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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940319026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894031902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894031902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-19
- Monat1894-03
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Erobere Schriften laut unserem Preis- verzejchnib- Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Kxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 00.—, mit Postbeförderung 70.—. Annalfmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Ubr. Mvrge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ;e eine Halde Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 19. März 1894. 88. Jahrgang. politische Tagtsschan. ' Leipzig, 19. März. Der Perlcunidungsproeciz, der sechs Tage lang ein Ber liner Gericht beschäftigte, hat bekanntlich mit der Verurtkeilung der zwei Hauplangckiaglcn zu langwierige» Gcfängnißstrafen geendet. Er war lediglich im öffentlichen Interesse an gestrengt worden. Persönlich konnte Herr Dr. Miguel kein Bedürfniß haben, sich diciinwahrheit von Beschuldigungen, deren Grundlosigkeit schon einmal gerichtlich sestgestellt war und die von moralisch nicht in Betracht kommenden AuS- gestvßenen wiederholt worden waren, nochmals attestiren zu lassen. Es war der Minister des Kaisers und Königs von Preußen, der geklagt hatte, nicht der Mann, lind der Proceß war in der Thal eine Nothwcndigkeit. Der Staat darf nicht stillschweigend zu dulden scheine», wofür die heutige Gesellschaft nur allzu empfänglich ist. Wenn Leute, wie die Plack und Schweinhagen und ihre Borgänger, die immer vorhanden sind, an die Obersläcke kommen, so muß die Neigung vorhanden gewesen sei», sie zu seben. Die Nachfrage erzeugt das Angebot. Es ist nicht zu leugnen, daß unsere Zeit außerordentlich ge neigt ist, Verleumdungen ihr Ohr zu leihe». Eine Be schuldigung braucht nur erbeben zu werden und sie findet vielfach cincn so festen Glauben, daß ihn sonnenklare Gegen beweise nicht zu erschüttern vermögen. Die Bereitwilligkeit, sich ungeprüfte Anklagen anzueignen und hartnäckig a» ihnen sestzuhalten, ist selbst den höchsten Kreisen nicht fern ge blieben. Angesichts dieser Krankheit darf man schwerlich an- ncbnien, daß die wiederholte Widerlegung alter Lügen im jüngsten Proceß dem „soiupor aliguick IiusroG sein volles GeltungSrecht streitig machen werde. Auch von der ab schreckenden Wirkung der verhängten schwere» Strafe» wird man sich nicht zu viel versprechen dürfen. Tie Berufs verleumdung, durch Flugschriften und in Versamm lungen verübt, ist ein nicht uiieinträgliches Geschäft, das allerdings mit starkem Nisieo verbunden ist. Personen, die dieses Geschäft nicht scheue», machen sich mit der Gefahr vertraut, cingesperrt zu werden. Meistens sind sie cs schon gewesen. Einem fruchtbaren Gedanken bat aber der Staats anwalt im Proceß Plack Ansdruck gegeben, indem er sagte, daß es ohne eine schlechte Sorte von Verlegern weniger schlechte Scribenten geben würde. Leider ge stattet das deutsche Gesetz in der Negel nicht, Verleger, die VerlcilmdiiiigSschriften heraliSgeben, da zu fassen, wo sie am ciiipsiiidlichsteil sind: am Geldbeutel. Es werden schmutzige Geschäfte solcher Art von Verlegern getrieben, die etwas zu verlieren babe». Liefen diese Leute Gefahr, in sehr hohe Geldstrafen zu verfallen, also schwere Verluste zu er leiden, statt Gewinne zu erzielen, so würde dies ihrer gemein schädlichen Uiiter»ehm»iigsl»st wohlthätige Schranke» ziehen. In anderen