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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.03.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-09
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070309013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907030901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907030901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-09
- Monat1907-03
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BezuaS'Prei- für Leipzig n»d «Vororte: I» der Haupt- Ervedition oder der»» AuSgabesiellen ab- geholt Monatlich: Ausgabe - sl mal täglich) 70 Ps., ÄoSgabr 8 .2 mal täglich) 80 Pf^ bei Zustellung tn« Han» AoSgad« - 80 Ps., Ausgabe v l Marl. Durch unsere au«, wärtigeu Ausgabestellen and durch die Post l »zogen (I mal lLglich)innerdalb Deutschland« monatlich 1 Mark auSjchl. Hestellgebühren, für Oesierreich-Ungaru d L 45 d vierteljährlich, die übrigen Länder laut Zritungsprei-liste. Dies« Auiruner kostet aus -4t t>«? allen Bahudöseu uav bei I ll den Zeitung«. Herkäutern lke-atttvn und OrveStttaar Jodauat«ggsse 8, Televbou Nr. 1KL Nr. 22L Nr. 117L verltner AehaMauö-Burraa: Balin KCV. 7. Priuz Loui« Ferdinand. «Straße 1. Telephon I. Nr. 9275. Morgen-Ausgabe 8. MpMkr TaMM Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. ÄlnzeiaenoPreiS di« Kgespalteue Petttzeile sür Geschäft«- tnsaate an« Leipzig und Umgebung 2b Pf„ Familien., Wohnung»- u. Stellen-Auzrigen, sowie An- und Verkante 20 Pf„ finanziell« Anzeige, 80 Ps„ für Inlerate von au-wärt« 30 Ps. Reklamen 7ü Ps„ auswärts 1 Wlark. Beilage- gebühr 4 Mark p. Tausend exkl. Postgebühr. GeschäftSanzeigeu an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt noch Tarif. FürJnlerate vom AuSlande bewnderer Taris. Anzeigen-Annabme: Auguftusplatz k>, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des Fn» und Auslandes. Für da» Ericheineu an bestimmten Tagen u Plätzen wird keine Garantie übernommen. Feslerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncke r,Herzgl.BayrHosbuchbandlg.. Lützownraße lO (Tel. Vl, 4603. Filial->rpcöitian:TreüSeti.Marienur 'l4. Nr. 68. Sonnabend 9. März 1907. 101. Jahrgang. Var MÄligrie vom Lsgr. * Wie verlautet, ist die Meldung, daß der Kaiser keinem preußischen Prinzen erlauben werde, eine etwaige Wahl zum Regenten von Braunschweig anzunebmen, nicht ganz richtig. Der Kaiser habe eine derartige Bestimmung nur jür seine Söhne getroffen. * In dem gestrigen Kapitel der Balley Brandenburg de« Jobanniterordens wurde Prinz Eitel Friedrich zum Herrenmeister gewählt. Die Investitur des Prinzen soll Montag, den 18. März, in der Kapelle deS löuiglichen Schlosses in Berlin staltfinden. * Der Reichstag hielt gestern nur eine kurze Sitzung ab, in der nach Erledigung der kolonialen NacktragSetatS Rechnungsvorlagen zur Verab schiedung kamen. (S. PariameulS-Ber., 2. Beil.) * Im preußischen Abgeordnetenhaus wurde bei der Beratung deS ElsendabnetatS die Reform des Personen- und Gütertarif- besprochen. (S.DlschS. R.) * Die sozialdemokratische Mehrheit im Stadt- verordnetenkollegium zu Offenbach a. M. wählte deu Siadtveroidneten Dr. Dullo in Königsberg zum Ober bürgermeister. (S. DtschS. R.) "Der Mörder Schilling ist für geistig normal erklärt worden. Ec wird sich also wegen Mordes zu ver antworten haben. (S. Sachsen.) * Zu Vizepräsidenten der Duma wurden Radikale gegen Kadetteu und Monarchisten gewählt. (S. AuSl.) * Gestern verhandelte da-Unterhaus über den Frauen stimmrechts-Antrag. 20000 Frauen protestieren gegen daS Wahlrecht. (S. Ausl. u. letzte Dep.) Vie Unlemcbttrprachr i» Oen Zcdulen -er vrlmsrlr. Die Aeußcrungen der nationaiqesinnten Presse über den Sckmlstreit in den östlichen Provinzen waren durchgehends auf den Ton gestimmt, daß die Verweigerung der deutschen Antworten im Religionsunterricht «ine Widersetzlichkeit gegen die Anordnungen der Staatsgewalt bedeute, und es lief dabei stillschweigend die Voraussetzung mit unter, daß bi« Ausdehnung der deutschen Unterrichtssprache die fort schreitende Eindeutschung der Polen zur Folge habe. Das Eingreifen der Justiz in i»en Schulstreit in Gestalt zahl- reicher Verurteilungen von Geistlichen und Redakteuren, bi« den Schulstreit weiter aufstachelten, richtet sich selbst verständlich nur gegen di« Anreizung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt: der Zweck der Anordnungen hat aus das Vorgehen der Justiz keinerlei Einfluß, mögen auch polnische Stimmen ihr setzt zum Vorwurf machen, daß sie sich in den Dienst der nationalen Unterdrückung gestellt hätte. Die Staatsregierung hat auch bei diesem Anlast den Grund gedanken der seit 1873 sestgehaltenen Schulpolitik für die öst lichen Provinzen gemischter Sprache in aller Deutlichkeit ausgesprochen, „einerseits k le deutschen Kinder innerhalb «iner polnischen Mehrheit ihrer Nationalität zu erhalten, anderseits den polnisch sprechenden ein größeres Maß von deutschen Kenntnissen beizubringen". So hat ein osfiziö'er Artikel in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" sich aus- gedrückt. Von einer zwangsmäßigen Verdeutschung der pol. nischen Kinder durch die Volksschule zu reden, bleibt den Vertretern der altbekannten deutschen Objektivität über- lassen. Die polnischen Beschwerden finden noch immer Anklang bei Leuten, die den tatsächlichen Verhältnissen ferner stehen. Man fordert offen eine Umkehr der Schulpolitik in Posen und Westpreußen und wäre voraussichtlich befriedigt, wenn wieder die Bestimmung aus dem Jahre 1842 in Kraft gesetzt würde, der Unterricht in den V^ksschulen der Provinz Posen sei hauptsächlich in der Sprache zu erteilen, di« die Mehr- zahl der Kinder von HauS auS spreche. Daß durch diese Regelung an vielen Schulen eine deutsche Minderheit der Polonisierung überliefert worden ist. übersieht die ..deutsche Objektivität" aber immer wieder. Die grundsätzliche For derung der deutschen Unterrichtssprache von 1873 hat solchen Vorkommnissen einen kräftigen Riegel vorgeschoben: in ihrem Sinne ist auch der Uebergang von der polnischen Unterrichts- spräche in der Religion der Unterstufe zur deutschen der oberen Stufe, eine rein schultechnische Frage. Aber schon im Jahre 1867 hatte die Regierung von Posen als Ziel des deut schen Sprachunterrichts in den überwiegend von polnischen Kindern besuchten Volksschulen ausgestellt: „Die Kinder pol nischer Zunge in den Stand zu sttzen, neben ihrer polnischen Muttersprache auch der deutschen Sprache im gewöhnlichen Verkehr, wie ihn das praktische Leben mit sich bringt, sich zu bedienen". Im schultechn,sehen Sinne steht die Frage also doch nur so: ist es möglich, polnische Kinder io weit zn kör- der», daß sie auch in der Religion der deutschen Unterrichts- sprach« folgen können oder erwogen sie nur in polnischer Sprache den konfessionellen Gedächtnisstoff des Religions unterrichtes zu bewältigen? Die Frage ist schon dadurch be- antwortet, daß der KerndeSganzen Schul st reiteS in der Verweigerung deutscher Antworten bestand, nicht in der Unfähigkeit, sie auf Deutsch zu geben. Eine dankenswert« Beleuchtung der Frage hat jüngst die „Posener L e h r « r - Z e i t u n g" aus der Feder euics praktischen Schulman««- gebracht, und da dieser aus eigener Erfahrung spricht, verdient seine Charakterisierung d«r pol- ulsche» Muttersprache bei de» Schulkindern alle Beachtung bei solchen, die die ganze Sache vom Standpunkt der Abstrak-1 tion aus zn würdigen versuchen. Der katholische Religions-1 unterricht in polnischer Sprache arbeitet mit einer beson- f deren Färbung der hochpolnischen Schriftsprache, die ihrer seits auf der Grundlage der kl«inpolnischen Mundart aus gebaut ist. Diese hochpolnische Schriftsprache ist nun aber unseren Posener Polen, noch mehr freilich den oberschlesischen Polen, nicht ohne weiteres geläufig. Der gemeine Mann polnischer Zunge in Posen beherrscht kaum mehr als 200 Wörter des polnischen Sprachschatzes: dazu ist die Poiener Mundart, ebenso wie das Wasserpolakische, mit zahllosen Germanismen durch'etzt, die 1«r Schriftsprache fremd sind. Es ist Tatsache, daß selbst polnischen Gymnasiasten in Posen di« rein polnischen Bezeichnungen für viele Gegenstände des täglichen Lebens, für Lebensmittel, Bäume, Blumen, Fische usw. unbekannt sind. Davon rührt die große Wichtigkeit her, die von den großpolnischen Agitatoren auf das Lesen der polnisch«« Zeitungen, auf Vorträge, auf literarische und historische Selbstbildung, aus Volksunterhaltungen und VolkSbibliotheken gelegt wird. Gar zu gern würde sich nun die polnische Propaganda des polnischen Religionsunterrich tes bedienen, um gerade in dem Alter, wo ein stärkerer Ein stuß möglich ist, die polnische Schriftsprache zu verbreiten. Daß der polnische Religionsunterricht aus der Oberstufe durchaus nicht so mühelos und selbstverständlich war, belegt der Hinweis der Posener Lehrerzeitung auf die Tatsache, daß vor der Ersetzung der polnischen Sprache durch die deutsche Unterrichtssprache auf der oberen Stufe die Arrest- und Arbeitsstunden fast durchgehends von polnischen Religions schülern besetzt gewesen seien, denen das Auswendiglernen der vier und ein halb hundert polnischen Fragen und Ant worten des Katechismus unendliche Schwierigkeiten bereitete, während sonst die Kinder polnischer Mutter sprache auf der Oberstufe in der Beherrschung des Deutschen für die Anfertigung von Schulaufsätzcn hinter den deutschen Kindern kaum -urückstanden, sie in vielen Fällen sogar über flügelten. Der Widerstand *^er polnischen Geistlichen gegen di« Ersetzung des polnischen Religionsunterrichtes der Ober stufe durch den deutschen erklärt sich gutenteils daraus, das-sie nicht bavon abgeven wollen, den sür ihre Zwecke der geistigen Beherrschung der polnichen Massen überaus wichtigen Vor bereitungsunterricht sür die erste Kommunion aus polnisch zu erteilen und der naheliegenden Folgerung, sich darin der deutschen Unterrichtssprache -nzuschlicßen, sobald die Schul kinder bereits den konfessionellen Gedächtnissto'i ch w-sslr Sprache sich angeeignet haben, von Prinzipswegen verbannen wollen. Nach der neuen Ordnung in vielen Schulen der Provinzen Posen und Westpreußen — aber doch durchaus nicht in allen — ist in Zukunft der polnische kirchliche Vorbcreitungsunter- richt schwieriger als bisher zu erteilen. Unddasistder Angriff auf die heilige polnische Religion? Damit ist der Widerstand der Eltern gegen die deutsche Unterrichtssprache aufgcstachelt worden. Wo es sich um Kin der deutscher Muttersprache landest, ist die katholische Kirche in Posen und anderwärts nicht w eifrig in der Verfechtung der bis aus das Trienter Konzil zurückverstiften Forderung, daß der Religionsunterricht nur in der Muttersprache er folgen dürfe, weil er dann dauernde Eindrücke hinterlasse. Es gibt dafür noch andere Beispiele, als das der Poloni- sierung der Bamberger rings um die Stadt Posen durch polnische Pröpste und Vikare! Htbeitttbe«eg«ng iina 8orialirmur in Australien. Der Verlauf, den die soziale Entwickelung in Australien nimmt, hat gewiß nichts Typisches an sich. Dazu sind die wirtschaftlichen Verhältnisse zu eigenartig, ist die Äevölke- rung zu wenig zahlreich. Aber viel Lehrreiches für soziale Politik läßt sich dort im wirklichen Leben beobachten, was in andern Landern erst in der Gedankenwelt von Theoretikern eine Nolle spielt. Denn Australien hat sich zu einem Labo ratorium für politische Experimente entwickelt. Hier er zielten die Singeltaxer ihren ernsten und bisher größten praktischen Erfolg, und hier sind auch mit dem sozialistischen Kollektivismus schon manche Versuche gemacht worden. Nirgends ist die wirtschaftliche Zentralgewalt des Staates verhältnismäßig so groß, als aus diesem jüngsten Kontinent. Der Staat in Australien ist Eigentümer der Eisenbahnen und anderer Transportmittel und betätigt sich in mannig faltigster Weise im Handel, als Dockbesitzer, Industrieller, Zuckerpflanzer, Molkereibesitzer, Butter-Exporteur, Geflügel- und Weinhändler. Seit den blutigen Streiks im Jahre 1890 haben die australischen Kolonien eine selbständige politische Arbeiterpartei, die mit jedem Jahre mehr in die Lage kommt, soziale Theorien in die Praxis zu übertragen. Brachte es doch eine eigentümliche politische Konstellation schon mit sich, daß im Jahre 1904 das Ministerium von der Arbeiterpartei gebildet wurde. Und auch ohne die formelle Herrschaft zu besitzen, bestimmt die Arbeiterpartei in Ken meisten der Kolonien wenigstens die Politik des Landes. Kein Wunder also, wenn Australien schon mehrfach die Aufmerksamkeit fremder Negierungen auf sich gezogen hat. Leroy-Beaulieu ffilss veröffentlichte 1896 die Ergebnisse einer Studienreise nach Australien. Diese und die Berichte des französischen Generalkonsuls Biar d'Aunet erweckten solches Interesse, daß die französische Regierung 1899 Albert Mätin entsandte, um einen amtlichen Bericht über die soziale Bewegung in Australien auszuarbeiten, der später auf ihre Kosten veröffentlicht wurde. Um dieselbe Zeit besuchte der verstorbene Demarest Lloyd aus Chicago Neuseeland und erregte durch die Herausgabe seiner Beobachtungen großes Aufsehen. Sein Buch hatte in Amerika die gleiche Wirkung wie das Leroy-Bau'.ieus in Frankreich, so daß die Regie rung der Vereinigten Staaten Victor S. Clark amtlich nach Australien schickte, um über die dortige Arbeiterbewegung zu berichten. Von diesem ist jüngst ein stattliches Buch er schienen, das über die soziale Entwickelung Australiens und Neuseelands vorzüglich unterrichtet: es führt den Titel: lokour bkovemnrit in ^uHtrulasi». 8tuä^ in 8oai»I , Ovrnoarsov". Unterstützung gegen Zugeständnisse" hieß der I Wahffpruch, unter dem die Arbeiterpartei 1891 in Neusüd- I Wales in das parlamentarische Leben trat und mit dem sie I bald deu Ministerpräsidenten Sir Henry Parke- zu Falle brachte. Es folgte ein protektionistisches Ministerium unter Sir George Dibbs. Unter diesem kam es in der Par tei zu einer Spaltung über zollpolitische Fragen. Sechs Mitglieder trennten sich ab und liehen dem Ministerium Sir Georges eine Unterstützung, die es bitter notwendig hatte. Die nächsten Wahlen s1894j führten zu einer strafferen Organisation der Partei und hatten die Ausstoßung lener sechs Abtrünnigen zur Folge. Die Partei war der Zahl nach kleiner geworden, aber dafür innerlich gefestigter, und der äußere Verlust wurde dann in den allgemeinen Wahlen 1895 wett gemacht. Seitdem übt sie, ohne eine Majorität zu bilden, einen herrschenden Einfluß auf dte Politik Neuiüd- wales aus. Tas verfehlte nicht seiner anspornenden Wir kung auf die Arbeiterbewegung in den andern Kolonien. Im Bundesparlament hatte die Partei Anfang 1906 in der Zweiten Kammer von 75 Sitzen 24 inne, in der Ersten Kam mer, dem Senat, von 36 Sitzen 14. Das Programm umfaßt sieben Punkte: Aufrechterhaltung eines Weißen Australiens: Verallgemeinerung der obligatorischen Schiedsgerichte, Alterspensionen: Verstaatlichung von Monopolen lz. B. des Tabaktrustsl: eine Bürgerwebr: eine eigene australische Flotte: Beschränkung der öffentlichen Anleihen: Schiffahrts gesetze zum „Schutze der australischen Schiffahrt gegen un ehrlichen Wettbewerb." Das nennt die gegnerische Presse in Australien ein „sozialistisches Programm". „Sozialistisch" im europäischen Sinne ist die australische Arbeiterpartei dennoch aber gewiß nicht. Sie huldigt, wie Dr. Clark rich tig bemerkt, einem „Sozialismus ohne Grundsätze". Wir haben hier eine Arbeiterpartei, die auf dem Standpunkte steht, daß sich in einer Demokratie mit kapitalistischer Wirt schaftsordnung so aut leben läßt, daß sie verteidigt zu werden verdient, eine Arbeiterpartei, die sür die allgemeine Wehr pflicht eintritt, eine Arbeiterpartei schließlich, die einerseits so fanatisch für ihr engeres Vaterland eingenommen ist, daß sie der Engländer an und sm: sich so gleichgültig läßt wie ein Zulu, die aber doch fest daran glaubt, daß das britische Weltreich eine Gutes wirkende Macht vorstcllt. Nicht mit Unrecht bemerkt Dr. Clark daher, daß die Kräfte, die in andern Ländern die Gesellschaft zu zerreißen droben, in Australien nur dazu dienen, die sozialen Bande zu festigen. Dr. Clarks Buch, aus das näher einzuaehen es hier an Raum fehlt, bietet eine Fülle des Lehrreichen für Politiker und Volkswirtschaftler, es beweist auch, daß die australischen Verhältnisse mehr Interesse verdienen, als ihnen in Europa im allgemeinen noch gezollt wird. Seit der Verfasser Austra lien verließ, hat das Parlament des Commonwealth übrigens zwei Gesetze angenommen, die, wenn sie sich bewähren, noch viel von sich reden machen dürften. Tas eine ermächtigt den Minister sür Zölle, die Einfuhr irgendwelcher Güter zn verhindern, die durch Trusts oder gegen Hungerlöhne her gestellt wurden. Das zweite Gesetz bezweckt, eine ehrliche Teilung der Erträge aus einem Schutzzoll zwischen Lohn arbeitern und Arbeitgebern zu bewirken, indem es bestimmt, daß. wenn die Ausschließung ausländischer Konkurrenz die Bildung eines Monovols zur Folge bat. oder wenn der Tarif den geschützten Fabrikanten ungebührliche Profite ab wirst. von her den Schutz genießenden Industrie eine Ver brauchssteuer erhoben werden soll, die binreicht, ihre Pro fite auf ein Niveau berabzrdrücken, wie es in den unge schützten Industriezweigen vorherrscht Vielleicht werden die Ergebnisse einer Studienreise, die Ernest Aves als Kom missar der englischen Regierung vor einigen Tagen, am 8. Februar, angetreten, und welche ebenfalls die australische Arbeiterbewegung zum Gegenstände hat, über die Wirkungen dieser letzten beiden interessanten Experimente Ausschluß geben. kttenbabn uns Sadnpszt. In rascher Reihenfolge haben 3 Eisenbahnunsälle stattge funden, bei denen stets eine Zertrümmerung der Maschinen und der Bahnpostwagen stattgefunden Hal. Dicht vor Neu jahr ereignete sich das große Unglück bei Ottersberg, wobei die 14 Postbeamten teils getötet, teils mehr oder weniger schwer verwundet sind. Am 1. Februar stieß aus dem Schle sischen Bahnhöfe in Berlin auf den zur Abfahrt bereit stehenden V-Zug 180, Verlin-Kassel-Jrankfurt, der ebenfalls zur Abfahrt emrückende Schnellzug 6, Berlin-Hannover, von hinten auf. Ein Postbeamter wurde verletzt und die Maschine und der Postwagen beschädigt. Am 28. Januar fuhr der 8 Uhr 45 Min. von Frankfurt a. M. abgehende Schnellzug 75, Frankfurt-Hamburg, kurz hinter der Station Großkarben in voller Fahrtgeschwindigkeit auf einen ran gierenden Güterzua. Tie Bahnpostbeamten haben ihr Leben nur dem Umstande zu verdanken, daß dieser Zug eine Vorspannmaschine hatte. Obgleich der Postwagen zer trümmert wurde, haben die Beamten ernster« Verletzungen nicht erlitten, doch waren sie vorläufig dienstunfähig. Nach Aussage eines Sachverständigen wäre die Katastrophe von unabsehbaren Folgen für das Postpersonal gewesen, wenn nicht die Schienen, durch die Ducht des Zusammenstoßes aufgerissen, sich umgebogen und zwischen den Postwagen und den hinter diesem lausenden Schlafwagen geschoben und in letzteren sich eingerammt hätten, so daß die nach dringenden Wagen nicht mit voller Wucht auf den Postwagen auffahren konnten. Diese drei Unfälle sind nur den Maschinen und den Post wagen verhängnisvoll gewesen, und zwar diesen stets dadurch, daß die Bahnpostwagen als Schutzwagen verwendet worden sind. In Postfachzeitungen wird dieser Uebelstand fort während bekämpft. Es wäre aber nur dann eine Abhilfe zu erreichen, wenn auch die Tageszeitungen hierzu energisch Stellung nähmen. Daß dies noch nicht geschehen ist, ist wohl dem Grunde zuzuschreiben, daß die Arbeitsleistung der Bahnvostbeamten und auch der Umfang der Briefpost und der Wertsendungen dem Publikum unbekannt ist. Ein Laie kann sich hiervon auch keinen Begriff machen. Das Otters berger Eisenbahnunglück hat hierüber schon etwas Auf- klörung gebracht. Eine von vielen Zeitungen wieder gegebene Notiz sagt folgendes: „Vernichtete Wertpapiere beim Ottersberger Eisen bahnunglück. Das Eisenbahnunglück zu Ottersberg hat für die Hamburger Handelskreise, namentlich für die Banken, große geschäftliche Störungen im Gefolge gehabt, da von den Hamburger Banken und Bankkressen eine große An- zahl von Wertpapieren, die zur Ultimoerklärung nach Paris, London, Brüssel und Antwerpen bestimmt waren, mit der Post deS verunglückten ZugeS spediert worden ist. Der Wert der vernichteten Papiere wird an der Börse schätzungsweise auf 15—20 Millionen Mark angegeben. Ta nach den amtlichen Mitteilungen wohl sämtliche Effek ten vernichtet worden sind, wird über sie eine Sperrfrist verhängt werden, und nach deren Ablauf werden die Pa piere durch neue ersetzt, so daß ein direkter Schaden, der übrigen- durch Versicherungen gedeckt ist, nicht entsteht." Der Verlust ist in Wirklichkeit nicht so groß gewesen, weil es den Postbeamten, obgleich sie zum Teil schwer ver letzt waren^ unter größten Anstrengungen gelungen ist, noch fehr viele Sendungen dem Feuer zu entreißen. Diese Notiz betrifft nur einen kleinen Bruchteil der in Betracht kom menden Post. Was aber enthalten noch die übrigen Sen dungen, wie manche wichtige Mitteilung ist zugrunde ge gangen und wie viele Hoffnungen und Erwartungen sind zerstört worden? Diese Fälle können und müssen sich wiederholen, wenn die Eisenbahnverwaltung nicht endlich Abhilfe schafft. Die Tageszeitungen und die Handels kammern müßten hier mit Entschiedenheit einsetzen, daß den Postwagen ein anderer Platz in den Zügen eingeräumt wird, als Mindestes müßte ein leerer Wagen als Schutz wagen laufen. Nm die Haltung der Eisenbahnverwaltung zu charakterisieren, und um gleichzeitig die größere Ge fährdung des ersten Wagens im Zuge darzutnn, sei der 8 57 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 1. No- vember 1904 angeführt: „In den zur Personenbeförderung bestimmten, von einer Lokomotive geführten Zügen ist von Reisenden frei zu halten: «. die vorderste Abteilung des ersten Wagens, II bei den Zügen, die mit mehr als 40 Kilometer, aber höchstens mit 50 Kilometer Geschwindigkeit fahren, 2> bei den Zügen, die mit mehr als 50 Kilometer, aber höchstens mit 60 Kilometer Geschwindigkeit fahren, mit durchgehender Bremse ausgerüstet sind, nicht mehr als 40 Wagenachsen führen und auf zweigleisigen Strecken ver kehren, wo alle Züge einander mit derselben Geschwindig keit folgen; b. der erste Wagen bei den übrigen mit mehr als 50 Kilo meter Geschwindigkeit fahrenden Zügen." Wie die Postbeamten und ihre Tätigkeit eingeschätzt werden, beweist der Nachsatz: „Im Dienste befindliche Eisen bahn- und Postbeamte, sowie Begleiter von Leichen und Tieren gelten nicht als Reisende im Sinne dieser Be stimmung." Eine bestimmte Verfügung über die Stellung des Post wagens gibt es im Eisenbahn-Postgesetz nicht, nur in § 56 vom 20. Dezember 1875 heißt es: s5) Bei der Stellung des Postwagens ist auf die Bedürf nisse des Postdienstes Rücksicht zu nehmen, soweit es der Bahnbetrieb gestattet. Auch ist, soweit tunlich, zu vermeiden, ihn als Schutzwagen zu verwenden. Durch die Worte „so weit tunlich" ist die Eisenbahnverwaltung in der Lage, bei den meisten O - Zügen, aber auch bei vielen Schnellzügen di« Bahnpostwagen als Schutzwagen laufen zu lassen. Die Post verwaltung ist ununterbrochen bemüht gewesen, diesem Nebel stande abzuhelfev, aber der 8 56 ist so dehnbar, daß die Eisenbahnverwaltung es aus „betriebstechnischen Gründen" jedesmal ablehnt, den Wünschen der Postvcrwaltung nachzu kommen. Tie betriebstechnischen Gründe bestehen in der Hauptsache im Nmrangieren der Bahnpostwagen. Man braucht kein großer Kenner des EisenbahndiensteZ zu sein, jeder Laie kann sich sagen, daß es bei den heutigen groß artigen Einrichtungen ein Leichtes sein muß, ohne großen Zeitverlust ein Umrangieren des Postwagens vorzunehmen, und'dadurch das Leben vieler Beamten zu schützen und die Interessen der Allgemeinheit zu wahren. Wo es sich um so unglaubliche Werte handelt, denn in D-Zügen und Schnell zügen werden in den einzelnen Postwaacn meistens allein mehrere Tausend Einschreibebriefe befördert, die übrige Briefpost gar nicht zu erwähnen, da darf unter keinen Um- ständen der Postwagen als Schutzwagen laufen, und wenn die „betriebstechnischen Gründe" noch so groß sind. Will die Eisenbahnverwaltung diese betriebstechnischen Gründe nicht freiwillig beseitigen, dann muß sie dazu ge zwungen werden. Die Handelskammern haben so viele Schwierigkeiten beseitigt, hier ist ein für sie so brennender Punkt, daß es sich der Mübe verlohnt, die Postverwaltung zu unterstützen, um eine Sicherstellung der Bob-vostwagen in allen Zügen zu erreichen. veulsOes ksich. Leipzig, 9. März. * Bundesrat In der letzten Plenarsitzung deS Bundes rats gedachte der Bo:sitzende mit ehrenden Worten des ver- storbenen StaatSmimsterS Dr. v. Boelticber. Ferner wurden die AuSschußaifträge betreffend die Zulassung deS BeredelungSverkebrs mit ausländischen bearbeiteten Radlörperu, betreffend die Zulassung des Veredelung?- verkehrS mit festen Quebracho-Höffern unv die Vor lage betreffend den Vertrag zwischen dem deutschen Reich und deu Niederlanden über die gegenseitige Anerkennung der Aktiengesellschaften und andern kommersiellen Gesellfchasten den zuständigen Aus- schössen überwiesen. Heute kielten ter Ausschuß sür Handel und Verlebr sowie die vereinigten Ausschüsse für Jusiizwelen und sür Handel und Verkehr Sitzungen ab. * Tie Budgelkommisston des Reichstages setzte gestern die Beratung des PoslelaiS fort und genebnffgte die durch das NotetatSgeietz für April und Mai geforderten, der Koin- Mission überwiesenen Titel. Bei der Forderung von 691 069 Mark rur Erwerbung eines Grundstücks in Berlin an der Französischen Straße zur Vereinigung dreier in Mietsräumen befindlichen Postämter entspann sich eine längere Debatte. Der Titel, dessen Preis 964 pro Quadratmeter benägk. Wurde von Singer für exorbitant erklärt und einstimmig abgelehnt. * vctrtebS- und Berufszählung. Die Kommission des Reichstages zur Beratung der Vorlage über dir Betriebs- und Berufs zäblung im Jahre 1907 nahm die Vorlage in erster Lesung mit einer Resolution an, in der der Bundesrat ersucht wird, die Frage nach dem Religions bekenntnis in die Fragebogen aufzunebmen. cä Staatliche Wohnniinsfürsorge. Nach einem Erlaß deS preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten sollen durch ein neue» Gesetz sür die Verbesserungen der WobnungS- verbältniffe erbeblicke Mittel zur Verfügung gestellt w rcen. Um den Bedarf rechtzeitig festzustellen, sind, w>e wir kören, alle Eisevbabndireklionen und von dielen sänftsiche Zn- spektionen der Monarchie beauftragt worden, von neuem eingehend zu prüfen, an welchen Onen die WobnungS- Verhältnisse sür Arbeiter, Hiljsbeamte, Unterbeamte und I mittlere Beamte ungünstig liegen und unter der Voraus- I setzung eines MieterträgnisseS von nickt unter vier Prozeut I de« Anlagekapital- verbessert werde» löuueu.
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