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Dresdner Journal : 16.07.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-07-16
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188407168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840716
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840716
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-07
- Tag1884-07-16
- Monat1884-07
- Jahr1884
- Titel
- Dresdner Journal : 16.07.1884
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L»pe«!ition «Io» Lr«,6oer ^ourvol», I)r««6ov, Xvin^rstriut«« Ao. LV. Nichtamtlicher Theil. U-bersich«: Telegraphische Nachrichten. ZritungSschau. (Daily News. Standard.) TageSgeschichte. (Dresden. Berlin. München. Lai bach. Paris. Bern. London. Kairo.) Ernennungen, Versetzungen re. im öffeutl. Dienste. Betriebsergebniff« der königl. StaatSeisenbahnen pro Monat Juni. Betrieb-ergebvisse der unter k. s. Staatsverwal- tung stehenden Eisenbahnen. (Kohlentransport.) Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Plauen i.B. Bad Elster.) UnglücksfLlle iu der Provinz. Telegraphische Nachrichten. Frankfurt a. M., Montag, 14. Juli, Abends. (W. T. B.) Der König uud die Königin der Niederlande find auf der Reise nach dem Haag heute Abends 7 Uhr hier eingetroffen und im „Frankfurter Hof" abgestiegrn. Gmunden, Montag, 14. Juli. (Tel. d. Boh.) Nach lebhaftem Depeschenwechsel reiste gestern NachtS der König Christian von Dänemark plötz lich von hier nach Kopenhagen ab. Gerüchtweise verlautet, daß die Neubildung des dänischen Ca- binets bevorstehe. Paris, Montag, 14. Juli, AbendS. (W. T. B.) Einem Telegramme der „Agence Havas" zu Folge verlief die heutige Feier deS Nationalfeste» in der selben Weise wie in den vorhergehenden Jahren; den am Vormittag stattgehabtev Truppenrevuen und der Revue der Schülerbatailloue auf dem Platze vor dem Stadthause wohnte eine zahlreiche Volksmenge bei. Vor dem Hotel Continental wurde die Feier gegen Mittag durch einen Zwischen fall gestört. Mehrere Schüler eines CollegS ge- wahrten eine deutsche Fahne und forderten durch Rufen und Schreien zum Zurückziehen derselben auf. GaminS, welche binzukameu, zerrissen die Kahne und schlugen mehrere Fensterscheiben an der Eingangsthüre zum Hotel in der Rue Castiglione ein. Die Polizei zerstreute die Ruhestörer. (Vgl. die „Tagesgerichte.") Paris, Moutag, 14. Juli. (Tel.d.Boh.) Vor dem deutschen Botschafterpalais wurde Polizei ausgestellt. Paris, Dienstag, 15. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Morgenblätter sprechen sich miß- billigend über den gestrigen bedauerlichen Vorfall aus. Der „Figaro" sagt: Weder die Pariser Bevölkerung, noch die Regie rung sei für derartige Vorfälle verantwortlich; es seien keine Patrioten, die sich solche Handlungen zu Schul den kommen ließen, sondern Schwachköpse oder Agents- Provocateurs. Paris, Dienstag, 15. Juli, Nachmittags. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Seit gestern Abend find bis heute Mittag in Marseille 35 und iu Toulon 13 Personen au der Cholera gestorben. (Bergl. die Rubrik „Statistik und Volkswirtschaft.") Madrid, Montag, 14. Juli. (W. T. B.) Der König hat sich mit dem Minister des Auswärtigen, Elduayen, nach Granja begeben, reist dann zur Brunnencur nach Brtelu in Navarra und wird im August der Einweihung der neuen Eisenbahn in Asturien beiwohnen. Der Ministerpräsident CanovaS del Castillo grdraucht eine Badecur in Mondariz in Galizien. Der Schluß der Sitzungen der CorteS erfolgt in nächster