Staaten trägt die Gesetzgebung diesem GcsichtS- pnncte Rechnung. Der Reichskanzler bat bekanntlich beim Bundes rat he de» Antrag aus Neuprägung von 22 Millionen Mark Rcichssilbermniizen gestellt. Der Abg. K ardorsf hat darauf im Reichstage eine Interpellation eingebrackt, die Erdenken gegen diesen Antrag geltend macht und eine nähere Begründung desselben verlangt. Gegen eine solche Inter xellalion im Reichstage ist nichts einzuwendc». Wen» aber auch der Abg. Or. Arendt im preußischen Abgeord netenhaus!: an die Staatsregierung die Anfrage stellt, ob »nd eventuell aus welche» Gründen Preußen diesem Anträge zustimmen werde, so ist die „Nat -Ztg." im vollen Rechte, wenn sie dieses Vorgehen als „parlamentarischen groben Unfug" bezeichnet und diese Bezeichnung folgendermaßen motiviri: „In Preußen muß nach dem 1. April die Verwaltung zunächst ohne gesetzliche Grundlage geführt werden, weil das Abgeordnetenhaus die Zeit, und zwar nicht blos durch die Ausdehnung der Cultusetats- deballc seitens des Zentrums, sonder» »niiideslenS in demselben Maße durch Erörterungen über Rcichsoligelegeiiheilcn, wie Handelsverträge, Währuiigssrage u. dgl. vergeudet hat. lind nun soll dieses Treiben nach den parlamentarische» Ferien wieder losgehc» ?! lieber die Angelegenheit, aus welche die Interpellation des Herrn Arendt sich bezieht, liegt im Reichstag, vor de» sie gekört, bereits eine Inter pellation seines Parteigenossen v. Kardorff vor. Ter einzige Grund, weshalb darüber gleichzeitig im Abgeordnctenhame verhandelt wer den soll, ist, daß es Herr» Or. Arendt mißlungen ist, in den Reichs tag gewählt zu werde». Jede Sitzung des Abgeordnetenhauses kostet dem preußischen Staate rund OOtlO -äl an Diäten; cS wäre daher wirklich eine Entlastnng des preußischen Etats, wenn sich ein Reichs tagswahltreis sände, der Herr» Arendt das Mandat übertrüge. Bis dahin aber mußdringendgewünschtwerden, LaßdiepreußischeRegierung dieBcantwortungvoiiJiiterpellationen, wie diedesHerrnArendl, rund weg ablehne. Tie Ausprägung von RcichS-Scheideinniizen ist eine all gemeine RcichSangelegenheit, der wohl auch der geriebenste Rabulist keine den preußische» Staat speciell und in eigenthümlicher Weise berührende Seite wird abgewinncn könne», die eine Debatte im Abgeordnetenhaus« rechtfertigte. Ebenso gut, wie hinsichtlich dieser Prägnngssragc, kan» jede Bundesregierung hinsichtlich jeder Angelegenheit der Reichspolitik über ihre Abstimmung im VundeS- ralh interpellirt werden. Echo» damit der lleberdruß an den parla mentarischen Verhandlungen im Volke nicht noch größer werde, als er bereits ist, sollte derartigen Debatten vorgebeugt werden. Aber es handclt sich vor Allem darum, die nothwendige Grenzlinie zwischen den Ausgaben der Volksvertretung im Reiche und in Len Einzclslaaten festzuhalten." Die „Nat.-Ztg.* hätte noch hinzusügen sollen, daß Herr Di. Arendt mit seinem Verlange», die preußische Re gierung solle ihr im Bundesrathe abzugebcndes Volum noch vor den Verhandlungen des BundeSralhs fcstlege», ein dircclcr Eingriff in die Beratüuiigösreiheit dcö Bundesraths ist. Wozu sind diese Berathungcn da, wenn jede einzelne Regierung schon vorher ihren LandcS- vertretnngen gegenüber auf ein bestimmtes Votum sich vcr pflichtet? Wie jeder Neichstagsabgeortnete die Pflicht hat, seine Abstimmung nach den Aufklärungen „ahzugebeii, die er durch die Verhandlungen des Reichstags'cmpfängl, so hat auch jede Eiuzclregierung im Bundesrathe ihre Stimme »ach den Aufklärungen zu richte», die aus den Veralbungen dieser Hoden .Körperschaft und ihrer Ausschüsse bervorgcben. Wenn