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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011220027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901122002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901122002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-20
- Monat1901-12
- Jahr1901
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Abend-7lnsgttVe Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang Nr. 648 Freitag den 20. December 1901. Feuilleton 5) HL und ent- )0 ^!> ro »o »o 75 L 0 o o o .0 15 s 15 15 10 >0 15 xr 10 l>ü- U» «i- L>- 70 IO 25 50 SO c .1« ü-, Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ol,ne Postbesörderung .« 60.—, m i t Postbejürderung 70.- . nO, »n. tr, 0»- »fer vrk in» In der unwabrbafiigen Anrufung von Zeugen, die ibre anmaßlicben Forderungen als Rechte und ihre staatSgefäbr- lichen Anschläge als legetime Bestrebungen erschci..en lassen sollen, sind die Paton und, was dasselbe ist, die Ultramon- taucn Deutschlands Meister. Die „Germania" — oder eine polnische Z.itungscorrespondenz? — rechtfertigt aufs Reue riesen Ruf mit einem conservativen Urtbeil über die — Littauer. Tie Littauer iin deutschen Nordosten wollen und genießen bekanntlich eine Berücksichtigung ibrer Sprache in den Schulen. Die Conservativen baden diesem Verlangen bei der letzten Nachwabl in Memel Hcyvekrug Rechnung ge tragen in einem Flugblatte, dcss-n Wortlaut, soweit er die Sprache angeh;, die gesamiute nationale deutsche Presse un verkürzt wickergebcn darf als Beweis ihres guten Gewissens im Kampfe mit den Polen. Es wird über die Littauer gesagt: „Die Littauer wollen ihre Sprache behalten, weil sie an Litte und Sprache ibrer Väter hängen. Es ist ihre Muttersprache, in welcher groß sie geworden sind. Die Littauer sind streng religiös und führen ein gutes Familienleben: das aber wollen sie sich erhalten und können sie sich nur erhalten, wenn das Kind in der Sprache seiner Mutter aus wächst, von dieser sprechen und beten lernt. Wir Conser vativen nun wollen die littauiscke Sprache erhallen, welche noch immer das wichtigste Bindeglied der Heimalh ist." Diese Sätze citirt die „Germania"; ob sie dabei andere, über die unbczweiselte Staatstreue vorausgeschickte unter drück', vermögen wir im Augenblick nicht zu conlrollireu. Das Berliner Zesuitenblatt bemerkt dazu: „Man braucht in diesen Aunührungen des conservativen Wahl- slugblattes statt des Wortes „Littauer" nur „Polen" zu setzen und dann trifft Alles auch Wort für Wort zu. Was Len Litlauern recht ist, muß den Polen billig sein!" Wir erwidern nicht: „Man I nur „deutsche Galizier, deutsche Südtiroler, „Cherubim" fuhr die Gräfin mit weichem, mütterlichem Tone fort — ^Du wirst alt. — Es macht Dich müde, jeden Abend Thee zu trinken und Pikt zu spielen. Du sollst Dich schonen. Geh' zu Bett." „Ich bleibe hier!" stieß Slesin endlich hervor. „Ich befehle es Dir", rief die Gräfin mit erhobener Stimme -„geh'!" . „Ich bleibe hier!" zischte vslestn mit keuchendem Athem noch einmal. „Cherubim!" Stumm« standen sich eine Weile Herrin und Diener gegen über. „Die Frau Gräfin lieben 'dieses Subject — einen Kunst reiter!" brach es endlich von Slcsin's Lippen. Aber dieser Vorwurf, so unbotmäßig er sich noch außerdem in dem Munde eines Dieners machte, brachte auf die Gräfin keine besondere Wirkung hervor. „Jawohl, ich liebe ihn", erwiderte sie mit einem cigenthüm- lichen Lächeln der Befriedigung — „und ich rathe Dir, Cheru bim, sprich von ihm mit dem Respect, den Du ihm fortan schuldig sein wirst. Ich habe beschlossen, ihn zu meinem Gemahl