Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021108025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902110802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902110802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-08
- Monat1902-11
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Abend-Ausgabe. U'chnigcr TaMalt Anzerger Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang Sonnabend den 8. November 1902. lck vordoton.) 4280 2300 4425 800 1350 2500 775 1200 2400 1400 Haupt-Filiale Serlin: Küniggrätzer Straße lIS. Fernsprecher Amt VI Nr. S3S2, Haupt-Filiale Dresden: Strehleuer Straße S. Fernsprecher Amt I Nr. 171S, >r. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» 660 1325 Ho 1170, 2360 8450 6600 3400, 3460 575 600 13600 13750 — 15000 10000 10150 13875 14000 11800 12050 4210, Der Lieg der Christlichsozialen in Wien. Ter große Lieg, den die Ehristtichsvzialen bei den Landtagswahlcn in Wien davongctragen haben, ist wohl kaum in diesem Umfange von den optimistischsten Partei mitgliedern erwartet worden. Man mag mit den libe ralen Blattern annehmcn, das; die Wahlbeeinflnssnng mit allen Mitteln betrieben worden ist, das; die Wählerlisten zn Gunsten der Partei des Herrn Lueger zurechtgemacht waren, das; unberechtigte politische Anhänger ausgenom men, berechtigte Gegner gestrichen wurden, aber damit er- llärt sich doch nicht allein die Niederlage. Es drückt sich in ihr die Ltimmnng der breiten Massen aus, die seit fahren ununterbrochen von den EhristUchsozialen durch aus geschickt und kunstgerecht bearbeitet worden sind. Antisemitismus und Klerikalismiis reichen sich die Hände, und geschichtlich gewordene Anschauungen, örtliche Ver- hältniffe gaben ihnen die wirkungsvollsten Wafscn. Die „Leute von der weißen Nelke" finden bei dem unteren Hunderttausend der Wiener Bevölkerung geneigtes Ohr, wenn sic die Liberalen als Hilden und Indcngenossen, als Feinde des Herrscherhauses, mit dem Alt-Wien in wahrhaft engen Beziehungen des Gemüts verbunden ist, als Gegner der lathvlischen Kirche, die mit allen Schichten einen vielleicht nicht ans Ncberzeugnng beruhenden, aber beider Art sehr häufig und vielfach himmelschreiend. Die Frage ist also anscheinend nicht mebr brennend. Wäre sie es aber nach wie vor, so würden wir, die wir uns an den Bestrebungen nach einheitlicher Zollrechtsprechung stets nach besten Klästen beteiligt haben, uns der Einschmuggelung der Rechtsprechung in LaS Zollgesetz und gar der Art, wie sie der sozialdemokratische Antrag lösen möchte, entschieden widersetzen. Der Antrag ist in zweiter Leimig abgelebnt worben, aber mit kleiner Mehrheit, und die Fürsprecher, die er fand, lassen die Befürchtung ent stehen, er könnte in dritter Lesung angenommen werden. Ter Antrag bedeutet nicht etwa ein gewöhnliches Ob struktionsmanöver, er bezweckt, eine etwa im übrigen der Negierung acceptable Fassung des Zollgesetzes dritter Lesung unannehmbar zu machen. Nach ihrem bis herigen Verhalten können sich die Regierungen nicht Lurch eine Hintertür in ein Haue- locken lassen, das sie nicht von vorn berieten zu wollen erklärten. Der Antrag ist aber auch tachlich durchaus unreif und etwas anderes, als bas, was Or. Hammacher f>üher verlangte, nämlich Fack- gerichte mit einem Reichszollgericht als oberste Instanz. Der Antrag hingegen setzt die spezielle Einsicht und die Sach- tenntnis, der es bei der Lösung zolltechnischer Streitfragen bedarf, ausschließlich bei den Juristen der Landgerichte voraus. Gerade dann aber, wenn diese zur Entscheidung berufen werden sollten, würben rie „Kuriosa" in bie Halme schießen. Wir halten denn auch ursprünglich den Antrag sür plump gehalten; angesichts des erstaunlichen Er folges, den er, nachdem er von den Abgeordneten Stadt hagen und Aroemel, allerdings weidlich fuchsmäßig, ver teidigt worden war, bei dem Gros der Nationalliberalen fand, müssen wir anerkennen, daß der Antrag listig war und, nach dem, was Herr Basser mann für die dritte Lesung in Aussicht stellte, listig ist. DaS Zentrum, das ebenfalls durck die beiden eben genannten sreihändlerischen Redner auf frühere — ebenfalls mit dem Antrag Albrecht sich inhaltlich nickt deckende — Kundgebungen usw. festgelegt werden sollte, blieb kalt. Der Abg. Bachem erklärte nach der „Germania" reu Antrag einfach für einen Obstruktions antrag. und über diesen Bertagungsantrag die namentliche Ab- stimmnng beantragte. Statt nun schlauerweise der Ver tagung zuznstinunen, lehnte die Mehrheit sie ab. Ta sich bei dieser Abstimmung die Anwesenheit von nur -20 Ab geordneten ergab, war das Schicksal des Tages besiegelt. Bei der unmittelbar daraus svlgendcn namentlichen Ab stimmung über ein sozialdemokratisches Amendement verließen llO bis kV Mitglieder der äußersten Linken den Saal und machten damit das Haus beschluß unfähig. Es waren nur 18ZAbgeordnete zurückgeblieben.— lieber diesen kläglichen Ausgang tröstet nur schwach die Tatsache, das; vor Beginn der Pleuarsivung in Fraktions- sitznngen der K v n s e r v a t i v e n , der Freiko n ser- vativen , des Z entr u m s und der N alionallibe- ralen die Frage einer Vereinfachung der Ge schäftsordnung hinsichtlich des Modus bei n a mcntli ch e n A b st i m m u n g c n erörtert worden ivar nnd zu einer Verständigung geführt hatte. Ter Plan geht dahin, daß derartige Abstimmungen hinfort nicht mehr unter Namensaufruf erfolgen sollen, sondern daß die Schriftführer umhcrgehen nnd ohne Namensaufruf von jedem anwesenden Abgeordneten einen Zettel, welcher den Namen des Abstimmenden nnd das Wort „?>a" oder „Nein" enthält, cinsammeln. Tie Liste der Abstimmcnden soll nach wie vor dem stcuvgravhischcn Protokoll einverlcibt wer den. Für diesen Antrag, dessen Einbringung bereits er folgt ist, so das; er an einem der nächsten Tage zur ersten Beratung im Plenum gelangen kann, werden die National liberalen stimmen, obwohl sie ihn nicht mit unterschreiben. Allzuviel wird freilich mit diesem Auskunstsmitte! nicht erreicht werden. Tie namentliche Abstimmung in der bis herigen Form beanspruchte durchschnittlich eine halbe Stunde, die Abstimmung nach dem neuen Modus soll in sechs bis zehn Minuten erledigt werden. Tic Sozial demokraten werden also hinfort nicht 6, sondern 2l namentliche Abstimmungen beantragen, was ihnen nicht schwer fallen dürste. Auch kann tein Sozialdemokrat, dem der Präsident das Wort gegeben hat, gehindert werden, wie gestern Stadthagen saft t>- Stunden zn reden. Immerhin ist mit.dem Plane ein kleiner Schritt zur Besse- Die Parteien im Schweizer Nationalrat. Bis auf wenige Mandate ist nun der schweizerische Nationalrat neugewählt. Es