das nicht geschieht, so sind die Beralbungen des Bundesraths eine überflüssige Komödie, die am beste» beseitigt würde. So lange das nicht geschieht — und es wird bossentlich niemals einlrete» —, Amt jede Einzelrcgiernng nur ihre Pflicht gegen sich selbst und taö Reick», wenn sie auf derartige Anfragen die Antwort rundweg verweigert. Mit außerordentlicher Spannung wurde i» England die von Lord Rosebery in einem Meeting in der Kornbörse zu Edinbnrg angekündigte Rede erwartet: hieß c- dock,, dcr Ministerpräsident werde den ungünstigen Eindruck, den seine bisherigen „mißverstandenen" Enuiiciationcn über das Pro gramm der Regierung bei Homerulern »nd Radicalen unver kennbar hervorgerusen, durch eine alle Erwartungen über treffende radikale Philippika gegen die conservativ-lihcral-unio- »istische Opposition verwischen. Nachdem der Nachfolger Glad- stone's mit wärmsten Worten seines großen Vorgängers gedacht, erklärte er, wie schon der Telegraph turz gemeltel, be züglich seiner von den Irländern bcanstandclen Aeußernng, daß England erst von Homer» le überzeugt werten müsse, che dessen Einführung in Irland möglich sei; er sei nicht so thöricht zu glauben, daß eine ab solulc Mehrheit der speciell in England gewählten Ab geordneten dazu nolhwcndig sei. Er erwarte, daß die Ueber- zcugung für Homerule sich in zunehmenden, über das ganze vereinigte Königreich erstreckenden Mehrheiten ausdrückcn werde; er habe aus eine rein englische Majorität nur des halb hingcwicsen, weil dieselbe das Oberbaus besonders bc einflnssen würde. Redner tanltc den Irländern für die an dauernde Unterstützung der Regierung: er erachte die Ver leihung von Homcrnle als den erste» Schritt, ähnliche Maß nahmen auch für andere Tbcile des KönigrciälS zu treffen. Seine Erfahrungen als auswärtiger Minister hätten ihn überzeugt, daß in einer starken englischen Marine die kräftigste Bürgschaft des europäischen Friedens liege. Er befürworte anss Kräftigste das Princip einer zweiten Kammer, indessen sei für das gegenwärtige Ober haus eine Reform nöthig: doch dazu bedürfe die Regierung erst eines unzweideutigen Mandats seitens des Volkes. — In den Berichten der regicrungssrcnndlichen Presse heißt eS, die Rede Roscbery'S sei mit Enthusiasmus ausgenommen worden. Aus die Irländer dürste das schwerlich zulresscn, denn ans den gewundenen Erklärungen des Premierministers über Homcrule ist mit dem besten Wille» nicht mehr heraus- zulescn, als was er schon früher gesagt, und auch bezüglich dcS Oberhauses läßt seine Rede erkennen, daß die Regierung eine zielbewusste Initiative nicht ergreife» mag. Wie uns heute dcr Draht meldet, glaubt man denn auch in politischen Kreisen Englands, daß sich die Abgeordnete» der irische» Gruppe, welche nach wie vor sehr e»ttä> schl »nd verstimmt seien, der Opposition anschließen werte». Die von dem russische» Adel von IckatcrinoSlaw gegen die Eolo nisation der Deutschen in Sükrußland seit Langem schon, in letzter Zeit aber wieder in besonders gehässiger Weise betriebene Agitation, der die Petersburger Regierung bisher ein nur zu geneigtes Ohr geschenkt bat, scheint zu dem gewünschten Erfolge doch nicht führen zu solle». Die vom Ministerium des Inner» im vorige» Jahre »ach dem Südgebict entsendeten Kommissionen, welche sich von der deutschen Kolonisation an Ort und Stelle genaue Kennlniß verschaffen sollte, ist nämlich, wie dcr „Grashdanin" meldet, jetzt nach Petersburg zurückgckehrl, und das ven ihr dem Ministerium unterbreitete Material soll sür die deutschen Eolonistcn sehr günstig ansgcsallcn sein. Die geplanten