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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-26
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830726
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830726
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-07
- Tag1883-07-26
- Monat1883-07
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.07.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Nedarlion und LrprLitio» Johannesgasje 83. Aprschüiin-rn drr Nrdattiou: Vormittag- 10—12 Uhr. Nachmittags ü—6 Uhr. NI!r tti NUckgadi M«nulrn»te mach» «ch du X«»«cl»>a nicht »eldmdlich. N»nah»« »er für »t« «Schfts«l,en»e Nummer «rftimmtc» Jnsrrate an Wochrnkaueu bis L llbr Nachmittags, an Sann- und Arstlage» früh d»s '/.V Uhr. 3n -rn FUialrn für 3ns.-önnahmr: Otto Klemm, UniversilälSstraße 21, Laut» Lösche, Katyarinenslraße 18, v. nnr bis '/,L kdr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Ißmumarnl inel. durch die Jede ri»»«I r «ebüh ebührea für IrtradetligtU ahne PostbkfSrdernag »K «U Poftoesörderüng «K Mk Zolerate Sarspaltrne Petttzeü» S0M «rößerr vchrisir» lant ans««» GW» verzeichutß. Tabellarisch«, ». Zissernsatz Ueclamen unter de« Ued«tt«»ftNch die Spallielle bO Vf. Inserate find stets an die Erhebttta» »n senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlaug prnsoumerrwäo oder durch Post- Nachnahme. Z° 207. Donnerstag dm 26. Juli 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekaimtmachung. Der Gurtenmartt wird vom L-cuSlag den 31. d. M. an aus dem Fleischrrplatze gehalten. Leipzig, den 25. Juli 1883. Der Nath der Stadt Leipzig. De. Tröndlin. Brendcl. Vekllnntmllchung. Die Holz-, Kohlen- uns Peiroleuiii-Lwierung beim Landgericht und der Staat-anwaltschafl hier ist vergebt» Landgericht Leipzig, am 24. Juli 1883. Vrkannlmachung. Zum Behuf der gegen linde jedes akadeinrschen Halbjahres zu hallenden Revision der Universitäts-Bibliothek werden die Herren Etudirciiden, tvelche Bücher aus derselbra entliehen haben, aus- gcsordcrt, diese am LS., 28. und SS. Juli gegen Zurückgabe der Empfangsbescheinigungen abzuiiefern. Die Ablieserung wird in der Meise zu geschehen haben, daß die- jcnigkn, deren Namen mit einem der Buchstaben ^ bis 11 ansangrn, an» 2Ü. Juli, die, deren Namen mit einem der Buchstaben 4 bis II beginnen, am 28. Juli und die übrigen am ÄS. Juli (früh zwischen 10—1 Uhr) abliesern. Alle übrigen Entleiher werden ausgesordert, die an sie verliehenen Bücher a« L., S. «nd 4. Anynft (während der gewöhnliche» Orffnungsstunden- znrückzngeben. Während der Revisionszeit (26. Juli bis 9. August inel.) können Bücher nicht ausgeliehen werden. Ebenso muß während derselben das Lesezimmer geschlossen bleiben. Leipzig, den 21. Juli 1883. Tie Lircclian der Universitäts-Bibliothek, vr. Krehl. Nichtamtlicher Theil. Aus -rn Vereinigten Staaten. Wie in Europa, so ist auch in den Bereinigten Staaten die Politik ruhig und nur ab und zu Hort man von einem Meeting, von Parteicandidaturen für die Staatswahlen und allenfalls auch von einer Abfassung neuer Parteiprogramme. Da- Volk in Amerika hat jetzt aber auch mehr zu thun» al» sich in politischen Spekulationen zu ergehen und politische Spitzfindigkeiten auSzudüsleln. Freilich ganz ruht da» politische Leben nirgend-. So hat in der Mitte diese- Monat- der einflußreiche republikanische StaatS-Convcnt von Pennsylvanien in Harris burg getagt. Er hat daselbst ein Partei-Prooramm ange nommen, da- einige- Befremdende enthält. Befremdend ist eS nicht, daß sich die Republikaner gerade diese» Staate- für die Beibehaltung de- Schutzzolles anSiprechen, um so mehr aber, wenn sie davon eine Uebersülluna de« Schatze- erwarten und den Ueberschuß zur möglichst schnellen Bezah lung der Nationalschuld, dann aber zur Vertheilung unter die Einzelstaaten, gemäß der Bcvölkerungörate, verwenden wollen, damit diese die locale Steuerlast erleichtern und größere Mitlel für die Erziehung ihrer Einwohner auswcnde» können. Auch der neuerdings geächtete „Trade Dollar" findet Be rücksichtigung in diesem Partei-Programm. E» wird ver langt, baß der Congreß gesetzlich seine vollständige Einlösung und Umwandlung in eine andere Münze bestimmen soll. „Pauper»" au- fremden Ländern sollen nickt mehr nach den Bereinigten Staaten tranSportirt werden, worüber alle Parteien einig sind; Präsident Arthur bekommt sein Lob und die Civildienstresorm eine platonische Empfehlung, die noch durch den ausfallenden Ausdruck qualificirt ist, daß alle „innerhalb der Partei" vergebenen Acmter die Fähigkeit zur alleinigen Basis haben sollen. Im Uebrigen enthält die Plattform noch einige schöne Redensarten von geringer Be deutung, auch die Namen der Candivaten interessircn kaum, da da« höchste in dieser Wahl zu vergebende Amt da« de« Staat--Schatzmeisters ist und da» nächsthöchste da« de« Auditor». Eine« wäre indessen an dem Convent lobend hervorzuheben, baß sich der Einfluß keine» Partei-Dictator« gellend machen konnte, obwohl cS versucht worden sein mag. Tie republikanische Partei in Pennsylvanien ist, be merkt zu dem Programm die „N.-U. H.-Z.-, durch ihre oft bewiesene Macht dazu berechtigt, in ihren Beschlüssen ernst genommen zu werden, selbst wenn man ihr die Aussicht absprechen muß. unter ihrem Banner zu siegen, aber sehr schwer ist eS, sich de» Lächeln- zu enthalten, wenn man die vereinigten Anstrengungen beobachtet, welche die Greenbackler und Temperenzler >m Staate Iowa machen, um da« Land zu retten. Am 1l. Juli hielten nämlich diese sonderbaren Schwärmer in De« MoincS einen Convent und nominirten General Weaver, der sich schon einmal zur PräsidentschaslS- Cantidatur seiner Partei verstiegen hat. zum Gouverneur ihrer Wabl für Iowa. DaS Programm ist überladen mit neuen „AuSgang-Puneten- (Issnes), z. B. Abschaffung aller Zettclbanke», LtaatSnole» statt Banknoten, unbeschränkte Prägung von Golvu»dSilbkr,keiiicResli»r>rungderzi»Slragcn- dcn Nationallchulv, dagegen ihre schleunige Abtragung, graduirte Eink»mmensieuer, BersallSerklärung i>cr nickt strict durch Leistungen erworbenen Lanvbcwilligmigen an Eisenbakn-Gesell- fchasten, Nknderuiigcn bcr Palentgeietze, nm Erfinder bester zu schützen und di« Bildung von Monopolen zu verhindern, Civildienstresorm. directe B»lt<wahl de- Präsidenten der Bereinigten Staaten, niedriger Tarif und Revision de« Tarif« im Intereste der Arbeit, aber nicht der Monopole. Post. Telegraph unb Festsetzung der Eisenbahn- und Telegraphen- gebüyren. Diese Parte,sahne ist bunt genug, ob man aber die genügende Mannschaft zusammen sinken wird, um mit derselben in die Campagne zu ziehen, gebört nickt gerade zu den Gewißheiten, namentlich da die Prohibitionisieu in dem Convent an die Wanv gedrängt wurden und man ihnen keine Planke in der Plattform gegönnt hat. UebrigenS haben die Republikaner von Iowa sich durch ihre Führer verleiten lasten, eine Tempererizvlanke in ihre Plattform aufznnehmen und sie verpflichten uch damit, für die Durchführung de« Verbote- der Fabrikation und de» Berkaus« geistiger Getränke im Staate zu wirken. Diese Temperenzenlschiedenbeit wird nun ein triftiger Grund zur Scheidung aller bisherigen Parleianhängcr von der Partei werde», welche Gegner eine» ZwanqSvcrbetS sind. ES wird sich daher scbon bei der nächsten Wahl berauSstcllcn, ob die Temperenzler iininer noch stark genug sind, den Staat zu beherrschen Die teulschen Republikaner in Iowa haben der Parle, wegen der eingenommenen Stellung öffentlich abgesagt und versprechen, die demokratischen Candidalcn zu unterstützen. Was nun die Präsibeiitschast-candikatnr anbetrisst. fo hat sich Präsident Arthur aiS ein viel unabhängigerer und viel leicht auch alS ein fähigerer Mann für da» Amt, z» dem er o unverhofft berufen wurde, erwiesen, als man im Allge meinen von ihm erwartet hatte. E» ist diese» schon mehr mals von den unabhängigen Journalen anerkannt worden, und wenn fanatische Parleilentc und engherzige, religiöse und sociale Narren ih» anfeinden, so ist dieses der beste Beweis, daß er sich »ach keiner Seile hin gebrauchen laßt, sondern die BerwaltungSinaschiue nach bestem Wissen leitet. Tie neueste Maßregel, wodurch er seinen guten Willen und auch seine Festigkeit bewcfft, war die Abschaffung, d. h. die Verminderung der Zahl der In» lanb-Steuerdistricte. Längst schon wurde dieselbe verlangt, u»V die Herabsetzung der Steuern forderte eigentlich die Verschmelzung der Districte, aber die Steuereinnehmer in jedem Staate waren einflußreiche Persönlichkeiten, die sich gegen ihre AuSmcrzung gewaltig sperrten und dein Präsidenten durch ihre Freunde, die Repräieukanken u. s. w., tüchtig zu- sctze» ließen; allein er sah die Nothwendigkcit der Durch- sübrung der Maßregel ein und 16 Districte wurden mit ankern verschmolzen. DaS bedeutet die Absetzung von <6 eifrigen und gewichtigen Parteileulcn. Ebenso hat der Präsident und sein Flottensccretair sich bemüßigt gesehen, die Anzahl der NcgierungSschissbanböse um fünf zu vermindern, da die Verzettelung deS Geschäfte» an so vielen wcilauScinandcrliegcnden, verschiedenen Orten eine große Bersckwenkung von Zeit und Kosten verursachte. Die aufgehobene» SckifsSbauhöse sind: Pensacola in Florida; Lcague Island bei Pkiladclpkua; New London, Connecticut; Killcry, Maine und der in Washington selbst. Mit einer solche» thalsächlichen Reform ist da« Voll einverstanden und Präsident Arthur ist auf dem besten Wege, populär zu werden. Leipzig, 26. Juli.1883. * Die vor einigen Tagen amtlich verkündigte Novelle zur Gewerbeordnung ist der einzige nenncn-wcrlheErfolg, welchen die klerikal-conservative Coalition au« dem Reich »tage zu verzeichnen hat. Gegenüber den großen Versprechungen, welche man während der letzten Wabl- bewegung, sel e- ausdrücklich, sei eS durch stillschweigende End gegennahmen der Forderungen der gewerbcpolitische» Rcaclion, gemacht bat, nehmen sich die Paragraphen dieses neuen Gesetzes nichtssagend genug anS. Die Bedeutung desselben ist mehr eine theoretische aiS eine praktische. Freilich ist eS immerhin bcklagcnSwcrth, daß da» Princip der Gcwcrbc- sreihett so arg verdunkelt werden konnte, wie eS z. B. durch die Bestimmungen über die biickhändlerische Colportage ge schehen ist. Aber was will dies und ähnliches Zurückzrcisen aus die veralteten Mittel einer polizeilichen Ucberwachung besagen angesicblS der Erwartungen, die man nach ganz anderer Richtung hin im Handwerkertbllm hervorgcrufen hat? Für diese Kreise ist cS herzlich gleichgsttig, ob in Zukunft hier und da einem Verbreiter schmutziger Schriften da» Handwerk gelegt, einem Ttngeltangelinbaber kaS Local geschlossen, einem HautliingSreisenten taS Leben sauer gemacht wird. Wa» sic erwartet haben, war ei» in die Augen springender Nutzen, der ibnen unmittelbar zu Gute kommen sollte. Man verlangte vie Beseitigung der freien Concurrcn; mittelst Wiederherstellung de» ehemaligen Zunftzwang« im Verein mit dem Verbote de« Verkaufs von Waaren durch andere als die Verfertiger derselben; zugleich fordert» man eine Beschränkung der Gleich berechtigung der Gesellen, um zu den niedrigeren Löhnen früherer Zeiten zurückgelangen zu können. Wa« hat von alledem die konservativ-klerikale Coalition durchzusetze» ver mocht? Nicht«, rein gar nicht-. Sie bat den Versuch gemacht, den InnungSzwang durch eine Hinterlhür cin- zusühren, indem unter gewissen Voraussetzungen nur Innungsmeistern da- Recht de« Lehrlinghalten« zustehen sollte, sie hat für sämmtliche gewerbliche Arbeiter die Verpflichtung zur Führung von Arbeil-bltchern vor schreiben wollen. In beiden Richtungen haben ihre An strengungen mit Niederlagen geendet, und e« ist keine Aussicht vorhanden, daß bei einem erneuten Anlause da« Ergebniß ein andere« sein würde. Unter diesen Umständen kann die Gewerbeordnung-Novelle, wie sie thatsächlich beschaffe» ist, auf die Anhänger der gewerbepolitischen Rcaclion nur von ernüchternder Wirkung sein. Mögen immerhin die Conservativen hinterher erklären, daß die Forderungen der Zünftler zu weit gehen, Thatsache ist, daß die konservative Agitation vor den Wahlen die Handwerker in dem Wahne von der Durchführbarkeit dieser Forderungen bestärkt bat. Um so größer wirb jetzt die Ernüchterung sein, wenn man sicht, wa» von dem gewaltigen Dunst der Wahlrhetorik, von den Verheißungen einer gründlichen Umgestaltung der Gewerbeordnung als greifbarer Niederschlag zurückgeblieben ist. Fast gleichzeitig mit der Publikation der Novelle ist der Erlaß der Düsseldorfer Regierung bekannt gewcrden, in welchem das Verlangen einer großen Anzahl Crefelder Weber nach InnungSzwang zurückgewiesen wird. Die vortreffliche Begründung diese» Bescheide«. d«r Hinweis auf die Bereiniaung der BerusSgenossen in den freien Innungen wird im Verein mit der Erfolglosigkeit der reaktionären Anläufe im Reichttage nicht verfehle», der Ein sicht, daß dem Handwerk nicht durch die gewaltsame Wieder belebung für unsere heutige Culturstuse nicht passender Ein richtungen, sondern in erster Linie nur durch eine auf eigener Thatkrast beruhend« und von technischer Tüchtigkeit wie vom Geiste der Gemeinsamkeit getragene genossenschaftliche Zu- sammcnschlikßung geholfen werden kann, immer mebr Boden zu gewinnen. Ist die» aber wirklich am letzten Ende da« Resultat de« reaktionären Borgehrn« aus gewerbepolitischem Gebiete, dann ist dasselbe auch durch dz« jetzt in Rede stehende Novelle nicht zu theuer verknust, und zwar um so weniger, als die ernsthaft bedenklichen Bestimmungen der letzteren den Erfordernissen de« vielvcrschlnngenen praktischen Leben« gegen über ohnehin nicht lange Stand halten werden. * Die An«sichten. welche sich infolge de» neuen Iuligesetze« der preußischen Regierung auf kircken- politischcin Gebiet eröffnet haben, werken beute von zwei Stellen an» in sehr deutlicher Weise beleuchtet. Ein römi scher Corrcspenkenl der .Kreiizzeiltinq- ist in der Lage, aui die Frage, wie sich der bl. Stuhl nach deS Herrn v. Scblözer Abreise zu der Kirchcnsrage in Preußen stelle, auf Grund einer Unterredung eine „verbürgte" Antwort zu geben. Und diese Antwort ist deutlich genug. Denn der „hohe Ge währsmann- de» Correspondenlen erklärt rundweg, ebne die Gewährung der bekannten beiden Forderungen jFunctionS- reiheit der Geistlichkeit und Freigebung ihrer Ausbildung) ei an da« Zugestäudniß der Anzeige nicht zu denke», zugleich benimmt er jeden Zweifel darüber, daß die Cnrie keineswegs etwa gesonnen ist. ohne da» durch jene Concessivnen aus gewogene principiellc Zugeständniß die Erstattung der Anzeige wenigsten» »teilweise äa facto einlretcn zu lasten. Sollte die prenfzischc Negierung die gestellten Forderungen nickt be willigen, sollte Herr von Scblözer nicht nach Rom zurück- kebrcn, nun, so wird man in Rom — warten. „Der heilige Sluhl hak Zeit", sagt der „hohe Gewährsmann", wie mau cS ja auch sonst schon gebört hat; er kann ich Iahrbunderte lang gedulden, wenn die Verhält nisse eS erheischen" Und wie sagte doch neulich die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung-? „Wenn die römische Curie, schrieb sie, um das letzte Kirckengesetz zu rechtfertigen, ür die katholischen Preußen nickt so viel Interesse hatte, um ihre Nolh in der Seelsorge zu beseitigen, so liege eS nicht in den Traditionen deS preußischen KönigtbnmS, in diesem Maße gleichgiltig gegen die religiösen Bedürfnisse seiner Unterlbänen zu seim" Was Wunder, wenn man in Rom diesen Wink versteht und sich einfach aus daS ebenso bequeme wie erfolgreiche Abwarten verlegt. Weiß man dock, daß inan keineswegs „Jahrhunderte", ja nicht einmal Jahrzehnte zu warten braucht, um die reise Frucht im Schoeße aufsangen zu können. Immer führte man eine so insolente Sprache nicht. Hätte der preußische Staat nur um ein Wenige« noch seine sichere Position uneingeschränkt behauptet, dann würde sich heule schon gezeigt haben, daß Nom nickt mebr mit „Jahr hunderten" um sich werfen kann, daß cS ein Anachronismus ist, wenn der moderne Staat sich durch die veralteten Mittel de« InlerdiclS etwa« abnöthigen läßt. Denn er ist in der glücklichen Lage, da die lhm nothwendigcn sittlich religiösen Kräfte kcineSweg» ihre einzige Quelle in Rom haben, aus die Erfüllung seiner unzweifelhaften Rechts ansprüche beharrlicher zu bestehen, als der PapiSmuS auf seinen unberechtigten Forderungen. DaS schwächliche Nach- geben de» Staale» hat die Widerstandsfähigkeit de- Ultra- montanismu« neu belebt, und wenn die preugische Regierung in der Tbat gesonnen sein sollte, an dem Ersorderniß der Anzeigepflicht nunmehr energisch festzuhallen. >o können wir u»S darauf gefaßt macken, den bei Falk'S Abgang fast durch- gekämpstcn Culturkampf in geschwächter Position von Neuem wieder aufnehmcn zu müstcn Unb man glaube nur nicht, daß da» neue Gesetz die Stellung der CcnlrumSpartei in der katholischen Bevölkerung allzu sehr erschüttert hat. Tie Germania" bringt heute einen kampflustigen Artikel, welcher das bekannte tolernui posss des Papstes bedauert und er klärt, daS katholische Volk wolle keinen „faulen Frieden", lieber »och 10 »nd 20 Jahre Culturkampf. In der Thal kann der preußische Staat nickt daraus rechnen, die fana- lisirtcn katholischen Wählcrmassen der Fahne deS CcntrumS abwendig zu machen, wenn er die im langjährigen Kampfe verfochtene Sache selber fort und fort preiSgiedt und alS ungerecht hinncllt. * AuS Stuttgart wird der „Allgemeinen Zeitung" vom 23. d. M. geschrieben: „Der Tod des an einem Magen geschwüre in Tarasp verstorbenen württembergischen KriegSministcrS Gencrallieutenant v. Wundt ist für unser Land und für daS deutsche Heer ein empfindlicher Verlust. Der Verstorbene war ein Sohn de« Generalmajors von Wundt und besten Gattin, einer gebornen v. Hardegg, »nd wurde >825 in Ludwigsburg geboren. 1844 trat er als Lieutenant bei den Pionnicren ein. Den Feldzug von 1866 machte er al« Major und Unterches deS GencralstabcS im Hauptquartier der württembergischen Division mit. 1868 zum Oberst im KriegSminiftcrium befördert, wurde er 1871 zum Ches de» OekonomiedeparlementS ernannt. Mit Führung der Geschäfte deS Departement» deS KriegSivesen» wurde der Verstorbene unter Besördernng zumGeneralmajor mit dem Range eines Brigade-CommankeurS, als Nachfolger de» Generals v. Suckow, am 13. September 1574 beauftragt, am 5. März 1875 zum DepartementS-Chcs ernannt und am l4. Juni 1879 unter Ernennung zum wirklichen Krieg-minister zum General lieutenanl befördert. Seine Stellung wußte er mit großem Geschick und vielem Takt auSzusüllen. Ein Hauptvertienst von ihm ist, daß er verstand, im vollkommensten Einklänge mit dem Generalcommanvo de« württembergischen Arwee- corp» seine Verwaltung zu führen. Die gedeihliche Ent wicklung de» württembergischen HcereStheilS und die aner kannte Stellung, welche derselbe in der deutschen Armee ein nimmt, dankt der glücklichen Leitung v. Wunvt'S außerordent lich viel. Der Verstorbene war ein Vorbild der HcrzcnSqülc und LiebenSwürdigkrit, und die Armen haben in ihm einen unermüdlichen Wohllhätcr verloren." » « « * Seit einigen Tagen sind die magyarischen Blätter völlig au» Rand und Band geratben und schreien nach der Polizei und den Gerichten, die ia bekanntlich im TiSza- E«zlarerProceß ein europäisch ganz unfaßbare« Bild von den magyarischen StaalSeinrichtungen liefern. Diesmal gilt e». die Polizei gegen den „russisch-serbischen Panslavi«- mu«" in Bewegung zu sehen, der nach der Ansicht der Pester Blätter in Ungarn immer frecher da» Haupt erhebt und eine exem plarische Züchtigung verdient. In den sübungarischeii Städten Neusatz und K ar l owi tz, die nämlich, wie ihre Umgebung, zu meist von Serben bewohnt, haben gelegentlich der Ueversüsrung der Gebeine de« in« Jahre 1853 in Wien virstorvenen serbischen Dichter« Branko Naditschewitsch, di» nun in seiner Vaterstadt Karlowitz beigesetzt wurden, großserdische Kundgebungen stattgesunden. Die gesammte serbische Be- vötkerung Süduiiqar»« war in den beiden genannten Städten durch zahlreiche Deputationen vertreten. Am Festabend war die Stadt Karlowitz glänzend beleuchtet und die wenigen dort anwesenden Magyaren hielten, e« für opportun, sich unsichtbar zu macken. Bei dem Banket der Festseier galt der erste Toast dem Kaiser Franz Joses, der zweite dcu Gästen au« Serbien, B»«nien und Montenegro. Auch der Redacteur de» montenegrinischen AmtSblaite« „Gla« Tscherliagorza" war anwesend und hielt eine Rede. Er schloß dieselbe mit den Worten: „Ihr beglückwünscht uns zuletzt, aber da- ist ja nur eine Form; wir sind Euch doch die Nächsten. Da« ich hier verschweigen muß, da« versiebt Ihr, denn ich lese e« in Eueren Blicken! Glaubt mir, theuere Brüder, Tscbernagora wird i nmer Tschernagora bleiben!" — Diese Worte wurden von der Versammlung mil stürmischem, minutenlang währendem Jubel ausgenommen. * Eine ursprünglich für Nürnberg projectirtc Versamm lung katholischer Socialpolitiker au« Dcuiscdland »nd Oesterreich hat, wie der „Donau-Ztg." au« München geschrieben wird, im vorigen Monat in kein dem Fürsten zu Löweirstein gehörigen Schlosse Haid in Böhmen statt« gesunde». Die Vcrathungen nahmen vier Tage in Anspruch und sükrtc» zur Ausstellung eine» socialen Neforinprogranim«, mil dessen Redaclion und Erläuterung der Chefredakteur deS Wiener „Vaterland", Baron Vogelfang, betraut worden ist. Die Tkeiliiehnier an der Versammlung, fast ausschließlich der Geistlichkeit und dein hohen Adel angehörig, hatte» sich daS Wort gegeben, über de» Verlaus und AuSgang der Debatten einstweilen nicht« in die Ocssentlichkeit gelangen zu lasse»; und so erklärt eS sich, daß säst ein Monal vergehen konnte, ehe man über die Beschlüsse der Versammlung, der auch ein eit Jahren in der Verbannung lebende« Mitglied de- preu- jischcn Episkopal« beiwohnte, auch nur ein Wort erfuhr. Die von der Versammlung gefaßten Beschlüsse sind nunmehr im Iuliheste der von Baron Vogelfang in Wien herausgegebenen „Monatsschrift für Gesellschaftswissenschaft re." (Augsburg, literarisches Institut) zur Veröffentlichung gelangt. * Die in Rom erscheinende „Rassegaa" läßt sich auS Wien berichten, daß im Triester Stadtgebiete, sowie in Krain eifrig nach Ragosa, dem in Udin« freigesprochenen Begleiter Oberdcmk'S, geforscht werde. Die österreichische Polizei will nämlich erfahren haben, daß Ragosa, der aller dings vor einiger Zeit au» Italien verschwunden, in Triest gesehen worden sei, von wo er sich nach Krain gewendet haben soll. In Folge dieser Vermutbung seien in Laibach und AdelSberg mehrere Italiener verhaftet worden, welche die Polizei irrthümlich für Ragosa gehalten bade. — Andere italienische Blätter lassen sich auS Laibacy und Triest um- iändlich über den großen BewachungSapparat berichten, mit dem der Kaiser Franz Josef während seiner jüngsten Reife in Krain umgeben gewesen wäre. So sei auch die berühmte AdelSberger Grotte vor dem Besuche de« Kaiser« von einer ganze» Schaar Geheimpolizisten unter der Ausühruna eiue« Hosrathe« genau durchsucht und al-dann, bi« zur Ankunft de« Kaiser», für da« Publicum geschlossen worden. * Der für Wilna neu ernannte katholische Bischof Hryniewiecki, über dessen Einzug wir jüngst berichtet» bat seine AmtStbätigkeit damit begonnen, allen Juden, welche in den dem römisch - katholischen Consistorium gehörißen Häusern wohnen, die Miethe zu kündigen. Sämmtlich« katholische Hausbesitzer Wilna» haben diese» bischöfliche Bei spiel sofort nackgeabmt, wodurcy sich über 400 jüdische Fa milien um andere Wohnungen Umsehen müstcn. Der Bischof hat bereits drei Mal gepredigt. DaS Volk strömte so massen haft zur Kirche, daß etwa 2000 Personen in derselben nicht Raum fanden, waö sie aber nicht hinderte, sich außerhalb der Kirche auf die Kniee zu werfen. Da noch fortwährend große Sckaaren Landleute in FesttaaStrachl zuströmten und da« Ge dränge bedenklich wurde, so sah die Polizei, um UnglückSsälle zu verhüten, sich veranlaßt, Ordnung zu schaffen. * AuS Petersburg ist der Wiener „Pr." die Nachricht zugegangen, daß die Stellung des Ministers Gier» er schüttert sei. Die Panslavisten und Moskowiter intriguiren gegen ihn, indem sie ihm eine zu groß« Nachgiebigkeit gegen über dem deutsch-österreichischen Bündnisse und daö Zustande kommen der Tripel-Alliance, die er nicht verhindern konnte, zun, Vorwürfe machen. Ob diese Nachricht glaubwürdig ist, wird wohl erst später entschieden werden. Vorläufig scheinen die Verhältnisse Mißtrauen zu rechtfertigen. An ent scheidender Stelle liebt man die Ruhr, und der Zar wird sich wohl noch der Situation vor der Ernennung de» Herrn v. GicrS zum Minister de« Aeußern erinnern, die durch die Einmischung der Ehauvinisten in vie äußeren Angelegenheiten für ilm so unangenehm wurde. Wenn aber auch vie Nachricht der „Pr." dementirt werden sollte, so ist doch La» Auftauchen derartiger Gerüchte eiu zu beachtende» Symptom. Die Krönung hat in den Negierung-Verhältnissen nicht» geändert, cS aoitiren noch dieselben unheimlichen Kräfte wie vorder, deren Spielball ein schwächlicher Autokrat schließlich bleibt. * In Rom spielt sich gegenwärtig anläßlich der am Sonntag erfolgten Stichwahl eine» Dcpulirten zwischen dem Sohne Garibaldi'S, Ricciotti, und dem Urheber des Projekt» einer Weltausstellung in Nom, Orsini, eine skandalöse Angelegenheit sehr bedenklicher Art ab, die sicher lich auch im Parlamente zur Sprache gekrackt werden wird. Im ersten Wahlgange hatte zwar Orsini die relative Mehr heit erlangt, uninittelbar nachher traten jedoch die Anhänger Ricciotti'S ,»it der Bebaupluug vor die Oefseiitlichkett. daß Orsini sich seinem Mitbewerber gegenüber aufs Bestimmteste verpflichtet habe, im Falle einer Stichwahl mir dem jüngeren Garibaldi seine Candivatur zurückzuziehen. Diejenigen Blät ter, welche bis dahin die Wahl Orsini'« unterstützt hatte», wurden in Folge dieses ganz unverständlichen V»>gan«eS stutzig und forderten zum Theil die Wähler aus, de» Wcch^ urnen überhaupt sernzubleiben. Im Hinblick aus die Ver bindungen, welche R>cciolti Garibaldi mit den italie»iich«i Republikanern unterbält, mußte ein derartiger Verlaus ois WahlkampseS den Liveralen büchst bedauerlich erscheinen, zumal da Ricciotti im Ruse eine» wenig lanlercn Charakter- steht, vielmehr seit geraumer Zeit die bedenklichsten Gerückte über ihn verbreitet sind, »nd er sogar betrügerischer Hand lungen beschuldigt würbe. Orsini, der in der Angelegenheit bleichsallS eine wenig regelmäßige Haltung beobachlel hat, ver suchte inzwischen sein Vorgehen zu rechtfertigen. In der jetzt vorliegenden „Rassegna" werden die Aclenstücke über den Fall veröfsenllicht. Hiernach fand sich Ricciotti Garibaldi zwei Tage vor der Wahl bei Orüiii ein und erpreßte von ihm die Erklärung, wie folgt: „Orsini". äußerte er, „Sie haben sich mir in den Weg gestellt; Sie sind b»S einzige Hinderniß für den Triumph meiner Partei, die ich mittelst großer Mühen und Opfer seit einem Iabre zu bilden vermocht babc. Sic müssen auf den Kamps verzichten, und wenn Sie die» nicht thun, so erkläre ich Ihnen in Ruhe, aber mil Entschlossenheit: wir werden Sie unter die Druckerpresse bringen- („vi mettorcmo sotto i torcdi"). Diese« Verhalle», welche« thatsächlich al- Erpressung be zeichnet werden kann, war nun für Orsini entscheidend, der zwei Tage vor der Wahl, einen Skandal befürchtend, die Erklärung abgab. im Falle einer Stichwahl znrückzulrekcn. Orsini fürchtete weniger, bei der Wabl eme Niederlage zu erleide», al» durch verleumderische Artikel in den Blättern
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