Woche. Die Journalmeldungen, daß Italien wegen der vom Minister Pidal in der Deputirtenkammer ge haltenen Rede, unter ^Androhung deS Abbruch» der diplomatischen Beziehungen, officiell rrclamtrt habe, werden in RegierungSkreisen für unbegrün det erklärt; die Rede Pidal's, welche weder für Italien, noch für daS italienische Königshaus irgend etwas Verletzendes enthält, ist der italie nischen Regierung dem ganzen Wortlaute nach mitgitheilt worden. London, Montag, 14. Juli, Abends. (W. T. B.) Im Oberhaus« zeigte der Lord Wemyß an, daß er den bereits gemeldeten Antrag, betreffend die Fortsetzung der Berathung der Wahlreformbill am nächsten Donnerstag einbringen werde. — Lord Salisbury protestirte dagegen und sprach die Ansicht aus, daß das Oberhaus den An trag des Lords Wemyß nicht eher annehmen könne, als bis der Beschluß, nicht in die zweite Berathung der Wahlreformbill einzutreten, aufgehoben sei. — Der Staatssekretär des Auswärtigen, Earl Granville, erklärte, die Regierung sei bereit, den Antrag von Lord Wemyß zu unterstützen und im November eine Bill über die Neueintheilung der Wahlbezirke vorzu- legen, wenn die Resormbill noch in der gegenwärtigen Session erledigt worden sei. Im Unterhaus« erklärt« d«r Präsident deS Localgovernmrnt Board, Sir CharltS Dilke, daß weder in Loudon noch irgendwo sonst in England ein Fall der astatischen Cholera vorgekomme» sei. Sofia, Montag, 14. Juli. (W.T. B.) Das neue Cabinet ist constituirt und wie folgt, zu sammengesetzt: Karavelow Präsident und Finanzen, Ezanow Auswärtiges, Lavricow Inneres, Ra- doslavow Justiz, Carole« Unterricht. Zum Prä sidenten der Kammer wurde Stanbulow ernannt. Bukarest, Dienstag, 15. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die vereinigte Opposition berief für gestern eine öffentliche Versammlung und vertheilte zur Revolte auffordernde Proclamationrn, wobei meh rere Reden mit Angriffen auf die Regierung ge halten wurden. Bernesev stieß Insulten und hef tige Drohungen gegen den König auS, worauf in folge deS energischen Proteste» selten eines großen Theile» der Anwesenden eine Rauferei entstand, welche fich bi» auf die Straße und vor da» Local deS konservativen Club» fortsetzte. Mehrere An hänger der Opposition, welche von ihren Revol vern Gebrauch machten, ohne indrß Jemanden zu verwunden, wurden von der Menge übel zuge- richtet. Die Polizei schritt ein, um dieselben vor den Mißhandlungen feiten der Menge zu beschützen, welche in den konservativen Club eindringen wollte, und stellte bald die Ordnung wieder her. Dresden, 15. Juli. Die Wahlreformbill beherrscht gegenwärtig alle Interessen der Politiker Großbritanniens. Der eng lische Cabinetschef scheint sein Möglichstes zu thun, um einen ernsten Conflict mit dem Oberhause zu ver meiden, und bewies am 10. d. Mts. im auswärtigen Amte, wo sich auf seine Einladung 200 bis 300 De- putirte der liberalen Partei eingefunden hatten, trotz aller Bitterkeit, den Pairs gegenüber, ein sichtlich ver söhnliches Entgegenkommen. Gladstone, der mit Enthu siasmus begrüßt wurde, hielt eine lange Ansprache an die Versammlung, in deren Eingänge er bemerkte, daß die Ablehnung der Wahlreformbill in keinem Sinne als eine Katastrophe für die liberale Partei aufgefaßt werden müsse. Der Vorlage sei der Todesstoß ver setzt worden, aber die Regierung und die liberale Partei würden darunter nicht leiden. DaS Oberhaus war unzweifelhaft vollkommen befugt, die Wahlreform bill zu verwerfen. Es könne jede ihm vom Unttrhause zugehende Bill verwerfen, ebenso wie daS Unterhaus berechtigt sei, sich zu weigern, nur einen Schilling für die Aufrechterhaltung des Oberhauses zu votiren. Das Oberhaus wün che einen Appell an das Volk mit Bezug auf die Bill. Wer verstehe aber die Stim mung des Landes besser - die Mitglieder des Ober hauses oder die Mitglieder des Unterhauses, welche vom Volke gewählt worden und in engster Berührung mit demselben stehen? Das Verlangen des Ober hauses nach einer Auflösung sei beispiellos, es sei in der That ein höchst ungewöhnliche- Begehren. Wenn eine Auflösung stattfinde und an das Volk appellirt werde, unterliege das Unterhaus dem Ver dikte des Landes, während die Pairskammer straflos auSgehe, fo gesündigt sie auch haben möge. Der Red ner wandte sich dann in den schärfsten Ausdrücken gegen die von dem Oberhause in Sachen der Wahl- resorm eingenommene Stellung. Vor wenigen Tagen erbot sich die Regierung, durch eine feierliche Resolu tion beider Häuser des Parlaments sich zu verpflichten, in nächster Session eine Vorlage zur Neueintheilung der Wahlkreise einzubringen und deren Annahme durchzusetzen. Lord Salisbury erklärte, er könne eine Neueintheilung der Wahlkreise nicht mit „einem Strick um den Hals" diScutiren und der Vorschlag der Regierung ward abgelehnt. „Was soll", fährt der Premier fort, .die Regierung unter den Umständen thun? Die Regierung ist zu der Schlußfolge rung gelangt, daß eS ihre Pflicht ist, Alles der Wahlresorm zu opfern Unser Wunsch geht folglich dahin, solche Abmachungen vorzuschlagen, die in erster Reihe die schleunigste Annahme der Wahlreformbill sichern werden. Wir können dies nicht bis nächstes Jahr verschieben. Wir müssen Sie ersuchen, ein dop peltes Opser zu bringen — in erster Reihe aus mehrere werth- volle Gesetzesvorlagen zu verzichten und zweitens uns in einer Herbstsession zu begegnen. (Beifall.) Wir werden die Bill ausS Neue nnnehmen und abermals dem Urtheile deS Ober hauses unterbreiten und wenn Mäßigung und gesunde Vernunft die Gemüther dieser Versammlung noch beherrschen, mögen wir mit großer Zuversicht einem andern Ausgange entgegensetzen. Die Geschäfte der lausenden Session werden mit aller möglichen Eile abgewickelt werden und die folgenden Bills werden sofort zurückgezogen werden: die Bill zur Reform der Londoner Stadt verwaltung, die Eifenbahnregelungsbill, die Bill für die Her stellung eines schottffchen Departements, die wallisische Unter- richtSbill, die irische BodenanlausSbill, die Bill für die Schließung dec Wirthshäufer in Irland an Sonntagen, die Bill betreffs der Umprägung der halben Sovereigns, die PolizeipensionSbill und die Bill zum Schutze junger Mädchen gegen die Verleitung zur Prostitution. Die Berathung der Vorlagen, welche durch die großen Ausschüße gegangen sind, wird sortgesetzt werden." Es wird als bezeichnend erachtet, daß Gladstone in diefer Ansprache sich nicht darüber äußerte, was die Regierung zu thun gedenke, wenn das Oberhaus die Wahlreformvorlage zum 2. Male verwerfen würde. Eine Parlamentsauflösung infolge der Ablehnung der Bill feiten der Pairskammer scheint nicht in der Ab sicht des Cabinets zu liegen, und Sir Charles Dilke, einer der Minister, sprach wahrscheinlich mit Autorität, als er erklärte, die Wahlreformbill werde dem Ober hause so lange aufgetischt werden, bis es sich unter dem Drucke der öffentlichen Meinung bewogen finde, dem souveränen Willen der Nation Rechnung zu tragen. Von da an bis zu einem wirklichen Conflict mit der Pairskammer ist es aber noch sehr weit und neuerdings