Maßregeln gegen die Verbreitung der deutschen Kolonisation im Reiche sollen bis zur Veröffentlichung des dem Ministerium unterbreiteten Materials aufgeschobcn Worden sein. Hoffentlich unterbleiben sic ganz, sowohl »n Inlercsse dcr deutschen Ansiedler, als der Euttur dcr bc treffenden Gegenden, deren Träger in erster Linie das deutsche Element ist. — In Folge der Polizeimaßuakmcu gegen Aus- änder jüdischer Herkunft, die Rußland zu Handels- Zwecken besnchcn und von russischen Botschaften oder Eon sulatcn visirlc Pässe besitzen, gelangten an das Ministerium des Inner» fortgesetzt Klagen, über die dieses, wohl in Anlaß des Handelsvertrags mit Deutschland, sich endlich zu äußer» für angezeigt findet. 'Bisher ließ die Ecntralrcgicrung ausländische Juden ruhig vor Ablaus ihres visirten Passes aus Rußland auöweiscn oder ihnen gar das Betrete» russischen Bodens verwehre». Neuerdings zog das Ministerium Erkundigungen über die Gründe des harten Vorgehens der Polizei ei» und erfuhr (!>, daß diese von ausländischen Inden außer einem visirten Pas; auch »ock» ein Documcnl verlangte, aus dem hervorgehc, daß sie mit Genehmigung des Ministeriums dcö Innern nach Rußland kämen. Selbstverständlich fehlte in den meisten Fällen ein derartiges Schriftstück, da ein Nichtrussc schwerlich glauben konnte, das Visum eines Organs des russischen aus wärligcn Amts sei ungenügend. Vor wenigcn Tagen erließ nun der Minister des Inner» ein Rundschreiben an die Gouverneure, worin diesen vorzeschricben wird, den ihnen unterstellten Polizeibehörden llac zu macken, daß russische Botschaften und Ecnsulatc ohne vorher eingebolte Ge nebmigung des Ministeriums des Innern Reisepässe für eine gewisse Kategorie von ausländischen Juden nach eigenem Ermessen zu visiren berechtigt sind »nd die Polizei behörden demznsolge kein Recht haben, ausländische Inten mit visirten Pässen irgendwie zu behelligen. Zwischen Bulgarien und der Pforte ist es wieder zu Reibereien gekommen, diesmal weil die Pforte in Makedonien eine Anzahl bulgarischer Schulen hat schließen lassen. Außer der zum dritten Mal erfolgten Schlicßun^dcr Schule in Knmanowo, wo lediglich der dortigen serbischen schule dic Eristcnz ermöglicht werken sollte, wurden noch folgende Maßregeln getroffen: In dem Orte Koschani wurde eine seit Jahrhunderten dort bestehende Schule ge schloffen, und dasselbe Schicksal siebt dem Gymnasium in Salonicbi bevor. In Prilip, wo 10 000 Bulgare» wohnen, spcrrle man mehrmals vorübergehend die dortige Schule und nun soll dieselbe aufgehoben werten. Im vorigen Iabre batte man das bei Prilip bestandene geistliche Seminar ge sperrt. In den» Dorfe Tarfa (Vilajet Konstantinopcl) wurde die dortige Schule geschlossen, weil der Lehrer an dieser sich die Feindschaft des griechischen Metropoliten zugezogcn batte, welcher dessen Entfernung dnrcksctzle. Das bulgarische Seminar in Koiistantinopel mußte gesperrt werde», weil taS betreffende Gebäude vor Atter und Schmutz verseucht war, und die Zög linge starben, die Pforte aber eine Verlegung nicht gestatten wollte. Diese Uebelstäiidc hängen wesentlich mit dem Um stand zusammen, das; die bulgarische Kirche noch immer nickt zur vollen lbalsächlichen Anerkennung gelangt ist, denn erst 188!» gelang cs i» zwei Erarchicn mit bulgarischer Mehrheit, in Ochriba und Ucstüb, bulgarische Mctrcpolilcn cinzusetze». Nun kann man von einer Gleickberechligiing der christlichen Stämme mit der anderen Bevölkerung dort, wo dieselben kein geistliches Oberhaupt haben, gar nicht sprechen; denn der Metropolit ist dcr einzig anerkannte Vertreter der geistigen und culturcllcn Interessen seiner DiLcesanen. DaS Fehlen bulgarischer Meiropolilc» bringt es von selbst mit sich, daß die türiischen Behörde» den bulgarischen religiösen Gemeinden die Anerkennung versagen und sich deshalb auch unter de» nichtigsten Vorwänden zur Schließung bulgarischer Schulen in Macedonien für berechtigt ballen. Infolge dessen baben in Sofia und anderen bulgarischen Städten Demonstrationen größeren SlileS stattgesnnden »nd scheinen aus die Pforte insofern einige» Eindruck gemacht zu habe», als in Konstantinopcl zwischen dem Großvezicr und dem bulgarischen Erarchen bereits mehrere Eoiisercnzcn in dcr Angelegenheit stattgesnnden haben, ohne indessen zu einem hcsricdigcndcn Resultat zu führen, da die Pforte noch daran fcsthält, daß sür jere bulgarische Schule ein „persönlicher Bürge" gestellt wird, und die Leitung, nicht nur die Ilebcrwachnng, dcö Schulwesens ein Prärogativ dcr lürtischc» Behörden bleiben soll. Nock hält'sich die Bewegung unter den Macedonicrii in loyalen Grenzen, aber wenn nicht bald Abhilfe geschasst wird, dürste sie die Schranken übcrslnlhc», und cS müßte dann zu ernst hafte» Feindseligkeiten kommen. Daß das Vorgehen der türkischen Behörden von russischen Wünschen nicht unbeeinflußt ist, darf nicht Wunder nehmen. Deutsches Reich. kl. Berlin, 18. März. Herrliches Frühlingswetter; am frühen Morgen zwar etwas kalt, dann aber lachte vom blauen Himmel die Sonne so mild und freundlich herab, als sei bereits ein Maientag gekommen. Der Morgen graute Feuilleton. Ellida Silström. 41> Roman von H. Palms-Paysen. Nachteil» «eetoien. (Fortsetzung.) Diese klare, klingende Stimme würde er unter Tausenden wiedcrerkennen, uno diese gebrochene Sprache, diesen aus ländischen Accent edenfalls. Die dunkle Gestalt dort unten ans dcr Straße, mit dem weißen, flockigen Etwas ans dem Köpfchen, muß Ellida Silström sein, die andere wahrscheinlich die alte Dienerin, die dritte Gestalt — noch kan» er die Person nicht erkennen, siebt aber, daß cö ein Herr in Eivil ist. Kaum redet dieser, so erkennt er ihn. Es flutbet ibm beiß zum Herze». Seine Hände trampfen sich unwillkürlich zusammen, als wolle er Jemand zu Boden schlagen. Der da »»len spricht mil Fräulein Ellida Silström, der ersten Tänzerin am königlichen Theater, Nachts 2 Ubr, das ist sein Neffe; ein schöner, leichtlebiger, junger Mau», an den die Frauen alle gleich daS Herz verlieren, wen» cr'S daraus anlegl. Daß er S darauf anlegt auch hier bei dieser, die nicht ihres Gleichen sinket, bedarf keiner Frage. Er horcht mit iieberncem Ohr, ver ständlich in jeden; Wort tönt zu ihn; die hekanntc frische, kräftige Skimme herauf. „Eigentlich soll ich mich nicht wundern über Ihre Ablehnung. Ich bin cs von Ihnen nicht anders gewohnt, als schlecht be handelt zu werden. Sie geben mir fortwährend Medici» zn schlucken. Und Ihre Verheißung bringt mehr Webmulh al- Trost für mich. Nach Ihrer Verbcirathung wollen Sic kommen, also bald — jung und schön, wie sic sind —, der Freier wird sicher nicht lange aus sich warten lassen." Werner weiß selbst nickt, wie leidenschaftlich erregt und gereizt er spricht, und Ellita's Weigerung bringt ibn in eine Stimmung, die weniger Uebelkaune als Kränkung ist, Kränkung, die beinahe webe thut. Dieses Weh bat er noch nickt gekannt. Es mischt sich in seine Leidenschaft ein Atom jene» Gefühls, da- Liebe genannt Werren kann, und dies ist der wunde Punct, der getroffen ist. „An eine Vcrbciratbung denke ich ja nicht —", sagt Ellida, sich zu einem kleinen Lachen zwingend, um ikn zu beschwichtigen, zu begütigen. »Immer