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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031113011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-13
- Monat1903-11
- Jahr1903
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Anzeigen-Preis die Sgespaltene PetttzeUe SS Reklame» »»t„ dem Redakttonsstrrch (4 gespalten) 73 vor de» FamUtmumch» richten lSgespaUe») 30 Tabellarischer und »tftrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nuchwetsange« und Offerten»»«-»» »3 L, (excl. Porto). «rtra Vellage« (gesalzt)^ »,r mit de. Morgen »Ausaab«, ohne Postbesvrderung SV.—, mit Postbejördermrg 70.—» Annahmeschluß für Anzeigen: Ab»»d-Au<gab«: Vormittag» 1V Uhr. Mvrge».Na«gaL«r Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» stad stet« an di« Expedition ,» richte». Dir Expedition ist Wochentag« ununterbrochen gevfsaet von früh S bi« abe»d4 7 Uhr. Druck u»d Verlag von «.Potz i» Leipzig. 97. Jahrgang. Die Leseitiyung -er Soldutenmißhan-lungen. Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, daß die Regierung sich anschickt, dem im Reichstage zu er wartenden Anstürme gegen die Soldatenmißhandlungen und die militärische Strafjustiz durch rechtzeitige Mit teilungen über künftige Bürgschaften gegen eine Wieder kehr der Mißstände zu begegnen. Es ist nur erfreulich, wenn die Regierung von der so oft geübten Vogel Strauß-Taktik abgehen und den sozialdemokratischen Klopffechtern die Waffe aus der Hand winden will; aber einen Erfolg kann sie doch nur dann haben, wenn die von ihr getroffenen Vorkehrungen zweckentsprechend und der allgemeinen Billigung gewiß sind. Wenn man aber liest, daß die Negierung den Spieß umdrehen und lediglich Maßnahmen vorschlagen wolle, um diejenigen scharf zu bestrafen, die, von sozialdemokratischen Einflüssen an gesteckt, die Vorgesetzten zu Mißhandlungen förmlich herauSfordern und dann zu Denunziationen schreiten, so muß das bei Leuten, die -war sehr loyal sind, aber die Auslassungen eines Ministers noch nicht als Evangelium ansehen, einiges Kopfschütteln Hervorrufen. Wir trauen der Sozialdemokratie alles Schlechte zu und zweifeln auch nicht an ihrer Ansicht, das Heer zu revolutionieren; aber daß ein irgendwie nennenswerter Bruchteil von Mann schaften die sozialistische Opferwilligkeit so weit treiben werde, durch bolose Ungeschicklichkeit die Vorgesetzten zu Mißhandlungen herauszufordern, das glauben wir nicht eher, als bis man es uns durch Zahlen nachweist. Eine solche bolose Ungeschicklichkeit würde auch bald als solche erkannt werden, und dann könnte es den betreffenden Soldaten nach dem bestehenden Strafgesetze so schlecht er gehen, daß nach einem halben Dutzend exemplarischer Bestrafungen diese indirekte Art, sozialistische' Propa ganda zu treiben, aus dem Heere verschwunden wäre. Nein, es wäre das allcrbcdenklichste Mittel, die Ver antwortung für die Soldatenmißhandlungen lediglich auf die Mannschaften zu schieben und von den Vor gesetzten abzuwälzen. Wir hoffen, daß der preußische Kriegsminister nicht einen derartigen Versuch im Reichs tage machen werde; denn er würde damit im Reichstage auch bet anderen Parteien als der sozialdemokratischen wenig Erfolg haben; hingegen könnte ein gewiß nicht von der Heeresverwaltung angestrcbter Erfolg darin be stehen, daß künftighin Subjekte Lis Breidenbach nach- -uweisen versuchen würden, die von ihnen mißhandelten Mannschaften hätten sie durch bolose Untüchtigkett zur ZMßhandlung heransgefordert. Wie man den Mißhandlungen am besten begegnet, dafür weist die vor kurzem erfolgte Verurteilung des Vorgesetzten Breidenbachs, des Hauptmanns v. Grolmann.zu vier Wochen Stubenarrest den besten Weg. Nach den vorzüglichen Zeugnissen, die dem ver urteilten Hauptmann von