Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020412029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902041202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902041202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-12
- Monat1902-04
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Vezug-.Prei- I» der -auptexpedition oder den im Stadt» bezirk und de» Vororten errichteten Aut» gavestellen abgeholt: vierteljährlich./t 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung in« HouS 5.50. Durch die Post bezogen Mr Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich ü, für die übrigen Länder lautZeitungSpreitliste. Redaktion nnd Expedition: JohanniSgafse 8. Fernsprecher 153 und 222. Filialovpeditiune« r Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitSttstr.3, 8. Lösche, Katharinrnstr. 14, ». Köntgspl. 7. — Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Abend-Ausgabe. MMer. Tageblatt Anzeiger. Amts bkalt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nokizei-Äintes -er Ltadt Leipzig. Nr. 18t. Sonnabend den 12. April 1902. Anzeigen'Preiö die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redaction-strich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung .X 70.—. Annahmeschluß für Anzeigern Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Tie AriedenSverhandlungen. * KlerkSdorp, 10. April. („Reuter s Bureau") Die Vertreter der beiden Baerenregternugrn pflegen Mittwoch Nachmittag und heute Berathunge». Es nehme» nur diese Vertreter daran Theil, ein Verkehr mit irgend Jemandem außerhalb ist ihnen nicht gestattet. * London» 11. April. (Unterhaus.) Bei Schluß der Sitzung erklärte der Handelsminister Balfour, die in Bezug auf Friedens- Unterhandlungen umlaufenden Gerüchte entbehrten der Be» gründung; eS seien darüber aus Südafrika keine Meldungen eiogelaufen, und der Natur der Dinge nach könnten auch keinerlei Nachrichten vorhanden sein. Der Krieg dauert noch lange! Aus London wird uns berichtet: Daß das KriegSamt die Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Krieges wieder ganz aufgegeben hat, zeigt folgende, soeben ein geführte „Reform" für die Heeresverwaltung in Süd afrika: Es ist beschlossen worden, jedem auf dem Kriegs schauplatz stehenden Regiment fünf kaufmännisch gebildete Schreiber beizuordnen, welche das gesammte Schreibwerk der Truppentheile zu erledigen haben. ES hat sich nämlich herausgestellt, daß auch Kitchener, ebensowenig wie vorher Roberts und Buller, trotz des großen Stabes und Schreibertrosses, den sich dieselben hielten, eine auch nur einigermaßen ernst zu nehmende Abrechnung über seine Geschäfts führung niemals liefern konnte. Die ganze Buchführung deS Hauptquartiers ist eine sictive, indem man die veraus gabten Gelder und die verbrauchten Lieferungen auf die ein zelnen Regimenter vertheilte, ohne dafür irgend welche Belege zu haben. Auf die zarten Mahnungen des Kriegsamtes hin erklärte nun Kitchener einfach, daß die Regimenter und sonstigen Truppentheile nicht zu bewegen waren, Ab rechnungen zu geben, mit der Begründung, daß sie keine Schreiberkräfte hätten. So sollen nun jetzt, nach 2»/,jähriger Dauer veS Krieges, Regimentsschreiber nach Südafrika entsandt werden, um wenigsten« von jetzt ab eine ordnungsmäßige Buchführung einzurichten. Die angeworbenen Schreiber, deren Gesammtzahl 250 betragen soll, verpflichten sich, zunächst ein Jahr diesen Dienst zu ver sehen und falls bis dahin der Krieg noch nicht beendet