nimmt man an, daß der Weg der Ver mittelung betreten werden dürfte. Es scheint in der That Aussicht vorhanden zu sein, daß die Vorlage zur Ausdehnung des Stimmrechts, vermöge eines zwischen den Führern der Opposition im Oberhause und der Regierung zu schließenden Uebereinkommens noch diesen Monat Gesetzeskraft erhalten dürfte. Die Wahlreformbill ist, obwohl deren 2. Lesung vom Ober hause abgelehnt, nicht todt, und sie kann mittelst eines Beschlusses der Pairskammer wieder vor dar Forum deS HauseS behufs weiterer Erwägung gebracht wer den. Es sind bereits die nöthigen Schntte in dieser Richtung geschehen. Lord Wemyß wollte in der heutigen Sitzung des Oberhauses einen Antrag stellen, welcher geeignet ist, dem von der Regierung ange- strebten Compromiß den Weg zu ebnen. Dieser An trag lautet: .Daß dieses Hau», nachdem eS jetzt iu Besitz voller Kenntniß von alle Dem ist, was sich mit Bezug aus die Wahlreformbill, die im Princip von diesem Hause bereits angenommen worden, zugetragen hat, der Meinung ist, daß die Erwägung derselben, behusS ihrer Annahme in der gegen wärtigen Session, fortgesetzt werden sollte; und diese» Hau» ist ferner der Meinung, daß der Königin eine Adresie über reich« werden sollte, worin Ihre Majestät ersucht wird, da« Parlament im October einzuberufen, zu dem Zwecke, die Bill für die Neueintheilung der Wahlkreise, welche zu passiren, sobald die Wahlresormbill die königl. Genehmigung erhalten, Ihrer Majestät Minister versprochen haben, zu erwägen." Die Annahme dieses Antrages würde den drohen den Zwiespalt zwischen den beiden Häusern des Parla ments abwenden. Gladstone selbst beweist Klugheit und Zurückhaltung. Noch am Freitag (l1. d.) sagte der Premier bei einem Festmahle des „Achtziger Clubs" mit Bezug auf die politische Krisis: ,Lr ist die Pflicht von Ministern der Krone, alles Mög liche zu thun, um jeden politischen Conflict zu mäßigen. Wir werden uns demnach bestreben, ein besonnener Temperament in den DiScussionen, die au» der jüngsten Krisis entstehen mögen, aufrechtzuhalten. Wir können es nicht vermeiden, zu sagen, was wir von der unglücklichen Handlung, die begangen wurde, denken; aber wir, die wir durch besondere Einschränkungen ge bunden sind, werden uns sicherlich bestreben, die Anregung irgend einer anderweitigen Frage für irgend einen organischen Wechsel zu vermeiden, bis und falls nicht — was Gott ver hüte — die Erfahrung schließlich lehren sollte, daß eine harte und unwiderstehliche Nothwendigkeit zu deren Anregung zwingt." Sticht im Einklänge mit dieser Zurückhaltung des Cabinetschefs steht allerdings die Haltung der ministe riellen, den Kreuzzug gegen das Oberhaus predigen den Presse Englands. Die „Daily News" machen das Oberhaus für das Fiasco der Session verant wortlich und schreiben dann mit beißendem Sarkas mus: „Das Oberhaus, wie es jetzt constituirt ist, mag viele reizende und vortreffliche Eigenschaften be sitzen. Es mag eine Zierde unsers politischen Systems, ein Luxus unsers Verfassungsledens sein. Allein Zierrathen und Luxus haben ihren relativen Werth, und nach der gestrigen Erfahrung wird das Publicum im Allgemeinen wahrscheinlich geneigt sein, zu glauben, daß wir einen zu hohen Preis zahlen für eine solche Zierde und einen solchen Luxus, den wir in der Aufrechterhaltung des Oberhauses besitzen." Die „Times" sind gleichfalls schlecht auf das Oberhaus zu sprechen, umsomehr, da es den von Gladstone vor geschlagenen Vergleich ablehnte. Der Entschluß der Regierung, alle bisherigen Früchte