Vorgesetzten wie von Unter gebenen ausgestellt wurden, kann man ihm Mitleid und Bedauern nicht versagen. Und doch geschah ihm Recht, und es wäre dringend zu wünschen, daß auch in minder haarsträubenden Fällen, als dem Falle Breidenbach, die vorgesetzten Offiziere, insonderheit der Hauptmann bezw. Eskadronschef, unnachsichtlich zur Verantwortung heran gezogen und bestraft würden. Gewiß sind die Lasten, die einem Hauptmanne obliegen, mannigfache und große; aber darauf zu achten, daß die Mannschaften den Vorschriften gemäß nKnschlich behandelt werden, erscheint uns nicht nur als eine der ersten Pflichten eines Hauptmannes, sondern als mindestens ebenso wichtig für die Schlag fertigkeit unserer Armee, wie die Ueberwachung des guten Zustandes der Gewehre, der Uniformen und deS Schuh zeuges. Ein Soldat, aus dem die Liebe zu König und Vaterland herausgeprügelt wird, taugt nichts, und wenn er das allerbeste Gewehr hat. Es muß den Hauptleuten zur unbedingten Pflicht ge- macht werden, nicht nur möglichst ost die Mannschafts stuben zu revidieren, sondern auch dafür Sorge zu tragen, daß die Revision so unvermutet stattfindet, daß die Unteroffiziere keine Zett finden, ihr Benehmen schnell nach der vorauSzusehenden Anwesenheit des Haupt manns einzurichten. In dem Prozesse gegen den Haupt- mann v. Grolmann wurde festgestellt, daß die Unter offiziere durch den lauten Ruf „Achtung", sobald der Hauptmann in der Kaserne erschien, gewarnt wurden. Wir glauben, der Respekt vor den vorgesetzten Offizieren werde von den Soldaten äußerlich so oft an den Tag ge legt, daß cs nichts verschlagen würde, wenn bei Kasernen inspektionen davon Abstand genommen und dem Haupt manne ein vollkommen unvermutetes Betreten der Mannschaftsstuben möglich gemacht würde. Wenn nun der vorgesetzte Hauptmann einen Soldatenschinder an der „Arbeit" ertappt, dann sollte auf der Stelle und ohne daß die anderen Unteroffiziere irgend welche Gelegenheit hätten, den Mannschaften ihre Aussagen zu „suggerieren", die Vernehmung aller Leute der betreffenden Korporal schaft erfolgen, und zwar in einer so humanen und väter lichen Weise, daß die Mannschaften den Mut fänden, mit der Wahrheit herauSzurücken. Auf Grund der Aussage wäre dann sofort das Strafverfahren einzuleitcn, und bei der Bestrafung selbst wäre in allen Fällen öfterer Mißhandlung auf Dienstentlassung, natürlich ohne jede Pension oder Civilversorgungs - Berechtigung, zu er- kennen. Strenge Aufsicht und Rigorosität der Strafen — dann werden die Mißhandlungen schon aus dem Heere ver schwinden. Deutsches Reich. 6. II. Berlin, 12. November. (Deutsche Kriegs schiffe vor Santo Domingo.) Die „Gazelle" und der „Panther" ankern nunmehr im Hafen vor Vanto Domingo und dürften wohl genügen, die deutsche Flagge vor Be leidigungen zn schützen und dem deutschen Handel den nötigen Schutz zu geben. „Gazelle" (2845 t groß) hat 249 Mann an Bord, darunter 8 Seeoffiziere, und stebt unter dem Kommando des Korvetten-Kapitäns Saß. Der kleine „Panther" (900 t) bat sich bekanntlich schon unweit von Santo Domingo durch die Vernichtung eines haitianischen NebellenschifscS ausgezeichnet; der damalige Kommandant, Korvettenkapitän Eckermann, ist in die Heimat zurückgekehrt und im „technischen" Departe ment deS NeichsmarineamtS tätig, sein Nachfolger ist der Kapitänleutnant Iantzen geworden; „Panther" hat 12t Mann an Bord. Nach den letzten hier eing>1roffenen Nachrichten aus Santo Domingo ist die Hafeneinfahrt jetzt dort etwas ungefährlicher geworden, da der alte, in schlechtem Zustande befindliche Leuckkturm ausgebessert ist und das Feuer in einer Ent fernung von 6 Seemeilen gesehen werden kann; aberan derganzen Südküste der Insel ist keine Beleuchtung und selbst die sehr gefährliche Einfahrt in die Samanabuchl entbehrt einer solchen. Daß Deutschland in Santo Domingo sehr große wirtschast- licheInteressen zu schützen hat, ist bekannt. Die Republik unterhält mit Amerika und mit Deutschland die hauptsäch lichsten Handelsbeziehungen; der Verkehr mit Europa und den Vereinigten «taaten wird in erster Linie von der Hamburg-Amerika-Linie besorgt. Gewisse Artikel wie Reis, Konserven, Leinwand, Käse, Glas- und Porzellanwaren, Galanteriewaren, auch Manufaktur- und Textilwaren, Luxusgegenslände, Musikinstrumente, Klaviere, Messer- und Stahlwaren, namentlich Aexte, Hacken und Messer zum Zucker- robrschneiden werden fast ausschliißlich aus Deutschland bezogen. Der deutsche Vertreter von Krosigk ist ein außerordentlich rühriger Mann, und wenn die deutsche Kolonie auf Santo Domingo auch nur klein ist, so nimmt sie doch eine sehr angesehene Stellung ein. Wie unser Konsul berichtet hat, ist Vas Land unter den innern Unruhen finanziell und kommerziell sehr heruntergekommen; dauert doch seit dem April v. I., da der Präsident Jimenez abgesetzt wurde, die revolutionäre Bewegung ununterbrochen fort. Diese Notlage haben sich in letzter Zeit besonders amerikanische Kapitalisten zu nutze gemacht, die bedeutende Werte dort angelegt haben. Die letzte Zuckerernte mit 4.8 500 t ging nach Abzug von 8000 t für den heimischen Bedarf ausschließlich nach Amerika. Die Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie bringen dagegen den Kakao und den Kaffee nach Europa (Havre oder Ham burg). 1902 wurden aus dem Hasen von San Domingo 878k Zentner Kakao und 14K28 Zentner Kaffee ausgezührt. Man sicht alio, daß Deutschland ein lebhaftes Interesse an den Verhältnissen in Santo Domingo hat. /X Berlin, 12. November. (Schiffahrts abgaben.) Ein ostprcußisches Blatt will in Erfahrung gebracht haben, daß auf Betreiben der Agrarier in den Ministerien allen Ernstes der P.an erörtert werde, die Abgabensreihcit für die Schiffahrt auf dem Rhein und auf der E l be zu beseitigen. Wir möchten die Frage auf werfen: In welchen Ministerien trägt man sich nrit einem solchen Plane? Diese Nachricht scheint doch nur darauf hiimuszulausen, dem preußischen Handels- Minister derartige rückschrittliche Maßnahmen anzu dichten! Oder sollte der landwirtschaftliche Minister sich -en Agrarkonservativen schon fest verpflichtet haben? Bei diesen besteht allerdings der Plan, die Verkehrs, freiheit auf unseren Ströme» zu unterbinden; deshalb schlugen wir neulich die Alarmtrommel, um auch auf diese neue Gefahr wirtschaftlichen Rückschrittes durch die Agrarkonservativen frühzeitig aufmerksam zu machen, damit nicht der preußische Landtag und der Reichstag von dieser Seite übcrrumpe t würden. Wir vertrauen aber, daß kein preußisches Ministerium sich findet, das den Agrarkonservativen auch durch Unterdrückung des freien SchiffahrtSvcrkchrs auf dem Rhein und der Elbe ent- gegenkommen möchte. Zudem würde ein solches S'« ginnen das Znstandekominen der Handelsverträge mit Oesterreich, der Schweiz und Belgien nur noch mehr er schweren und komplizieren. Denn mit diesen Staaten müßten die abgeschlossenen Konventionen über die freie Schiffahrt aus den genannten Flüssen geändert werden. Unter allen Umständen tun die liberalen Parteien gut, von vornherein gegen alle fiskalischen und parti- kularistischcn Strömungen unserer Regierungen, welche die freie Schisfahrt beschränken wollen, Front zu machen. Berlin, 12. November. (Zur Arbetterschutz- gefeygebung.) Aus das letzte Jahrhundert engli schen Arbeiterschuyes wirst Helene Simon in der „Sozialen Praxis" einen lehrreichen Rückblick. Indessen ist hier nicht der Ort, den langen Weg zu schildern, der seit dem ersten englischen Kinderichuygesetz des Jahres 1802 zurückgelegt wurde. Nur gewisse Einzelheiten, die im Hinblick auf unsere deutsche »Verhältnisse von besonderem Interesse sind, seien hier hervorgehoben. Dahin gehört vor allem die überragende Rolle, welche Helene Simon der englischen Gewerbeausstcht zu erteilt. Die letztere sei nach Geschlossenheit, Machtbefug nis, Einfluß, Popularität und Vielseitigkeit der Kräfte un erreicht; mit den Zcntenarium der Gesetzgebung feiere die weibliche Gewerbeaussicht ein Jahrzehnt erfolgreichen Bestandes; neben selbständig amtierenden Frauen ge hörten Aerzte, Techniker und Assistenten aus der Arbeiter klasse dem Amte an; besonders in den letzten Jahren sei seine Leistungsfähig-kett schnell gewachsen, immer mehr nehme die Kühlung mit -er Arbeiterschaft zu und bilde, ohne die Verhandlungen mit den Unternehmern zu beein trächtigen, hier wie nirgendwo «in Glied des Aufsichts kordons. Ein von den weiblichen Aufsichtsboamten ge pflegtes Gebiet sei auch der Besuch der Heim- arbeiter in ihren Heimen. Ueberhaupt trete eine wachsende Berücksichtigung der Heimarbeit auf Grün der Listen hervor, welche die Unternehmer über die außerhalb -er eigenen Betriebsräume beschäftigten Ar beiter führen müssen. Diese „lüst cck outreoricers", führt H. Simon aus, „die in Verbindung mit der Revisions- be'ngnis die Voraussetzung jedes Heimarbciterschutzes. wie oft erwähnt wurde, bilden, verdienen um so mehr unser Augenmerk, als uns das neue Sinderschutz- gesetz unmittelbar vor das Problem der Durchfüh rung eines Stückes Heimarbcitcrschutz stellt. Der Kinder schutz in Fabriken und ihnen gleichgestellten Anlagen ist meines Erachtens ein Punkt, in dem wir den uns in den meisten Beziehungen überlegenen englischen Arbeiter schutz nicht nur hinsichtlich der Altersgrenze, sondern vor allem in der Art der Regelung wesentlich über- holt haben. Um so schlimmer steht es um unsere Kinder außerhalb der geschützten Anlagen, auf die, zum Teil wenigstens, das neue Gesetz den Staatsschutz über tragen soll. Hoffen mir, daß sich mit Hülfe seiner tapferen und berufenen Vorkämpfer, der Lehrer, die Handhaben energischer Durchführung sinden und baldige Verschärfung und Verallgemeinerung der Paragraphen erzwungen wird. Trotz aller Rückständigkeit in Geltungsbereich und Normen mag daS neue Gesetz doch als unser Wahrzeichen einer neuen Arbeiterschuy-Epoche an der Jahr- Hundertschwelle gelten. Wenn es gelingt, eS auch nur in seiner jetzigen minderwertigen Gestalt zu verwirklichen, so bedeutet dies einen weiteren Vorsprung und einen An sporn, dem älteren, re^ren, einheitlicheren englischen Arbeiterschutz auch bald airk andern Gebieten beizu kommen. Vor allem tut das not hinsichtlich des Frauen schuhes. Ist doch selbst der Zehnstundentag, diese reifste Frucht der wirtschaftlichen Entwickelung, von unS noch nngepflttckt — wirb er doch immer mit Schein gründen bekämpf, deren Wesenlosigkeit bereit- eine histo- rische Tatsache ist." Feuilleton. Das L:1d. Humoreske von M. Bergmann. - druck vrrboikn. Wir hatten Glück gehabt. In der Verlosung des Kunstvereins hatten wir ein Bild gewonnen. Und wenn es auch nicht gerade eins von denen war, die wir unS in der Ausstellung ausgesucht hatten, weil sie unS am besten gefie.en, so war es doch immerhin ein großes Bild, und Bilder kann man nie genug haben. Soeben hatte «in Dienstmann unseren neuen Schatz gebracht und war schmunzelnd mit dem im Uebermaß de- Glücks von uns gespendeten Taler abgezogen. Was will ein Taler sagen im Vergleich zu tausend Mark? Und auf der Rückseite des Rahmens stand es ganz deutlich zu lesen, Laß unser Vildso viel wert sei. „Wie findest du «S?" fragte meine Krau. Ich stand, wie e- sich gehört, in einiger Entfernung von dem vorläufia auf einem Stuhl plazierten Bild« und betrachtete «S, indem ich die hohle Hand vor da« rechte Aua« hielt und da- link« zukniff. ES sah entschieden nach etwa- aus, und ich sagt«: „Hm!" „Hübsch, nicht wahr?" meint« Rosa. „«ehr hübsch sogar, so leuchtende Karben. Bitte, liebe Rosa, willst du mal im Katalog nachsehen, wa- es eigentlich darstellt?" Rosa holt« den Katalog. „Welche Nummer?" fragte sie. „Nummer ist nicht mehr dran." „Ja, wie soll ich dann wissen, was eS für eia Bild ist?" „Wir müssen den Namen de» Maler- suchen." Wir suchten. In einer Ecke stand «in Eekritzel in merkwürdig schnörkelhaften Buchstaben. «» konnte Kernmüller, Kvrnmüller oder auch Kurzmüller heißen. Dieser letzte Name fand sich im Katalog, aber leider mit fünf Nummern. Zwei davon betitelten sich „Porträt", kamen also nicht in Betracht, die drei anderen hießen: Morgenlacrdschaft — Mittagsstill« — und Abendsrieben. Wir hatten als» di« Wahl. Ich entschied mich für den s Abcndfrieden, meine Frau wußte nicht recht, ob es die ! Morgenlandschaft oder MittagSsttlle sein sollte, war jedoch ' ganz gegen den Abendfrieden. „Das siecht doch jeder, daß das keine Abendlandschaft sein soll", sagte sie, „ich bitte dich, sieh dir Loch die Farben töne an, sind daS Abendfarben?" „Warum denn nicht? Ich habe auch schon bet Abend solch buttergelbcn Himmel gesehen." „Aber die Stimmung, die Stimmung!" eiferte Rosa, „ich weiß nicht, ich könnte gar nicht an Abend denken, es hat im Gegenteil so was MorgenfrbhlicheS — natürlich, eS ist die Morgenlandschaft!" „Und ich finde, eS macht einen ganz müde, wenn man'S länger ansieht, und darum ist es die Abendland- schaftl" Wir stritten noch eine Weile hin und her über Abend und Morgen, endlich strich ich vor dem künstlerischen Uebergewicht meiner Frau, die einmal ein ganzes Viertel, jahr lang Unterricht in Oel-, Wasser» und Brandmalerei gehabt hatte, die Segel und schwieg still. „Wo hängen wir da- Bild denn nun hin?" war die nächste Frage. „Natürlich in den Salon", entschied mein« Frau, „ein so wertvolle- Bild kann doch nur im Salon hängen." „Ich weiß nicht, liebe Rosa, ob e» dort an seinem Platze ist, d«r Salon ist schon so überfüllt, und das Licht ist in meinem Zimmer viel befscr." „So? Da- findest du? Ich nicht! Tin Bild kann ich sehr gut noch im Salon unterbringen, wir können ja auch eins wegnehmen und in die Kinderstube hängen, dann kriegen wir Platz. Ich möchte eS zu gern im Salon haben, Schatz! Und außerdem — war ich «S nicht, die dir riet, ein Los zu nehmen? Ohne mich würdest du LaS Bild überhaupt nicht bekommen haben!" Gegen die sieghafte Logik meiner Frau, und besonder» gegen da- letzte Argument, konnte ich nicht aufkommen. Ich gab also nach, holte zwei dicke Nägel und einen Hammer und hina da» Bild, nachdem ich nach halbstün- digem Suchen endlich zwei Fngrn gefunden hatte, im Salon auf. Da die tückischen Fugen sich leider nicht an dem ursprünglich bestimmten Platz« befanden, so war di« Wand etwa» zerklopft worben, und ich hatte, immer auf brr Tuch« «ach da» Bit- «ach «nd «ach immer höher rücken müssen. Man konnte es aber doch noch recht gut sehen. Rosa war sehr befriedigt: „Es macht sich großartig! Denke doch nur, ein Bild für tausend Mark, das hat nicht jeder im Salon!" Kleine Pause. Dann, scheinbar ohne Uebergang, für mich aber -och im logischen Zusammenhang mit dem Bor- hergcsagten, fuhr sie fort: „Ob ich wohl die Frau vom Doktor Müller auch zu meinem nächsten Kaffee bitte?" Du lieber Himmecl Schon wieder ein Kaffee! Daran war nur das Bild schuld! — Nach einiger Zeit besuchte mich eines TageS mein Freund, der Professor Volling, der von Beruf zwar Mathematiker war, in seinen Mußestunden aber in der Kunst Erholung von dieser nüchternen Wissenschaft suchte. Er wollte vor allem die Kunst im Hause fördern, huldigte den modernen Neformbestrebungen auf diesem Gebiete und war ein eifriger Anhänger Schultze-NaumburgS. Selbstverständlich war es das erste, daß ich dem kunst verständigen Freunde unser Bild zeigte, schwuren wir doch auf jein Urteil und hatten, seinem Nate folgend, schon manche — ach, trotz aller „Einfachheit" recht kostspielige Umänderung gemacht. „Ein schönes Bild!" lobte er. Gottlob, mir fiel ein Stein vom Herzen, ich frohlockte innerlich, warb aber bald wieder geängstigt durch den Nachsatz, den der Pro fessor folgen ließ: „Aber ganz falsch ausgehängt! Ganz falsch! Die Wirkung geht total verloren durch die Um gebung. Ich bitte -ich, sieh doch nur mal diesen Wand- teller, und da den gebrannten Spruch! Und vor allen Dingen die Tapeten! Die Ta—pe—ten!l" Er schrie «S fast klagend heraus, und ich war ti«f geknickt: er hatte ja so recht! Die Tapete, mit wundervollen Rosen bukett-, mit Vergißmeinnicht unb zarten Goldlinien geziert, war auch mir ein Greuel. Aber konnte ich denn dafür, daß mein Hauswirt nicht auf meine Klagen hörte und trotz Schultze-Naumburg die Rosen und Vergiß- mcinnicht wunderschön fand? „Wo meinst du denn, daß wir'» hinhängen sollen?" fragte ich schüchtern. Meine Fran blinkte mir zornig zu. ss, wollte ihr Bild nicht hergeben und sah wohl, daß der Professor ihm keinen Raum auf der Rosentapcte im Galan gönne« würde. Ich lenkte daher ein und sagt«: „Das heißt, hier müßte eS ncttitrlich bleiben —" Aber mein Freund stand zu unserem Entsetzen bereits auf einem ,Hockcrchen", da- meine Krau erst letzte Weih- nachten selbst kunstvoll gebrannt und bemalt hatte, und mit seinen Stiefeln die zarten Farben und Schattierungen rücksichtslos mißhandelnd, hob er mit kraftvollen Armen das Bild von seinem Platze. Ich bin überzeugt, hätte statt de» bemalten Hocker» ein scheußlicher, vor Alter brauner Bauernstuhl, aus irgend einem Hühnerstall in der Lüneburger Heide hervorgegrabrn, dort gestanden, der Professor würbe ihn auf da- schonendste behandelt haben. Jetzt schritt er, -a- Bild in den Händen, in mein Zimmer, das seinem Einflüsse bereits eine hochmoderne, einfarbig« Tapet« mit schlichter, schmaler Goldleiste ab- schließend, verdankte. Hier hatte «r bald einen Platz ge- fundcn, an dem, wie er behauptete, da» Bild zur schönsten Geltung kam. Ich mußte Hammer und Nägel herbei holen, und wieder begann die Kugcnsucherei. Nach längerem Bemühen hing das Bild endlich, und wir prüften die Wirkung. „Herrlich!" rief mein Freund, „jetzt steht man erst, wa» an dem Bilde dran ist, hier hängt e» gut. ES beherrscht die Wand und wird von keiner Nebenwirkung be«tn- trächtigt." Ich mußte ihm recht geben, da» Bild kam hier zu ganz anderer Geltung al» auf der Rosentapetc. Trotzdem Hütte ich'- lieber im Salon gewußt, den« Rosas Blicke verhieben nicht» Gute». Doch wollte ich nicht Gol- ltng- Freundschaft verscherzen, so mußte ich'- einstweilen hängen lassen. Kaum war der Professor gegangen, so stürzte Rosa auf mich zu: „Nein, e- ist wirklich unerhört! So mir nicht-, dir nickt- nimmt er da- Bild und hängt - auf einen anderen Platz, al- wenn wir Luft wären! Und den ganzen Hocker hat er mir mit seinen Absätzen ver schrammt, er ist ein Barbar und kann sich abmalen lassen mit seiner Kunst!" Rosa hatte ihren Kaffee gegeben, da» Tausend-Mark- Bild war genltgend bewundert worbe« und fing all mählich an, un« gleichgültiger zu werden. Da kam eine» Tage» ein alter Jugendbekannter von mir auf der Durch- reise bei un- vor. der Landschaft-maler August Putscher, den ich lange nickt gesehen hatte. Selbstverständlich zeigte ich thm auch «nser Bild, ein lobende» Urteil von ihm erwartend. Aber da hatte ich »ich schwer -«t-uschtr
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