besser, affo werden Sie noch lange nickt kommen. nichts kann logischer sein. Lassen Sie sich nicht erweichcn, wohlan, dam; schiebe ich das Fest auf — besser noch: gebe cs auf. — Aber was ist das? Wo befinden wir uns denn? Richtig in der. . .. straße. Hier wolnit ja auch mein Onkel, nun oricntire ich mich. Sie haben reckt gethan, in die Stadt zn ziehen. Hier sind Sie doch erreichbar." Ellida ist ganz verzweifelt, daß ihr Versteck, in dem sie sich so sicher gefühlt hat, nun kein Geheimnis; mehr ist. Sie ist so müde und so überdrüssig dieser unablässigen Abwehr — und jetzt sehnt sic sich auch nach Ruhe »nd Schlaf. Eine Kirchthnrm»hr schlägt ihre Stunde. Welch' ein schaler, ver lorener Tag ist tabin. „Murre", sagte sie, „schließ' die Tliür auf, es ist spät, wir müssen schlafen gehen. Gute Nacht." „Gute Nackt", tönt es zurück. Werner rührt fick dabei nicht von der Stelle. Ihm rst ganz cigenthümlich zn Sinne. Zorn und Schmerz tämpfcn in ihm. Während die Alte umständlich unk nickt obne Absicht sehr langsam den Hausschlüssel bervorziebt unk öffnet, tritt Wcrncr hinter ihrem Rücken nabe an Ellida heran. Leise und deshalb nur ihr verständlich, sagt er in vibrirendein Tone: „Sie bähen mir heute sehr wehe gethan, Sie böscS — reizendes Mädchen. Gute Nacht denn." Er sackt und findet Ellita's kleine, warme Hand, zieht diese heftig an seine Lippen und geht dann mit schnellen Schrillen davon. Gleich daraus siebt dcr Intendant die beiden Frauen gestalten in; Hanse verschwinden, einige Minuten später die »venster oben bell werden. Sein Liebling ist geborgen. Wo sie gewesen, das kann er nicht wisse», unerschütterlich aber ist sein Vertrauen zn ihrem Ebaraktcr Trotzdem erfüllt ibn bange Herzensangst. Sie steht ans glatter Bahn, und Niemand ist da, der sie stützen kann, es sei denn, daß — Er grübelt über kiest» nnansgcsprochene» Gedanken nack während der fast schlaflos zngebrachlen Nacht. 51. Eapitel. Die Sonsidia bat sich in Werner's Abwesenheit ganz wieder ihren Pflichten als Wirtbin hingegeben und sich dabei allmählich von ihren; Acrgcr ablenken lassen. Ihr Erstaunen ist groß, den Liculcnant v. Hochstedt plötzlich und viel früher, als sie lnulbmaßen tonnte, von seinem romantischen nächtlichen Gange zurückkcbrcn und cintretcii zn seben, in einer, wie sie sofort merkt, sehr verdrießlichen Stimmung. Noch cbe er seine Erklärung abgiebt, crrätli sic den Miß erfolg auch seiner rhetorischen Bemühungen, die Eollegin sür sein Fest zn gewinnen. Sie hätte dies nach den gemachten Erfahrungen freilich vorauSsehcn lönnen, die neue prinu; Iiiillorinn gestattet sich für diese gewöhnlich denkende, tokctte, leichtfertige Frau, die weder an Tugend, noch an Ideale glaubt, zn eine»; psuchologifchen Nälbscl. In derselben Fensternische, in der sic kurz vorher mit dcr plötzlich kies gehassten Eollegin ein so erregtes Gespräch gepflogen, fitzt ihr jetzt der inißlannige junge Osficier gegenüber, den; weder Wein noch Eigarre schmecken wollen. Nickt ohne bos hafte Schadenfreude läßt sich die Gehässige Bericht über die verunglückte nächtliche Promenade ahstatlcn, und es gewährt ihr eine gewisse Genuglbuung, den jungen Eavalicr, den Löwen des Tages, ganz erbittert ans ihre Nachfolgerin zu sehe». Als Werner die Bcmerluiig hinwirst, das geplante Fest anf- hcben zu wollen, dcr Spaß daran sei ihm durch den Acrger des heutigen AbendS verdorben, schüttelt sic mißbilligend den Kopf. „Warum so schnell die Flinte ins Korn Wersen?" tadelt sie, „man mcrtk, Sic sind keine Enttäuschungen, immer nur Siege gewöhnt." „Aus diesem Gebiete, allerdings, ja", entgegnet Werner mit dein ihm anhaftende», heute bitter gekränkten Selbst bewusstsein. „Jammerschade, wenn wir »m dieses Mädchens willen ans ein so reizendes Vergnügen verzichten müssen", bedauert die Sonsidia mit heuchlerischem Lächeln, „und wo bleibt dann die Ucberraschnng sür mich? Soll ich büßen sür Das, was Jene verschuldet? Uebernchmcn Sie beule die Rolle dcr Scheherczade, erzählen Sie mir daS Märchen aus „Tausend »nd einer Nackt", aus das Sie mich so neugierig gemacht habe» " Werner machte eine gelaugweilie Miene, er braucht seiner schleckten Lanne der Sonsidia gegenüber keine Zügel aiizulcgcn. Launen irgend welcher Art pflegt sie „als schlechte Angewöhnung" zu bezeichnen und deshalb von jeher den ausgedehntesten Ge brauch von dcr Zwanglosigkeit zn machen. „In dieser gräulich prosaischen Stiinmiing würde cs eine lederne Geschickte werben", erwidert Werner, fick nachlässig zl>r>"icklkh»e»d, »nd den Arni aus einen nebenstehenden kleinen Tisch stützend. Mit inüdeni, blasirtem Auge streift er das bunte Treiben vor sich. Mitten un Saale hält dcr von Allen belachte Komiker eben jetzt einen humoristischen Vortrag. Fräulein Sonsidia winkt einen Kellner berbci, Lieutenant rcu Hochstedt mag wollen oder nicht, er muß ein GlaS perlenden Scclcs und eine Eigarre aus ihrer Hand cntgegennehmen. Dann reizt sie ihn znm Erzählen in einer so geschickten Weise, daß der vcrwöhnle Franciiheld schließlich wieder besserer Lanne wird und zuletzt sei» comaiilisches Geheimnis; aus dem Walde zum Beste» giebt. Erst hat die Sonsidia mit getheilter Ans »icrksamleit, dann schärfer, zuletzt immer interessirter zugebörk. „Kaum glaublich!" r»st sie, als Werner schweigt. „Wüßte ick nicht, daß Sie zn Späßen und Neckereien heute Abend schleckt aufgelegt sind, ick würde denken, ras; dcr ganze aben tcncrlichc Mnnimclischanz. den Sic anflischen, eine Schnurre wäre, daß Sic mich znm Narre» haben." Wcrncr protcslirt gegen die Möglichkeit einer solchen Un- höslickkeit seinerseits. „Uebcrzcngc» Sie sich durch den Angenschein, beste Earola", sagt er, „ick stehe stets zn Ihrer Verfügung." Die Sonsidia lies; sich das nickt umsonst sagen. „Brillant!" ruft sic. „Ich nehme sie beim Wort; ob nun das Fest gegeben wird oder nicht, ehe ich die Stadt verlasse, lerne ich Ihren Kiosk kennen." ES wird Mi» Tag, Stunde und Ort verabredet, wo man sich treffen will — a» einem Platz hinter der Stadt, um von kort gemeinsam, er zn Pscrdc, sie im Wagen, den Weg »ach dem Stcinbrnch znrückznlcgcn. Tie Augen dcr Sonsidia schillern wieder in jencin n» ruhigen Glanze, dcr ihnen eigen ist, wenn irgend ein versteckter Gedanke ihr Hirn beschäftigt. Sic freut sich, den eben nock verdrießlichen Gast wieder ausgeräuntt z» sehen, denn Werne», bei dem die Stimmungen wie Lickt und Schalten zu wechseln, pflegen, sängt an ;» trinken »nd zn rauche». Jetzt, wo Ellida nicht mehr zwischen den Gästen weilt, thul er sich gar keinen Zwang mehr an —nickt in Hallung und Wort; er ist nickt kesser, nicht schlechter, nur verwöhnter »nd verzogener a>« alle die Anderen. Man hlcibt »och mehrere Stunden beisammen, dann bc- gicbt fick die ganze Gesellschaft, dicht in Mäntel und Shawls, in Eapnzcn »nd Tücker gehüllt, gleichzeitig hinaus auf die Straße, »m heimzugebcii. Tie Sonsidia hält sich immer dickt au dcr Seite des jungen Hochstedt, der zuletzt wieder etwas schweigsam wird. „Nur getrost", zischelt sie ibm zu» „Sie haben ja noch die -Karten in dcr Hand »nd vielleicht auch den Trumps, wenn sich meine Idee verwirkliche» läßt." iFortsttznng folgt.!
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