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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930719029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-19
- Monat1893-07
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Man würde höheren Ort» seinen Wünschen auch dann nicht entgegen sein, wenn der Schatzsecretair eine glücklichere Hand gezeigt hätte, als es thatsächlich der Fall ist, denn Frhr. von Maltzabn hat — der Einzige unter den hohen Reichs- und Staatsbeamten — seine Beziehungen zu FriedrickSruh nicht abgebrochen. Die Frage, wer oder was nach ihm kommen soll, wird in der Presse bereits erörtert. Bielfach richten sick die Wünsche aus ein Schatzsecrctariat Miguel, genannt X oder X, also aus einen andern „Helfer" des preußischen Finanzministers. Daß dieser Minister gleichzeitig Schatzsecretair würde, scheint die „National-Zeitung", die diese Verbindung beiderAemter wünscht, nicht für möglich zu halten, weil der Finanzminisler in dieser Stellung Untergebener des Reichskanzlers Ware, dessen College er im preußischen Staatsministerium ist. DaS wäre indessen formell kein Hinderniß; Herr v. Bötticher ist Beides schon seit langer Zeit und fühlt sick offenbar sehr wobl in diesem Verhältniß, obwohl er als preußischer Minister vbne Porte feuille dem Reichskanzler gegenüber nicht die starke Stellung rinnimmt, die der Inhaber des wichtigsten preußischen Ressorts zu behaupten vermag. Freilich kann bei dem künftigen un mittelbaren oder mittelbaren Leiter des NeichSschatzamtS nur ein Mann von Initiative und Selbstständigkeit in Frage kommen, und deshalb darf das Aeußerlicke vielleicht eine ge wisse Bedeutung beanspruchen. Zunächst würde dem preußi schen Finanzminister, wenn er Miquel heißt, die volle Ebenbürtigkeit im ReichSdicnste gesickert sein, da er ja als Retter auS der Dcckungsnoth berufen würde. Allein es kann dem preußischen Steuerresormator unmöglich ge nügen, daS Loch im Reichüsäckel auf die erste beste, nur den Zusagen deS Reichskanzlers nicht zuwiderlaufende Weise zu stopfen. Er wird vielmehr die verfügbaren Einnahmequellen darauf hin prüfen, wie sie sich in ein künftiges besseres System eiusügen würde, und deshalb kann die Erledigung der DeckungSfrage kaum etwas Anderes sein, als der Beginn der ReichSsteuerr esorm. Sb diese letztere aber als ihren Träger nicht einen auch förmlich dem Reichskanzler gleich gestellten Reichsbeamten verlangt, mit anderen Worten, ob der von nationalliberaler Seite längst geforderte verant wortliche Reichsfinanzminister auf die Dauer entbehrt werden kann, ist eine Frage, deren Beantwortung uns die durch die Militairvorlage verursachten Kosten jedenfalls ein gut Stück näher bringen. In der ersten kurzen, fast nur von einem einzigen Gegen stand erfüllten Tagung war noch zu wenig Gelegenheit ge geben, den eigentlichen Charakter de» neuen Reichstags, seine LeistungSsähigteit und Brauchbarkeit kennen zu lernen. Ein festes Urtheil hierüber wird nian erst abgebcn können, wenn vielseitigere Aufgaben der Gesetzgebung zur Lösung kommen werden. So viel steht indessen entschieden schon sest, daß der Reichstag durch die Neuwahlen zum Mindesten nicht schlechter geworden ist. Es ist doch eine bedeutsame Thatsache, daß ein großes Gesetzgcbungswerkwiedcreinmal ohne dieMit- wirkung der EcntrumSpartei, ja unter der heftigsten Bekämpfung durch dieselbe zu Stande kommen konnte. DaS war früher nicht der Fall. Da hieß es: Nicht» ohne das Centrum, und das eben hat die Anmaßung und Herrschsucht dieser Partei so unendlich gesteigert. Die verminderte Macht und die gänzliche Verschiebung der politischen Stellung der CentrumSpartei durch ihre Umwandlung in eine demo kratische Oppositionspartei ist ein bezeichnendes Merk mal und ein wesentlicher Grundzug deS neuen Reichs tags. Diese Umgestaltung in der Stellung des Centrums und damit in den parlamentarischen Grundverhält- niffen hängt aufs Engste zusammen mit der fast der Vernichtung gleichkommcnten Schwächung des radikalen Liberalismus. Das Centrum ist schwerlich mehr im Stande, in großen nationalen Fragen eine Oppositionsmchrbeit zu bilden. DaS „Zünglein an der Waage" bilden kleine Gruppen, auf die zwar lein unbedingter Verlaß ist, doch aber bei wichtigen Entscheidungen wird gerechnet werden können. Gegenüber diesem Gewinn der Verdrängung des Cenlrums aus seiner beherrschenden Stellung müssen manche unersreulicheZüge der jüngsten Wahlen in den Hintergrund treten. Die liberale Staatsanschauung wird freilich, nachdem die eine Hälslc des Liberalismus sich selbst zu Grunde gerichtet, »och weniger als früher Aussicht haben, sich zur Geltung zu bringen. Das Centrum ist reaclivnair-demokratisch, aber freisinnige Welt- und Staatsanschauungen wird Niemand bei ihm suchen. Die Partei deö gemäßigten Liberalismus hat sich gut aufrecht erhallen, aber auch sie wird unter den gegenwärtigen schwierigen Verhältnissen auf Vieles verzichten und sich daraus beschränken müssen, die freiheitlichen Errungenschaften früherer Zeiten möglichst zu schützen und zu vertheidigcn. Die liberale Presse der östcrrcichischc» Kaiserstadt be klagt sich seit Ansang dieser Woche bitter darüber, daß die Gemeinde-Autonomie von Wien schwer bedroht sei. Wie uns scheint, mit Unrecht, denn so ungewöhnlich die be treffende Maßregel, die den Anlaß zu diesen Klagen gegeben hat, auch sein mag, ungesetzlich ist sie auf keinen Fall. Der Tbatbestand ist folgender: Der Statthalter von Nieder- Oesterreich, Graf KielmannSegg, hat zu der letzten Wiener GemeindcrathSsitzung in der Person deS Statthaltereiraths Freiherrn von Kuts-nera einen Vertreter entsendet und durch diesen dem Gemeinderatb eröffnen lassen, daß er auch ferner zu den Gemeinderathssitzungcn einen Vertreter entsenden werde. ES ist ja nun nicht zu leugnen, daß in einer der artigen Ueberwachung der Verhandlungen für da- Colleg, da- indeß durch die unzureichende Berathuna in mehr als einem Falle selber den Anstoß zu einem solchen Schritte gegeben hat, etwas Kränkendes liegt. Ter Statt halter aber bewegt sich, indem er diese Anordnung trifft, vollkommen im Rahmen des Gesetzes, wenn er auch bisher von diesem Rechte nur bei feierlichen Repräsentations-Gelegen heiten und blos in einem einzigen Falle auch zur Wahrung des Rechtes als Aufsichtsbehörde Gebrauch gemacht bat. DicGründe, aus denen Gras Kiclmansegg von seinem ihm zustehcnden Rechte Gebrauch macht, werden m dem Erlasse des Statthalters an den Bürgermeister unumwunden angegeben und sie lauten kurz: „In letzter Zeit halten sich die Fälle gemehrt, daß die ungenaue Fassung der Interpellations-Beant wortungen im Wiener Gemeinderathe Anlaß gaben zu einer unsachgemäßen öffentlichen Kritik der Maß nahmen derSlatt halte re i." Der Statthalter führt zwei solche Fälle an, und zwar die Interpellations-Beantwortung über die Verzögerung de» Tramway-Gutachtcns und die Inter pellations-Beantwortung über den Bau der Eammelcanäle. In beiden Fällen war von der Wiener Presse der Stadt- halterei die Schuld an den betreffenden Verzögerungen zu geschoben worden. Da es nun der staatlichen Behörde nicht gleichmütig sein kann, ungerechterweise vor der Bevölkerung der schuld an der Verzögerung so wichtiger Angelegenheiten geziehen zu werden, so ist eS wohl begreiflich, daß sie nicht nur den Vorwurf von sich abwchrt, sondern daS gesetzliche Mittel anwendet, durch welches derartigen Vorkommnissen in Zukunft vorgebeugt werden soll. Tie Vorgänge in Liam geben der „Hamb. Dörsenhalle" Veranlassung, darauf hinzuweiscn, daß e» keinwegS in Deutschlands Interesse liege, dies Stück Hinterindien unter die Herrschaft de- protektionistischen Frankreich geralhen zu lassen. Mit Recht fügt das Blatt hinzu, man brauche sich für Englands Interessen in jener Gegend nicht zu ereifern, aber für Deutschland sei es wichtig, in fremden Wclttheilen mit ihnen zusammen- zuwirken; davon dürfe man ohne Nvth nicht abgebcn. Unser Handel mit Siam ist nach den Angaben des Hamburger Blattes immerhin bedeutend genug, um die Aufmerksamkeit der Regierung zu verdienen. AuSgeführt wurden dorthin von den beiden allem in Betracht kommenden Häfen Hamburg und Bremen im Jahre 1891 691 000einaeführt (nament lich Reis) für 4 211000 „L Zum Schluffe bemerkt die „Börsenhalle": „Wir wünschen SiamS Unabhängigkeit, damit Deutsche dort concurrire» können, wie jede andere Nationalität. Und sollte die Unabhängigkeit einst fallen müssen, so wäre es weit mehr im deutschen Interesse, wenn Siam englisch würde, als wenn die Fran zosen es mit ihren hinterindischen Besitzungen vereinigten. Das jetzige französische Jndochina ist beinahe ebenso groß wie Siam und doppelt so volkreich: die Bewohner sind unter chmenscher Anleitung weit civilisirter, als die Mehrheit derUnterthanen des Kaisers von Siam, denndiese sind nur inderMinderheit eigentliche Siamesen, in der Haupt sache aberLaos und andere weniger civilisirte Körperschaften. Dennoch ist unser Verkehr mit Franzönich-Jndien ganz wnizig. Hamburg führte 1891 nur für 11000>t (1890 70300(1 >1) von dort ein und für 85000 nach dort aus. Bremen- Verkehr ist gar nicht »ennenswerth Das sind die Folgen einer französischen Colonial- Verwaltung für deutsche Ausfuhr und deutschen Handel, und deshalb sollte man dringend wünschen, daß nicht auch Siam unter diese Verwaltung geriethe. Wir dürfen eben nicht über unseren eigenen colonialen Besitzungen vergessen, daß unser Hauptverkehr immer mit unabhängigen Völkern sich vollziehen wird, dem gegenüber der Handel mit unseren Colonien immer nur wenige Procente ausmachen dürste. Jedes Anheimfallen von unabhängigen Ländern a» die Zoll- nnd Protectionswirthjchast eines dem Protectionismus ergebenen Landes, wie z. B. Frank reichs, ist eiu Nachtheil für uns. Daher gehört die Annexion SiamS durch Frankreich in eine Linie mit dem Panamerikanismus, der Unterordnung Amerikas unter die Vereinigten Staaten. Wie diese, so haben wir auch jene zu fürchten und, wenn möglich, abzuwehren." Unter den verschiedenen Commentaren und Nachrichten' die an die Ko»sta»tinopler Reise de« Khedive AbbaS Pascha geknüpft wurden, lautete eine bekanntlich dahin, daß an maßgebender Stelle Konstantinopels der Plan der Ver- heiralhung des Khedive mit einer türkischen Prin zessin ins Auge gefaßt werde. Es mag nun zunächst bemerkt werden, daß in den diplomatischen Kreisen der türkischen Hauptstadt bisher von einem solchen Projecle nichts bekannt ge worden ist. Falls die erwähnte Nachricht eine Grundlage hätte, könnten am Hofe des Sultans nur zwei heiralhsfähige Prinzessinnen in Betracht kommen, die beide im 17. Lebens jahre stehen. Tie eine ist die Tochter des Sultan-, Prinzessin Naime, und die andere eine Nichte des Sultans, Prinzessin Emine. Es wäre dies aber der erste Fall, wenn eine türkische Prinzessin nach dem Auslande verheirathet würde. Die Tradition, türkische Prinzessinnen nicht an auswärtige mohamcdanischc Fürsten oder sonstige außerhalb der Türkei lebende Persönlichkeiten zu verbeiratben, beruht auf dem Um stande, daß die betreffenden Prinzessinnen als Frauen nach den Satzungen des Islams nirgends eine solche Rolle spielen könnten, wie in Konstantinopcl, wo sie Gemahlinnen direkter Unterthanen deS Sultans werden. Es wäre, wie gesagt, der erste von dieser Tradition abweichende Fall und unzwelselhaft eine besondere Auszeichnung für den jungen Khedive, wenn man ihm eine türkische Prinzessin zur Gemahlin gäbe. E» sei aber gleichzeitig betont, daß an eine derartige Heirath und an das sich hieraus ergebende verwandtschaftliche Verhältniß zwischen Khedive und Sultan keineswegs ein ähnlicher Maß stab angelegt werden dürfte, wie an fürstliche Verschwäge rungen »n übrigen Europa. Bei den Mohamedanern spielt bekanntlich die Ehe keine solche Rolle, und auch den ver wandtschaftlichen Banden wird keine solche Bedeutung bei- gclegt, wie seitens der Anhänger der abendländischen Glaubens bekenntnisse. DaS verwandtschaftliche Verhältniß zwischen den Höfen von Konstantinopel und Kairo würde also nicht ähnliche Rückwirkungen in politischer Richtung auSüben, wie solche oft — aber auch nicht immer — als Folge von Ver schwägerungen zwischen christlichen Höscn sich einzustellen pflegen. Es ist übrigens möglich, daß der Khedive eine andere Prinzessin auS .Konstantinopel als Gemahlin heim führen wird. In türkischen Kreisen spricht man nämlich von einem Projekte, dem zufolge Abbas Pascha sich vielleicht mit einer Tochter deS egyptischen Prinzen OSman Pascha, einer schönen, im 17.Lebensjahre stehenden und europäisch gebildeten Dame, verloben werde. Es würde dies eine sogenannte Familienbeirath sein. Osman Pascha ist nämlich der Sohn dcS verstorbenen Musrapha Fazhl Pascha, eines Bruders des ehemaligen Khedive Ismail Pascha, der durch seinen mehrjährigen Aufenthalt als Lebe mann in Paris bekannt wurde. Bei der Jugend AbbaS Paschas brauchen wir uns indeß vorläufig überhaupt noch nicht den Kopf über die Frage zu zerbrechen, wie wohl die Mutter des zukünftigen Khedive heißen und welcher Herkunft dieselbe sein wird. Deutsche- Reich. Berlin, 18. Juli. Bekanntlich war beabsichtigt worden, schon im Juli Vertreter der Interessentenkreise zu Be sprechungen über die Durchführung der Sonntagsruhe in Industrie und Handwerk »ach Berlin zu berufen. Es hat sich jedoch herausgeslcllt, daß cs zweckmässiger wäre, zunächst die einzelnen BerusSzwcige Uber die regierungs seitig geplanten Maßnahmen in Kenntniß zu setzen und erst, nachdem den betreffenden wirlhschaftlichen Vertretungen die geeigneten Mittbeilungen gemacht worden, zur Abhaltung der Confcrenzen zu schreiten. Dabei wird die ursprünglich be absichtigte Publikation der Denkschrift und dcS Entwurf- der AuSsührungSbestimmungcn über die Sonntagsruhe in Industrie und Handwerk dem Vernehmen nach unterbleiben, dagegen ist das gcsammte Material von NeichSwcgen den Einzelregierungen mit dem Wunsche überwiesen worden, dasselbe gleichmäßig und gleichzeitig den Vereinigungen der Arbeitgeber, sowie der Arbeitnehmer zugänglich zu macken. Durch dieses Vorgehen wird den Interessenten Gelegenheit gegeben werden, sich vor den Besprechungen mit den behördlichen Organen genau und eingehend über die in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten, und cs stellt zu erwarten, daß die Confcrenzen sich glatter als sonst vollziehen werden. Tie Anhörung der Sachverständigen dürfte, nachdem die Bekanntgabe deS Materials an die Vertretungen der einzelnen BerufSzweige stattgefunden hat, Ende September oder Anfang Oktober erfolgen. Brrlin, 18. Juli. Wahlprüfungen haben in der verflossenen kurzen Session des Reichstags noch gar nicht in Angriff genommen werden könne». Es sind nur eine Anzahl Frnillrtsn. Ueber Klippen. IS) Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Marka sah streng auf die Ordnung deS Hauses; sie ging nie früher zu Bette, als sie sich überzeugt hatte, daß sich im Hühnerschlage die gefiederten Bewohner vollzählig eingefundcn und daß den zwei Kühen und der Ziege im Stalle ihr Futter und der gehörige Trank zugewiesen war. Den erstcren fand sie vollkommen in Ordnung, aber im Stalle fehlte eS: da» Futter warzwar den Thieren vorgeworfen, aber sie leckten an den leeren Wassertrögen. „Das gewissenlose Pack!" murmelte die alte Frau empört. „Wenn man sie, die reden und verlangen können, derart auf halbe Mahlzeiten setzen würde, das gäbe ein Cpectakell Und solche stummen Creaturen, die nur auf unsere Fürsorge an gewiesen sind, — wart nur, wart!" Sie ging inS HauS, und wie ein Donnerwetter ergoß es sich auf das Haupt der schuldigen Magd. „Jetzt nimmst Du augenblicklich die Eimer und holst auS dem Bache Wasser!" gebot sie dein Mädchen. „Wenn Du Dich fürchtest, hier ist die Laterne, such' mich aber nicht zu täuschen, denn ich werde noch einmal nach den Thieren sehen." Die Magd nahm mit einem unverständlichen Brummen dir Eimer, ging fort und kam sofort wieder zurück, aber ohne Wasser, mit kreidebleichem Gesicht und vollständig verstörten Zügen. Vor Entsetzen konnte sie die erste Zeit kein Wort über die Lippen bringen. Es läge Jemand ertrunken im Bache; sie habe es deutlich gesehen. DaS Stück eines Kleide» und auch ein Fuß rage au- dem Wasser. „Du bist verrückt und siebst Gespenster!" rief Marka ent rüstet, „oder Du hast waS erfunden, um jetzt, in der Nacht, da- Wasser nicht zu holen." „Ich will nicht selig sein, wenn e» nicht war ist, Frau! Ihr könnt mich augenblicklich ohne Lohn fortjagen, wenn es nicht war ist", betbeuerte die Magd, und da» Entsetzen in ihrem Gesichte sprach mehr noch al» ihre Worte von der Wahrheit de» AuSgesagten. „So hat Jemand in der Dunkelheit den Weg verfehlt und ist io den Bach gefallen", rief jetzt die Alte ebenfalls erschrocken. „Hilf Himmel, es wird doch nicht Stefan! .... Doch nein, nein, die Magd hatte ja von einem Frauenrock gesprochen, der aus dem Wasser ragte!" Rasch entschlossen nahm sie die Laterne auf und befahl der Magd, ihr zu folgen. Bis sie Jemanden zu Hilfe holen ließ, konnte eS zu spät sein, und vielleicht war die Ertrunkene noch zu retten. Doch die Magd weigerte sich. „Ich gehe nicht wieder mit!" schrie sie wie außer sich von Entsetzen geschüttelt. „Ich fürchte mich, ich mag keinen Tobten anrührenI" „Vielleicht ist es noch kein Todter." Als aber die Magd dock bei ihrer Weigerung -beharrte, ergriff Marka die Einierstange und rief drohend: „Ich schlag Dir Dein dummes, verstockte- Gehirn ein, wenn Du nicht augenblicklich mitkommst l Ein Frauenzimmer wie ein Pferd und schämt sich vor mir alten Frau nicht! Gehorchst Du nicht, wirst Du ohne Lohn mit Schimpf und Schande aus dem Hause gejagt!" War es diese Drobung oder da« funkelnde Augenpaar in dem alten, verwitterten Gesichte'? Dir Magd folgte brummend der Alten, die mit der Laterne vorauSsckritt. Ter Back war ganz in der Nähe. Der Raum hinter dem Hause diente al» Gemüsegarten, batte keine Bäume, und auf der einen Seite bildete der Bach die äußere Umfriedung. Es war aber so dunkel, daß man ihn von der Gartenerde nicht unterscheiden konnte, nur da, wo der Schein aus dem Fenster fiel» glitzerte rin schmaler Streifen auf dem Wasser. — Und da ragte auch Etwa» gespenstisch auS den Wellen und bewegte sich leise hin und her! ES war da« Stück eines Kleide-, daS, vom Winde gebläht, auf- und nieberwogte. Die Alte stellte dir Laterne nieder und griff beherzt in die Fluth, und richtig, La faßten ihre Hände auch schon einen Fuß. Steine und angeschwemmte Aeste und Zweige hatten den Körper sestgehaltrn und ihn nicht von den Wellen fort- Iragen lassen. Von der Seite au», wo die Kirche lag, Ware die Rettung leichter gewesen, aber bis man dabin gekommen, wäre eS vielleicht zu spät gewesen. Wenn nur Jemand vorübergcqangen wäre, den man ssätte anrusen können I Wer kam aber NachtS an dieser Stelle vorbei? „Fasse den einen Fuß!" befahl sie der Magd. „Ich ziehe den andern berauS, und möge un» Gott beistehen, daß wir eS vollbringen!" Und Marka fühlte in diesem Augenblicke etwas von der Kraft ihrer jungen Jahre, auch die junge Magd that, nach dem sie ihr erste- Entsetzen überwunden, ihr Möglichste«, und bald lag der regungslose Körper der Ertrunkenen auf dem nassen Boden des Garten». Es dauerte einige Augenblicke, bis sich die alte Frau von der Anstrengung so weit erholt batte, daß sie wieder frei athmen konnte. Nun nahm sie die Laterne auf und beugte sie über die Verunglückte, um ihr inS Gesicht zu leuchten. Im ersten Moment schien sie eS nicht zu erkennen, dann aber entrang sich ein Ausruf namenlosen Entsetzens ihren Lippen, die Laterne fiel klirrend zu Boden und erlosch. „Barmherziger Himmel, es ist die Tereska! Es ist das Comteßchcn! Wie ist sie an diese Stelle, wie ist sie ins Wasser gekommen?! ..." Sir faßte in der Dunkelheit daS Gesicht, es war starr und kalt, und starr und kalt der ganze Körper. Hatte Marka ihre Kräfte schon derart angestrengt, bevor sie noch gewußt, wer eS war, wie erst jetzt. Helsen, retten! war ihr einziger Gedanke. Und vielleicht war eS noch möglich, war eS nicht zu spät! .... Die Magd, die ihren Schrecken überwunden, zeigte jetzt Eifer und Theilnabme. Sie war auch dem Comteßchen, wie da« Mädchen allgemein im Pfarrbause genannt wurde, zu- grtbau. Schade um da« liebe Geschöpf! Sie nahm der Alten die schwere Bürde ab, mit der sie sich beladen, und schritt mit großen Schritten dem Hause zu. Dort wurde TereSka in Marka'S Schlafzimmer getragen und auf daS Bett gelegt. „Und jetzt hole den Doctor, hole Menschen!" sagte die Alte in höchster Aufregung. „Bedenke um GotleS willen, daß von jeder Minute Letzen oder Tod abbängt, beeile Dich!" Die Magd entfernte sick, und Marka blieb mit dem Mädchen allein. Mit zitternden Händen versuchte sie, die nassen Kleiber zu entfernen, waS für ihre schwachen Kräfte und in der Auf regung, in der sic sich befand, eine schwere, mühselige Arbeit war; dabei dachte sic daran, wa« sie nur zu diesem unseligen Entschlüsse getrieben haben mochte?! — An einen Unfall glaubte sie keinen Augenblick. Wie kam sie NachtS an diese Stelle? WaS batte sie dort zu suchen? Hatte sie ins Pfarr haus geben wollen; der Eingang lag vorn, der Straße z», eine Laterne brannte davor, und der Weg war nickt zu verseblen. Ueberhaupt war sie, seit Stefan von der Reise wieder zurück- gekehrt war, nickt zu Besuch im Pfarrhaus gewesen. Und wie bleich und elend ihr Gesichtchen schon seit Wochen auS- gesehen hatte! Und auch jetzt, trotz der bläulich aufgedunsenen Farbe, welch schmerzlich verzogener Ausdruck lag darauf, <US sei der letzte Gedanke ein tiefes, großes Weh gewesen, das dort haften geblieben! .... Und dabei verrann die Zeit, Minute auf Minute verging, und Niemand kam! Sie batte TereSka entkleidet und in wollene Decken ge schlagen, dann eilte sie in die Küche, holte einen starken Blech löffel und suchte die Zähne des Mädchen auseinander zu bringen. Sie waren aber so fest auf einander gepreßt, als bildeten sie ein Stück, und nur mit Aufbietung aller ihrer Kräfte und, indem sie cS immer wieder von Neuem versuchte, gelang es ihr nach schweren Mühen, die scharfe Kante deS Löffels in die Oeffnung zu bringen; dann brachte sie die zwei Zahnreiben immer mcbr auseinander, bis die breite Seite des Löffels wie ein Instrument zwischen ihnen saß und das Wasser, das der Körper geschluckt hatte, aus dem Munde herauszufließen begann. In diesem Augenblicke ließen sich rasche Tritte hören, die Thür öffnete sich, und Doctor Nikoliny trat ein. Es waren zu gleicher Zeit mit ihm noch Andere gekommen, er batte aber Alle geben heißen, da dies kein Platz für müßige Neu gier sei. „WaS thut Ihr denn da?" fragte er, erstaunt über den Vorgang, denn Marka kniete vor Tereska, die quer über dem Bette lag, während ihr Kopf viel niedriger gebettet auf einem Schemel ruhte. „Ich konnte mir nicht Helsen", sagte die alte Frau ver zweifelt. „Es ist ein Bauernmittel, Herr Doctor!..." „Und ein recht derbes, aber -- geschadet hat eS nicht", versetzte er nickt unfreundlich. Er brachte die Gestalt de» Mädchens in eine gerade Lage und ließ sich dann eine harte Bürste geben. „Es scheint schon die Erstarrung des Tode« zu sein", sagte er, während er sich um die regungslose Gestalt inübte, „aber — vielleicht gelingt es Loch! So gering die Hoffnung ist, man muß es versuchen. Hallet jedenfalls warme Wäsche und beißen Thee bereit I Wie hat sich denn da« Unglück zugelragen?" fragte er dann. „Sie wird in der Dunkelheit den Weg verfehlt haben", versetzte Marka ohne Besinnen. Mußte er wissen, wa« sie sich dachte?.... Die Wäsche hing am warmen Ofen in der Wohnstube, und auch der Thee war bereit, aber noch immer blieb eS still im Zimmer, wo der Doctor weilte. Gott, o Gott, wie lange das kauerte! Und von einer Erstarrung des Tode« hatte er gesprochen!.... Wie un heimlich still war eS im Häusel Die Magd noch nicht zurückl
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