zu machen." Ein stolzes, strahlendes Lächeln verklärte das Gesicht der Gräfin. Aus ihren Augen, in denen sich jeht auf eine sonder bare Weise die Pupillen erweiterten, brach ein oscillirrnder Glanz. Aber Slesin sah es nicht mehr. Alle Sinne waren ihm vergangen. „Das ist der Frau Gräfin ihr Scherz", röchelte er endlich. Die Gräfin lächelte noch milder, noch zärtlicher. „Nein, Cherubim, es ist mein Ernst, mein fester, unumstöß licher Entschluß, und ich hoffe, Du wirst mir mein Glück nicht mißgönnen." Slesin stand da mit gebeugtem Haupt, zusammengesunkcn wie eine Ruine. Nur seine Zähne knirschten. „Dann bitte ich die Frau Gräfin um meine Entlassung", knirschte er. „Darüber laß uns morgen sprechen", antwortek die Frau Gräfin sanft — „nun geh'!" Slesin ging. Di« Gräfin war allein. Sie trat vor einen Spiegel hin, sah sich darin an und fand, daß sie eine schöne jung« Frau war, an der Leonard gewiß Ge fallen hoben würde. Aber plötzlich verzerrten sich ihre Züge zu einem schmerzhaften Ausdruck, und sie faßte sich mit der Hand nach dem Kopfe. Es hämmerte und brannte darin. So häm merte und brannte es darin seit Jahren und immer wurde e» ärger. Ein Angstschrei gellte durch den Raum. Der Krieg in Südafrika. Tie Gefangennahme des Commandanten Kruitzinger bei Hanoverroad (Capcolonie) ist, so schreibt man uns aus dem Haag, 19. December, nach den mehrfachen Verlusten in der vorigen Woche, die ja freilich zum größten Theil Nichtstreitbare, also Viehaufseher u. s. w., umfassen, für die Boeren ein doppelt schmerzliches Ereigniß. Kruitzinger, der nach der Gefangen nahme Olivier's bei dem Ueberfall zwischen Winburg und Senelal (Oranjefreistaat) am 26. August 1900 diesem im Kom mando folgte, war ein trefflicher und unerschrockener Führer, der den Engländern viel zu schaffen gemacht hat. Das Gelingen des Einfalls in die Capcolonie war neben Hertzog und Brand auch ihm zu danken. Ungezählte Male hat er auf seinem Rund zuge durch die Capcolonie die englischen Colonnen geschlagen, zur Uebergabe gezwungen oder überlistet. Vor einigen Monaten, als French zu außergewöhnlich schroffen Maßnahmen seine Zuflucht nahm und ihm deshalb der Boden in der Capcolonie zu heiß geworden war, hatte er sich über den Oranjefluß zurückgezogen. Er ist es auch gewesen, der in der zweiten Hälfte des September die Colonne der Loats-Scouts so hart mitnahm, daß sie fast vernichtet wurde. Eine Zeit lang durchkreuzte er den Freistaat, bis ihm der Um stand, daß eine Anzahl der englischen Truppen nach dem Norden geholt wurde, um De Wet aus dem District Heilbron zu ver- kreiben, erlaubte, südwärts zu ziehen. Er durchbrach ver schiedene Blockhaus-Linien, überschritt die stark vertheidigte Bahnlinie und den Oranjefluß und würde zweifellos auch über dm Schienenweg zwischen De Aar und Nauwpoort gekommen sein, wenn ihn nicht ein tückischer Zufallstreffer niedergestreckt hätte. Er wurde bei der Forcirung der Blockhaus-Linie längs der Bahn angeschossen und konnte sich nicht wieder erheben. Seine Kampfgenossen hinderte die Hast der Bewegung, ihn mit zunehmen, und so fiel er, ein leichter Fang, in die Hände des Gegners. Seinem Kommando gelang es, die Eisenbahn zu über schreiten. Dadurch werden French's Pläne arg gestört werden. Der englische Reitergeneral geht damit um, die verstreuten Boeren- und „Rcbellen"-Commandos von der Bahnlinie nach dem Westen zurückzutreiben, um das Land zwischen den Haupt linien Capstadt-De Aar und Port Elisabeth Nauwpoort-Dc Aar freizumachen. Seiner Ansicht nach wäre er dann im Stande, feine Truppen im Westen zu verwenden, während der übrige Theil durch die Blockhaus-Linien gegen weitere Einfälle ge schützt wäre. Erscheint nun wieder ein actionsfreies starkes Commando in dem „gesäuberten" Gebiete und schließen sich ihm noch andere an, was um so eher der Fall sein wird, als eine un gewöhnlich große Südwärts-Bewegung im Freistaat zu ver zeichnen ist, dann muß French seine Arbeit wieder von vorne beginnen und seine Operalionen gegen die Boeren im Calvinia- und Piquetver-District einstellen. Ein Corps ohne Führer wird Kruitzinger's Commando wohl nicht geworden sein. Die freistaatlichen Commandos sind so gut organisirt, daß sie auf einen Schlag, wie der Verlust eines Führers, sicher vorbereitet sind. Einer unter den jungm Offi- cierm wird sich wohl finden, der Kruitzinger in seinen Fähig keiten, seiner Unerschrockenheit und seiner Thatkraft, wenn auch nicht erreichen, so doch mit Aussicht auf Erfolg ersetzen kann. Der Afrikander-Stamm ist ja, wie die Erfahrung der letzten Jahre lehrt, besonders reich an tüchtigem Führermaterial. * London, 19. December. Weitere 2000 Mann Neo nr anry sollen laut Befehl sofort einberufen und im Laufe der Monate Januar und Februar nach Südafrika gesandt auch Slesin. Er war der Erste, der hinaufftürmte. Dann hörte man einen schauerlichen Schrei. — Noch in derselben Nacht erschien der Amtsvorsteher. Am nächsten Tage waren, während man die Kranke — ein Nerven schlag hatte sie getroffen — in ihrem Schlafzimmer verwahrte, Aerzte und Gerichtspcrsonen zur Stelle; die Gräfin wurde nach einer Heilanstalt gebracht, während auf dem Schlosse ihre Ver wandten eintrafen, und Leonard sah ein, daß ihm nichts übrig blieb, als seinen Abzug zu bewerkstelligen. Er ahnte jetzt auch, wer der Urheber des auf ihn versuchten Attentates gewesen war — Slesin war ihm nicht mehr vor die Augen gekommen —, aber die ganze Episode war für ihn bereits abgethan und vergessen. Leonard reiste zunächst nach Hamburg, um dort seine Tauben zu versaufen, dann nach Berlin und hierauf nach Paris, um bei dem Agenten Nachfrage wegen eines guten Engagements zu halten. Aber was er verlangte, war nicht da, die Saison war besetzt. Er mußte müßig gehen. Seit vielen Jahren zum ersten Mal. Leonard kam auf die Idee, einmal eine Vergnügungsreise zu machen. Er verfiel auf Monte Carlo. Wie die meisten seiner Collegen hatte er eine Passion für das Hazard, wenn er auch immer nur mit großer Vorsicht spielte. Ueberdies, warum sollte er in Monte Carlo nicht einmal Glück haben? Auch andere Leute haben dort Glück gehabt. Wenn er zum Beispiel die Bank sprengte? „Und wenn sie sonst die vernünftigsten Menschen sind", bat der alte Löwenbändiger Daggesell, der Nestor unter dem fahrenden Volk, von seinen Leuten gesagt, — „einmal kommt der Leichtsinn über Jeden. Dann macht er mit seinem ersparten Gelde ein Bierrestaurant auf, wovon er nichts versteht, oder er verspielt's, oder er macht eine tolle Heirath, oder fonst eine Dummheit." Leonard reisse nach Monte Carlo. (Fortsetzung folgt.) aWgcr TagMaü Anzeiger. Ämlsvtatt des Hönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rashes und NoNzei-Äintes der LLadt Leipzig. Politische Lagesschau. * Leipzig, 20 December. Ob die von einigen Zeitungen verbreitete Auffassung zu trifft, daß die zur Vorberathung der ZoUvo>ia„c gewählte Commission des Reichstages ihren Bericht erst gegen Pfingsten werde erstatten können, mag dahingestellt sein. In diesem Falle würde cs allerdings schwierig sein, die zweite und die dritte Lesung des Entwurfs noch in der Sommertagung zum Abschlüsse zu bringen. Vielleicht aber liegt dies gerade in den Wünschen derjenigen Organe der Presse, welche Pfingsten als den Zeitpunct der Berichterstattung der Zolltarifcommission in Aussicht nehmen; es liegt daher die Annahme nahe, daß in diesem Falle der Wunsch der Vater des Gedankens sei. Aber auch wenn die Berathungen der Zolltarifcommission vor der Osterpause nicht zum Abschluß gelangen sollten, würde deshalb doch keine Nothwendigkeit vorliegen, die zweite Lesung, bis zu einem so späten Termine hinauszuschieben; denn es ist fehr wohl denkbar, daß die Commission nicht über ihre ganzen Arbeiten einen Gesammtbericht erstattet, sondern diejenigen Theile der Vorlage, über die sie sich definitiv schlüssig gemacht hat, mit I einem Theilberichte vorlegt, so daß der Reichstag, wenn es I seiner Auffassung entspricht, in die zweite Lesung, die ja nur I eine Einzelberathung ist, eintreten kann, auch wenn die Be- Krainer u. s. w. zu setzen und dann trifft Alles Wort für Wort zu." Der UltramontanismuS ist immer und überall der IFeind des deutschen Volkstbums und fiöhnt dieser Gesinnung überall, sogar auf Kosten nicht nur des Reiche?, sondern auch der Kirchlichkeit. Tas siebt fest. Daß man sich in Deutschland und Preußen nicht von Nationaliiätenbaß leiten läßt, sondern gerecht zu sein bestrebt ist, beweist eben das Entgegenkommen ter Conservativen gegenüber den Litlauern. Miquel hat sich als Minister ganz ähnlich ausgesprochen und keinen Widerspruch auf deutscher Seile erfahren. Er hat aber gerade den Unterschied zwilchen polnischem und lillaui- schem Verhalten auf deutschem Boden gekennzeichnet und aus ihm die Nothwendigkeit verschiedenen Verhaltens der Regie rung hergelcitet. Es trifft eben in dem Vergleiche kein Wort zu. Es fällt den Liitauern nicht ein, die Unterweisung ihrer Kinder in der deuischen Sprache anrutasten oder gar, wie es in Posen geschehen, durch Gewaltthätigkeit hindern zu wollen. Die Littauer sind froh, wenn ihre Kinder ordentlich deutsch lernen. Noch weniger denken die Littauer an die LoSreißung von dem Staate, dem sie angebören; das aber ist die alleinige und vielfach offen eingeslanvene Absicht der polnischcnPropaganda in d.n Osimarken. Ob der Ruhm strenger Re ligiosität auch den Polen zukommt, wollen wir nicht untersuchen und nur bemerkn, baß eine Glaubenslehre, die den Kindern beibringt, Christus babe nur polnisch gesprochen, der Papst spreche nur polnisch, einer Verinnerlichung des christlichen Glaubens, sowie auch des katholischen Bekenntnisses unüber- steigliche Hindernisse in den Weg zu legen scheint. DaS polnische Familienleben dem littauischen gleichzuietzen, wider strebt selbst polnischen Katholiken, und die erbaulichen Wreschener Tinge von Trunksucht, schauerlicher Thier quälerei, Besudelung von Kirchhöfen, die man von der Wreschener polnischen Mä>yrerjugend in beglaubigter Weise vernommen, sprechen gerade nicht für gutes häusliches Vorbild und gute häusliche Zucht. Jedoch nicht wir sind es, die sich gegen den Vergleich der „Germ." ernstlich zu wehren haben, sondern die tief beleidigten Littauer. Gräfin Leszek. Roman von Heinrich Lee. Nachdruck vcrboicn. Wenn Zeugen zugegen waren, nannte die Frau Gräfin ihren Haushofmeister „Sie". „Du" sagte sie nur, wenn sie mit ihm allein war — und das in der gnädigen Erinnerung an eine alte Zeit. Fast dreißig Jahre stand nun Slesin in den gräflichen Diensten. Damals weilte Graf Brzeziny mit seiner jungen Frau auf der Hochzeitsreise in Paris. Sie wohnten in einem Hotel und dort war der junge Cherubim, nachdem ihn ein Emi grant aus seiner Heimath als Groom nach dem Seinestrand« mitgenommen hatte, Piccolo. Der Graf fand an dcm jungen Landsmann, den er so mitten in der fremden Weltstadt traf, ein außerordentliches Gefallen. Namentlich war es rührend, mit welcher fast hündischen Aufmerksamkeit der junge Mensch an den Blicken der anmuthigen jungen Frau hing. „Ich glaube, er ist in Dich verliebt", lachte der Graf. „Er ist so artig, und zu Hause unsere Dienerschaft besteht aus lauter Tölpeln", erwiderte die Gräfin, „vielleicht begleitet er uns nach Hause zurück." Cherubim fiel dem Grafen, als ihm dieser den Vorschlag dazu machte, in Dankbarkeit zu Fußen. Cherubim wurde des Grafen Kammerdiener, aber in Wirklichkeit stand und blieb er unter dem Befehl der jungen Gräfin, und seine Herrin brauchte nicht den Mund aufzuthun, er las ihr Alles an den Augen ab. Als der Graf fünfzehn Jahre später starb, ernannte die Frau Gräfin Cherubim zu ihrem Haushofmeister, und nun stand er thurm- boch über der übrigen Dienerschaar. Statt der Livree zog er nun den Frack und die Kniehosen an. Die Frau Gräfin war nicht mehr ganz so jung und so anmuthig wie einst, und bald nach dem Tode ihre- Gatten nahm sie auch ihr seltsames Wesen an. Alle sahen dir Veränderung an ihr, nur Cherubim nicht. Für ihn war sie so jung und schön wie einst. Weitere fünfzehn Jahre vergingen, und wenn «S auch vielleicht nicht mehr «in« ganz regel rechte Verliebtheit war, was Cherubim jetzt an sein« Herrin kettete, so doch etwas dem sehr Aehnliches — Treu«, Ergebenheit, Verehrung, also eine Art von Versteinerung seines jugendlichen Cherubim", sagt« die Gräfin — „ich will den heutigen Abend mit Monsieur Leonard allein verbringen. Du kannst also gehen. Du kannst gehen!" wiederholte sie noch einmal. Aber Slesin blieb stehen. In seinen schwarzen Augen funklk etwas, seine schmalen Lippen preßten sich zusammen und er athmet« schwer. Dick Spindler s Weihnachtsfeier. Im Gokdgräberlager „Rough and Readv" war man nicht wenig überrascht und verdrießlich, als bekannt wurde, daß Dick Spindler zu Weihnachten den Gliedern seiner Familie ein Fest in seinem eigenen House geben wollte. Nachdem er die Goldader auf seiner Paroelle gefunden hatte, verstand es sich freilich von selbst, daß er diesem Glücksfall zu Ehren ein« Feier veranstalten mußte, aber kein Mensch dachte daran, daß er es auf so alt« däterrsche, abgedroschene und philisterhafte Weise thun könne. ES war doch wirklich di« reinste Anmaßung! Noch nie halt« etwa» davon vrrlautet. daß Spindler Überhaupt irgendwelch« Das Gesicht im Spiegel hatte sich plötzlich grausig verändert. Der linke Mundwinkel hatte sich ganz in die Höhe gezogen, die Augen waren verglast und stier. Stöhnend sank sie zusammen. Und der Samowar summte, und auf die grell lackirten chine sischen Wände fiel das Licht der fünfzig Wachskerzen und die rothe Kamingluth — und draußen sanken die Flocken. Von der Schloßuhr schlug cs halb Neun. Das war die Stunde, um die sich Leonard an jedem Abend bei seiner Patronin einzufinden hatte. DeS schlechten Wetters halber warf er seinen dicken Mantel über. Da der Flügel, den er bewohnte, mit dem alten Mittelbau, in dem sich der chinesische Salon befand, in keiner directen Ver bindung stand, so mußte er unten durch den Hof. Als Leonard hinaus in die schwarze Nacht trat, wobei ihm der Wind die nassen Flocken ins Gesicht trieb, gewahrte er einige Schritte vor der Thür eine in der Finstcrniß Verschwimmende, dunkle menschliche Gestalt an sich herantreten. Dann fühlte er einen Stoß gegen seine Brust, und die Gestalt war ver schwunden. Was bedeutete das? Von einer Verfolgung des Flüchtlings konnte bei der Finster- niß keine Rede sein. Als er aber unter das in den Mittelbau führend« Portal trat, bemerkte er bei dem matten Scheine des den leeren Flur raum erhellenden Candelabers, daß an der Stelle, wo er den Stoß gefühlt hatte, sein Mantel zerfetzt war, wie von einem Messer. Jemand also hatte ihm sein Messer in den Leib bohren wollen. Aber wer? Kein Zweifel, dachte er, man hatte ihn für eine andere Person gehalten — er wär« beinahe daS Opfer einer mörderischen Verwechselung geworden. Zu dem chinesischen Salon führte eine schmale Wendeltreppe hinauf. Als Leonard, oben angelangt, die Thür öffnete, blieb er be troffen an der Schwelle stehen. Ein grotesker Anblick bot sich ihm dar. Die Gräfin saß mitten auf der Erde auf dem Teppich und starrte ihn mit leeren Augen an. Dann aber überzog ein schnck« liches Lächeln ihr Gesicht. „Komm her", sagte sie — „der Priester wartet auf unS. Aber sei still! Niemand darf es wissen. Niemand, auch nicht Slesin. Er liebt mich und Dich haßt er! Komm! Komm!" Ihre Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken von ihrem Sitze aus streckte sie ihm ihre magere Hand gegen. Er hatte es mit einer Wahnsinnigen zu thun. Leonard schloß die Thür und allarmirte das HauS. Unter der zusammengelaufenen Dtrnerschaar befand Verhandlungen der Tarifcommission sich in die Länge ziehen sollten, keineswegs ausgeschlossen, daß das Plenum bald nach der Osterpause in die zweite Lesung eintritt. Wird so ver fahren, so wachsen natürlich die Aussichten auf ein Zustande kommen der Vorlage noch in der Sommertagung und es rückt demzufolge auch der Zeitpunct näher, an dem in Verhandlungen über den Abschluß neuer Handelsverträge auf der Grundlage des neuen Zolltarifs eingetreten werden kann. Es kommt damit aber auch der Zeitpunct näher, wo die großen gesetzgeberischen Aufgaben, die mit Rücksicht auf das Zustandekommen des Zoll tarifs zurückgcstellt werden müssen, wieder in Angriff genommen werden können. Daß die Verkürzung des Zeitraumes, in dem über die künftige Gestaltung unserer Zoll- und Handels beziehungen zum Auslande noch Unsicherheit besteht, im Interesse unseres gesammten Erwerbslebens, wie der Industrie im Be sonderen, liegt, bedarf der näheren Darlegung nicht. Wer sich vergegenwärtigt, wie dringlich die wegen des Zolltarifs zurück gestellten anderen staatlichen Aufgaben sind, wird sich der Ueber- zeugung nicht verschließen dürfen, daß auch nach dieser Richtung hin der möglichst baldige Abschluß der Verhandlungen über den Zolltarif im allgemeinen Interesse liegt. Leider hat die ausschlaggebende Partei des Reichstags, das Cent rum, bei der ersten Lesung des Zolltarifs das Gegentheil von gutem Willen, den Abschluß der Verhandlungen beschleunigen zu helfen, an den Tag gelegt. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzelle 25 H. Reclamen unter dem RedactionSsiricki (4gespalten» 71 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Hiffernsatz entsprech» nd höher. — Gebühren für Nachweisungen un!> Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ännahmeschluk für Äuzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Bezugs-Preis der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich .L 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus.4! 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Maa abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- bu g, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rutzland, den Donaustaaten, der Euroväischen Türkei, Egnpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um Uhh die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-action und Expedition: Zohannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'S Sortim. Unwersitätsstraße 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Katbnrinenstr. 14, Part, und Köniasvlatz 7. Den „Nußtija Wjedomosti" wiro aus Omsk gemeldet, daß die U e be r s i e d e l u n g von Sibirien nach Rußlano in diesem Jahre einen noch nicht beobachteten Umfang an genommen hat. Laut den Berichten des Uebersiedlircomitös sind 105 000 Personen beiderlei Geschlechts in den ersten acht Mo naten nach Sibirien ausgewandert und über 36 000 Personen nach Rußland zuriickgekehrt. Es gab Tage, an denen der Rück zug aus Sibirien stärker war als der Hinzug. Der Rückzug von Uebersiedlern findet sowohl vom fernen Osten als aus Central sibirien, vom Altai und aus dem Gouvernement Tomsk statt. In Len meisten Fällen kehren Uebersiedler wieder nach Rußland zurück, die jede Hoffnung auf ein Seßhaftwerden in Sibirien aus verschiedenen Gründen haben aufgeben müssen, nachdem sie ihr letztes Besitzthum eingebüßt haben. Die Zurückkehrenden sind im wahren Sinne des Wortes Bettler. Als Hauptgrund für die mißlungene Ansiedelung so vieler Bauern wird die ziem lich nachlässig gehandhabte Art des Uebersiedelungswesens an geführt, sodann aber auch die Mißernte und die Unruhen in der Mandschurei. Die Lage der Zurückkehrenden ist meist eine ganz verzweifelte: nicht nur ihr Eigenthum haben sie eingebüßt und ihre Gesundheit, sondern auch ihre Kinder und Frauen, die den Entbehrungen erlegen sind. Die Unglücklichen kehren in ihre I Heimath zurück, um in heimathlicher Erde begraben zu werden, braucht statt „Littauer" I — Diese fluchtähnliche Rückkehr der bäuerlichen Elemente, nach Niroler, deutsche Steierer, I dem sie das größte Elend durchkosten mußten, beweist die von werden. Ein heute Abend erlassener Armeebefehl verfügt die rachungen der Commission noch nicht vollständig zum Abschlüsse j gelanal sind. Es ist daher, auch wenn wider Erwarten die Aufstellung sechs weiterer M-lrzbatai lone^ ! Tnrikcommission lick in die Länae rieben * Warschau, 19. December. Der hiesige englische Consul theilte dem „Kuryer Warschawsky" mit, daß auf seinen, der englischen Regierung gemachten Vorschlag, für die britische Armee Pferde im polnischen Gouvernement und in anderen Gouvernements zu kaufen, bisher keine Ant wort erfolgt sei. Daher seien alle Gerüchte, daß größere Partien Pferde nach Afrika expedirt worden seien, er dichtet und von Pferdehändlern verbreitet worden, um künst lich die Pferdepreise in die Höhe zu treiben. * London, 20. December. (Telegramm.) „Daily Mail" erfährt, die Ausdehnung des K r i e g s r e ch t e s auf die Häfen der Capcolonie habe, dem Zuströmen euro päischer Freiwilliger Einhalt gethan, welche kamen, um sich den kämpfenden Boeren anzuschließen. * London, 20. December. (Telegramm.) Der „Standard" meldet: Außer den 1200 Mann Verstär kungen für das in Südafrika stehende Gardebatail lon, welche Befehl erhalten haben, ihren Abmarsch im Januar vorzubereiten, würden wahrscheinlich weitere 1000 Mann für einen späteren Abmarsch ausgewählt. * London, 20. December. (Telegramm.) Die „Times" melden aus Brüssel: vr. Leyds erklärte in einer Unterredung, Rosebery's Hinweis auf die Hinmordung Eingeborener durch die Boeren seiunge- heuer lich und abgeschmackt. Ferner erklärte Dr. Leyds, daß kein Friedensunterhändler gepeitscht und getödtet wurde. Jeder, der als Friedcnsunter- händler von den englischen Befehlshabern beglaubigt war, wurde freundlich behandelt. Morgendaal, der auf Befehl De Wet's erschossen wurde, war kein Friedensunterhändler.
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