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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.02.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040229017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904022901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904022901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-29
- Monat1904-02
- Jahr1904
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BezugS-PreiS 1» der Hauptexprdition oder diren Adstzab«- stellen ab geholt: viertrliäh-'.ich 3.—, bei ovetmaliget tSalicher S Ustei tun g in« Hau» 8.75. Durch di, Post bezogen sirr Deutsch. load «. Oesterreich vierteljährlich 4.dO, iu» di» Übri»«« Micher iaul AtÜ«ag»pr«l»Üfte. «e»<M»t» «mb Erstebition: Joha«»tZgasse S. Fernsprecher 158 «. SL». Sitt«lrr>ebttionea: Alfred Lahn.Buchhandlg.,Universitättstr.8 M«mspr. Nr. 4V4Ü), L. Losch«, Katharine«» straß« 14 (Fernsprecher Nr. L93ü> n. Königs» pstttz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-AUtale Dresden: Marienprab» 84 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). S»«pt.Filtalr V-rtta: Earliv»»cke r, Lerjgl.Bahr.Hosbuchbandlg^ Mtzowstrab« lO(FerasvrecherAmt /I Nr.4MS.) Morgen-Ausgabe. MpMer JagMaü Anzeiger. Ämtsktalt des Äömgkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Volizeiarntes der Ltadt Leipzig. Nr. 108. Montag den 29. Februar 1904. Anzeigen-Preis die «gespaltene Petttzeile 28 Reklamen unter dem Redaktwusstrich (4gespalten> 7S 4, Uach den Famiiironach- richt«« («gespalten) «0 Labellarischer und ZIsferniatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Osserteuanuahme 2ü Erlrtt-Vetla»«« (gesalzt), «ur mit der Morgen-Ausgabe, obn, PostbefVrderung X SO.—, mit PostbefVrderung 70.—. A«n«h»eschlud für Anreisen: Abend-Au-gabr: vonnittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags Ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Poll in Leipzig (Inh. l)r. «., N. L W. KUakhardt). 88. Jahrgang. Var Mchtigrte vom Lage. * Dir gestern in Leimig abaehaltene Grneralversamm- lnng de» «ationalliberalen 8ande»ver«in» lehnte nach lebhafter Au»sprache den »om OrtSverein Zittau au»- geheaden Antrag, den Sitz de» Vorstande» von Leipzig attch Dresden zu verlegen, mit 5« gegen 53 Stimmen ab. Di« Leitung de» nationaliiberalen Lanve-verein» für dn» Königreich Sachsen verbleibt also in Leipzig. *DerVerband der füchsischenHauSbesitzervereine beschloß auf seinem außerordentlichen Berband-tage, der am Sonntag unter zahlreicher Beteiligung in Dresden abge- halten wurde, au die Stünde eine Petition zu richten, in der um Ablehnung de- von der Regierung vorgelegten S«m»iod«steuergrsttz«< ersucht wird. * Während andere Meldungen Über da» Befinden de« Oroßherzog« von Baden recht günstig lauten, wird dem „Hannov. Cour." au» Heidelberg depeschiert, daß naF einer dort rinaegangenen Karlsruher Meldung vom 27. Februar d«» AroßherzogS Befinden dir Aerzte mit Sorge für die Zukunst erfülle. * Gerüchte von einer bevorstehenden Auflösung de» russisch-französischen Bündnisse» werden von Det«r»burg amtlich in kategorischer Weise dementiert. parlamentrrchau. Die Berliner Parlamentswoche. Es geht dem würdigen Grafen Bal le st rem wie dem Zauberlehrling: immer höher schwillt die Redeflut, sie droht den Etat zu ersticken, die Fraktionsführer in ihre rastlosen Wirbel zu ziehen, und immer drängender wird die Zeit, immer näher rückt der verhängnisvolle 1. April, ö«r den Reichsbaushalt unter Dach und Fach geborgen sehen soll. So berief denn Graf Ballestrem in seiner HerzenSnot am verflossenen Montag aufs neue den Se- niorerckonvent ein und legte ihm ans Herz, angesichts der kümmerlichen L7 Sitzungstage, die noch übrig sind, doch beschwörend auf die Redewütigen der verschiedenen Par teien einzuwirken, auf daß sie die Schleusen ihrer Bered samkeit wieder schließen möchten. Denn er als Präsident müßte doch wissen, ob überhaupt eine Aussicht und Mög» lichkeit vorhanden, den Etat rechtzeitig zu verabschieden oder ob die verbündeten Regierungen mit einem Notgesetz einspringen müssen, das viel größere staatsrechtliche und formal juristische Bedenken für das Reich in sich schließt, als für einen einzelnen Bundesstaat. Und wiederum herrschte im Rate der Alten rührende Uebereinstimmung: jawohl, der Etat muß rechtzeitig fertig, die Rederei ein geschränkt werden, und jetzt, am Beginn der neuen Woche, hat man den Post- und den Reichseisenbahnetat verabschiedet und steckt noch mitten drin im wichtigen Reichsjustizamt. Und die Marine, das Heer, der Kanzler, das Auswärtige Amt und sämtliche Kolonien, einschließlich deS vom Auf stande betroffenen Güdwestafrika, Kiautschau und unserer durch den rusfisch-japanischen Krieg so wertvoll ge wordenen ostastatischen Garnison harren noch der Er ledigung. Mit andern Worten: gerade die wichtigsten Etats, diejenigen, die den wertvollsten, politisch und na tional bedeutsamsten Redestoff abgeben sollten, müssen, wenn sie noch rechtzeitig verabschiedet werden sollen, übers Knie gebrochen werden. Wie das noch ermöglicht wird angesichts der knappen Zeit, ist gar nicht abzufehen. ES find nur wenige bemerkenswerte Momente, die aus der Etatsberatung der vergangenen Woche fest gehalten zu werden verdienen. Da ist vor allem die Ab - lehnung der Ostmarkenzulage, die das alb mächtige Zentrum allen beweglichen Bitten deS Staats- sekretärS Kraetke und der nationalen Redner zum Trotz herbeigeführt hat. Fast wie eine Ironie klang eS, als Herr Kraetke mit Hinweis auf die so überaus beamten freundlichen und warmherzigen Reden der Herren Singer, Gröber, Eickhoff, Erzberger und Müller-Sagan dem Zentrum und der gesamten Linken nahelegte, dieses gute Herz für die Beamten hier, an einem praktischen Falle, doch nicht bloß in der grünen Theorie, sondern auch in einer goldenen Tat zu zeigen und für die Ostmarken zulagen zu stimmen, die ja im letzten Grunde doch nichts anderes find als die Konsequenz deS preußischen Vor- gehens. Natürlich, man sollte doch die Reichsbeamten nicht schlechter stellen als die preußischen. Aber gegen- über der Polenschwärmerei des Zentrums und der So- zialdemokratie versagten alle Bernunftsgründe: entblödete sich doch Herr Singer nicht, das Polentum mit dürren Worten aufzufordern, angesichts dieser Vorlage sich wie ein Mann zu erheben und die bedrohte teure Mutter sprache zu retten. ES muß freilich dem Scharfsinn des Herrn Singer überlassen bleiben, den Zusammenhang zwischen der Ostmarkenzulage und der bedrohten polni schen Muttersprache herzustellen — wir erklären uns dazu außer Stande. Sang- und klanglos fiel die Ostmarkenzulage, vor einem kaum beschlußfähigen Hause, und kaum mehr Auf merksamkeit erregte da- Klagelied, das zumal die süd- deutschen Neichsboten über die immer noch fehlende ReichSeifenbahngemeinfchaft und über den M wun WsrUtrtvo Lersk di« novkl nickt ^Voanoatea do« l-ilpriger Dnxebwtte« sind, lacken Mir ru einem Robs-Miiiimeiit pn Mn kür Kl. 1.— del ^dbolung, kür 5t 1.25 del kreier Zustellung ins Klaus, kierckurck kreuncklicbst ein. — >Vie wir bereits bekannt gegeben Kaden, gevLkrt ckas Leiprigsr Dagedlatt seinen geeinten Abonnenten cken Vorteil einer 6ra1i8-In8ert!on ru 2 Wellen — 50 Pf. kür jedes mon«w-zt>onaemeni, socksv mit Mckslckt Luk diese Vergünstigung cker ^vonnementspreis kür borgen- und /tdendausgnde Sick in >Virklickk«it «teilt SO k»k. pro iNon«t de! ädkokmg, aut 75 ?k. pro ibtoiuet bei kreier Zustellung ins klau». lline 2 pk.-?ostk»rts an uns ocker niUncklicke Bestellung in unseren Expeditionen, Ausgabestellen, bei den 2eitungs»pediteuren ocker unserem T'rZgerpersonal genügt, um die sokortige Zustellung ckes beiprigsr Tageblattes ru bewirken. — IVIr bitten unser« xeekrtvn Abonnenten dringend, von etwa vorkommen- den vnpünkttlckkeiten in der 2ustellunx des Leipziger Tageblattes bekuk» sckneiler ^dkilke gefälligst umgebend unsere Expedition, sodannisgasse 8, ru denackricktigea. Unsere lAof8enLU88abe muk im Winterkalbjakr spätestens um 7 Ostr krltst Unsere ^benckuusxsbe mub im >VinterKaibjakr spLtestens um 6'/, Ofir sbencls in den Händen unserer Leser »ein. LxperMion c1e8 ^eiprlxer 1'a§edlatte8 8 )okanni38LSse 8. _ — x Kurgabertellrn üer Leipziger Tageblattes r Am Lentrum. c.upk»» Nr. krukl z», L.s.Sckudett's Hackt-, llo>onia>M»r«nkäIz. klatkarinenstr. >4, L. Löock«, Ligarrrnkälz. 2-35 kittsratr. 4, Linckesck« Lrikdlbliotkek unä 8uckkälz. tz» Rovcko«. Srrderatr. 8, si. L. Kröger, 8utterkälg. sbr« Gn,i»«n»u»1r. 1», 8. llklick. i. sa. ckäs Hartmann, Papierkälg. rökr»1r. 15, 6. kyester, Holonislwarrnkcllg. -7- ^orkatr. 32 (Ecke 8»rlin«r Strara«), f. Ll. lliet», 8»Ioni»I«Lr«nkälg. Im vsten. Iokanni«g»»»e 8, 8»upterp«clition 2x2 Ostplat; 4, Ullreck 6l»t«, Oigsrrenkälg. 8»nk1»kke 6»»»« b, f- fiscker, ttolonialwarenkcilg. Sckütrenstr. 5, I. Sckümickin, ttolonislvvarenkälg. »78 ^»u«k»«r Str. 1», E. 8. Keickrl, vro-enkälg. 824, tzn» rücken. Krndt»1r. »Z, I. f. Oanitt, ltolvnlslwarenkälg. zoar S»?«r»d»« Str. 4z, k). kleomeialer Dacktl., Li-arr«nkäl-. »-84 Aöni-aplatr L. Lö»ck«, Oigarrenkälz. 7505 Lt«rnM»rt«n»ttr. »4, l)an» p»klit)sck, ttolonialwkckl-. 2,-0 Leitner Str. »§, V. 8ü»t»r, eigarrenkälz. Im Warten. 8«<1bov«n»tr. »», kk. Peter, Holonialwarenkcilg. »40, frankfurter Str. »a (Lcke vllaläatr.), L. Sievers, Holonialwarenkckl-- 8an«lLdt«r Stelnreez 1,0. Engelmann, Aolonial«kcll-. riz> tzllaldatr. 6. Vetterlein, ltolonialwarenkcki-. M«,tpl»t) sr, lll. Leissnrr, Ligarrenkälz. 2402 Hn ckrn voi^« unck Nnechvaeorten. c«n'K.n Anger-erottendork, 8. srieclel, Oigarrenkäl-., 2w«i- naunclortrr Stt. b, 0- Oekler, 8ernkarästr. zi. Lonnrvitr, frau prcker, Hermannstr. 23 „ Lk.Reursing vllaisenkausstr.2 (am ttreu,)» SutritzSd», lllorit, llög-eratk, Ligarren-Gesck., ve- Iit)sckrr Str. 25 82» Bauttstd, Job. Molk. 6ck« Ring- unä Oetzscker Str. Sobtt», Robert Rltner Qackkl., Linäentkaler Str. 6 S20 „ Paul Sckmiät, 8rüä»rstr»sse 8 Rl«im»«k»otb»r, 6. Grühmann, 2sckocker»cke Str. 7a in L-plagMil» 2586 L«v1z»dt, RldertLinäner, Rlettiner Str.5, in L.-^inä«n»u Lindina«, Rld. Linäner, Wettiner Str.zi in L.-Linäenau Möckern, Paul Sckmiät, Rrüäerrtr. 8 in L.-6okIi» N««»t»d1»paulRuck,Rnnonc.-6rpeä,6i»«nd»kn«tt.> I7««»ckön»keld, Paul Ruck, Annoncen-Lrpeäition, Lirenbaknstr. t Oetzack, Larl Lckellel, 6ck» Ost- unä Mittelstr. »47z plagvit;, 6. Grützmann, 2sckock«r,ck» Str. 7a 258b prod»tkeid», Reinkarä Sackre, 8uckbinäergesckätt R«udn1<r, vll. svgmann, kvarscksllsttasse 1 ,zitz „ O. Sckmiät, Rokl-artenrtra», »7 1734 „ 8«rnk. Rieder, 6»b«lrb«rger»tras», ,, Sckleu»»»-, Renno Dickel, Rönneritistrassr >6 Sellerkausen, O. Oekler, Unger-Lrottenäorl, 8«rn- karästrL»,» zi, patt. Stünz, 0. Oekler,Rnger-Oottenäork, 8ernkarä,tt. gi, p. Lkonbrrg, R- häntsck, Reittenkainer Strass» ,8 Volkmaradork, Paul Ruck, Rnn.-6rp«ä., 6>»end»kn»tt.> ,, Georg lliemann, Ronraästrass» §g (6ckr blisabetkstrasse) Mabren, Paul Sckmiät, Rrüäerrtr. 8 in L.-6okli» preußischen Fiskalismus anstimmten, der im Güter verkehr weite Umwege um Süddeutschland nicht scheut, bloß um mit seiner wirtschaftlichen Uebermacht den süd deutschen Verkehr totzuschlagen, ihn zu zwingen, sich widerstandslos dem preußischen Netz anzugliedern. Herr Gröber führte ein drastisches Beispiel an, wie sich sogar das Volkslied in Württemberg dieser Zustände be mächtigt: «Uff -e schwäb'sche Jsebohne Gibt «» viel« Hauptschtazione. Aber der» isch doch zu dumm, Alles fahrt halt ausseruml" Herr Schulz aber, der NeichSeisenbahnpräsident, nennt mit kühler Ironie diese „Umgehung" — „Wahr nehmung berechtigter Interessen!" .... Zwei Tage lang stritt man sich um den Reichseisenbahngedanken, den die Sozialdemokratie wenigstens vorläufig durch die Reichseisenbahnbetriebsgemeinschaft ersetzen möchte, auch die reichsländischen Wünsche nach Einführung der vierten Wagenklasse kamen überreichlich zu ihrem Recht, dann durften Minister Budde und sein NeichSkollege Schulz ihre Akten packen und ihren Platz Herrn Nieber- ding räumen, dessen Etat mit zahllosen Resolutionen be packt ist Gleich die erste, die das H e i m st ä t t e n w e s e n be traf, dessen Einführung von allen Parteien, außer der Linken, gewünscht wird, führte zwei seltene Antipoden auf die Rednertribüne: Herrn v. Riepenhausen, den Feudalkonservativen mit dem eleganten Exterieur, der strammen Haltung des früheren Offizier«, der noncha lanten Redeweise des reichen Altadligen, den Neigung und Mittel aufS soziale Gebiet drängen, — und Herrn .Stadthagen, den eingeschworenen Feind allen I Junkertums, dessen ragende Adlernase und wallender ! Nabbinerbart ibn zu einem TypuS Shylocks machen; auch in seiner Herzensneigung: man könnte ihm wohl kaum eine größere Freude bereiten, als wenn man ihn einmal in Wirklichkeit Shylock spielen ließe. Diesen fanatischen Haß gegen alles, was konservativ ist, entlud Herr Stadt- Hagen auch gegen den Heimstättenentwurf des Herrn von Riepenhausen, den er mit den übelduftendsten Blüten seiner massiven Beredtsamkeit überschüttete: utopisch, reaktionär, himmelschreiend, dilettantenhaft, ja selbst be trügerisch — das waren so die Urteile, die dem Gehege seiner Zähne entflohen Die Regierung steht dem Heim stättenwesen wohlwollend, aber etwas skeptisch gegenüber, ebenso wie den Bemühungen zur Sicherung der Bau- Handwerker, die viele Millionen schon an Schwindel bauten eingebüßt haben. In« einen wie im andern Falle verheißt Herr Nieberding mit der ihm eigenen höf lichen, kühl-gemessenen Beredsamkeit Erwägungen Untersuchungen und vielleicht, wenn diese abgeschlossen, auch Entwürfe Aber — was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe? Am Sonnabend wurde, nachdem man in aller Eile sich über die Selbstbeköstigung und Selbstbeschäftigung der politischen Häftlinge unterhalten und die Herren Fr 0 hme und Stadthagen auS dem reichen Schatze ihrer GefängniSerfahrungen einige anmutige Proben zum Besten gegeben, die angeblich in Deutschland herrschende „russische Spitzelwirtschaft" angeschnitten, eine Frage, die schon im preußischen Abgeordnetenhause mit einem Fiasko der um die deutsche Staatshoheit so besorgten „Genossen" endigte, und auch vorgestern nach den Reden der Minister v. Hammerslein und Schönstedt eine eklatante Niederlage der Sozialdemokratie bedeutete. Da aber der Haupteffekt dieser Aktion erst für Montag nach der Rede Bebels zu erwarten ist, müssen wir uns da» Urteil darüber für die I nächste Besprechung Vorbehalten. L. LK, Die sächsische Parlckmentswoche. Herr Oskar Heinrich Günther aus der Bergstadt Plauen gürtete seine Lenden mit dem Schwerte Und zog aus, einen leibhaftigen Minister zu fällen. Warum auch Nicht? Als vor zwei Jahren der konservative Herr Stöckel den Obcrsäckelmeister des Sachsenlandes absägte, da war er doch der Held des Tages. Warum sollte sich Herr Günther nicht auch zu dieser glanzvollen Höhe auf- schwingen?! Und er zog vom Leder. „Zittere Byzanz!" Hageldicht sausten die Hiebe. Doch wonach er hieb, das war ein Schemen, -aS er sich selbst gedichtet hatte. „Ein zweiter Beust ist der Herr v. Metzsch, ein Erzreaktionär, dem kein Mensch eine Träne nachweinen würde, wenn ihn der — Lukanus holte", so rief Herr Günther mit dem heiligen Zorne des Redners, der einen Eatilina abtut. Aber der Fcuerzorn prallte in der Kammer auf Eises- kühle, die heiße Begeisterung aus kalten Hohn. Und auch der Widerhall aus dem Lande, dessen Herr Günther sich getröstete, ist ausgeblieben. Man weiß in Sachsen, daß Herr v. Metzsch ein konservativer Minister ist, man weiß aber ebenso gut, daß er als Beamter wie als Mensch eine verehrungswürdige Herzensbildung und Herzensgüte jeder zeit an den Tag gelegt hat, daß er stets bestrebt gewesen ist, Gegensätze zu mildern und Härten abzuschleifen. Das Gegenteil behaupten höchstens jene Prediger de» Klassen hasses, die sich von der Beibringung von Beweisen für ihre Behauptungen leichtherzig dispensieren. Man möchte Herrn Günther, der doch wohl seinen parlamentarischen Pflichten mit ehrlichem Ernst entgegentritt, mit der Mar- garete ini „Faust" zurufen: „ES tut mir in der Seele weh, wenn ich dich in - er Gesellschaft seh'". (Büchmann: „Es tut mir lang schon weh" usw.) Es ist jetzt lebendiger geworden im Reiche de» Ge heimrat« Dr. Mehnert. Die Woche fing allerdings unter recht redseligen Auspizien an. Der Montag gab einen kleinen Vorgeschmack der im Mär- zu erwartenden De batten zum Eisenbahnetat. Schon da kamen jene von allen, die sie miterleben müssen, so gefürchteten „Eisen bahnschmerzen" zum Vorschein, die sich von an deren Schmerzen dadurch unvorteilhaft unterscheiden, daß sie nicht im stillen Kämi. erlein, sondern in der Zweite« Ständekammer ausgewe?.tt werden. Die Eisenbahn für den Wahlkreis, das ist der „Traum der schlaflosen Nächte" manches Abgeordneten, und „der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb", stürzt er sich in die Redeschlacht. Aber er stirbt an der eigenen Kraft. Keiner kreuzt mit ihm die Klinge, denn jeder p-äpariert eine mächtige Be- schwörungsformel zu Gunsten der Eisenbahn im eigenen Wahlkreis. Lohnt doch den Bringer des pfauchenden Dampfrosses der überschwängliche Dank der getreuen Wähler, hat man doch — 0 Triumph des goldenen Opti- mismus! — sogar schon einmal einem Abgeordneten einen olennen Fackclzug dargebracht für seine Bemühungen um eine Eisenbahn, die in der nächsten Session — «d calsn- ckas sraeea, vertagt wurde. Uebrigens werden in den Kreisen der „Wissenden" diese Schmerzensergüsse für das genommen, was sie sind. Während der an die sprichwört lich gewordene Uferlosigkeit gemahnenden Debatten tag ten nebenbei nicht weniger als drei-Deputationen, so daß die Uneingeweihten auf der Tribüne schon dem entsetz lichen Aberglauben verfielen, in der Landhausrestauration sei ein frisches Fatz angezapft worden. Wenn hier von Uferlosigkeit die Rede war, so war, da« sei ausdrücklich festgestellt, dabei nicht an die Schnauder und an die Schwennigke gedacht. Diesen beiden fließenden Ge wässern des Leipziger Schlachtfeldgaues ist von dem mit einem köstlichen Humor begabten Zwenkauer Bürger- meister Ahnert die Fakultas de« Strömen» und Reihens ein für allemal abgesprochen. Und wenn die Bahn Kieritzsch—Groitzsch—Pegau, wovon wir keineswegs über zeugt sind, wirklich erst in einer späteren Zukunft in die Welt deS Wirklichen eintreten sollte, so hat sie doch -en besten Anwalt gehabt, den eine Eisenbahn, die werden will, sich nur wünschen kann. Einige« Interesse dürfen von den Verhandlungen der Woche noch die über den A 19 de« Ergänzungssteuer gesetzes, des sogen. Agrarierparagraphen, be anspruchen. Tie Landwirte in der Kammer, mit Aus- nähme de» Abgeordneten Steiger, der sich auf ein von ihm aufgestelltes Rechenexempel versteifte, und des Ab geordneten Leithold-Tettau, dem von seinem Fraktions- genossen Rüder nachgewiesen wurde, daß er das Er- gänzungssteuergesetz nicht mit dem wünschenswerten Eifer studiert habe, hielten e« einhellig für eine nobile okkioium, die Bestimmung, durch die da« landwirtschaft liche Betriebskapital von der Steuer eximiert wird, zu beseitigen. Ob freilich die Erste Kammer, die den omi nösen Paragraphen mit Schmerzen geboren hat, sich dazu hergeben wird, ihr Angstkind wieder abzuschlachten, ist mehr als fraglich. In der Zweiten Kammer hat der Antrag Rüder zehn Wochen gebraucht, ehe er aus dem Schoße der Deputation wieder zum Vorschein kam. Wenn die Erste Kammer sich ebenso viel Zeit läßt, fällt der An- trag einfach bei Landtagsschluß unter den Tisch, ohne daß
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