stehen noch einige Stich wahlen im Tessin, in Genf, in je einem Zürcher und St. Galler Wahlkreise aus. Diese Ergebnisse können aber an der jetzt feststehenden Stärke der einzelnen Parteien nichts mehr ändern. Es haben Vertreter erhalten die Frei sinnigen kU, die katholisch Konservativen 3k, die protestan tisch konservativen 18, die Sozialdemokraten 5, die Demo kraten 3. Tic Wahlen selbst haben da und dort manch Interessantes zu Tage gefördert. Ucber eine entschiedene Mehrheit verfügt nach wie vor die freisinnige Partei. Ihr Anhang ist ein festgefügter und treuer. Nun wäre cs aber, ivic dem „Scknväb. Mcreur" in einer gut orientierenden Berner Korrespondenz geschrieben wird, falsch, die frei sinnige Partei sich als eine geschlossene Organisation zn denken; dieselbe zählt in ihrer Mitte vielmehr viele hete rogene Elemente. In der Wcstschwciz sind die Freisinnigen Kultnrkämpser nnd beißen dort Radikale, in Neuenburg zum Teil auch Antisreimaner, in der Ostschweiz sind sie demokratisch angehaucht, in der Mittel- und Nordschwciz aufrichtige Zeutralistcn. In Einzelfragen herrscht keine lkebereinstimmnng, wohl aber in großen Fragen. Die katholischen Konservativen sind das schweizerische Zentrum. Ihre Zahl bleibt Jahr für Jahr fast immer gleich. Ter Stützpunkt des Zentrums sind die katholischen Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Freiburg und Wallis, daun aber auch Appenzell I.-Nh. und zum Teil St. Gallen. Andere katholische Kantone, in welche der moderne Verkehr nnd auch die Industrie einzogen, zeigen Anläufe, ins frei sinnige Lager ckbzuschwenken. So schickt der katholische Kanton Zug schon einen liberalen Abgeordneten in den Nationalrat ab und auch der katholische Kanton Tessin ist bekanntlich seit 1M0 ins liberale Fahrwasser eingctrcten. Tas sind sehr bemerkenswerte Smnptome eines politischen Umschwungs. Der Kanton St. Gallen ist paritätisch und sendet Vertreter beider Richtungen nach Bern. Der Kanton Genf, der von Frankreich, speziell von Savoyen her, eine starke Zuwanderung hat, zählt zur Hälfte Katho liken, allein die Vertretung Genfs ist trotzdem ausschlicß- sich protestantisch. Die moderne Zeit mit ihrer Bildung, Verkehr, Handel und Industrie ergreift auch die katho lischen Kantone, rüttelt das alte Regime auf und durch tränkt die alteingesessene Bevölkerung mit modernen An- durch die Gewohnheit gegebenen und überlieferten Zu sammenhang besitzt, als Preußenfreundc und Freimaurer hinstcllen. Tie Fortschrittler mögen die gebildeten Klassen zu ihren Anhängern ganz oder teilweise zählen, zum Volt berabgcsticgen sind sie nicht. Lueger ist in Wien eine tat sächlich volkstümliche Figur, weil er die Empfindungen der Massen kennt nnd ihnen schmeichelt; ihm eine gleich artige Persönlichkeit gegenüberzustcllen, vermögen die Liberalen nicht. — Tas „Wiener Fremdenblatt" mcinr: „Betrachtet man die starken Mehrheiten, die von den Ehristlichsozialen errungen wurden, dann darf man be zweifeln, ob selbst eine rechtzeitige Veröffentlichung und Verteilung der Wählerlisten einen nennenswerten Ein fluß auf den Ausgang des Wahlkampfes geübt hätte. Die Wahlkämpfe würden nnr dann mit besseren Aussichten für die Fortschrittlichen ausgefochten werden, wenn cs diesen gelänge, in besseren geistigen Kontakt mit den Massen zu kommen, oder wenn der Siegesrausch nunmehr die Sieger zu sehr verblenden, sie zu sehr zur einseitigen Ausbeutung ihrer Macht fortreißen würde. Zu starte Majoritäten sind solchen Gelüsten am meisten ausgesetzt." ucädr.I SO,— -Lrcutl S«,75 Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. November. Aus dem Reichstage. Im Reichstage geht eS immer bunter und erregter zu. Gestern hat die eigentliche Obstruktion begonnen und bereits den ersten Sieg über die Mehrheit errungen. Die Sitzung endete nämlich mit der Feststellung der von der äußersten Linken künstlich herbeigesührten Beschluß unfähigkeit. Einer fast ck^stündigcn Obstruttivns- rede des Abg. Stadthagen folgten mehrere hitzige Geschüftsorünungsdcbattcn mit den üblichen namentlichen Abstimmungen, bei denen die Rechte und das Zentrum die Probe nicht bestanden. Eine Mehrheit, die nicht zum Aus harren entschlossen und nicht fähig ist, sür so kritische Mo mente, wie gestern, ihre Angehörigen zusammenznhaltcu, ist in demselben Maße verantwortlich sür den Niedergang des deutschen Parlamentarismus, wie die obstrultiouistischc Minderheit, die ohne Scham die Würde des Hauses mit Füßen tritt. Die Sitzung begann mit der Debatte über den ganzen 8 6 des Zolltarisgesetzes, der in l k Positionen die zollfrei zn belassenden Gegenstände anfzählt. Wie er innerlich, endete die gestrige Sitzung mit der Ablehnung des Antrages Singer, die acht Positionen dieses Para graphen, zu denen sozialdemokratische Anträge eingebracht sind, getrennt zur Debatte zu stellen. Ter erste Redner, Herr Stadthagen — so erzählte man im Foyer, ehe er das Wort bekam — hatte seinen Freunden zngesagt, fünf Stunden zu reden. Tatsächlich hat er nach genauer Feststellung vier Stunden zweiuudzwaiizig Minuten ununterbrochen gesprochen und damit den höchsten bisher im Reichstage erreichten Redcrekord übertreffen. Tas Haus leerte sich währenddessen fast völlig, nnd als Herr Ttadthagen endlich unter stürmischen, minutenlangen, teil weise ironischen Zurufen geschlossen batte, versuchte der Abg. Broemel einen unerwarteten Eoup. Er erneuerte den gestern vom Hause abgelehnten Antrag des Abg. Singer, jetzt noch über die Positionen des 8 -> ei.,ze!n zn debattieren. Die Gcschäftsordnnugsdebatte, die sich hier über entspann, nahm besonders dadurch einen peinliche» Charakter an, daß einzelne Mitglieder der Rechten nach dem bösen Beispiele des Wiener Reichsrates mit Tisch schubladen klapperten. Vizepräsident B ü sing wies den Antrag Broemel als unzulässig zurück. Broemel wartete mit einem Präzedenzfall ans dem Jahre 1870 auf, wo Windthorst sich energisch sür Rückgängigmachung eines ähnlichen Reichstagsbeschlnsses ausgesprochen hatte. Abg. De. Barth führte dies dem Zentrum gegenüber weiter aus. Abg. Bassermann fand aus dem Wirrsal der Meinungen den richtigen Ausweg, indem er beantragte, den Antrag Broemel der Gcschäftsordnnnqskemnnist'ion zn überweisen. In diesem Sinne beschloß das Hans gegen die Stimmen der beiden konservativen Fraktionen. Un mittelbar darauf ward von der Mehrheit ein Antrag ans Schluß der Debatte über 8 5 gestellt und vom Präsidenten in schnell zur Abstimmung gebracht, das; die äußerste Linke überrumpelt wurde und nicht dazu kam, namentliche Ab stimmung zu beantragen. Leider wurde der Schluß antrag angenommen, der unseres Erachtens ein taktischer Fehler der Mehrheit war. In einer neuen GeschäftS- ordnungsdebatte beschwerten sich nunmehr verschiedene freisinnige Abgeordnete darüber, daß ihnen das Wort zur Begründung ihrer Anträge abgcschnittcn worden. Tic äußerste Linke revanchierte sich, indem sie die Vertagung ürssnbsrjvtct.1 cd. I-onitoic k'oo-I» rutux. to gss L itszil- sotlvrkclc Lui c> LLllLvsreio e. Verweisung von Zollstreitigkciten an die Landgerichte. Die Absickteu, von denen sich die Sozialdemokratie bei der Einbringung und Vertretung des Antrags über die Verweisung ron Zollstreiligkeiten an die Landgerichte leiten ließ, waren selbstverständlich dieselben, die allen „Ver- besserungs" - Anträgen der Zolloppositivn zu Grunde liegen. Ein Unterschied bestehl aber dock. Daß jener Antrag kommen und den Reichstag fast eine ganze Sitzung kosten konnte, ist die Sckulv der Bundes regierungen, die die Frage einer einheitlichen Zollreckt- spreckung dazu auScrseben haben, sich eine besondere partikularistische Güte zu tun. Es wurde in der Reichstagssitzung vom Mittwoch ans die wiederholten, überaus energischen Versuche bingewiesen, die namentlich die National liberalen unter der Führung Oi. Ha m in a ck e rs unternommen batten, die Bundesregierungen anderen Sinnes zu macken. Tie Bemühungen waren vergeblich.aber die Zollauskunstsstellen, die man zur Vermeidung der Kuriosa geschaffen, scheinen nach den Versicherungen des Reichsschatzsc'.cctäis einschneidend gewirkt zu haben. „Regresse kommen", wie Frbr. v. Tbiel- mann mittcilte, „jetzt außerordentlich selten vor und noch seltener ist die Zahl der Fälle abweichender Tarificning der einzelnen Instanzen". Früher waren Fälle Anzeige«»Prei- dle e gespaltene Petitzelle SS Reklamen unter dem RedaktionSftrich (4 gespalten) 75 vor de« Familiennach- richteu (6 gespalten) 5V H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertenannahme 25 H (excl. Porto). Ännahweschluß für Anzeigern Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags mnmterbrvchea geöffnet voa früh 8 bis abends 7 Uhr. Vezugs »Preis tt, der Hauptexpeditiou oder den im Stadt- bezirk und den Bororten errichteten Aus- gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.SV, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich6, für die übrigen Länder lautZeitungspreisliste. Redaktion und Expedition: Iohaunt-gasse 8. Fernsprecher 153 und 222. FUta1rvpediti»«e» r Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. 3, 8. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KöntgSpl. 7. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aates nnd des Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Str. 57V I. 3,18 cksur 1025 7.62 7,75 3.37 3.44 r» 2,48 7.18 Lt 6.37 ppvr 5.13 16,50 212,— 622,— etr. 231,— 1055 ltLtou. - — 100,70 XiU. 105.20 Nslltv 88,70 oäctv 88.70 L 102,80 7u8c»/ — — icZoiie > iosiid 68 50 103.40 73.75 10LSU 82.80 16,31 olon 100.60 ttVLQl-. t)8,00 > NriNK. —— i-äosl — ld. 161,10 116,— p.kon. 154,40 nk 43,— ticcalr 128 — c.8kv. 114,10 usw.» — -sk.kr. 16,10 160,75 ov<t 100,80 oÜL. 143.80 100,75 susoli. 84,30 Lscdt. 43.— v.v.ä. 118,50 Valtoi- 116,50 170,30 138,— ot.Av. 185,25 'Liuclc. 176,— «Lkkr. 118,40 1'oIN. 167,— .V.-L. 84,40 rtc.-L. 128,50 tisttNL 168,50 Irub. 322,— LILtr 78,— lolsk» 115.25 lmxsp 16/,50 .vdi-L. 118,— VSQ 74,25 losttd 175,25 184,— -nssot 153,— 'droid r. 79,75 cxs 85,40 — ; 8 r. üllLtv 213,70 8?«. LNlcil. 85,50 äo. 216,50 Lslck — 8cliv»od. civsUi 81,80 165,50 sr — lv 188,40 rion 323,75 rlisn 171,10 165,50 170,— — , ckslt. 100,70 100,50 — »LQ 89,70 ü«I<j vriol' 5725 3475 5800 3550 3150 15500 14700 15000 — 850 — 185 4700! 4800 2850 3000 5150 5225 3175j 3225 325! 360 — ,18250 440, 480 1775, 1850 — 525 — , 0400 1700, 1775 — I 10 250 280 215! 230 1080 1140 1100 1200 770j 800 i LitUvertsa « ecN^selcer. »er. n O.OI). 'M. ir«: elVLUIL^ o, liiodLiä nk ,1er tllde, i>>»- 61l> »nc «juekuxtovll; ncUorlitiunkar roirni»- «c> M »- >c>1v von dal, .ltdaka* <>I> Naiutmrir. ixcdo Uau»i»> >. veM-edian N ' .'dureoman^ Feuilleton. Das Findelkind. Roman von Ernst Georgy. Nachdruck verboten. Er wollte sie umschlingen; aber sic wich ihm aus. Tic sonnige Heitertest war vou ihrem Gesicht vcrschwunhcu. „Zch stabe Angst vor dem, was noch kommen wirb, Otto'. Tie Eltern sind ohnehin schon ärgerlich auf mich, lind dann: der Vater hat einen Abscheu vor Ossizieren'." „Närrchen, er verkehrt so viel mit Rcckenbnrgs und ist zu den Söhnen so nett!" „Ja, weil er selbst in seiner Jugend die Taute Majorin geliebt haben soll, und weil er die Verhältnisse dort so genau kennt. Aber sonst hat er ein schreckliches Vorurteil. Er hält jeden für einen Spieler und Trinker, der mit Geld nicht nmzugehen versteht!" Svndhcim stampfte mit dem Fuße ans: „Natürlich! Tas Geld, immer wieder das Geld! Für die Herren Kaufleute gibt es ja nichts wie den Geldsack. Wer den größten hat, der ist ihnen der liebste!" — Er sann nach, dann sagte er, tief Atem holend: „Unsinn! Wir wollen den Mut nicht verlieren! Ich wag s! Basta! Wenn du treu und fest zu mir hältst, können sie uns nickt trennen!" Er riß sie au sich, als er einen befremdeten Ausdruck in ihrem Gesicht sah. Unter seinen stürmische» Liebkosungen, seinen Zärt lichkeiten vergaß sie alles. Mit einem Male riß sie sich los. Ein Gedanke war in ihr anfgesticgcn: „Vergib eine Frage, geliebter Otto!" „Ich bin tein Lohcngrin, Herz, frage!" „Hast dn Schulden?" Ihre Stimme zitterte und ihre Wangen wurden heiß vor Scham. „Gewiß, da müßte ich kein Offizier ohne vicl Zulage sein! Haben wir alle!" „Viele?" „Na, dein Vater kann sic noch decken!" meinte er leicht. „Tas Hans Bolmann kann einen Pnss anslialten!" Erna seufzte und dachte nach. „Otto, bitte, kn mir einen Gcesallcn! Laß mich erst mit dem Vater sprechen und ibn vorbcreitc». Ich muß den beste», günstigsten Moment nbwartcn, damit er meinen Worten Gehör schenkt. Bitte, sprich dn nicht eher mit ihm, ehe ich dir dazu einen Wink gebe!" „Wie dn willst, Erna, aber leicht wird cs mir nicht! Und lange warte ich auch nicht! Ich muß der Welt mein schönes, geliebtes Mädchen als Braut vorstcllcn. Ich muß Hellmut und Werner, all den Bonzen, und vor allem deinem Eduard, meinen Triumph leibhaftig vorführcn. Ich hin ja so stolz, daß ick ihnen die Bente abgesagt habe!" „Wie du nur sprichst!" sagte Erna ungehalten. — Er übertäübte ihre Bedenken und schied endlich von ihr mit dein Versprechen, ihre Erlaubnis abznwarten, ehe er mit seiner Werbung vor Herrn 'Bolmann trat. Sehr verwirrt und benommen blieb das jnngc Mädchen zurück. Sie war also Braut! Brant! Wie sonderbar! Und doch, ivic unbeschreiblich glücklich war sie! Lange Zeit starrte sie unbeweglich vor sich hin. lieber all dem Glück, das sie empfand, lag doch ein Schleier. Eine unbe stimmte, ganz wesenlose Angst quälte sie. Aber cs war nicht die Angst vor der Scene mit den Eltern, vor bitteren Kämpfen. Was mochte cs nnr sein? — Sie fand die Ur fache nicht. Und doch, merkwürdig! Otto war ja auch heute reizvoll und berückend gewesen; aber so, wie an den anderen Tagen, hatte er ihr nicht gefallen. Tann schalt sie sich über ihre eigene Unzufriedenheit! So sehr Erna auf den Augenblick wartete, nm mit dem Vater zu sprechen, sie sand ihn in den nächsten Tage» nicht. Tic Vorbereitungen zum Feste, geschäftliche Aeraernisse nahmen ihn gänzlich in Anspruch. — Otto von Sondhcim drängte zur Entscheidung. Er war wieder ganz der be zaubernde Ucbcrmnt von früher, der sic gcsangen hielt. Wenn er mitten in seinen Koboldstreickien, in seinen drolligen Erzählungen sich plötzlich ihr znwandte, sie liebe voll ansah, dann drohte das Glück, sie zu übermannen. — Und wie eine Bacchantin tanzte sic wirbelnd durch den Saal! — Eduard Hennig kehrte ans Berlin zurück. Ein bos hafter Ausdruck von Triumph nnd Zufriedenheit schillerte in seinen graugrünen Augen. Nach einer Unterredung mit seinem Vater sagte er am Schlüsse befriedigt: „Jetzt habe ich ihn in der Tasche! Bei der ersten Gelegenheit, ivo er mir unbequem wird, ziehe ich den Sack zn und der Fuchs sitzt in der Falle. Mein Geld rcnt mich nicht; cs war nicht hinansgcivorfen!" Otto von Sondlicim lag im Bolmannsthcn Kinder zimmer ans der Erde, jnst zn Füßen der Fran Bolmann, die den kleinen Sohn auf dem Schoße batte. Er !ieß sich die lockigen Haare zausen, den Bart rupfen. Zuweilen packte er die winzigen Händchen und machte „Brnm- merchcn", pfiff und tanzte. Fclixchcn lachte in seiner Wonne, wie nur ein gesundes Baby lachen kann. Und die Mutter ivar glückselig über ihr Söhnchen nnd den „her zigen Menschen". Er schmeichelte sich mit seiner Freund lichkeit gegen Felix nicht nnr in ihr Herz, sondern auch in das ihres Gatten, der hinzu kam. „Nanu, Herr Oberleutnant, Sic hier ?" fragte Bolmann überrascht. „Na, nnd ob nicht!" Ter Junge ist meine ganze Liebe. Wenn er nächstens einmal geraubt ist, dann seien Sie sicher, ich habe ihn mitgenommen, nickt wahr, du goldiger Lümmel? Schauen Sie mal her, »sie befreundet wir sind!" Er hob das Kind in seinem langen Tragctlcidchcn geschickt ans und tanzte mir ihm herum. Fclixchcn quietschte laut. Tie Mutter lfticktc lobend den Vater an. Und dieser scyaute sinnend zn Erna hinüber, die gedankenvoll gegen einen Schrank lehnrc, während ihre Angen selbstvergessen ans Ott" rnbtcn. Znm erstell Riale stieg wohl in dem Kauf mann der Gedanke ans, daß sein angebctctes, hülsloses Kind in dem gutherzigen Schlingel da einen besseren Halt finden möchte, als bei Ednard, wenn dieser Ernas Gatte wäre!" — Ter Ball bei Bolmanns wurde viel besprochen. Ter fürstliche Reichtum des Hauses lam zu vollem Glanze. Tie Räume waren herrlich geschmückt. Tas Essen und die Weine waren auserlesen. Eine Schar von Lakaien in alten Familicn-Livrcen bediente. Tic Kapelle war vor züglich eingespielt. Tas Schönste war aber Erna! In einer Pariser Toilette ans hellblauer Seidcngaze mit Silberfäden dnrchsponnen, einen Vergißmeinnichtkranz ans dem eigenartig frisierten Köpfchen, sah sic entzückend ans. Und das junge Liebesglück über die Nähe des ge liebten heimlich Verlobten prägte sich so sprechend aus dem stolzen Gesichtchen aus, das; man sie kaum wieder erkannte. So lebhaft, so lachend hatte man das kalte, zurückhaltende Mädckcn noch nie gesehen! -- Otto von Sondhcim, Hcllmnt von Rcckeubnrg, Eduard Hennig und Hugo Opitz, der einzige Sohn eines stein reichen Senators, huldigten Erna stürmisch. Heute ivar sic zn allen liebenswürdig. Jeder machte sich Hoffnungen. Selbst Eduard schien versöhnter. Es merkte ja keiner, wie sie beim Tanze sich an Otto schmiegte, wie sic kurze, be seligende Liebcswvrte mit ihm austausckitc. „Morgen svrcäie ich, morgen!" flüsterte sic ihm zn, als sic ihm beim Eotillon einen Orden ansteckte. Er preßte znm Dank ihre Hand, das; sic vor Schmerz beinahe ausschrie. — Am Montag nach dem Feste fuhr Erna vor dem Kontor des Vaters vor. Sie ließ sich melden und wurde auch so gleich bei ihm vorgelassen. Bolmann saß allein und schrieb. „Erna, Tn! Ist daheim etwas passiert ?" „Nein, Vater, aber ich muß mit dir sprechen; bitte, schenke mir Gehör!" Er schob seine Papiere bei Seite und wandte sich ihr gütig zu. „Nun, wenn cs nicht lange dauert, liebe Tochter, dann fange an. Brauchst du Geld ?" „Nein'."Sie schüttelte heftig denKopf uudsctztc sich zu ihm. In ihicrAufregniigvergaßsieTron,Verbitterung nnd seine Kälte in den letzten Monaten und nmschlost seine Rechte mit ihren beiden Händen. Wie ein vertrauendes Kind wandte sie sich an den Vater und schüttete ihm, weinend vor Aufregung und Bangigkeit, ihr Herz ans. Rückhaltlos vertraute sic sich ihm an. Ihre Zuneigung zu Werner, ihr Unbehagen im Elternhanse, ihr Wunsch fvrtzukommcn. der Abscheu gegen Ednard und ihre große Liebe zu Sond hcim, dies alles sprudelte sic überstürzt, stotternd heraus. Olme sic zu uuterbrechcn, hatte Bolmanu ihr gelauscht. Mit einer gewissen Rührung forschte er in dem glühenden Gesicht. Als sic schwieg, fuhr er mit der Hand über ihre träncnscnchtcn Wangen, über ihr weiches Haar: „Tn hast recht getan, meine liebe Tochter, dich vertrauensvoll an mich zu wenden! Auch mir gefällt Sondhcim gut, ich kann es nicht anders sagen! Aber seine blendenden Ge- scllschaststalcnte, sein llcbermnt genügen nicht allein zur Begründung einer Ehe. Ick, bitte dich, vertraue mir auch bei den mciteren Schritten, die Männer-Angelegenheiten sind. Ich werde mit ihm sprechen und mir^alles reiflich überlegen. Ick, habe ja nur dein Bestes im Sinn!" „So nimmst du mir nicht alle Hoffnung, Vater ? Tn wirst dich nicht von deinen Vorurteilen leiten lassen?" Flehend sah sie ibn an. „Vertraue mir, Kind!" Er erhob sich. Mit einer von Herzen kommenden Aufwallung beugte sich Erna über seine Hand nnd küßte sie. Er gab ihr einen Kuß ans die Stirn und entließ sic freundlich, in schweren Gedanken znrückbleibcnd. — Eine lleine, versiegelte Botschaft „Ich habe gesprochen nnd bin voller Hoffnung!" trug die treue Jolx Maria noch am Nachmittag zn Sondhcim. Er war gerade bei der Toilette. Wilhelm Hennig, der älteste Sohn, hatte seinen Bruder nnd seine Vettern, den Schwager nnd noch einige Freunde in die „Pforte" geladen, wo er einen „Herren- Abend" geben wollte, bei dem der Champagner in Strömen fließen sollte! Svndhcim schrieb Erna sofort ein GegenHriefcheu;
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview