Delete Search...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190302017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 782-785 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-01
- Monat1903-02
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1903
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
t. v l.0. l.0 l. o. l. o -8.0.1801 u.- l. ll i.v i.l) l. v i. V i.V. I.V t.v l. v i. v i. 0 äts> l. 1) i. V i. v m.Lv-8.> l.0. i.v i. v. t.v i.l> n»n anvn. ?.v.87: - tteu Ur Ui>l!< >. I» i. I> i. V i V t. l> i » t. I> i. v .U«»t-Viv i. I> i. U t ««--l-Uiv sk llLi-k Bezug». Pret- t» der Hmrptrxpedition oder deren Ausgabe, stelle» ab,«holt: vtsrteliührltch L.—, b«t zweimaliger tägücher Zustellung in- HauS 8.75. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrig« Länder laut ZettungSpreiSIiste. Nrdaktto» u»> Lrveditte»; JvhanntSgaffe 8. Fernsprecher 158 und 222. FUi«lovp«vttto»o» r Alfred Hahn, vuchhaudlg„ UuiversttütSstr.8, L. Lischt Kathattnenftr. 14, u. KöntgSpl. 7. Haupt-Filiale Vresde«: Strehlrner Straß« ü. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Berlin: Earl vuncker, Herzgl. vayr. Hofbuchhandlg., Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4008. WxzMr.TagMatt Anzeiger. Ämtsvlatt des Königlichen Land- «nd des Königlichen Nmtsgerichtes Leipzig, -es Mates nnd des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Auzeigen. Preis die -gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalt«) 75 vor den Familieunach. richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühr« für Nachweisung« und Ossertenammyme 85 H (exet. Porto). Ertra-Beilag« (gesalzt), nur mit der Mora«-Ausgabe, ohv« Postbesördernug ^l SO.—, mrt Postbeförderung Nl 7V.—» Luuahmeschluß fiir Liyeige«: Abend-Ausgabe: vormittag» IS Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeig« sind stets « die Expedition zu richt«. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vou L. Polz in Leipzig. Nr. 57. 97. Jahrgang. Sonntag den 1. Februar 1903. Aus -rr Woche. Der Geburtstag des Kaisers ist im Reich« und von den Deutschen de» Auslandes in derselben Weise wie früher festlich begangen worden. Die Reichstags- Verhandlungen, deren Mittelpunkt der Kaiser gewesen war, lagen noch so nahe, daß naturgemäß auch in den Betrachtungen über Kaisers Geburtstag die Kritik einen breiten Raum einnahm. Aber trotzdem ist die allgemeine Sympathie sür die Persönlichkeit deS Monarchen lebhaft zum Ausdrucke gelaugt. Mit unverkennbarer Wärme hat man in Elsaß-Lothriugen dieses Mal des Kaisers gedacht. „Er brachte in unsere Gauen den Frühling einer freiheitlicheren Zeit", rühmte, dankbar wegen der Aufhebung des Diktatur paragraphen, selbst der klerikale „Elsässische Bolksbote", um hinzuzufügeu: „Wer so au unserem Volke handelt, darf seiner Ergebenheit und treuen Pflichterfüllung sicher sein." Mögen die Taten der Elsaß-Lothringer diesen Worten entsprechen! In grellem Gegensätze zu der patriotischen Stimme aus den Reichslanden standen di« Kuudgrbungea der welfisch en „RechtSparteiler". Die Organe deS braunschweigischen wie deS hannoverschen WelfeutumS waren einhellig in dem Bemühen, auch de» Geburtstag des Kaisers al» Gelegen heit zur Agitation für die Wiederherstellung deS Königreiches Hannover zu benützen. Das hannoversche Welseoblatt »erstieg sich nach plumpen Schmeicheleien wegen der Beseitigung eine» angeblichen Llajor äomus-tum» durch den Kaiser zu der Behauptung.: „Er (Kaiser Wilhelm II.) könnte dem Lindwurmtöter Siegfried gleichen, wenn er den Drachen deS Unrechtes besiegte und da» ge brochene Legitimitätsprinzip wieder in alter Herrlich keit aufrichtete." — WaS da» Welfentum „gebrochenes LegitimitälSprinzip" nennt, ist in der geschichtlichen Wirklich keit partikularistisch« Eigensucht und Hoffart gewesen. Die Aufforderung, durch die Belebung diese» „Lindwurms" der deutschen Geschichte rin Lindwurm töt er zu werden, kann in solchem Munde nicht überraschen. Die vom Kaiser an seinem Geburtstage erlassenen Aus zeichnungen liefern zum Teil der Kritik neues Material. Vor allem mußte die Berufung des Grasen Ballestrem ins Herrenhaus zu dem gegenwärtigen Zeitpunkte nicht wenig befremden. Denn selbstverständlich bat man hierin eine Be lohnung dafür erblicken wollen, daß Graf Ballestrem die parlamentarische Erörterung der Kaiserreden zum Falle Krupp anfangs verhinderte; oder man faßte die Auszeichnung als eine Belohnung für da« Verhalten des Grafen Ballestrem in Sachen des Anträge» Kardorff auf. Die offiziösen Ver sicherungen, daß die Berufung deS ReichStagspräsiventen ins Herrenhaus lange vor dem Anträge Kardorff eine be schlossene Sache gewesen sei, vermögen nicht die Meinung derer zu entkräfte», die zum mindesten einem Auf schub der für den Grafen Ballestrem bereit gehaltenen Auszeichnung daS Wort redeten. Hat man diesen Auf schub nicht eintreten lassen, so geschah die» vielleicht in der Hoffnung, daß die einem Manne des Zentrums erwiesene Ehre sänftigend auf den Parteitag deS bayerisch en Zentrums wirken werde. Sollt« eine solche Rechnung angestellt worden sein, dann konnte sie bereit- als trügerisch erkannt werden. Anlaß zur Kritik bot in zweiter Linie die Verleihung deS Ordens xour Iv mLrite au den „Iltis". Möglich, daß eine derartige, bei un» bisher nicht übliche Maßnahme den Ehrgeiz in der Mariae anspornt. Aber der Gesichtspunkt, daß die fragliche Ver leihung auf die Neigung hindeute, die Leistungen der Gegenwart gewissermaßen durch eia Vergrößerungsglas zu sehen, wird manchem einleuchten. Hinzu kommt die Erwägung, ob eS ratsam sei, der schlichten Pflichterfüllung den Charakter des Selbstverständlichen zu nehmen. Im altpreußischen und im altwilhelminischen Sinne dürfte die Antwort hierauf ver neinend lauten. Ilabowu» knpnm! Die ballestremlose, die schreck liche Zeit ist nach knapp achttägiger Dauer vorüber: mit 195 gegen 89 Stimmen wurde der Graf zum Reichstags präsidenten, wie erwartet, wieder gewählt und die Wieder wahl ist, wie gleichfalls von anfang an sicher schien, an genommen worden. Besonders stolz kann Graf Balle strem sür seine Person auf diesen WahlauSsall nicht sein, da die gesamte Linke gegen ihn gestimmt hat. Politisch aber sind Wahlergebnis und Annahme der Wahl nicht verwunderlich, da politisch ja alle» beim Alten blieb. Hält man den plötzlichen Verzicht de» Grafen Ballestrem aus das Präsidium neben sein Verhalten gegen über dem Abg. Bebel, der schrankenlos am Kaiser eine zum Teil ausfallende Kritik üben durfte, dann kann man sich deS Eindrücke» nicht erwehren, daß Graf Ballestrem für die Neuwahl auf mehr Stimmen von der Linken hoffte, als er erhalten hat. Di« Aussicht auf ein Gesetz zur Sicherung deS Wahlgeheim nisse- hat die Konservativen gegen die Regierung in Harnisch gebracht. Nicht bloß die Presse der konservativen Partei, voran die „Kreuzztg." und die parteiamtliche Konservative