ist, ein weiteres Jahr in derselben Stellung zu bleiben. — Jeden falls würde man zu einer derartigen Maßregel nicht gegriffen haben, wenn man mit einer baldigen Beendigung deS Krieges rechnen würde. * London, 12. April. (Telegramm.) Da? KriegSamt giebt bekannt: 1000 Mann Gardetruppen, die der Obrrstcomman. dirende gestern besichtigt hat, sind die erste Abtheilung frischer Truppt», die zum Winterfeldzuge nach Südafrika abgeheu. Tie weiteren Truppennachschübe folgen von der nächsten Woche ab, nämlich 7000 Mann Infanterie, 1000 Mann Artillerie, 7000 Mann Deomanry und 5000 Mann Colonialtruppen. * Washington, II. April. Der Ministerrath berieth heute wiederum über die Verschiffung von Pferden und Maul» thieren nach Südafrika und entschied, daß keine Maßregeln bis zum Eingänge deS Berichts des mit der Untersuchung der An- gelegenhrit beauftragten Officiers zu treffen seien. * Graaff-Reinet, 11. April. Die Boeren griffen am 6. April Aberdeen an» wurden jedoch mühelos zurückgeworfen. * London, 11. April. Nach einer heute veröffentlichten Ver lustliste sind am 8. und 9. April bei Pietersburg ein Officier gefallen, drei Osficiere und fünf Mann verwundet worden. Bei Bethlehem wurden am 8. April drei Mann getödtet und drei verwundet; am 8. April wurden bei Uitb lasch ein Mann ge tödtet, ein Officier und drei Mann verwundet. politische Tagesschau. * Leipzig, 12. April. Ueber den Besuch deS Grafen Bülow in Wien wird uns aus Berlin von unterrichteter Seite geschrieben: „Der Besuch deS Grafen Bülow in Wien bat zum Theil Conimen- tare gesunden, in denen gerade der Hauptzweck der Reise zu kurz kommt. WaS den Grafen Bülow nach Wien führte, war die jetzt spruchreife Frage der Erneuerung des Drei bundes und die Erörterung der mit ihr in engem Zusammen hänge stehenden Fragen. Zu den letzteren zählt das Ver-> bältniß Italiens zu Frankreich und die Lage auf der Balkanhalbinsel. Hinter diese Fragen tritt die der Er neuerung des Handelsvertrages mitOestereich-Ungarn zur Zeit weit zurück. Ob Graf Bülow, wie das „Neue Wiener Abendblatt" angiebt, i» Wien gesagt bat: „Wer soll denn an Handelsvertragsverhandlungen denken, das ist doch Alles auf ein Jahr hinauSgeschoben" — kann dahingestellt bleiben. Aber Thatsache ist, daß die verbündeten Ne gierungen zunächst eine „Quittung" des Reichstages in Bezug auf die Zolltarif-Borlage abwarten, ehe sie an die Erneuerung des Handelsvertrages mit Oesterreich - Ungarn Herangehen. Außerdem ist auch der von Oesterreich-Ungarn vorbereitete Zolltarif noch lange nicht so weit gefördert, um in naher Frist der Volksvertretung Oesterreich-Ungarns vor gelegt werden zu können. Wenn daher von sreihänd- lerischer Seite der Auffassung Borsckub geleistet wird, als habe Graf Bülow es driugeud nölhig gehabt, zu handels politischen Zwecken sich nach Wien zu begeben, so befindet man sich be: solchem Borgeben, dessen Tendenz klar ist, auf einem falschen Wege. Falsch ist mich die in einer EeutruinS- correspondenz vertretene Ansicht, daß die Unterstützung der „landeSverratherischen" LoS von Nom-Bewegung inOester- reich durch deutsche Reichsangehörige und die Ausweisung österreichischer Polen auS dem Reiche bei den Unter redungen deS Grafen Bülow mit dem Grafe» GoluchowSki eine Rolle gespielt hätten. Dann sähe es ja gerade so auS, als ob Graf Bülow ml auäieuäuiu verbum nach Wien gegangen wäre. Davon ist aber um so weniger die Rede, als erst kürzlich in aller Form bezüglich der Los von Rom-Bewegung sestgestellt