der Session über Bord zu werfen, findet den Beifall der gefammten liberalen Presse. Fast alle Blätter pflichten der Meinung Sir W. Harcourt's bei, daß die parlamen tarische Maschine feiern müsse, bis das erweiterte Stimmrecht in Wirksamkeit getreten sei. Der „Stan dard" hingegen schreibt: „Die Regierung hat mit Bedacht beschlossen, die ganze gegenwärtige Session wegzuwerfen, weil die Lords den Fortschritt der Wahl reformbill gehemmt haben. Die von der Regierung vorsätzlich erklärte Politik schließt alle Chancen einer friedlichen und vernünftigen Lösung aus. Die Regie rung bildet sich ein, das Land werde sich durch ihre Ränke täuschen lassen. Sie wird finden, daß sie sich geirrt hat." Die „St. James Gazette" empfiehlt den Conservativen, die liberalen Resormdemonstrationen mit Gegenkundgebungen zu beantworten. Dem „Liver pool-Mercury" wird aus London geschrieben, es sei kein Geheimniß, daß die Königin selber zu Gunsten der Wahlreformbill sei, aber die Minister sind in ständigst ersucht worden, ihrerseits die Lage durch Feuilleton. Rtdigir« von Otto Banck. May Crocker. Roman von E. Cameron. Deutsch von A. Frenzel (Fortsetzung.) 15. Capitel. Argwohn. May stand wie festgebannt. Von Harold wurde sie nicht bemerkt und wenn das Mädchen sie sah, wie es nicht anders sein konnte, so verrieth dasselbe eS aber durch nichts. Die plötz liche Erscheinung May's steigerte jedoch offenbar dessen Eiser. „Glauben Sie, Harold, so leicht könnten Sie mich loS werden?^ waren die ersten Worte, welche May zu ihrem Schrecken und Erstaunen vernahm, — „glauben Sie, ich könnte Sie so leicht vergessen, nach der ganzen langen Zeit, die wir uns gern hatten? Denn Sie haben mich lieb gehabt, Harold, ol leugnen Sie es nicht. Sie wissen das sehr gut, und wäre jene Dame nicht und deren Geld, so würden Sie auch zugestehen, daß Sie mich noch lieben. Still I Versuchen Sie doch nicht, zu leugnen. Ich weiß, ich bin arm, von ge ringer Herkunft, ohne Freunde und für Lord Dorring. ton's Sohn keine geeignete Partie, aber empfindet mein Herz darum weniger? Gilt meine Liebe darum nicht», soll mein Herz, das so sehr an Ihnen hängt, jetzt in den Staub getreten werden? Hätten Sie Muth genug, sich selber treu zu bleiben, so würden Sie jener Andern entsagen und zu mir zurückkehren." „Rosie, sei vernünftig", bat Harold; denn er war durch ihre Worte gegen seinen Willen gerührt. „Lasse uns davon schweigen, für immer. Du weißt, daß ich Dich nicht hätte heirathen können; es wäre nichts Gutes daraus geworden. — Hier habe ich für Dich ein kleines Geschenk; nimm das, sei ein braves Kind und mache nicht solch ein Wesen von den Dingen;" und damit holte Harold ziemlich ungelenk eine Fünf pfundnote aus der Westentasche. Der Zorn und Abscheu über dieses Angebot in Rosie Wood'S Antlitz waren erstaunlich. Sie stieß Harold empört von sich und der Geldschein flatterte zwischen ihnen wie ein dürres Blatt zu Boden. „Wie können Sie wagen, mir Geld anzubieten," rief sie in einer Entrüstung, die so klar und über zeugend kaum ausgesprochen worden wäre, wenn Rosie nicht jene bleiche und bewegungslose Mädchengestalt in der Stütze gesehen hätte — „wie können Sie so etwas wagen I Fordere ich Geld von Ihnen? Glauben Sie, daß die Liebe ge- und verkauft werden kann'? Nach den Begriffen eines Menschen, der eine jahrelange Liebe zu ersticken vermag, indem er sich an eine reiche Braut verlauft, mag das sein! Ihnen mag Geld Alles bedeuten; mir nicht! Kränken Sie mich nicht noch tiefer durch den Glauben, mich auf solche Weise ver suchen zu können!" Da vermochte May es nicht länger zu ertragen; sie hatte in ihrem ersten Schrecken, ohne es zu wollen, zugehört, nun aber fiel ihr ein, daß sie Dinge ver nahm, die nicht für sie bestimmt waren und daß sie einem Vorgänge beiwohnte, bei welchem sie die Letzte hätte sein sollen, die zugegen war. Sie kehrte um und floh athemlos, getrieben von der instinctiven Sehnsucht: nur fort zu kommen, frei, allein, außerhalb der Hörweite dieser leidenschaftlichen Worte, außerhalb des Gesichtskreises der sprühenden Augen dieses schönen, zornigen Geschöpfes zu sein. Sie lief den Pfad zurück, den sie kurz zuvor noch fo stolz und glücklich mit ihrem Bräutigam unter den Lorbeern, Eichen und winterlich kahlen Bäumen hin geschlendert war, die sich wie zuvor noch über ihrem Haupte wölbten, in demselben Sonnenschein, dessen Glanz immer noch durch die Zweige, nun aber über ihr gebeugtes Haupt und über ihr bleiches Antlitz schimmerte. Eine halb verfallene Moosbank stand am Wege, auf der sie sich endlich niederließ und ihr Antlitz mit den zitternden Händen bedeckte. Sie weinte nicht, sie vergoß keine Thränen — aber es war ihr, als ob sie ersticken müsse — denn sie fühlte, daß Etwas geschehen war, was ihre ganze Zukunft anders gestaltete und den ganzen Bau ihres Lebens erschüttert hatte. War alles DaS wahr, was sie gehört — was jenes Mädchen gesprochen hatte? Sie saß lange Zeit dort, — bis der Sonnenschein schwand und die Lust kalt wurde und der Winter nachmittag sich zu Ende neigte; allmählich ward sie ruhiger und konnte gefaßter und leidenschaftsloser über Das nachdenken, was sie gesehen und gehört hatte. „Was bedeutete daS Alles?" fragte sie sich. Jene Liebesepisode, von welcher Harold ihr erzählt hatte, trat klar und deutlich wieder vor ihr Gedächt nis Natürlich war Diejenige, von welcher er ge sprochen, diese- Mädchen — daran konnte sie nicht zweifeln. Und welch' ein hübsches Mädchen war es! Das erkannte May unter einem scharfen Stich im Herzen in wehmüthiger Eifersucht an; ja, es war mehr als hübsch — war schön. Nie in ihrem Leben hatte May ein so schönes Antlitz gesehen, und in der Er scheinung und Sprache war nichts Rohes oder Ge meines gewesen. Sogar eine gewisse hinreißende Be- redtsamkeit — eine ursprüngliche Kraft und Hoheit hatte in jenen leidenschaftlichen Vorwürfen gelegen. Es däuchte May, als ob das Mädchen so recht aus dein Herzen gesprochen habe und Harold sehr lieb haben müsse. Er dagegen, wie sie behauptete, hatte, ihrer Armuth und geringen Herkunft wegen, sich von ihr abgewendet! War das so, welche Rolle hatte Harold ihr — May's Harold, dann gespielt? War eine solche Hand lungsweise nicht schändlich und verächtlich? OI sie mochte, sie konnte das nicht glauben! May von diesem Argwohn erschreckt, sprang auf. Sie wollte von Dem nicht schlecht denken, den sie lieben gelernt, den sie für gut und wahr und «hrer Liebe so vollkommen werth gehalten hatte! Sollte ihr Glaube an ihn schon bei der ersten Prüfung schwinden? Sie ging langsam und zögernd in Gedanken versunken heimwärts. Ueberdachte sie Alles, so war eS wohl möglich, daß die Arme ihn liebte, und daß er einst, woraus er kein Hehl gemacht, sie auch sehr gern gehabt habe, aber, daß er sie zu Hoffnungen berechtigt hätte auf seine Hand, davon hatte er nie etwas gesagt — das erschien May auch ganz unmöglich. Sie fürchtete jedoch, daß er nicht recht an der Armen gehandelt hatte, son dern schlimm — recht schlimm.
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