Korrespondenz", sondern auch ihre parlamentarische Ver tretung bringen diese Verstimmung je länger je schärfer zum Ausdruck. Bei der Etatsdebatte im preußischen Abgeordneten hause fuhren die Herren von Wangenheim und von Olden burg scharfes Geschütz gegen die Regierung wegen der Handels und der Sozialpolitik auf. Als auch der Bundesdirektor I)r. Haha in dieselbe Kerbe schlug, geriet der Landwirtschafts minister von PodbielSki derart in Wallung, daß er daS Tischtuch zwischen sich und dem Bunde der Landwirte nun mehr für zerschnitten erklärte. Zu dem Entschlüsse, diese Operation al» vollzogen zu betrachten, hat Herr von PodbielSki merkwürdig viel Zeit gebraucht. Und merkwürdig genug ist auch die Unterscheidung, die der preußische Landwirtschaftsminister zwischen parlamentarischen und anderen Reden macht: außerhalb deS hohe« HauseS gegendie Regierung gerichtete extrem-agrarische An griffe nimmt Herr von PodbielSki auf die leichte Achsel. Darin unterscheidet rr sich zu seinem Nachteile von dem altenburgischen Staatsminister von Helldorff, der dem bündlerischeu ReichStagSabgeordneten Kammerherrn von Blödau in einer Altenburger Wählerversammlung sehr entschieden mit dem Erfolg entgegentrat, daß die Reichs- tagSkanvidatur Blödau nicht mehr in Frage steht. Es fragt sich nun, ob Herr v. PodbielSki al» Tischtuch,erschneider und Herr v. Helldorf als offener Bekämpfer bündlerischrr Wahlaspirationen Nachfolger sowohl in Preußen, al» auch in anderen Bundesstaaten haben werden. Sollte da» nicht der Fall sein, so würde bei der bündlerischeu Wühlerei gegen die abzuschließendea neuen Handelsverträge und bei der Neigung der Konservativen, sich ihre Haltung von den BundeSführern vorschreiben zu lassen, die Gefahr eine» Aus falles der ReichStagswahlen nahe gerückt, der die Hoffnungen aller besonnenen Industriellen und Landwirte auf daS Zu standekommen langfristiger Handelsverträge zu Nichte machen müßte. Die Erklärungen, die der preußische Minister de» Innern in der Budgetkommission deS Abgeordnetenhauses über den Fall deö LaodratS von Will ich abgegeben hat, sind ungenügend und entheben daS Plenum nicht der Pflicht, eine gründliche Aufklärung aller einschlägigen Verhältnisse herbei- zuführen. Um eine solche Aufklärung kommt die preußische Regie rung keinesfalls herum. Vom „Mandarinentum" der Ostmark hat man schon manches Stücklein gehört; stellt eS sich aber al- tatsächlich heraus, daß dieses Mandarinentum zum schwersten Schaden eines wahrhaften Vertreters des Staates in den Dienst bündlerischrr Interessen trat, dann muß der Ruf nach einem eisernen Besen zur Verwendung gegen da» Manda rinentum auf da» rücksichtsloseste erhoben werden. Deutsches Reich. LH Berlin, 31. Januar. (Die Lehre derReichs- tagscrsatzwahl in Schleswig.) Wenn auch die nationalliberale Partei bei der Rctchstagsersatzwahl in Schleswig nicht in die Stichwahl gelangt ist, so ist sie es doch nicht, die am meisten Grund hat, das Wahlergebnis zu bedauern. Ihr Kandidat hat zwar erheblich weniger Stimmen bekommen, als der freikonscrvative Bewerber im Jahre 1898, aber andrerseits doch erheblich mehr, als der reichsparteiliche Kandidat bet den Wahlen 1893. Da bei waren im Jahre 1893 keine weiter nach rechts stehenden Bewerber ausgestellt, während diesmal die bündlorisch- antisemitischr Kandidatur dem Kartellkandidaten etwa 3500 Stimmen entzog. Die Nationalliberalcn sind also mit Ehren aus dem Kampfe herausgegangen. Anders die Bündler und die Antisemiten. Zunächst steht ihr Kandidat erst an der 4. Stelle und dies in einem Wahlkreise, der laut der amtlichen Statistik bei den letzten allgemeinen Wahlen unter etwa 25 000 Wahlberechtigten nahezu 20 000, also vier Fünftel hatte, die in Orten von weniger als 2000 Einwohnern, also auf dem Lande lebten. Zieht man von den auf den bündlerisch-antisemischen Bewerber ge fallenen Stimmen die in den Städten des Wahlkreises ab gegebenen Stimmen ab, so haben von 20 000 ländlichen Wahlberechtigten kaum 3000 ihre Stimme einem bündle- rtschen Bewerber gegeben, so daß in diesem Wahlkreise auf dem Lande die Freisinnigen und die Sozialdemokraten besser abgefchnitten haben, als der Bund der Landwirte. Der Bund hat sich also mit der von ihm unterstützten anti semitischen Kandidatur lediglich ein Armutszeugnis ge holt. Zum zweiten hat er aber durch die Sonderkandi datur des Grafen Rcventlow das glorreiche Resultat er zieh), daß zwei Männer in die Stichwahl gekommen sind, die beide Gegner jeder, auch der geringsten Erhöhung der Lebensmittelzölle sind. Ohne die Kandidatur Reventlow hätte der nattonalliberale, für Erhöhung der Zölle — wenn auch nicht in dem vom Bunde gewünschten Umfange — eintretende Kandidat mit etwa 8000 Stimmen an der Spitze der Bewerber gestanden. Das ist der Erfolg der „bündlerischcn Selbständigkeit." -ö- Berlin, 31. Januar. („Sachliche" Taktik.) Als Herr Pfarrer Wacker neulich auf der Stuttgarter Zentrumsversammlung sich sür ein Zusammengehen der bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie aus sprach, aber nur unter „Bedingungen", konnte man glauben, daß diese Bedingungen sich an die Personen der Kandidaten der anderen bürgerlichen Parteien knüpfen sollten. Aber nein, Herr Wacker ist streng „sach lich"; er kümmert sich weniger um di« Personen, als um die Vorteile, die für das Zentrum dabei herausspringen sollen. Dies ergibt sich au- dem von der „Köln. Volks ¬ zeitung" veröffentlichten Wortlaute seiner Rede. Herr Wacker sagte u. a.: „Möge man nun die H i n d e r n iss e, die bisher einem Zusammengehen der bürgerlichen Par teien noch entgegentreten, beseitigen. Diesen Appell richte ich nicht nur an die Parteien, sondern auch an die Re gierungen. Man wird erwarten dürfen, daß gerade von dieser Stelle etwas geschehen wird, um der Zentrums partei das Zusammengehen mit anderen Parteien, speziell auch mit den Nattvnalliberalen, zu ermög lich en." Diese Sprache ist ja ziemlich deutlich, aber um sie auch den Schwerhörigsten unter allen Umstünden ver ständlich zu machen, liefert die „Köln. Bolksztg." dazu folgenden Kommentar: „Für die badische Regierung spitzt sich die Lage unerbittlich auf die Frage zu: Sind die Rechtsforderungen des katholischen Vol kes oder sind die Fortschritte der Revo lutionspartei im Lande staatsgefähr lich?" Das heißt also: will die Regierung alle katho lischen „Rechtsforderungen" bewilligen, so sollen national liberale Kandidaten, insonderheit auch in der badischen Landeshauptstadt Karlsruhe, unterstützt werden; will sie dies nicht tun, so will das Zentrum den Fortschritten der Revolutionspartei keine Hindernisse in den Weg legen. Nun, was die nattonalliberale Partei anbetrifft, so wird sic sicherlich gern darauf verzichten, unter solchen Be dingungen vom Zentrum unterstützt zu werden. * Berlin, 31. Januar. Zum Selbstmorde des Landrats v. Willi ch schreibt das „Pos. Tgbl." in seinem Leitartikel vom 29. Januar: „Es muß einmal offen ausgesprochen werden, daß sich ein Landspekulantentum in die Reihen der Landwirte eindrängt, Leute, die mit Hülfe der Ansiedlungskommission ernten wollen, ohne gesäet zu haben. Major a. D. Endell mag einen ehrlichen Handel geschlossen haben, als er sein verschuldetes Gut an die Ansiedlungskommission ver kaufte, er mag auch im besten Glauben gewesen sein, als er für sich Darlehne aus Kassen entnahm, die er selbst verwaltete. Daß aber sein Verfahren die Kritik herausforderte, wird er jetzt selbst kaum in Abrede stellen können, und ob im vorliegenden Falle die Pistole das geeignete Mittel war, Bemängelungen zu wider legen und die Lauterkeit seines Verhaltens zu erhärten, kann dahingestellt bleiben. Auffallend und bedauerlich bleibt eS, daß in einem Fall wie dem hier erörterten die Staatsanwaltschaft daS bereit» «ingeleitete Strafverfahren gegen Herrn Endell eingestellt hat, anstatt die Angelegenheit dem Spruche deS Gerichts zu unterbreiten und Herrn Endell Gelegenheit zu geben, in öffentlicher Verhandlung sein Recht zu wahren. Denn die Wege der Ehrengerichte in Preußen sind dunkel und zuweilen wunderbar. Landrat v. Will ich war einer der Vordersten im Kampfe gegen Leute, die da ernten wollen, ohne gesäet zu haben. Er ist gefallen als ein Opfer dieses Kampfes, gleichviel, ob sein Auftreten gegen Endell berechtigt war oder aus entschuldbarem Irrtum entsprang. Und dem Vernehmen nach ist er auf gemeine Weise zur Strecke ge bracht worden. Es gab außer ihm noch viele anständige Leute, die an dem Auftreten des Herrn Endell Anstoß ge nommen Hecken. Unter anderen wird Herr v. Tiedemann- Seeheim genannt als derjenige, der Herrn v. Willich zum Vor gehen bestimmt und den Herr v. Willich alsdann gedeckt hat. Die Person, die den Landrat im entscheidenden Moment im Stich gelassen hat, ist der Rektor Keller, früher in Birn baum. Denn da v. Willich als Beamter Bedenken trug, per sönlich in daS unterirdische Kampfgewühl hinabzusteigen, über gab er das ihm von seinen Gewährsmännern zur Verfügung ge stellte Material an Herrn Keller, der sich erboten hatte, alle Verantwortung für die Veröffentlichung zu übernehmen. Keller tat dies auch anfänglich durch öffentliche Erklärung. Ms aber die Angelegenheit kritisch wurde, widerrief er seine Autorschaft und überschlug sich in unverständlichen Kundgebungen, die seiner zeit in der Presse wiedergegeben worden sind. Nun ver stummten aber auch die Hintermänner des Landrats und Herr v. Willich stand allein im Gefecht. Wahrscheinlich ist es allerdings, daß er im Vertrauen auf Keller und auf jene stummen Hintermänner anfänglich die Ver antwortlichkeit für die gegen Endell gerichteten Zeitungsartikel abgelehnt har. Und dies war die Schlinge, mit der er gefangen und erdrosselt wurde. Nachdem das Verfahren gegen Endell den bekannten, eigenartigen Verlauf genommen hatte, hatte der Landrat die ganze Rotte der Hochagrarier wider sich. Man be leidigte ihn auf die schmählichste Weise, so bei einem öffentlichen Festessen im Herbst vorigen Jahres, und später, etwa 8 Tage vor seinem Tode, auf dem Festessen des Johanniter ordens in Posen. Es ist ein eigenartiger Irrtum des „Reichsboten", wenn er in Abrede stellt, daß Herr v. Willich auch nach Bekanntwerden der Angelegenheit Endell vom Kaiser in hervorragender Weise geehrt worden sei, und sogar behauptet, das Gegenteil sei der Fall. Den ganzenRitt und Einzug deS Kaisers in Meserih hat v. Willich an der Seite des Kaisers mitgemacht, nachdem er gerade mit Auszeichnung behandelt worden war. Auch die Ernennung zum Kammerherrn ist doch wohl nicht das Gegenteil einer Ehrung. Und da eS endlich richtig ist, daß v. Willich noch kurz vor seinem Tode für den Posten eines Ge sandtschaftsattaches in Aussicht genommen war, so ist dies schwer vereinbar mit der Behauptung, daß es sich um einen notorisch ehrlosen Mann gehandelt habe, für den cs unter den Ehren männern der Provinz keinen Raum mehr gab." Mit dieser Darstellung, die von jedem Kenner der Posener Verhältnisse als sehr glaubwürdig taxiert werden wird, auch wegen des eigentümlichen Verhaltens ver schiedener Personen, steht der Widerruf in Uebereinstim- mung, zu dem der „Reichsbotc" sich jetzt veranlaßt sieht. Dem Blatte, das den Aufsehen erregenden Artikel über den verstorbenen Landrat gebracht hatte, wird jetzt mitgctcilt, daß die ihm von „vertrauenswürdiger" Seite zugegangene Darstellung unrichtig sei. Herr v. Willich sollte Artikel gegen Major Endellin die Zeitungen ge ¬ bracht und e» dann ackgeleugnet haben. DaS sei der eigentliche Grund zu dem Selbstmorde gewesen, nach dem auch noch sein Bruder ihm gesagt habe, eS bleibe ihm nur noch die Kugel tübrig. Herr v. Willich habe atber überhaupt keine Artikel gegen Endell geschrieben, habe dieselben also auch nicht abgeleugnet. Der „Reichs bote" fügt hinzu: „Wir stehen der Sache völlig objektiv gegenüber und nehmen von dieser Berichtigung um so lieber Notiz, als sie, wenn sie sich bestätigt, einen Flecken von der Ehre eine» Manne-, der uns als ein Ehrenmann geschildert wird, hinwegnimmt. Als wahr scheinlicher Grund des Selbstmordes wird nn» di« im Kampfe mit der Agitation des Bundes der Landwirte gesteigerte Nervo sität des ohnehin nervösen Mannes angegeben, die «S veranlaßt habe, daß er sich durch die von höherer amtlicher Stelle ihm ge machte Zumutung, dem KaisergeburtStagSessen diesmal nicht, wie bisher, zu präsidieren, und um den Gegnern keinen Anlaß zu der von ihnen angedrohten De monstration zu geben, schwer gekränkt gefühlt habe." Der biedere „Reichsbotc" scheint sehr milde Ücker seine eigenen Sünden zu denken. Andere Leute werben darüber anderer Meinung sein. — Die „Breslauer Ztg." berichtet aus Birnbaum, daß der Tod des Landrats die Gemüter tief erregt habe. Bei der Kaisergeburt-tagS- feier habe man den Agrariern zugerufen: „RauS mit denen, die ihn in den Tob getrieben haben!" Der Hauptgegner von Willtchs, Herr von Unruh, habe die Feier nach einiger Zeit verlassen. D Berlin, 31. Januar. (Telegramm.) Heute morgen unternahmen der Kaiser und die Kaiserin einen Spaziergang im Tiergarten; der Kaiser sprach sodann beim Reichs kanzler vor und hörte von 10 Uhr ab die Bortrage de» General-Inspekteur» der Festungen Generalleutnant» Wagner, des Staatssekretärs deS ReichS-Marine-Amt- und de- Chefs des Marine-KabinettS. Um 12»/« Uhr nahm der Kaiser die Meldung de» Generalleutnants Ritter Hentschel v. Gilgenheimb und de» mit der Führung de» IV. Corps beauftragten Generalleutnant» v. Hindenburg, sowie sonstige militärische Meldungen eutgegen. Zur Früh- stückstafel waren geladen Prinz und Prinzessin Heinrich, Prinz und Prinzessin Adolf zu Schaumbura-Lippe, Prtu- zessin Feodora zu Schleswig-Holstein. Zur Abmdtafel dieselben Herrschaften und Prinz Vollrath zu Schaum- burg-Lippr. Bei der Kaiserin fanden heute Mittag Em pfänge statt. L. Berlin, 31. Januar. (Privattelegramm.) Der Ausschuß der nationalliberalen Partei war heute vormittag im Abgeordnetenhause zusammengrtreten, um die Tagesordnung für die Sitzung deS Zeutralvor- standeS vorzubereiten. Der Ccntralvorstand wird am Sonntag (1. Februar) vormittag im Reichstage sitzen. An die Stelle des bisherigen General-Sekretärs der Geiamtpartei Patzig, der ein ReichSlagSmandat sich erringen will, ist der frühere Geschäftsführer der Nationalliberalen im Königreich Sachsen, Breit Haupt, getreten. („Nat.-Ztg.") L. Berlin. 31. Januar. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." kalt trotz deS Dementis der „Nordd. Allg. Ztg." ihre Behauptung von der Einwirkung des Landwirtschafts ministers v. Podbielskt auf die Milderung des ehrengericht lichen Urteils bezüglich des Major- a. D. Endel aufrecht und schreibt: „Wie wir von zuverlässiger Seit« erfahren, hat Herr v. Pod- bielski selbst durch Aeußerungrn zu bekannten, extremen Agra riern sich das Verdienst an der Milderung de» ehrenge richtlichen Urteils zugeschrieben. Wir hoffen, daß Herr v. PodbielSki in dieser Beziehung von seinem Gedächtnis nicht ebenso im Stich gelassen wird, wie hinsichtlich deS „LausekanalS". Es ist lediglich insofern ein Mißverständnis vorgekommcn, als man Herrn v. Podbielskis Acußeruugen so oufgefaßt hatte, als ob er von einem seinerseits dem Kaiser in der Angelegenheit ge haltenen Vortrag gesprochen hätte. ES gab selbstverständlich auch andere Mittel zu dem erwähnten Zwecke". — Nach Angabe einiger Blätter soll als Gegenbesuch sür den Besuch des dänischen Kronprinzen in Berlin zum 8. April, das heißt zum 85. Geburtstage deS Königs Christian, das Eintreffen deS Prinzen Heinrich an der Spitze eweS deutschen Geschwaders in Kopenhagen bereit» an gemeldet sein. — Aus Wien wird der „Frkf. Ztg." gemeldet: Die sozialdemokratische Fraktion de» deutschen Reich». tageS habe sich an den Abgeordneten DaSzynSki mit dem Ersuchen gewendet, ihr die Akten der Prinzessin Luise von Koburg zur Verfügung zu stellen. Dir Fraktion be absichtige, die Affäre der Prinzessin im Reichs tage zur Sprache zu bringen. — Der Korrespondent der „Germania" sagt am Schluffe eines Berichts über die Münchener Zentrum»- Versa in mlung: „Bei aller Gegnerschaft gegen daS Ministerium vergaß man in echter, altbewährter und unerschütterlicher Bayerntreue nicht unsere» hochverehrten Regenten, und auS tausenden von kräftigen Kehlen ertönte am Schlüsse der Versammlung da» Hoch aus den Regenten und daS angestammte Hau» WittelSbach". Also doch! DaS ist wirklich aller Ehren wert. — Seitens des Generalstabes der Armee wird alljährlich eine Konferenz abgehalten, weiche Elsenbahn-Anaelegen- heilen betrifft und an welcher der Chef deS Grneralstabe» der Armee, Geniale und höhere Offiziere deS GeneralstabrS, die Eiienbahn-Linirnkommissare und Eisenbahn-Kommiffarr, Beamte de» Eisenbadn-Ministeriums in höheren Stellen u. a. m. teilnehmen. Aus Anlaß der diesjährigen Konserenz sand am Freitag abend tm Hotel Kaiirrhof ein Diner statt, zu dem sich etwa ISO Offiziere und Beamte vereinigt hatten. D tSckernförtze, 31. Januar. (Telegramm.) Bei der Reichstagsersatzwahl wurden nach den neueren Fest- stellungen gezählt für Spethmann (freis. Bp.) 4985, für Hoffmann (Soz.) 4199, v. Reventlow (B. r. L) 3338, Hansen (nail.) 2820, Professor Lehmann-Hohenberg
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page