worden ist, daß sie von keiner deutschen Negierung unterstützt wird; nnd was die Ausweisungen österreichischer Polen aus dem Reichsgebiete anbelangt, so scheiden sie bei Erörterungen über die Erneuerung des Dreibundes ihrer Nich tigkeit wegen von vornherein aus. Derartige Dinge sind im Vergleiche mit der Bedeutung, die der Dreibund für Oester reich-Ungarn und für Deutschland hat, Kleinigkeiten, um die die verantwortlichen Staatsmänner beider Reiche sich nicht kümmern." — Dieser Mittheilung haben wir zunächst hinzu- zusügen, daß sie uns nicht gemacht worden sein würde, wenn der Hauptzweck der Reise des Reichskanzlers nach Wien, die Erneuerung deS Dreibundes, nicht erreicht oder wenigstens so gut wie erreicht wäre. Daß der Reichskanzler selbst nicht allzuviel Gewicht auf den Fortbestand des Dreibundes legt, ist bekannt; da ihm dieser Fortbestand aber doch eine Reise Werth gewesen ist, so wird man auch im Reiche von dem Resultate mit Befriedigung Kenntniß nehmen. Daß die Handelsvertragsverhandlungen mit Oesterreich-Ungarn auf ein Jahr HinauSgeschoben seien, scheint der Staatssekretär Graf Posadowskv nicht zu glauben, da er in der gestrigen Sitzung der Tarif-Commission ves Reichstags nach vergeblichen Versuchen, die Mehrheit von der Erhöhung der in der Vorlage festgelegten Vieb- zölle und von der Bindung derselben abzubalten, die Commission zur Eile mahnte. Im Uebrigen erfuhr man aus der ziemlich langen Rede, die er bei dieser Gelegenheit hielt, nicht viel Neues; nicht einmal darüber, ob die officiösen Be richte über die Ergebnisse seiner Rundreise nach Dresden, München, Stuttgart und Karlsruhe richtig seien, ließ er sich etwas abpressen. Da aber diese Rede gerade deshalb zu allerlei Erörterungen Anlaß geben dürfte, so sei ihr Inhalt hier ausführlicher niitgelheilt, als in dein Commissionsberichte unserer heutigen Morgenausgabe. Der Staatssekretär führte auS: Er ergreife nur mit bangem Zagen das Wort, weil er nach den Erfahrungen ter vorigen Sitzung Mißtrauen in die UeberzeugungSkraft seiner Ausführungen setzen müsse. Ent gegen seinen dringenden Ausführungen habe die Mehrheit am Tage vorher für ein unentbehrliches Rohprodukt (Ouebracho) eine Zollerhöbung von 120 Proc. des Werthes beschlossen. Trotzdem wolle er seine Pflicht erfüllen. Niemand werde daran zweifeln, daß er ernstlich wünsche, im Interesse der Landwirthschaft, der Industrie und der arbeitenden Be völkerung das handelspolitische Verhältniß zu anderen Staaten auf eine neue Grundlage zu stellen. Das könne aber nur unter der Voraussetzung geschehen, daß der Uebergang in die neuen Verhältnisse ohne eine Erschütterung unserer handelspolitischen Ver hältnisse zu anderen Staaten vor sich gehe. Das ent gegengesetzte Resultat würde für Deutschland ein sehr ernstes sein. Er müsse die Angriffe, die auf Grund dieser Anschauungen etwa gegen ihn gerichtet würden, auf sich nehmen und als Beamter seine Pflicht thun, ohne nach Lob oder Tadel zu fragen. Allgemeine Wahrheiten könnten nicht oft genug wiederholt werden und darum be tone er nochmals, daß ein Doppeltarif unter Umständen ein sehr gutes handelspolitisches Instrument sein könne, aber nur unter der Voraussetzung, daß die Minimalsätze nicht zu hoch gegriffen werden. Die Nachtheile, die für Frankreich aus dem System deS Doppeltarifs entstanden seien, hätten nicht an dem System gelegen, sondern an den viel zu hohen Minimalsätzen. Solche Minimalsätze, wie sie hier bei den Biebzöllen gefordert