gefahrlosen Kuppelung beschäftigte, so schrieb inan ikm in maßgebenden Kreisen eine große Sacbkenntniß z», wcSbatb er nach dem plötzlichen Weggänge des Maschinenmeister« Werner mit dem Gutachten betraut wurde. Dieser Auftrag bereitete ibm eine heimliche Genugtbuung. Er fühlte etwas von dem Gcn'tc icner Rcccnsciitcn in sich, die im Herunterrcißen der Werke Anderer ihre größte Freude finden. Gustav war redlich bemüht, dem Ingenieur die Borzüge seiner Erfindung klar zu machen. Aber von jener edlen Begeisterung, die dein Maschinenmeister Werner eigen war, zeigte Dorner keine Spur. Er blieb kalt und gemessen und sein Verhalten bewies, daß er der Kuppelung ungefähr so gegenüber stand, wie ein Lehrer einer ungenügenden Scküler- arbeit. Dicker Schweiß stand Gustav auf der Stirn und mit Mühe drängte er seinen Unwillen zurück „Ich danke Ihnen", sagte Dorner endlich kalt und griff »ach seinem Hute. „Herr Ingenieur!" rief Gustav. „Nun?" ..Darf ich fragen, was Sie der Tirectiru berichten »erden?" . -S v- ^ ^ „ .. - . „Die Wahrheit", entgegnete Dorner. Ein bochmüthigcS fächeln spielte dabei um seinen Mund. Er verneigte sich vornehm und ging. Und nun hieß cS wieder warten. Gustav wartete eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen — kein Bescheid! Der Tag, an welchem er die geliehenen Summen zurückzahlen sollte, war nicht mehr fern, und was er anfangen sollte, wen» ibm seine Erfindung bis dahin nickt- eingebrackt hatte, wußte er nicht zu sagen. Endlich riß ihm die Geduld. Er schrieb an die Direktion und bat um Antwort, die denn auch umgebend eintraf. „Wir benachrichtigen Sie. daß wir leider nach dem u»S zugcganzenen amtlichen Sachverständigen-Urtheil uns nicht veranlafft sehen könne», aus Ihre pateulirte Seitenkuppelung weiterhin zu rcflcctiren." So lautete der kurze Bescheid. Gustav fühlte Dorner'S Einstuß. Alle- Blut trat ihm nach dem Herzen und seine Hände zitterten. Er laS noch einmal, die Buchstaben ver änderten sich nicht. Mil dürrer Deutlichkeit stand da ge schrieben, daß man von seiner Arbeit, einer mühcppllen, wohlgeluiigenen und anerkannten Arbeit nichts wissen wolle. Alle seine Hoffnungen waren für den Augenblick vernichtet. Ein tiefer Schmerz ging durch seine Brust, jener Schmerz, welchen das Bewußtsein verlorene» Lebens bei jedem tiefer angelegten Menschen erzeugt. Er ließ da« Blatt zu Boden fallen, ein tiefer Seufzer quoll auS seinem gepreßten Herzen, und eine scheue Thräne lief aus dem Auge über die Wange berab. Aber diese schmerzliche Stimmung machte bald einer zornigen Aufwallung Platz. WaS kalte er dem Ingenieur getkan, daß dieser ihn in den Staub trat? Hatte er nickt earbcitct wie ein Mau»? Hatte er nickt cm Recht, den ohn seiner Arbeit zu fordern? Und der Schmerzensschrei jener armen Arbeiter, welche zwischen den Puffern ibr Leben ausS Spiel setze» mußten, erweckte er kein Mitgefühl in der Brust jenes Herrn, dessen Pflicht cS doch war. für die Unter gebenen zu sorgen? Alle Zeichen der Wutb kamen bei Gustav zum Ausdruck. Er knirschte mit den Zähnen, ballte die Hände und stampfte mit den Füßen. Er hob den Brief vom Boden auf, und nachdem er ihn noch einmal durch flogen, drückte er ibn zu einem Ball zusammen und warf ihn in den Winkel. Hastig lief er im Bureau auf und ab, bis er ermüdet auf das Svpba sank Aber auch diese Stimmung war nur vorübergehend. Bald erwachte der Trotz, und die Hoffnung regte auf« Neue ihre Schwingen. „Ist« die eine nicht, so ist'« die ankere", hatte er in seinen IünglingSjahren oft gesungen. DaS aalt jetzt auch von den Direktionen Er wollte doch seine Erfindung zur Geltung bringen, jetzt erst recht. Und wenn er sein hohe« Ziel erreicht hatte und sein Name über den Erdball getragen war, dann wollte er vor aller Welt aus Dorner Hinweisen und auSrusen: „Seht, dieser Mann hat mit schnöden Worten meine Erfindung zurückgewicsen. Ohne Angabe eine- Gründe-, ohne ein Wort der Anerkennung oder der Vertröstung hat er mich, der ich der Menschheit ein großes Geschenk anbot, wie einen unbequemen Bittsteller, ja wie einen Bettler ab- gcsertigt." Dann mag die öffentliche Meinung mit ikm inS Gericht gehen! Gustav beschloß, sich an eine zweite Dircctio» zu wenden, die ihren Sitz in Berlin hatte. Am nächsten Morgen schon stand er im Bureau einem Beamten gegenüber. „WaS wünschen Sie?" „Ich möchte eine patcntirte Seitenkuppelung Ihnen zur Prüfung verlegen." „Ja, darüber könnte nur der Herr Director entscheiden." „Könnte ich den Herrn Director nicht sprechen?" Der Beamte schüttelte den Kopf. „Der Herr Director bat wegen Krankheit einen längeren Urlaub genommen. Während seiner Abwesenheit sind wir gcnölhigt, alle Anträge dieser Art zurückznweisen." „Und wie lange wird der Urlaub dauern?" „Ein Vierteljahr, voraussichtlich aber wird er sich weit über diese Zeit auStehncn." Gustav'« ganze Traurigkeit kam aus seinem Gesicht zum Ausdruck „Ist denn gar keine Möglichkeit vorhanden, daß meine Erfindung geprüft werden kann? Der Herr Minister bat mich an eine Eiftiibahndircetion verwirft», und die Kuppelung ist gut. Vielleicht baden Sie selbst die Güte?" „Ich kann dazu leider nicht- thun", entgegnete der Beamte mit mitleidigem Lackeln. Er batte schon viele Erfinder dieser Art vor sich gesehen, die mit weitgehenden Hoffnungen ihre Werke zum Besten der Menschheit und zum eigenen Nutzen angepriescn batten. Gustav stand noch einen Augenblick, als wolle er etwa« sagen, ohne die geeigneten Worte finden zu können. Dann drückte er die Hanke vor sein Gesicht und ging langsam hinaus. »» ° ' WaS nun? Diese Frage batte sich Gustav bunkert Mal vorgelegt, ohne sie beantworten zn können Vielleicht war e» doch unvorsichtig von ihm gewesen, die Bewerbungen dcS Ingenieur- Werihbol; und de-Patentanwalt-Libauer so kurz abzuweisrn. Jedenfalls war der Weg der privaten Vermittelung der einzige, der ibm jetzt noch offen blieb So unangenebm e» Gustav auch war, mit den selbstsüchtigen Zwischenhändlern wieder in Verbindung treten zu müssen, so sehr sah er die Notbwendigkcit dazu ein; denn der Termin der Wecksel- iälligkcit war nahe, und bi« dahin mußte er unter alle» Umständen haare« Geld schaffen. Er wandte sich te-halb zunächst an Wertkholz, weil er von ihm die besten Zugeständ nisse erwartete. Brieflich fragte Gustav an, Wan» und wo er mit dem Ingenieur in Angelegenheit seiner Erfindung svrcchc» kviiiftc, de»» die Karte destelbeu Halle er als wcrthloS außer Acht gelassen und verloren. Der Ingenieur lud ik» ein, nach seiner Privatwohnung in der Vietoriastraße zu konimcii. So machte sick denn Gustav eine- Abends dorthin auf de» Weg DaS trübere Sctbsrbewiißtsein war einer großen Riedcrgcschlagciibcit gewichen, und so scbr er sich auch auf- raffte, um den Ingenieur nichts iiicrkcn zu lasse», im nächsten Angeiiblick schon war er wieder >» sich gelehrt und traurig. Er wußte wohl, daß ihm Wertbbolz um so weniger dielen würde, je verzagter er aussah, und bei dem Eintritt ins HanS raffte er sich deshalb nock einmal auf und hob den Kopf in die Höbe. Wertbbolz empfing >b» tnbl u»v berablassciir „Nun, Herr RoUmann, was wünschen Sic von mir?" Gustav erzählte sein bisheriges Mißgeschick unk machte dem Ingenieur de» Antrag, vie Vcrwcrlhung der Kuppelung zu übernehmen und ihm einen Vorschuß von Dansciid Mark auszuzahlen. Er sei dafür zu den günstigsten Be dingungen bereit Wertbbolz schüttelte lange schwermüthig den Kops und sagte dann: „Ick habe es Ihnen ja gleich gejagt, aber Sic bestanden ans Ibrein dicken Kops. Sic baten mit ibrcin unvorsichtigen Vorgebe» die ganze Geschichte verpftischl. Mit dem deutschen Staate sind Sie ,für jetzt fertig. Ta iff nicht« mebr zu machen. Es bleibt noch ein Versuch mit dem Ausland übrig, aber das ist eine sehr fragwürdige Geschichte. DaS macht viel Mübe und kostet vor allen Dinar» viel l'-ftld. An einen Vorschuß ist gar nicht zu denke» Acr die Sacke jetzt auf seine eigene Gesabr und Kosten übernimmt, muß viel binein- stcckcn ohne eine Bürgschaft dafür, daß er auck nur einen Pfennig berausnebiiicn kann Wollen Sic also die Erfindung eine», Kapitalisten überlassen, so will ick Sie, natürlich gegen entsprechende Provision, einem solchen zusübren. Da« ist Alle«, wa« ich für Sic nock tbun kann" „Aber Sic sind dock selbst Capitalist, wie Sie früher behaupteten", entgegnete Gustav. Wertbbolz maß Gustav »nt einem geringschätzigen Blick. „Hallen Sic mich denn für so unvorsichtig, mein eigene- Geld ui ein so unsichere« Unternehme» zn stecken?" „Schwindler!" sagte Gustav leise für sick Er war jetzt überzeugt, daß der Ingenieur nickt bunkert Mark sein eigen nannte. „Entscheiden Sic sick!" sagte Wertbbolz ungeduldig „Nun denn", sagte Gustav, „führen Sie mich zu Ihrenz Capitalisten!"
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview