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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-06
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960506018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896050601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896050601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-06
- Monat1896-05
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Sieclamen unter dem RedactionSstrick (4ae- spalten) 50 H, vor den Familiennachrichten («gespalten) 40-4- Größere Schritten laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer and Mer,so nach höherem Laris. Extra-Beilagen (gefalzt), »ne mit dir Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung 60 -, mit Postbesörderm,, 70.—. Iinnahmeschliß für Anzeigen: Abend-AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Rachmtttag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «tue halb« Stand, srvtzrr. Anzeigen stad stet« au di« Expedition «u richt«. Druck und Verlag von E. Pol» la Leipzig W. Mittwoch den 6. Mai 1896. SV. Jahrgang. Die Lnsengerüchte. * Als kürzlich der Ausdruck einer großen Krisis, die wahr scheinlich mit dem Rücktritt de- Reich«kanzlerS und deS ganzen preußischen Ministerium- enden werde, in unmittelbare Aus sicht gestellt wurde, waren e- gerade die demokratischen Blätter, die diesen Gerüchten am entschiedensten widersprachen und ihnen die Behauptung entgegenstellten, wenn jetzt von einer KristS die Rede sein könne, so habe man mit gleichem Rechte schon lange von einer solchen reden können und werde voraussichtlich noch lange davon reden dürfen. Daß gerade die demokratische Presse diese Weisheit predigte, kann nicht gerade befremden, denn während der Aera Caprivi unterhielten diese Blätter Verbindungen, die manchen Ein blick in Vorgänge gestatteten, die nicht vor der Oeffentlich- keit sich abspielen. Vielleicht sind einzelne dieser Verbindungen noch nicht völlig abgebrochen. So wenigstens läßt eS sich er klären, daß die „Frkf. Ztg." schon am 29. Februar d. I. über den Stand der Reform der Strafproceßordnung einen Artikel veröffentlichen konnte,der anfangs übersehenworden zu sein scheint, später aber von den Verfassern der Krisen-Artikel al- Unterlage für ihre „Enthüllungen" unv Prophezeiungen diente. In diesem Artikel, den die „Frkf.Ztg."jetzt wiederholt, wurdezuerst erwähnt, daß im Reichstage beim Militairetat alle Parteien den KriegS- minister in Bezug auf diese Reform vorsichtig schonend be handelt haben, weil man wußte, daß er sich um die Reform bemühe, dabei aber mit Schwierigkeiten zu kämpfen habe. ES wurde daran erinnert, daß der Kriegsminister noch am 11. December deS vorigen IabreS den baldigen Abschluß der Reform innerhalb des preußischen Staatsministeriums in Aussicht gestellt habe, dann hieß es wörtlich weiter: „Man hat inzwischen nicht gehört, daß der Entwurf an den Bundesrath aelangl sei, wohl aber verlautet von neuen ernsten Schwierigkeiten, auf die diese sogar bescheidene Reform nicht etwa bei irgend weichen verbündeten Regierungen, sondern in Berlin neuerdings gestoßen ist. ES kann sich dabei nicht um den Reichs- kanzler oder um da« preußische Ministerium handeln; denn wie man aus den Vorgängen vor der Entlassung des Ministers von Köller weiß, schien im Etaatsministerium der Entwurf allseitige Billigung gesunden zu Haden. Es sind offenbar wieder militai» rtsche Kreise, dir sich um das Militaircabinet und den Hof gruppiren und einer von der großen Mehrheit der Volksver tretung seit Langem geforderten und von den verantwortlichen Rath gebern des KaiierS gebilligten und empfohlenen Reform Widerstand leisten. Es scheint wieder einmal eine Rrbenregierung und Labinetsregirrung am Werke zu sein, die so einflußreich ist, daß man sogar die auffällige Verabschiedung hervor ragender Corps-Commandanten zum Theil daraus zurück führt, daß sie al- Befürworter einer Reform des Militairstras- verfahren- bekannt sind. Wenn diese unverantwortlichen Einflüsse auch möglichst im Stillen arbeiten, so ist doch soviel von ihnen längst bekannt, daß inan, falls General v. Bronsart nächstens aus dem Kriegsministe rium scheiden sollte, der öffentlichen Meinung oder dem Reichstage nicht wieder mit den üblichen Gesundheitsrücksichten kommen darf. Man Hot bither, um die Reform nicht zu stören, sich im Reichstage Zurückhaltung auferlegt und eine offene Besprechung dieser Zu- stände vermieden. ES wird aber um so mehr nothwendig werden, einmal offen mit der Sprache herauszukommen, weil dieses nulitairijche Gebiet ja durchaus nicht da« einzige ist, aus dem die Ein- flüssr einer LabtnetSrrgtrrung und unverantwortlicher Rathgeber sich geltend machen. Auch andere schwere Beunruhigungen unsrres politischen Leben« gehen nicht von der Regierung, sondern von Nebrneinflüssrn au«, denen rntgegenzuorbeiten dir Regierung selbst zuweilen nicht geringe Mühe hat. Die erneute Idee eines Soria- listengesetzeö im Laufe diese« Sommer-, die genug böses Blut und Beunruhigung gemacht hat, ist nicht in einem Ministerium, sonder» io irgend einem Nebrncabinrt ausgrheckt worden. Es ist auch längst kein Grheimniß mehr, daß die vorläufig noch un klare, aber jedensall- folgenschwere Episode unserer politischen Ent wickelung, di« an dir plötzlich aufgetauchten „Flottenpläne" an knüpft, ihren Ursprung Labinet-rinflüssrn und zwar dem Ma rin e- cabtoet verdankt." So schrieb, wie gesagt, die „Franks. Ztg." am 29. Februar, und so hätte sie wohl schon einige Wochen früher schreiben können. Zn diesen Auslassungen ist der Kern der Krisenartikel, die in der vorigen Woche so große- Aufsehen erregt haben, enthalten; man kann e- daher dem Blatte nicht verdenken, wenn e- mit einem gewissen Stolz auf seine Informationen hinweist und auf Grund derselben die Situation noch weiter auSmalt. Diese weitere Darstellung der Lage lautet: „Wie die speciellr Frage der Mtlttairstrafproceßordnung sich lösen wird? — Wir sind zu lange io der Politik thätig und nicht «ehr naiv genug, un« darüber rin bestimmte« Urthril anzu maßen. Ist der Krieg-minister nach wie vor ernstlich gewillt, im Einverständoiß mit den übrigen Ministern und gestützt auf die Zu stimmung der größeren Bunb««reaterungen dir Reform «inichlirßltch einer gewissen Oeffentlichkrit de« Verfahren« durchzusetzen, und glaubt er, daß ihm dir« durch vorsichtige Taktik geling«, so kann man begreifrn, daß ihm di« Krisenartikrl, die auf «in« schnellt Lösung zu drängen schienen, unangenehm und al» rin ver fehlte- Mittel erschienen sind. Sollte aber etwa der General Bronsart von Gcheüeodorss, der mit seinem Portefeuille für diese Reform sich stark gemocht Hot, doch schwach geworden sein und die Absicht der Verschleppung haben, dann würden jene Artikel den Zweck gehabt haben, dem Krieasminister selbst ein energische« „Wie lange noch?" znzurufen. In dem einen und dem anderen Halle hätte man sich z, diesen Artikeln verichieden zu stellen: e- ist aber immerhin schwer, »tue publietstisch« Jagd «itzumachen, deren Ziel und eigentlich« Zweck man nicht kennt. Fällt der jetzige Krieg«ministrr über dir Resorm, so fällt er nicht allein; wer dann an« Ruder kommt, wissen wir nicht, aber au- der Nach giebigkeit, die schon «tu Mann »i, Fürst Hohenlohe gegen rracttonäre« Agrarier- und Junkerthum entwickelt, läßt sich ungefähr schließen, welche Eiuflüffr jetzt mächtig si»d und dann noch mächtiger werben können. Pei den Schilderungen über unverantwortliche Einflüsse und Labinrtsrrgterung läuft im Einzelnen gewiß manches Falsch« und Uebertrtebeu« unter. Auch »auch« Uebrrschätzuug von Personen, die der Oeffentlichkrit nur ihrem Namen nach bekannt sind. Es wird virlsach zu sehr nach h«m historischen Muster der Gertach und Manteuffel grurthellt u,d e« wird vor allen Dingen übersehen, daß der jetzig» Monarch nur schwer, wenn überhoupt, zu leiten und zu beeinflussen ist. Richt die Existenz besonders ver anlagter politischer Jntriguant«, sondern der energische Wille und der Jdeearrichthum des gegenwärtigen Kaiser- sind dir eigentliche dauernde Ursache de« Zustande«, der von Zett zu Zeit al« Krise bezeichne» wird. Er »,ll sein eigener Kanzler und Minister sei» noch Bl«morck'S berühmtem Au-'pruch und deshalb werden dir Männer, die al« Kanzler und Minister sungiren, gegen- über den kaiserlichen Wünschen und Ideen immer in sehr schwieriger twd kritischer Lage sein, und der unbefriedigt« Dhatendrang de« Monarchen wird sich leicht en andere Männer seiner nächsten Um gebung wenden, auch wenn deren politischer Ehrgeiz nicht groß ist. Der gegenwärtige Zustand wäre noch sehr erbaulich, wenn die Resorm des Militairstrasprocesse« die einzig« kritische Frage wäre. Die des Flotte npIan« ist auch noch nicht gelöst, und jeden falls hat der von der Bedeutung der Marine durchdrungene Monarch es noch nicht verwunden, daß seine Ideen sich dem finanziellen und politisch Möglichen anpassen sollen. Ueber Labinetseinflüsse, die dabei mitspielten, ist öffentlich im Reichstage gesprochen worden. Man erzählt in intimeren Kreisen, daß der Kaiser versucht habe, den Alten im Sacksenwalde für die Mariuevergrößerung zu begeistern, und daß ein vor nicht allzulanger Zeit verabschiedeter Minister aus allerhöchstem Munde Vie unwillige Aeußrrung gehört haben soll: „Da holeichmir lieber denAlten zurück." Das ist natürlich nur ein Stimmungsjymptom; an die praktische Ausführung ist aus vielen und hinlänglich bekannten Gründen nicht mehr zu denken. Die Stimmung, welche die Trennung von Herrn von Köller beim Kaiser erzeugt hat, ist auch durchaus noch nicht überwunden, und diese Trennung stand in directem Zusammenhang mit der Resorm des Militairstras- processeS. Also, wer durchaus von einer Krisis sprechen will, der nenne sie eine dauernde oder schleichende, und das ist schlimmer al« eine acute. Wer die Existenz einer solchen in der letzten Woche bestritten hat, der braucht damit nicht die Absicht der Beruhigung oder Vertuschung gehabt zu haben, denn der Lauernde Zustand ist schlimmer als dir schnelle Lösung." Ob die neuen Ausführungen des Frankfurter Blattes auf besondere Znformationen oder nur auf scharfe Beobachtung und geschickte Eombination sich gründen, ist schwer zu ent scheiden. Jedenfalls stimmen sie mit dem überein, was gründ liche Kenner der Berliner Verhältnisse in engeren Kreisen ost genug sagen. Warum e- nickt auch geschrieben werden soll, sehen wir nicht ein; hat doch Fürst Bismarck nicht Be denken getragen, häufig auf die „Friktionen" hinzuweisen, die von „unverantwortlichen Staatsmännern" in einfluß reichen Stellungen ausgingen. Aus diesen Auslassungen des ersten Reichskanzlers geht zugleich hervor, daß die Ein flüsse unverantwortlicher Ratbgeber nichts Neues sind. Da- wäre auch unbegreiflich. Wo nicht, wie in England, bei jedem Wechsel des Ministeriums die Krone gezwungen ist, mit. Hofwürdenträgern sich zu umgeben, die zu den Parteigenossen der Minister gehören, wird stets der Einfluß dieser Würdenträger auf den Träger der Krone dem Ministerium bemerkbar werden. Und gerade solche Politiker, die den Wunsch hegen, daß der Träger der Krone uicht lediglich durch die Brille der Minister sehen möge, können und dürfen am wenigsten verlangen, daß ein Monarch jedem unverantwortlichen Rathgeber sein Ohr verschließe. Graf Caprivi würde vielleicht jetzt noch im Amte sein, wenn der Kaiser nicht auch Männer gehört hätte, die nicht zum Ministerium Caprivi gehörten. Jst^eS also im.Allgemeinen unrichtig, von einem Monarchen zu fordern, er solle nur seinen verantwortlichen Ralhgebern einen Einfluß auf seine Entschließungen gestatten, so hat doch der überwiegende Einfluß unverantwortlicher Rathgcber etwas sehr Bedenkliches. AuS dem berücktigten „Scheiler- bausenbriefe" Stöcker'S geht hervor, daß kurz nach dem Regie rungsantritte Kaiser Wilhelm'S II. persönliche Einflüsse in Anwendung gebracht wurden, um den Fürsten Bismarck zu beseitigen. Ob es diese Einflüsse allein waren, die den Sturz des ersten Kanzler- herbeiführten, läßt sich nicht ent scheiden , jedenfalls aber gehörten mancherlei Zntriguen dazu, um den Herrscher, der noch nicht volle zwei Jahre vorher den Fürsten Bismarck als den Führer geseiert hatte, dem er folge, zur Abkehr von diesem Führer zu bringen. Und da die Erinnerung an diese Ab kehr noch im ganzen deutschen Volke lebendig ist, so ist es begreiflich, daß offene und vertrauliche Berichte über neuer liche Einflüsse unverantwortlicher Ralhgeber in Berlin einen tiefen und beunruhigenden Eindruck iu den weitesten Kreisen macken. Seit jenem Sturze aber find Jahre vergangen, die über reich waren an eindringlichen Lehren. Ist auch der Kaiser ebenso reich an Energie und Ideen geblieben wie damals, so bat er doch einen Schatz von Erfahrungen gesammelt, der ihm sagen muß, daß die Preisgebung eine- vom Vertrauen der Bundessürsten, seiner preußischen Ministercollegen und der Mehrheit de- deutschen Volkes getragenen Reichskanzler« an eine Gruppe unverantwortlicher Ratbgeber das Vcrt:auen auf die führende Macht in Deutschland und den Respect des Auslandes vor der inneren Festigkeit Deutschlands nicht er höhen könnte. Dadurch, daß er den Grafen Caprivi trotz aller Vorgänge, die den persönlichen Ansichten und Wünschen des Kaiser« unmöglich entsprechen konnten, so lange hielt, hat Kaiser Wilhelm II. den Beweis geliefert, daß er seine Thatenlust und seine Reformsreude im Interesse der Stabilität der Verhältnisse zu zügeln weiß. Wir glauben daher nicht besorgen zu müssen, daß er den unverantwortlichen Ralhgebern einen größeren Einfluß ein räumt, al- zu seiner eigenen Information zur Prüfung der Gründe seiner verantwortlichen Ralhgeber nöthig ist. Diesen, da- ist zuzugeben, kann eine solche Prüfung und Controle nickt angenehm sein. Aber sie giedt fruchtbare Anregung und gewährt Schutz vor jener Verknöcherung, vir man treffend Ministerialvrrknöcherung nennt. Da« Urberwiegen einer die Energie und den Ieeen- reichthum de- Kaiser- für ihre Zwecke au-beulenden „Rrbenregierung" glauben swir nur dann besorgen zu müssen, wenn die verantwortlichen Nathgeber de- Kaisers ihrer seits an der rechten Energie e- fehlen lassen oder nicht da- Zrug haben, ihre Ueberzeugung mit schlagenden Gründen geltend zu macken, oder aber, wenn die Bundesfürstea den preußischen „Nebenministrrn" gegenüber eine Nachgiebig- leit zeigen, dir weder im Interesse der Bundesstaaten noch iu dem de- Reiches liegt. Fürst Bi«marck, der den Kaiser kennen zu lernen Gelegenheit genug gehabt hat, hat in neuerer Zeit wiederholt auf die Pflicht der Bunde«slaalra bingewieseu, da- ihnen vuich die Rrich-versassung gewährleistete Recht kräftig zur Geltung zu dringen. Er betrachtet diese Gellend nackung als ein nothwrndige- Gegengewicht gegen den rastlosen Tbaten- drang d«S Kaisers, der von unverantwortlichen Rath- gebrrn leicht angcstachelt und au-gebeutet werden kann gegen einen schwachen Reichskanzler und ein schwäch liches preußische« Ministerium. Unsere- Wissen- sind die Anregungen des Alten im Sachsenwalde bei den deut schen Bundessürsten auf fruchtbaren Boden gefallen. Auch von ihnen brauchen wir daher nicht besorgen zu müssen, daß sie die Segel streichen vor unverantwortlichen Rath gebern in Berlin. ES bleiben daher nur der ReichSkaiizler und seines preußischen Ministercollegen übrig, die den Ein fluß solcher Ratbgeber über das rechte Maß hinaus wachsen lassen könnten. An ihre Adresse hat sich also die Mahnung zu richten, ihrer Verantwortlichkeit und des auS ihr entspringenden Rechtes sich bewußt zu sein. Fehlt ihnen daS Rückgrat und die Ueberzeugungskraft, so bedarf es nicht einmal einer „Nebenregierung", um sie zu beugen und zu fällen; dazu hat schon ost genug schwachen Ministerien gegenüber eine kluge Frau ausgereicht. Stehen sie in dem führenden Staate Deutschlands, der in allen Reichs angelegenheiten Rücksicht auf die übrigen Staaten zu nehmen bat, fest aus dem Boden, der ihnen durch daS Gcsammtinleresse des Reiche- gegeben ist, so werden sie unserem lhatenfrohen und ideenreichen Kaiser gegenüber zwar immer eine wenig bequeme Stellung haben, aber es wird dann nicht von schleichenden Krisen die Rede sein können, sondern nur von jenem Ringen der Meinungen, ohne das frisches Leben und rüstiges Fortschreiten undenkbar ist. Deutsches Reich. L Berlin, 5. Mai. Weder die „Conjunctur", noch die Eröffnung der Berliner GewerbeauösteUung, noch die diesmal von der Parteileitung eindringlicher als seit Jahren er gangene Ausforderung zur „internationalen Maifeier" baden dem Hoffeste der socialdemokratiscken Arbeiter- verfübrer irgend welchen Glanz zu verleihen vermocht. Die Arbeitsruhe war nicht ausgedehnter als sonst, mithin nicht nennenswerth. Auf das Fernbleiben von der Arbeit kommt eS aber den Führern allein an, denn mit den in den Feier stunden veranstalteten Zusammenkünften — etwas Alltägliches in der socialbemvkratischen Arbeiterschaft — läßt sich nicht die Vorstellung erwecken, daß die Herren Singer und Liebknecht dem Bürgerthum imponiren. Der „Vorwärts" behauptet zwar, die Zahl der durch Arbeitsruhe Demon- strlrendeli sei in diesem Jahre „weitaus gröger" gewesen, als früher, aber er bleibt in seinen sieben enggedruckte Spalten füllenden Einzelberichten den Beweis dafür schuldig. Im Baugewerbe mag die Arbeitseinstellung etwas häufiger gewesen sein als sonst, und in Berlin ist von einer kleinen Anzahl von Unternehmern wegen der Eröffnung der Ausstellung aus eigener Entschließung der Tag freigegeben worden. Aber dort beeinflußte die Streik bewegung die Maifeier und hier bat die ArbeitSruhe nicht die Zahl der der socialdemokratischen Parteileitung Huldigenden, sondern die der Schaulustigen in den zur Ausstellung führenden Straßen vermehrt. DaS Verlangen der Generalcommission, die Arbeiterbevölkcrung möge die Eröffnung der Ausstellung ignoriren, ist gänzlich unbeachtet geblieben. Wenn der „Vor wärts", übrigens sehr beiläufig und zaghaft, daS Geen- theil andeutet, so flunkert er. Die deutschen Arbeitgeber haben die Energie, mit der Herr Bebel gegenüber dem österreichischen Parteiführer Adler das regelmäßige Mißlingen der Mai feier in Deutschland entschuldigt hat, erfreulicherweise auch diesmal nicht vermissen lassen, und wie recht sie daran ge» lhan, zeigt u. A. bas Blutvergießen in Wien und die Sprache, die der „Vorwärts" gegen einen, wie er sich ausdrückt, „Ring" von Leipziger Tischlermeistern und Möbelfabrikanten führt, die angekündigt hatten, daß sie jeden am 1. Ma» der Arbeit Fernbleibenden sechs Monate lang nicht beschäftigen würden. Das socialdemokratische Centralorgan nennt diese Zurückweisung eines Pressionsversuchs „roh, frech und provo katorisch" und bürdet den Arbeitgebern die Verantwortlich keit für die Folgen der Arbeitslosigkeit der Demonstranten auf. Die Dreistigkeit, mit der da- Blatt die Dinge hier auf den Kopf stellt, liegt auf der Hand; sie würde aber der großen Masse der Arbeiter weniger in die Augen springen, wenn rin beträchtlicher Theil der Arbeitgeber sich dem Feiertag gebot gefügt hätte. Dann würden sich die Arbeiter gesagt haben: „was die Einen thaten, konnten wir füglich auch von den Andern erwarten, die Verantwortung tragen die Urheber der Repression des Maistreiks, nicht die Veranstalter des letzteren". Angesichts der Geschlossenheit der Arbeitgeber in der Abwehr der Weltfeiertag-- Zumulhung ist es aber für Jedermann einleuchtend, daß die wenigen Arbeiter, die der allgemeinen Ordnung, wonach der Arbeitgeber und nickt der socialdemokratische Agent über daS Offenbalten und Schließen brr Werkstätten zu bestimmen hat, sich widersetzten, etwas Außerordentliche- thaten, wofür sie die Folgen und ihre Ver teiler die Verantwortung zu tragen haben. 1t Berlin, 5. Mai. In letzter Zeit werden mehrfach Fälle bekannt, in denen gewerbliche Arbeitgeber wegen Aus legung der über dir Sonntagsruhe in Industrie und Handwerk erlassenen Bestimmungen mit den zur Beaufsichtigung der Durchführung der letzteren an gehaltenen Behörden in Meinungsverschiedenheiten ge- rathen. AuS den Mittheilungen, die darüber vorliegen, geht hervor, daß man sich vielfach noch nicht über den Krei« der an Sonn- und Festtagen ^gelassenen Arbeiten, sowie über di« Art der schließlichen Entscheidung bezüglich etwa dabei hervortretrnder Differenzen klar ist. Bekanntlich kommen bei den Au-nabmen von der Sonntagsruhe zweierlei Arten von Arbeiten in Betracht, die einen, welch« auf Grund de- Gesetzes zugelassen sind, und die anderen, welche der BundeSrath oder die Höheren oder unteren Verwaltungs behörden gestattet haben. Bei beiden treffen natürlich die Beschränkungen, welche durch Gesetz festgelegt sind, zu, als» beispielsweise daß sie nicht länger al« drei Stunden dauern, daß st« nicht in die Zeit de« Gottesdienste« fallen, daß sie, wenn sie drei Stunden überschreiten, länger« ArbeitSruhe am zweiten oder dritten Sonntag« zur Folge haben sollen u. a. m. Unterschieden sind dir briden Arten lrdiglich bezüglich einiger Kleinigkeiten, wie betreff« der An legung deS Verzeichnisses über die an Sonn- und Festtagen beschäft igten Arbeiter» welche bei den gesetzlich gestatteten Arbeiten nöthig ist, bei den Bunde-rath-auSnabmen nicht. Jedenfalls ist zu beachten, daß in erster Reihe dem Arbeitgeber die Verpflichtung obliegt, zu entscheiden, ob eine Arbeit zu den zugelasseuen Arbeiten gehört oder nicht. Sind die controlirende» Beamten anderer Ansicht, als der Arbeitgeber, und meinen sie, daß eine vom Letzteren zur Erledigung am Sonntage über tragene Arbeit nicht zugelassen ist, so wird zunächst das Ur- theil der Gewerbeaufsicht-- bezw. der höheren Verwaltungsinstanz einzuholen sein. Erst darnach wird die Endentscheidung herbeigefübrt werden dürfen. Diese aber liegt durchaus in der Hand der ordentlichen Gerichte. In Arbeitgeberkreisen ist noch vielfach der Irrthum verbreitet, als ob auf dem Gebiete der Sonntagsruhe die Entscheidung über die Zulässigkeit von Arbeiten bei den controlirenden Beamten liege. DaS ist durchaus nickt der Fall. Die vom Bundesrath gestatteten Ausnahmen sind ja so genau Präcisirt, daß darüber ein Zweifel nicht mözlick ist. Wa- aber unter die gesetzlicken Ausnahmen fällt, kann in jedem einzelnen Falle, über den sich ein Zweifel erbebt, durch Gericht festgestellt werden. Die Arbeitgeber werden gut tbun, sich an die Begründungen zu hallen, welche der BundeSrath seinen Ausnahmevorschriften beigegeben bat. In diesen ist für die von den BundeSrath-auSnabmen be troffenen Gewerbe eine Menge von Fingerzeigen über die Arbeiten, welche nach dem Urtheile eines der gesetzgebenden Factoren des Reichs unter die gesetzlichen Ausnahmen fallen, enthalten. X. Berlin, 5. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser fuhr beute von der Wildparkstation bis zum Großgörschen-Babn- hofe der Wannsee-Bahn, stieg hier zu Pferde und ritt nach dem Tempelhofer Felde, wo die Besichtigung deS Garde- Füsilier-RegimentS, des Garde-Schützen-Bataillons und des Garde-Pionier-Bataillons stattfand. Nack der Besichtigung nahm er auf dem Tempelhofer Felde eine Reihe militairischer Meldungen entgegen, darunter jene des zur deutschen Botschaft in St. Petersburg commandirten Corvetten-Capitains Kalau v. Hofe. Das Frühstück nahm der Kaiser bei dem Officiercorps deS Garde-Füsilier-Regiments ein. Nach dem Frühstück begab er sich zum Stettiner Bahnhöfe und fuhr gegen 3 Uhr Nach mittags nach Hobenfinow, um in den dortigen Forsten des Grasen Finck von Finckenstein auf Rehböcke zu pürscken. Der Rückkehr des Kaisers nach Berlin wird gegen 11 Uhr Abends entgegengesehen, und er gedenkt im hiesigen Schlöffe zu über nachten, um morgen früh von bier aus zur Truppenbrsickti gling nach Spandau sich zu begeben. Hiernach erweist sich die Nachricht, daß der Kaiser morgen nach Plön fahren werde, als falsch. 6. II. Berlin, 5. Mai. (Privattelegramm.) Der Kaiser hat für die Dauer der in Moskau stattsinkenden Krönungsfeierlichkeiten 5 Osficiere der Garderegimenter zur Botschaft in St. Petersburg commandirt. (-) Berlin, S. Mai. (Telegramm.) Wie der „Hamburgische Correspondent" meldet, ist der Staats- secrrtair >m ReichSiuarineamt Hollmaun heute zum Admiral ernannt worden. --- Berlin, 5. Mai. (Telegramm.) AuS Lar-es- Talaam, 4. Mai, wird gemeldet: Der Gouverneur Major v. Wfffmann, welcher in jüngster Zeit mehrfach unter Fieberanfällen zu leiden hatte, wird sich am 11. d. M. in Zanzibar auf dem dort abgehenden französischen Dampfer einschiffrn und, dem Wunsche seines Arzte- entsprechend, sich zu einem mehrmonatigen Urlaub nach Europa begeben. ö. Berlin, 5. Mai. (Privattelegramm.) Der Jahresbericht de» evangelischen KirchenbauvercinS, erstattet in der Generalversammlung am 1. Mai im Landeshause der Provinz Brandenburg durch den Oberbofmeister Freiherrn von Mirbach, ist jetzt gedruckt versandt worden. Er ent hält eine Abwehr gegenüber dem „Volk" und seinen Ge sinnungsgenossen. Die „Nat.-Ztg." hebt daraus Folgendes hervor: „Während früher in Berlin die liberale und die freisinnige Presse häufig den kirchlichen Bestrebungen unfreundlich unv mit scharfer Kritik entgegentrat, hat sich dies durch daS persönliche Vorgeben unserer Ver eine, an denen sich alle Kreis« und Parteien gern bc- tdeiligten, seit dem Jahre 1889/1890 in erfreulicher Weise zu ändern begonnen. Aber gerade da- erregte das Mißfallen eines TheileS jener kleinen kirchlichen und namentlich politisch extremen Partei, welche sich mit Vorliebe als Vorkämpfer de- ChristentbumS und ter Monarchie hiustellt, und deren Schroffheit in politischen, von ihr so oft in die Kirche hiueineingetragenen Streit fragen in Berlin dem kirchlichen Frieden nicht günstig war. Dieser kleine Kreis, welcher im Winter 1887 88 die Angriffe und Verdächtigungen gegen den damaligen Prinzen und die Prinzessin Wilhelm und gegen uns mit Entrüstung zurückgewiesen hatte, trat, weil wir uns still von ihm zurück- zogen, immer heftiger gegen un- auf und bekämpfte uns schließ lich mit Mitteln, welche früher in jenen Kreisen unbekannt waren und hinter welchen dir Mittel, welche unsere ersten Gegner angewendrt batten und welche dieser Kreis selbst als verwerflich bezeichnet batte, weit zurückstanden. Diese« Auf treten war um so auffälliger, al- dieser selbe Kreis, welcher un«, weil wir alle Parteien zu praktischer LiebeSthätigkeit vereinigen wollen, bekämpfte, später dieselbe Vereinigung theoretisch in dem christlich-socialen Congreß anzustreben suchte. So sehen wir, daß sich da» Organ unserer neuen Gegner, di« christlick-sociale Zeitung „Da- Boll", schließlich zu unserer Bekämpfung mit dem Hauptblatte der Social demokratie, dem „Vorwärts", vereinigte. So sonderbar dies auch scheinen mag, so ist die erst« eigentliche Ursache dazu nickt schwerzu finden, wenn man erwägt, daß die Angriffe unmittelbar an die Verabschiedung de-HyfprrdigerS Stöcker sich anknüpften, welche im Januar 1891 erfolgte Ich bebe aber hier gleich und ausdrücklich hervor, daß der Hofprediger Stöcker mir wiederholt hat sagen lassen uud selbst gesagt hat, daß er den gehässigen und persönlichen Angriffen fern steht und sie tief beklagt. Da- ganze Verhalten aber jener Presse kennzeichnet sich deutlich al- ein Racheact für dje Ver abschiedung de- HospredigerS, welchem selbst damit der denkbar schlechteste Dienst erwiesen worden ist. Seine Verabschiedung war auf ein von ihm felbst eingereichtes Gesuch erfolgt und genehmigt worden, weil er trotz wieder-
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