würden, seien mit Handelsverträgen nicht vereinbar. Die anderen Staaten würden sich sofort alle in die Position veS Gegners setzen. Auf dieser Basis könnten Verhanvlungen nicht zu einem Resultate führen. Auf den Pfervezoll eingehend, führte der Staatssekretär auS, daß die Staffelung noch relativ die beste Art der Zollsestsetzung sei. Sie setze allerdings große Sachkenntniß und außerordentliche Gewissenhaftigkeit der Beamten voraus. Schließlich betonte er, der Zolltarif sei gewissermaßen nur eine erste Skizze. Von dem ersten Marmorblock, den man roh forme, müsse noch sehr viel Material heruntergeschlagen werden. Wenn jetzt nur eine lose Ueberarbeitung deS Materials vorgenommen werde, so habe das den Fehler, daß Ferner- und auch Näher stehende schon jetzt Mißfallen an dem Werke empfinden und ein Vorurtheil gegen die erste Skizze entstehe, während bei der zweiten Lesung im Plenum voraussichtlich eine wunder volle Bildsäule herauskommen würde (Lachen links). Er könne nur den Freunden der Zollvorlage ralhen, etwas energischer für die endgiltige Gestaltung des Entwurfs vorzuarbeiten und von dem System der Mindestzölle abzugehen. Was seine Rundreise betreffe, so könnten die Herren glauben, daß es keine reine Vergnügungs reise gewesen sei. Aber es gebe Dinge, wo sich die Regierung nicht in die Acten sehen lassen könne, auch wenn für sie kein Redactionszeheimniß bestehe. In „maßgebenden NeichStagskreisen" wird, wie ein parla mentarischer Berichterstatter schreibt, der Meinung Ausdruck gegeben, Laß die Vertagung des Reichstages bereits Mitte Mai erfolgen werde. Ein Beschluß der verbündeten Regierungen sei zwar in dieser Richtung noch nicht gefaßt worden, werde aber in diesem Sinne ausfallen. Je früher der Reichstag vertagt werde, um so eingehender könne die Zolltarif-Commission ihre Arbeiten fördern. Es habe sich schon in dieser Woche gezeigt, daß die Commission rascher vorwärts komme, wenn sie ihre Sitzungen nach Belieben und ohne Rücksicht auf das Plenum ausdehnen könne. Das Letztere ist jedenfalls richtig, aber bei einer frühzeitigen Vertagung des Reichstags würden wahrscheinlich wichtige Vorlagen unerledigt bleiben müssen. Besonders bedauerlich wäre es, wenn der Reichstag nicht bald in die Lage käme, Stellung zu der Brüsseler Zucker- conventiou zu nehmen. Voraussichtlich wird er sie an nehmen. Da nun aber feststeht, daß die Zahl Derer, die ein dringendes Bedürfniß haben, bald darüber ins Klare zu kommen, wie der Zuckerhase in Zukunft laufen werde, eine sehr beträchtliche ist, so ist es nach der Meinung sachverständiger Kreise unbedingt nötbig, daß der Reichstag noch vor dem Sommer in die Lage ver setzt werde, über das Zuckerabkommen und die neue Ordnung der Dinge in der Zuckerindustrie zu befinden. Zahlreiche Private befinden sich nn Besitz von Zuckeractien. Diese sind durch daS Zuckersyndicat in die Höbe gebracht und Hochzchalten worden; sie werden in ihrem Werthe in dem Augenblicke heruntergehen, in dem daS Zuckerabkommen vom Reichstage gutgeheißen ist. Es ist nöthig, daß über die Verhältnisse auf dem Zuckermarkte bald Klarheit eintritt, wenn nicht die folgenden Dinge schlimmer sein sollen als die gewesenen. Aus Bern war einigen Blättern berichtet duft' Deutschland anläßlich des italienisch-schweizerischen Can» flicteS sich damit einverstanden erklärt habe, einen Druck auf die Schweiz behufs Verschärfung der schweizerischen Gesetzgebung über politische Vergehen auSzuüben. Diese Mit theilung ist, wie uns bereits telegraphisch berichtet worden ist, nicht zutreffend. Wie man uns heute in Ergänzung dieser telegraphischen Meldung von unterrichteter Seite mittheilt, sind weder von der italienischen noch von der schweizerischen Regierung Deutschland gegenüber diplomatische Schritte erfolgt, die zur Folge haben könnten, daß Deutschland auS seiner Neu tralität gegenüber den beiden ihm befreundeten Mächten herausträte. Was die schweizerische Gesetzgebung betreffs der Bestrafung von politischen Vergehen, wie sie bei dem gegenwärtigen Conflict im Spiel sind, anbelangt, so gleicht die schweizerische Gesetzgebung der deutschen, die bekanntlich bei der Beleidigung auswärtiger Herrscher bestimmt, daß der Antrag auf Strafverfolgung gestellt werde und daß derjenige Staat, dessen Regierung den fraglichen Antrag stellt, uns die Gegenseitigkeit in Bezug auf Beleidigungen deutscher Fürsten verbürge. Gleicht in diesen Stücken die schweizerische Gesetzgebung der deutschen, dann ist für Deutsch- Fanilletsn. Eva oder Anneliese? nj Roman von Ernst Georgy. Nacktruck vrrtolkn. Eine brennende Eifersucht überkam das Mädchen. Sie hatte dies Gefühl nie empfunden, wenn Bernd von der schönen und klugen Comtesse Eva schwärmte. Diese stand weit über ihr, und willig trat sie vor ihr zurück. Aber jetzt bäumte sich alles in ihr auf. Sie kannte die beiden, ihr genannten Mädchen von der Confirmation her und fühlte sich diesen halbgebildeten albernen Dingern weit überlegen. Also mit diesen Klcinbttrgcrstöchtern ver brachten Bernd und Stephan die kurze, schöne Ferienzeit ? lind Mutti und sic mußten daheim sitzen in dem einsamen Großbrandan! — Mit Aufgebot all ihres Scharfsinns ver suchte sic, in dieser Sache klar zu sehen. Sic überwachte die jungen Leute wie ein Dctectiv, horchte auf jedes ihrer Worte und suchte cs in Zusammenhang mit dem Gehörten zu bringen. Da schnappte sie denn so manchen Ausruf auf, der ihr verdächtig schien und sic peinigte. Am liebsten wäre sie den Beiden heimlich in die Stadt gefolgt, nm zu sehen, welchem der Mädchen Bernd den Borzug gab. Dabei flogen die Tage. Der Termin der Abreise näherte sich. „Herr Graf! Die Pferde sind gesattelt. Soll ich sic vorführen lassen?" fragte Franz seinen Herrn gleich nach dem Morgenfrühstück. „Ja, mein Sohn, aber bitte ans Parkthor Ich muß mir noch ein paar Blumen ab schneiden!" „Schon wieder fort, diesmal haben wir aber gar nichts von Euch!" meinte die Gräfin murrend.— „Und wozu Blumen? Der Amtsrichter, der mit Euch repetirt, hat doch keine Frau? Seid Ihr denn die ganze Zett über bei ihm? Der Mann müßte doch selbst genügend zn thun haben!" — Bernd sprang auf und nahm die Mutter in den Arm. Lachend küßte er ihre weißen Haare nnd sang dann mit einer theatralischen Geberde: „Mariak Nie sollst Du nxich befragen!" Darauf drehte er sich mit ihr tanzend im Kreise: „Oh, Du neugierige Mutti! Aber heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen! Ich bin ein zu guter Freund und freue mich, endlich Gutes mit Gutem vergelten zu können!" „Junge, sei vorsichtig! Du mußt später hier leben und bist in dem kleinen Oertchen rote rjn Luster H«d jkkWt. Nuz «r UH Lkgz IHv leichtsinnigen Burschen Euch etwas an! Später folgt dann böser Leumund und Reue. Bernd, Deine Mutti bittet Dich: keine dummen oder schlechten Streiche mehr!" „Mein Heiliges, sei unbesorgt! Es wird kein Schaden daraus erwachsen", versicherte er ernst, fügte aber über- müthig hinzu: „Ein Küßchen in Ehren darf Niemand ver wehren. Mutti, es giebt auf Erden Menschen! — Zum Todtlachen, einfach! Jetzt nicht; aber später wird ge beichtet!" „Was denn gebeichtet?" fragte Stephan, der bereits im Reitanzugc steckte. Er trat in das Zimmer ein. „Ihre Streiche, lieber Steffi" lachte Marie. „Und das sind nun bald Referendare! Arme Justitia! Uebrigcns habe ich eine Idee. Ich lasse anspanncn und komme mit Anneliese mit!" „Ach ja, bitte!" rief diese so laut und flehend, daß die Uebrigen sic erstaunt ansahen. „Nanu, was will das Dummelchen?" fragte Bernd er staunt. „Wenn Du durchaus mitkommcn willst, bitte, Mutti, cs wird uns eine Ehre und ein Vergnügen sein!" „Seht nur diese Heuchler!" schalt Marie. „Nein, habt keine Angst, wir bleiben hier!" „Herrlich von Ihnen! Sic sind die edelste Frau der Welt, verehrtest? Gräfin!" sagte Warell. „Es würde uns in der Wiederholung unserer Gesetzesparagraphcn stören, Sie so unbeschützt in der Stadt zu wissen!" Er blieb ernst, nur seine Augen sprühten schelmisch. „Mcnschenskind, cs ist halb nenn, die Pflicht ruft, weint, schreit nach uns!" ent gegnete Bernd hastig. „Nnn, noch schnell zu den Rosen- Auf Wiedersehen am Nachmittag, geliebtes Frauenvolk!" Er eilte hinaus. Stephan folgte ihm nach kurzem Ab schied. — Die Damen traten an das Fenster, um ihnen nachzu schauen. Bernd schnitt eine schöne Rose nach der andern ab. Dann reichte er sie dem Freunde. „VoiiL, man <-ber! Trag' sie auch! etwas für die Hand, die Samstag ihren Besen führt, wird Sonntags Dich am besten carcssiren!" — Diese Worte drangen zu ihnen hin. WaS Stephan erwiderte, war nicht zu verstehen. Bernd versetzte ihm einen Schlag und rief sehr laut: „Oh bitte, nur aus Mitgefühl. Ich danke für junge Kälber und Südfrüchte!" Darauf schritten sic über den in d<^ Moraensonne glitzernden Kies davon. „Die beiden Racker haben da irgend ein kleines Liebes- abenteuer!" sagte die Gräfin zu Anneliese. „Sie ver binden das Nützliche mit dem Angenehmen. Die Repe titionen mit einer flotten Courmacheret. Wer kann das nur sei»? JA kenne doch die Honorattorentöchter de; Stabt!? — — »Ich habe mir immer gedacht, Bernd liebe Eva Warell. Doch das scheint ihn nicht zu hindern!" meinte das Mädchen bitter. Marie sah sie verwundert an und schwieg. Dagegen ergriff die Engländerin das Wort, um die Abwesenden zu verthcidigcn. „Was willst Du, cs sind junge Leute. Wenn sie selbst nrit hübschen Ndädcln aus der Stadt ein wenig flirten, können sie die besten Gatten der Welt werden. Aber Du bist jetzt schlechter Laune und kannst ihnen das nicht nachfühlcn Den ganzen Tag weichst Du mir aus. Ich bin ganz überflüssig, da Du mich Dir nicht Gesellschaft leisten läßt. In der That, Frau Gräfin, Anneliese ist mit ihren achtzehn Jahren alt jüngferlicher als ich mit meinen vierzig!" — Die Ge scholtene senkte stumm dcu Kopf und verließ das Zimmer. „Lassen Sic meine arme kleine Dern ihrer Wege gehen, Mißchcn! Dann wird sie am schnellsten mit sich fertig werden. Ich lasse ihr jetzt auch völlige Freiheit. Sic wird über diese Zeit schon sortkvmmcn, wenn dieEomtcssc Warell mit ein paar Freundinnen herkommt oder wir wieder nach Berlin übersiedeln!" sagte dke Gräfin seufzend. — An diesem Abend waren die jungen Grafen ziemlich verstimmt. Sie zogen sich früh auf ihre Zimmer zurück, nm noch zu arbeiten. Auf einen Einwand der Gräfin verkündeten sic ihr, daß sic bereits am übernächsten Tage nach Berlin reisen müßten und ihr Pensum nicht erreicht hätten. Anneliese s Bemühungen und einem heimlich gespendeten Thaler gelang es, dem Reitknecht am anderen Morgen einige Neuigkeiten zu entlocke». Die Herren Grafen waren mit den Mädchen in der Eonditorei im Hintcrzimmcr überrascht worden. Da hätten denn der alte Wendt und Bulte furchtbaren Scandal gemacht und ihre Töchter gevhrfeigt. Auch die jungen gnädigen Herren hätten die Conditorei ganz kleinlaut verlassen. Auf dem Tische war ein volle Kanne mit Chocolade, ein Napf Schlagsahne nnd Berge von Kuchen liegen geblieben, trotzdem sic vorher schon bezahlt waren. — Bernd und Stephan verbrachten den ganzen Tag in der Laube und stndirten gemeinsam, über ihre Bücher gebeugt Marie saß mit einer Landarbeit bei ihnen. Anneliese schlich ein paar Mal hinzu, ohne etwas Neues zn sehen oder zu hören. Mißchen war, wie jetzt häufig, bei der Frau Pfarrerin im Dorfe Nur am Abend saßen alle gemeinsam im Salon. Bernd folgte den Bitten der Mutter und spielte eine Stunde auf der Geige. AuS einem Sessel in der dunkelsten Ecke des Salons starrte ihn Anneliese an, Nährend ihr «nbeMßt LHMes übe; die Wqngen sickerten. Seine schlanke, hochgewachsene Gestalt war leicht nach vorn geneigt, der Kopf dagegen etwas nach hinten gelegt. Seine schönen Augen schienen mit verklärten Blicken eine unbekannte Welt zu suchen. In dem vornehm edlen Gesicht mit dem weichen, lockigen Schnurrbart prägte sich seine Hingabe zur Musik in einem verträumten Lächeln aus. Auch Marie, die Engländerin und Stephan schauten mit wohlgefälliger Bewunderung auf den Spielenden, der so in sich versnnkcn^dastand, ohne Ahnung, wie schön er war. — Der Tag der Abreise brachte düsteres, graues Wetter: aber cs regnete nicht. Um sieben Uhr mußten die Jüng linge zur Station fahren. Ausnahmsweise hatte man heute schon um drei Uhr gespeist. Gleich nach der Mahlzeit begaben sich die Gräfin und ihre Scaton in den Oberstock, um die Koffer zu packen. Anneliese mar verschwunden. Stephan und Bernd bummelten gelangweilt umher und ließen ihrer Eramcnangst und ihrer Verstimmung über das zerstörte Rendezvous rückhaltlos freien Lauf. Un willkürlich lenkten sic die Schritte nach ihrem Sportplatz und traten durch das Thor ein- Die warnende Gong stimme erscholl, trotzdem sich die Beiden auf der Bank niederließen und plauderten. — Auf dies Zeichen hatte Anneliese in einer entfernten Laube gewartet. Sie packte ihr Stizzenbuch ein und eilte, von innerem Drange unwiderstehlich getrieben, durch kleine Waldwege vorwärts. Gewandt schlüpfte sie durch das Gesträuch und war einige Secunden später auf ihrem Beobachtungs posten. Die Zweige schlugen hinter ihr zusammen. Das Blattwerk war so dicht, daß man die Lauscherin überhaupt nicht sah, denn das Laub verbarg sie vollständig Sie bückte sich und spähte durch die Oeffnüng. Ein leiser ärgerlicher Laut entfuhr ihr. Da saßen die Jünglinge, ganz vorn ans der Bank. Es war windstill, und kein Wort drang zu ihr hinüber. Eine ganze Weile verharrte sie unbeweglich. Dann sah sie nach ihrer kleinen Uhr. Es war dreiviertel sechs. — In demselben Augenblick erhob sich Stephan. Er dehnte seine sehnige Gestalt und rief gähnend: „Was hilft das alles? In vierzehn Tagen wissen wir, woran wir sind und veranstalten eine Bombenknetperei! Und für die dicke hübsche Lotte suche ich mir das niedlichste Berliner Mädel ans!" Auch Bernd sprang auf: „Du warst doch höllisch verliebt, Steff! Ich armer Teufel mußte daS Lärmnletn Else hüten! Dte ist gerade so unterhaltend wte
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview