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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040202027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-02
- Monat1904-02
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Bezngs-PreiS in der Haupttipedikion oder deren «u«gab<- stellen abg«tzolt: vi«rt«ljahrltch 3.—, b«t zwümaliaer täglich» Zuslilluna in» hau» -Sl 3.7-. Durch di« Post b«»0ß«u für Diutlch« tänd u. Oesterreich viertkljährnch 4.LÜ, für Si« übrigen Länder laut Zeltung-prei-itst«. Retzattisu and Expedition: JohanniSgasse 8. Fernsprecher 1-3 ü. 228. -tltGltxptdiNBnen! Alfr, dLahn, Buchhandlg., Universttüttstt.» Arrnspr.Rr. 4E1S), L. Lüsche, Knthirinew- straß« 14 (Fernsprecher Nr. 2d3ü> u. KvatgS- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7-OL). Dresden: M arieustraß« 34 (Fernsprecher Amt iNr. 171L). Haupi-Atltal« Verlin: LarlDuncker, H«rzgl.Bayr.Hofbuchbandla^ Lützowstraße wiAernsprecherÄmlVI Nr.4Üutz.) Nr. 59. WMWMSSSSS—SS—S Abend-Ausgabe. MpMer TlUMM Anzeiger. Amtsvlatt des Äönigkiiijcn Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamtcs der Ltadt Leipzig. Dienstag den 2. Februar 1904. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Rrtlamrn unter dem Revaltisnöstrich (4gespaiten) 7ü vor den Famiicenuach- richt«» (6 gespalten) LO Llibellnrischer und Hiffrrnsatz entsprechrnv Hüber. — Gebühren sür Nachweisung«» und Ofsertrnannahme 2ü Dxtra'vrtlagr« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ob ne Poslbrsvrderung tiO.—, m i t Postbesörderung -St 70.—. Annahmeschluß für Ansrigea. Abend Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polt in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kltnlhardt). 98. IabMNsi. Var Aichligrtt vom Lage. * Der Kaiser soll beabsichtig««, Wie ttt Berliner Blätter« verlautet, seine Mittelmretreise tim 0. März von Kiel aus anzutreten, um etwa am 12. März in Pälermo cinzutreffev. * Ueber das Schicksal des Gouverneurs Leui- weiü beginnt Mckn itt kolonialen Kreisen einige Be- unruhiaung zu empfinden. Seit dem 23. v. M. sollte Oberst Leutwein in Windhoek sein. Man glaubt, daß seine Boten abgefangen seien. * In der gestrigen Otznabrücker ReichtagSstich- wabl siegte Wam ho ff (natlib.) gegen v. Bar (Zentr., Welfe, B. d. L.) * Zwischen der alten Kölner Aerzteschaft und den neuen^rstangestellten Kassenärzten ist bisher noch keine Einigung erzielt worden. * In der französischen Presse wird die deutsche Organisation zur Bekämpfung ve» Herero-Aufstandes gerühmt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Februar. Der Herero-Aufstand (mit französischen Augen gesehen). Ueber das deutsche Vorgehen gegen die Hereros enthält der Pariser „Trmp«" aus Berlin einen Brief, der alle in Frage kommenden deutschen Instanzen mit dem größten Lobe bedenkt. Zuerst rühmt der französische Korrespondent die Presse, «sie bade die Haltung eingenommen, die ibr an großen Tagen, in schwierigen Zeiten eigen tümlich sei: „In kritischen Stunden ist die öffent liche Meinung Deutschlands einig und trachtet ein hellig nach praktischer Arbeit. Gelehrigkeit gegenüber der von oben gegebenen Parole? Instinkt eines immer tätigen, von einem äußerst lebhaften, sehr auf daS Wirkliche gerichteten Patriotismus? Man weiß eS nicht." — Nach dieser Tovpelfrage, deren erste, auf eine „Parole" bezügliche, völlig gegenstandslos ist, wendet sich der Korrespondent des „Temps" dem Verhalten der Regierung zu. Si« habe sich auf der Höhe ihrer Aufgabe befunden, im Reichstage nichts verheimlicht und ohne Zeitverlust gehandelt. „Jetzt", beißt cs im „Temps" wörtlich, „kann man sehen, was ein deutsches Ministerium an Tatkraft und exaktem Wissen be sitzt; an organisatorischem Können noch mehr als an Vor aussicht; denn die große Kolonie ist unvermutet angegriffen worden und von allein entblößt. Zuviel Vertrauen auf sich selbst verleitet die deutsche Verwaltung, die möglichen oder nahen Gefahren nicht zu erkennen. Aber sie nimmt gegen über den gegenwärtigen Gefahren ihre Revanche. Ein deutsches Ministerium ist ein Werkzeug der Aktion von einer Widerstandskraft, einer Genauigkeit, die unvergleichlich sind. Diese kaiserliche Burcaukratie bebt die Initiative nicht auf: sie bemächtigt sich ihrer und leitet sie." — Nachdem es in dieser Tonart noch weiter gegangen ist, wendet sich der „TempS" dem Kaiser zu. „Bei allem gibt das Oberhaupt das Beispiel. Wilhelm II. zeigt sich als der erste Beamte seines Reiche«, als der unermüdlichste, der geschickteste. . . Sein sogleich durchgeführter Gedanke, den Heimgesuchten von Aalesund ein Hülfsschiff zu senden, wirb ohne Zweifel keinen großen Platz in der Geschichte erlange«; über im Augenblick ist es ein Meisterstück. . . Man kann nicht an alles denken — ist ein Sprichwort, das für Wilhelm ll. nicht gilt. Er ist der Kaiser, der an alles denkt." — Wenn der Gewährsmann des „Temps" sehr leb hafte Farben auf seine Palette getan bat, geschah es natür lich in der Absicht, seine französischen Landsleute in besonders drastischer Weise zur Nacheiferung anzureizen. Beachtenswert ist die Korrespondenz des „TempS" auch noch aus dem Grunde, weit sie zeigt, mit wie scharfen Augen Ausländer in einem für Deutschland mißlichen Augenblick unser Verhalten mustern. Unissrmveräntzeruttgen. Aus Abgeordnetenkreisen schreibt man un«: Bei der neuerdings in der Buvgetkommission de« Reichs tags behandelten Frage der Uniformänderungen in der Armee denkt man in weiteren Bevölkerungskreisen zumeist nur an die Kosten, die dem Reiche wie den Offi zieren bezw. den Vätern derselben dadurch erwachsen, und verbindet damit die Auffassung, als ob den Fabrikanten und Schneidern dadurch sogar recht wesentliche Vorteile er wüchsen. Der vierte Punkt: Die Beunruhigung großer Kreise der Industrie, die im höchsten Grade gefährdet wird, tritt erst in neuerer Zeit mehr m die Oesfentlichkeit, nachdem einige Handelskammern und die Presst fick dieser Angelegenheit angenommen haben. Der für die Armee not wendige große Bedarf an Stoffen erfordert natürlich auch eine große Fabrikation; sie hat sich vielfach sogar schon zur Spezialität entwickelt. So sind hieran ganz besonders GkUnberg, Sorau, Görlitz, Düren, Lennep, Aachen, Burscheid, Werden, Kamenz, Bischofswerda, Kattvwitz u. a. m., also große Industriekreise interessiert. Die Annahme, die Er laubnis des AuftragenS der bisher im Gebrauch befind lichen Kleidungsstücke mildere die Wirkung einer derartigen, ganz plötzlich kommenden Neueinfübrung, ist durchaus irrig, denn vom Augenblick der offiziellen Einführung an wird nicht ein Rock von alter Farbe mehr neu gemacht. Daß Neuerungen überhaupt aber unterbleiben sollten, wird schließlich kein verständiger Fabrikant fordern: ja, wenn eine Aenderung aus militärischen Gründen als not wendig sich erweist, so würden gerade die gut patriotisch gesinnten Uniformtuchfabrikanten die letzten fein, die sich prinzipiell dagegen auslehnen möchten. Nur die Art der Einführung bedroht ihre Existenz, nicht die Einführung einer notwendig gewordrnen Aenderung an sich. Wenn heul z. B. die feldgraue Farbe aus taktischen Gründen zur Not wendigkeit geworden sein sollte, daun muß sie ;um Besten dcS Vaterlandes auch auSgefülM werdrn, abev nicht so plötzlich, sondern unter rechtzeitiger Ankündigung, in welcher gesagt ist, von welcher Zeit an erst die betreffenden neuen Uniformstücke getragen werden dürfen und welche vor allem noch hinreichend Spielraum zur Aufbrauchung der alten Bestände läßt; dann lassen sich die Dispositionen recht zeitig entsprechend ändern und der Fabrikant kann sich bei zeiten auch auf die neuen Artikel einrichtcn. Auch wird die Mißstimmung vermieden, die seinerzeit bei Einführung der grauen Stoffe sür die Mäntel erregt wurde, daß nämlich einzelne Firmen, die auf irgend eine Weise die kommende Veränderung vorzeitig erfahren hatten, den Artikel in großen Ouantitäten im voraus auf Lager arbeiten und dann das Hauptgeschäft an sich reißen konnten. Auch ist es sicher kein unberechtigtes Verlangen der Industrie, wenn sie den Wunsch äußert, daß mit dem Erlaß zugleich offizielle Vorlage muster ausgegeben werden. Im wesentlichen handelt es sich hier also nicht um eine Bekrittelung der sich militärischer seits als notwendig erweisenden Uniformänderungen, sondern um VerwaltungSmaßnahmen inbetresf der Durch führ ung der als notwendig erachteten Aenderungen. Deutsche und französische visenbalftipolttk. Wenn der französische Fittanzminister Rouvier zur Be. kämpfung der Verstaatlichung einiger der großen fran zösischen Privatbahnen sich auch auf die vermeintlichen un günstigen Erfahrungen berufen zu können glaubte, die Preußen in Bezug auf seine Finanzen infolge des Er- werbs seiner Privatbahnen gemacht hätte, so scheint er offenbar in dem Studium der Geschichte der preußischen Finanzen nur bis zum Jahre 1878/7» gediehen zu sein. Damals bat allerdings die Budgetkommissivn des Abge ordnetenhauses mit großer Mehrheit dem Hause vorge- schlagen, die »taatsregicrung aufzufvröern, wegen der davon zu erwartenden sehr ungünstigen Rückwirkung auf die Siaatsfinanzen von dem Ankäufe der Privatbahnen Abstand zu nehmen. Aber schon das Plenum verwarf nach der sachkundigen Darlegung des neuen Eisenbahn ministers Maybach diesen Vorschlag. Und mit vollem Recht, wie «die geradezu glänzenden Ergeb- nisse der Staatsbalinverwaltung zeigen. In den 20 Jahren von 1882/83 bis 1902 haben die preußi schen Ltaaiöbahnen Ueberschüsse im Gesamtbeträge von nahezu 7^ Milliarden Mark, also nahezu so viel Ueber- schuß geliefert, wie die Eisenbahnkapitalschuld 1902 mit rund 8 Milliarden betrug. Nach Abzug des Bedarfs zur Bcrzinsung des jeweiligen Betrages dieser Schuld blieb zu andermeilcr Verwendung noch ein Ncinübcrschutz von mehr als 4 Milliarden Mark. Es konnten aus diesen Rein« Überschüssen außer der Zuführung von 215 Millionen Mark zn dem Dispositionsfonds der Eisenbahnen über 1 Milliarde Mark von Schulden getilgt un- 2,8 Milliarden zur Deckung anderweiter etatsmäßiger Ausgaben ver wandt werden. Nach dem Staatshaushallsetat für 1904 sollen ferner die Staatsbahnen nicht weniger als 35 Pro zent des Gesamtbedarfs an Zuschüssen und mehr als 40 Prozent des Bedarfs an Zuschüssen für die eigentlichen Staatsverwaltungsausgaben liefern, und zwar neben den Mitteln zur Verzinsung und regelmäßigen Tilgung der Eisenbahnschuld. Schon von 1880/87 ab haben die Staatsbahnen angcfangen, über die Verzinsung und Til gung der Eisenbahnschulden hinaus Mittel für allgemeine StaatSzweckc zu liefern, anfänglich in geringem, dann in immer steigendem Betrage. 1887/88 waren erst 3 Millio. nen sür allgemeine Staatszweckc übrig, 1904 sollen dazu dagegen 187 Millionen verwandt werden. Ohneseinen BesiyanEisenbahnenhättederpreutzische Staat Kulturaufgaben im jetzigen Um fange nur lösen können, wenn er die Ein kommensteuer mehl alS verdoppelt halte. Hätte Herr Rouvter diese Tatsachen gekannt, so hätte er sich schwerlich ans den angeblichen finanziellen Mißerfolg der preußischen Eisenbahnverstaatlichung berufen können. Zwischen Krieg und Frieden. Ein japanischer Beamter in London, der mit allen Einzelheiten der Verhandlungen vertraut ist, er klärte gestern in einer Unterredung mit einem Vertreter des „Reuterschen Bureaus": Ich bin überzeugt, -atz die Verzögerung der Antwort Rußlands nicht auf seinen Wunsch zurückzuführen ist, weitere Kriegsvor- bereitungen zu treffen, sondern darauf, daß der russische Minister des Aenßern ehrlich versucht, den Streitfall zu einer freundschaftlichen, friedlichen Bei legung zu bringen. Tie ganze Angelegenheit dreht sich um die Krage der Versicherungen Rußlands hinsicht lich der Souveränität EhinaS in der Mandschurei. Japan ist entschlossen, wie immer, sich eine bindende, geschriebene Ver sicherung zu sichern. In anderen Punkten kann Japan gewisse Abänderungen zugestehen. Wenn aber die Versicherung nicht gegeben wird, so ist es keine Frage, daß Japan trotz aller sonstigen Konzessionen Rußlands die Verhandlungen abbrechen und Maßnahmen er greifen wird, um seine Interessen sicher zu stellen. Ohne eine solckw Zusicherung kann der Friede nicht ausrecht er halten werden. Diejenigen, welche behaupten, daß Japan geraten sei, die Dinge nicht zu weit zu treiben, wissen nicht genau, was vorgcgangen ist. Obgleich Eng land dringend den Frieden wünscht und sein Bestes ge tan hat, utn den Krieg zu verhindern, kennt die britische Regierung ebenso wie Rußland die Mindestforderungen Japans. Die Verzögerung der Antwort Rußlands delltet klar auf den endgültigen Kamps zwischen der Friedens- und der Kriegspartei in Rußland hin. Ich hoffe — und denke hinzusctzen zu dürfen — ich glaube, daß die erstere triumphieren wirb. * London, 2. Februar. Der „Dailh Telegraph" meldet aus Tokio: Nach einem Telegramm aus Peking bai Püanschikai seinen Posten als Chef des Stabes des Mili tärausbildungswesens niedergelegt, weil die Beamten sich sei nem Plane für die Reform der Armee widersetzten; er bleibt jedoch Gouverneur von Petschili. * Petersburg, 2. Februar. (Telegramm.) Der Ver- kehrsminister Chilkow ist zur Inspektion der Sibirischen und der TranS-Baikal-Bahn abgereist. Deutsches Reich. * Berlin, 2. Februar. * Tte Organisation der Privatangestellten. Auf Ein ladung des Deutschen BrennmeisterbundeS batten sich am Sonntag, 31. Januar, Vertreter aus den verschiedensten Berufszweigen des Privatanaestelltentums in Berlin zusam mengefunden, um über die Grundlagen einer gemein samen Interessenvertretung, insbesondere nach der Seite der Ausbildung der RechtSverbältnisse der Privatangestellten hier, ru beraten. An der Ver sammlung nahmen der Reichstags-Abgeordnete Potthof und der prerßische Landtags-Abgeordnete Schiffer teil. Nach eingehenden Erörterungen wurde eine aus 7 Mitgliedern destebende Kommission gewählt, welche die weiteren Maß nahmen vorzubereiten hat. Die Kommission besteht auS dem Reichstagsabgeordneten Pott Hof, dem LandtagSabgeordnete» Schiffer, dem Geschäftsführer deS Deutschen Brenmueistev- bundeS Steuglein, dem Vertreter des Deutschen Privat» Vramteii-Dcreine, Generaloirckior Ur. Sern au, I)r. Biber feld, Max Müller (ü8er Verein), Werkmeister Klinkeu- stein. Die Versammlung bot ein erfreuliches Bild der Einmütigkeit, so daß zu hoffen ist, daß daS begonnene Unter nehmen auch zu tatsächlichen Erfolgen führen wird. * „Hie Europa: — hie Amerika!" Unter diesem Titel hat der Ingenieur Jul. H. West im Berlage von Franz Siemcnroth Berlin einen wertvollen Beitrag zur Frage der „Amerikanischen Gefahr" erscheinen lassen. Der Verfasser bat auf zwei Studienreisen im Lande der krassen Utilität Erfahrungen gesammelt. Er zollt dem Amerikaner und seiner rasfinicrten Organisation der Arbeitsleistung Anerkennung, ohne vom ethischen Standpunkte aus die Kehrseite einer zu einseitigen Arbeitsmethode zu verkennen. Als leitende Gesichtspunkte, die nach Meinung des Verfassers drüben stärker hervortreten, al- bei uns, ergeben sich folgende: Weitgehende Rücksichtnahme auf die Indivi dualität, d. h. auf die Fähigkeiten und Veranlagung des einzelnen Arbeiters; Vereinfachung der Handgriffe der Ar beiter bei der Bedienung der Werkzeugmaschinen; Vermeidung nutzloser Handgriffe bei den Vorbereitungen zur eigentlichen Arbeit; möglichste Ausnutzung der teuren Werkzeug- Feuilleton. In der Brandung. 7j Roman von Wilhelm Fischer. «Nuchdruck verboten.^ „Familiensinn habe ich nun", sagte Wally ernst, „und deshalb finde ich es für skandalös, daß zwischen so nahen Berwandten, wie zwischen dein Grafen Treuberg und seinen Gegnern ein solcher Prozeß entstehen konnte." „Llou «Neu, Geld und Nutzen, darin liegt das Ge heimnis dieser Welt." — Wieder die schnippische, weg- werfende Geste. — „Und wer beides zu erwerben trachtet, Vai heutzutage nicht einmal wählerisch in seinen Mitteln zu sein. Im Gelderwerb gilt eS sür chir, -aß der Zweck das Mittel heilige, und wer reich und unabhängig leben will, darf kein Gemüt haben." „Sind das in diesem Prozeß auch die Ansichten de» BaronS." „Schon möglich!" Frau Grete zuckte mit den Achseln. „Ein Vergleich ist also unbedingt nicht möglich?" „Mein Mann ist entschieden dagegen, und so viel ich weiß, auch die Familie deS Baron», die der Gras auf» Aeußerste erbittert hat." „Der Graf sieht dem Prozeß, so viel ich weiß, mit großer Seelenruhe entgegen." „Dazu dürste er keinen Anlaß haben", lachte Frau Grete scharf auf. ,?So viel ich gehört habe, dürfte der Beweis leicht erbracht werden, daß der Gras zeitlebens ein großer Verschwender war. Die Langmut ist auf -eiten seiner Gegner." „DaS ist ihm zu beweisen!" „Nichts leichter als das", sagte Frau Grete höhnisch überlegen und bestimmten, siegesbewußten Tone». „Der Herr Graf darf da» Tänzchen wagen, wir spielen ihm auf. Er ist verloren, sobald dio Richter die fabelhaften Summen hören, die der Graf für Schmuck und der gleichen verschwendet hat." „Für Schmuck!?" Frau Wally erschrak bis ins Innerste ihrer Seele, aber sie verstand meisterlich, sich zu beherrschen. „Gewiß, für Schmuck!" wiederholte Frau Grete mit großem Nachdruck, „und an moderne Damen. Noble Passionen hat schließlich jeder Kavalier. Der Herr Graf jedoch hat geradezu wahnsinnig gehaust. Wie rasend Hai er gespielt, trotz schlechter Chancen auf seine Pferde gewettet und in eleganten Restaurants in Berlin und Wien, in Paris und Nizza Zechen gemacht, die geradezu toll sind." „.Also bi» dahin ist ihm der Spion gefolgt." „Was wollen Sie", zuckte Frau Grete leicht mit den Achseln und nippte an ihrem Glase. „Wir habe» uns zu informieren und wir sind so informiert, daß wir ihm seine extravaganten Tepensen von Fall zu Fall nach weisen können." Wieder erschrak Frau Wally. „Non Fall zu Fall?" fragte sie gedehnt und mit schwerem Atem. „Erstaunlich, nicht?" meinte Frau Grete triumphierend „Für die Freundinnen des Grasen dürfte der Prozeß ein unangenehmes Nachspiel haben. Mein Mann beabsichtigt nämlich, die Klage auf Herausgabe der Geschenke einzu leiten." „Also aus der Chamade wird wieder die Fanfare", sagte Wally mit deutlicher Geringschätzung. „Gewiß, aus dem Prozeßchen wirb ein Prozeß", lachte Frau Grete. „Wie der Schriftsteller, der Schauspieler, der Arzt und selbst der stille Gelehrte, so braucht auch heute der Rechtsanwalt Sensation, und er ist berühmt. Denken Sie an Labori im Zolaprozrß! UeSerdics ist metn Mann, und das steht ihm gut, von einer gewissen Versitttichungs- manie befallen." „Der Epikuräer! und in wie fern?" fragte Wally wieder im Tone der Geringschätzung und der Verachtung. „Er will nämlich in diesem Prozeß", antworieie Fran Grete mit leisem Spott, „der Gesellschaft ein Schauspiel bieten, das bester wirken soll, wte tausend Predigten. Er will die Damen, welche sich tn die Gunst des Grafen geteilt haben, vorladen lassen. Ich habe ihn einfach auSgelacht und ihm gesagi, daß er mit dieser Kokottenparade vor Gericht nicht eine einzige verlorene Seele gesunbbeten würde." „Ihm ist c» auch darum weniger, als um die platte brutale Sensation zu tun. Kann der Baron damit ein verstanden sein?" „Der!" lachte Frau Grete. „Der kümmert sich ja gar nicht um seinen Prozeß. Darauf können Sie sich ver lassen, di« Namen der beiden Verteidiger tn diesem Pro- zeß wirb sich die Welt merken. DaS ist ja auch Ihr Vor teil." „Auf Unkosten anderer bereichere ich mich nicht gerne. Dav wäre herzlos!" „Mein Gott, wer bat denn aus dieser Welt noch ein Herz!? Ter Vorteil allein regiert die Welt, und wer stolpert, indem er nach ihm hascht, über den stürzt flutend die Menge." „Das ist wohl wahr", sagte Frau Wally ernst. „Ein widerliches Schauspiel ist es trotz alledem, wenn der Vor teil der Gradmesser der Familie geworden ist, ein an der Kultur und der Menschheit begangenes Sakrileg!" „Der Graf trägt allein die Schuld", zuckte Fran Grete die Schultern. Er hat seine Verwandten seit Jahr und Tag vollständig ignoriert un- ihre Interessen in der rück sichtslosesten Weise geschädigt. Äug' um Auge, Zahn um Zahn, so denkt man auch heute noch." Frau Grete erhob sich. „Meine Zeit ist gekommen, sonst hole ich mir bet dem verführerischen Italiener noch einen Schwips." Frau Wally gab ihrem Besuch das Geleiie bis zur Flur- türe, bann schritt sie in das Wohnzimmer zurück, wo sie ruhelos und in tiefes Nachdenken versunken auf und ab ging. Plötzlich erhellte ein Lächeln die verfinsterten Züge der schönen Krau; sic war zu einem Entschluß gekommen. Fünfte» Kapitel. Doktor Römer war fest entschlossen, zu Neklamezwecken für sich und seine Praxis aus dem Prozeß Treuberg eine Haupt- und Staatsaktion zu machen. Ihm war natürlich nicht unbekannt geblieben, daß seine beiden Prozcßgegner, der Graf und sein Anwalt, durch ihr persön- liches Eingreifen ihm das, soweit die Presse in Betracht kam, erschwert hatten. Dies bequemste Mittel chen zum Zwecke war ihm vorläufig aus den Händen ge- wunden; da er eS jedoch nicht entbehren konnte, entschloß er sich, so viel Sensation in den Prozeß hineinzutragen, daß die Presse ihn nicht mehr totschweigen konnte, ob sic wollte oder nicht. Frau Wally unterschätzte ihren Gegner keineswegs und durchschaute seine Intrige wohl, die nur einer erfolgreich durchkreuzen konnte, der Baron, besten großen Einfluß auf seine Familie sie kannte. D«m Baron persönlich, das wußte Frau Wally, war der Prozeß sehr unsympathisch. Nur der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, hatte er die unangenehme Mis- sion Übernommen, die Familie in diesem Prozeß zu vrr- ireten. Was er in der Sache tat, welche Schritte er auch unternahm, tat er nur gezwungen; am liebsten war ihm wenn in seiner Gegenwart die fatale Affäre nicht berührt wurde. Zu Doktor Römer ging er nur, wenn ihn dieser zu einer Besprechung bat. Wie zufällig erschien dann regelmäßig Frau Grete im Bureau ihres Gatten und be grüßte den Baron, den die vielen kleinen Aufmerksam leiten -er schönen, intriganten Frau keineswegs kalt ließen, obwohl er tat, als bemerke er die Avancen nicht, die ilmi Frau Grete machte. Er hatte nur eine großcLeiden- schaft und ihr gegenüber waren ihm alle anderen kleinen und leichten Triumplxc eitel. Krau Wally kannte ihren Einfluß auf den Baron und sie war entschlossen, ihn im Interesse eines Vergleichs im Prozeß Treuberg auSzunützen, ein Plan, der ihrer Eitel kett eben so sehr schmeichelte, als er ihr persönlich gesähr lich werden konnte, aber zur Erreichung ihrer Ziele gab es keinen anderen Ausweg. Und die Zeit drängte. Beim nächsten Besuch, den der Baron ihr abstattete, steuerte Frau Wally ans ihr Ziel los. „Guten Tag, Herr Gegner", begrüßte sie ihn lachend und wies mit einer einladenden Bewegung auf einen Sessel, in den der Baron sich niederließ, während sic sich auf bas Tabouret setzte, das in einer Fensternische an ihrem bequemen Arbeitstischchen stand. „Gegner! Ach so, der leidige Prozeß. Fatal, daß ich damals bei Werner zu spät kam. Er !>attc dem Grasen schon zugesagt", meinte der Baron und zündete sich eine Cigarette an. „Hat Ihre Familie wirklich Hoffnung, den leidigen Prozeß zu gewinnen?" fragte sic scheinbar gleichgültig und vertiefte sich in ihre Stickarbeit. „Meine Familie und Doktor Römer zählen bestimmt darauf. Der Graf ist ein maßloser Bersckxivender, meine Gnädigste." „Ein Mann wie der Graf", meinte Frau Wally köpf- schüttelnd. „Reich, angesehen, alleinstehend, ohne direkte Erben, wie er, darf sich meiner Ansicht nach schon einige Extravaganzen erlauben." Der Baron zuckte mit den Achseln. — „Nach unseren Ansichten", sagte er dann schroff und herb, „entschuldigt die Höhe des Vermögens keineswegs die Zügellosigkeiten sogenannter nobler Passionen." „Und mit dicken Grundsätzen legten Sie sich einen Rennstall bei, Baron." „DaS nicht, meine Gnädigste!" stammelte der Baron etwas verwirrt „Das beabsichtige ich nur in dem Maße, al» mir die Mittel dazu zur Verfügung stehen. Ich bin reich, aber auch der Reiche Kai nicht- zu vergeuden. Nicht nur derjenige ist ein Verschwender, der über sein Ber»
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